51


6 Seiten

Saturday Night Pizza

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
All'arrabbiata: pikant

Ich kann es nicht lassen. Unweigerlich führt die Hand den Hörer ans Ohr, um wieder eine Pizza zu bestellen, bei Ihm. Mit einem verbrannten Kartoffelgratin hat alles angefangen: Das Mittagessen war verdorben, aber mein Blick fiel auf die Broschüre vom Pizza-Service...
Seit er mir eine Pizza geliefert hat, ist es mir egal, ob die Pizza in der Mitte schon kalt ist oder triefend vor Öl, ob mit Champignons oder Anchovis. Ich gehe der Reihe nach vor, heute ist es Nummer acht: All’arrabbiata.
Obwohl ich kaum noch schlafe und meine Freunde durch meine Geistesabwesenheit erheitere, wage ich nicht, ihn häufiger als alle zwei Wochen herzubestellen. In meinen Träumen verspeisen wir uns gegenseitig zwischen gewaltigen Steinöfen, in denen Hefeteig genüßlich quillt oder inmitten von halb vorbereitetem Gemüse und duftenden Gewürzen. Aus dunkelroten Tomatenhälften blutet der Saft aus, während die Salatblätter begierlich Tropfen aus dem Hahn sich einverleiben, sie rinnen über die zartgrünen Ränder bis tief ins hellere Salatherz. Er flüstert: "Du bist gewachsen wie ein Garten von Granatäpfeln, mit edlen Gewürzen, Oregano und Thymian, Basilikum und Rosmarin."
Diese Zeilen kommen mir bekannt vor, doch da Worte nun überflüssig, denke ich nicht weiter darüber nach. Wir haben besseres zu tun in meinen Tagträumen.
Seit fast acht Wochen nehme ich mir vor, ihm beim nächsten Mal mehr zu entlocken als ein "Hier ist Ihre Pizza." Es ist immer derselbe Tonfall. Immer sind auch meine Zähne zusammengeklebt wie Käse und Tomaten und mein Blick wohl so intelligent wie der eines Karpfens. Jedesmal hasse ich mich. Wilde Pläne hab ich schon geschmiedet: Italienisch zu lernen oder in seinem Pizzaservice zu jobben.
Zum achten Mal öffne ich ihm die Tür "Hier ist ihre Pizza." sagt er und lächelt unverschämt süß.
Ich nehme allen Mut zusammen:"Mögen Sie eigentlich, was Sie immer ausliefern?"
"Ja, sicher."
"Darf ich Sie dann auf ein Stück einladen?"
"Oh, ich weiß nicht, was ich sagen soll, das ist sehr nett, aber ich glaube -"
Beschwörend lege ich meine Hand auf seinen Arm: "Sie werden doch zwischendurch einmal eine Pause machen dürfen."
"Si, ich habe im Moment auch keine Pizzen mehr im Auto."
"Kommen Sie herein." Ich ziehe ihn mit sanfter Gewalt in die Wohnung.
Seufzend schließe ich mein geistiges Auge, da es klingelt. Vor mir ein fremdes Gesicht.
Knapp verkündet er: "Einmal All‘ Arrabbiata?"
Ich bin leicht fassungslos. "Äh, Ihr Kollege, Marco, ist er krank?"
"Nein, er paßt heute auf seinen Sohn auf, seine Frau muß arbeiten." erklärt er.
"Oh." mache ich nur und starre auf meine Schuhspitzen.
"Was ist nun mit Ihrer Pizza?"
Blödes Italien, denke ich später, und kippe den Karton in den Mülleimer. Ich habe Pizza eigentlich noch nie gemocht.


Alla Romana: Klassiker

Es ist einer dieser trostlosen Samstagabende - keine Party, kein Fun, in der Glotze immer noch Krieg der Ameisen, und das schlimmste, kein ruhmeskündender Kater in Sicht für Sonntagmittag. Meine Kumpels drücken sich händchenhaltend mit ihren Schnecken in irgendwelchen Kinosesseln herum, meine Liebste sitzt in Frankreich, wo ihr bestimmt schon ein Piärr oder Rieschahr zunaherückt. Meine Eltern könnte ich besuchen, aber an einem Samstagabend würde ich daran vollends verzweifeln.
Ich werde mir eine saftige Pizza bestellen und als mich als Couchpotato in meinem Frust wälzen.
Sie haßt es , wenn ich jede noch so kleine Broschüre aufhebe. Diesmal allerdings sind die circa 50 Faltblätter von unschätzbarem Wert: Sie bescheren mir anderthalb Stunden Preis- und Belagvergleich, bis ich dann doch den Service zwei Straßen weiter anrufe. Der Typ am anderen Ende klingt mindestens so gelangweilt wie ich.
Egal, sein Kollege ist jedenfalls schnell. "Hier ist deine Romana."
Mit einem "Danke" wühle ich in meinem Portemonnaie.
Die Tür ist noch keine zwei Sekunden ins Schloß gefallen, da schlage ich die freie Hand vor den Kopf, greife nach meinem Schlüssel, denke noch: ‚Was machst du da eigentlich?‘ und folge ihm. Er ist längst eingestiegen und sieht überrascht meine die Treppe herunterstolpernde Gestalt. "Ist die Pizza nicht in Ordnung?"
"Oh, die ist sicher prima. Ich wollte nur wissen-" Abwartend schaut er mich an. "Ich habe mir gedacht, ob ich vielleicht mitfahren könnte. Ich würde selbst mit dem Auto herumfahren, wenn ich eines hätte, und mit der U-Bahn möchte ich eigentlich nicht - " Ich stocke, und frage mich, ob meine Worte für ihn irgendeinen Sinnen ergeben.
Sein Kommentar lautet:"Langeweile, hm? Also, eigentlich bin ich ja kein Taxiunter-nehmen."
"Natürlich fahre ich später selbst nach Hause, mit der Bahn."
Einen Moment lang starrt er vor sich auf die Straße. Ein prüfender Blick auf meine Wenigkeit, bevor er gnädig erklärt: "Na, was soll´s. Steig ein."
Im Wagen riecht es nach nassem Hund und einem Hauch von Knoblauch. Ein paar Sekunden weiß ich nicht ,was ich sagen soll und gucke geradeaus. Schließlich frage ich das erstbeste, was mir einfällt: "Welche ist eigentlich die beliebteste Pizza bei euch? Ich meine, welche wird am häufigsten bestellt?"
"Oh, da gibt es mehrere, z.B. die Passione oder die Quattro Stazioni. Du mußt wissen, Der Name ist oft ganz entscheidend. Schon sein Klang weckt Bilder im Geiste. Nehmen wir z.B. La Romantica. Denkt man da nicht gleich an Kerzenschein und Vollmond? Und die Städte erst. Eine Romana wirkt ganz anders als eine Napolitana, das ist eine ganz andere Seele, verstehst du, dazwischen liegen Welten. Mein Großvater meinte immer: ‘Ein Name muß sein wie ein Gedicht, nicht zu lang, einprägsam und vor allem muß er das Gefühl ansprechen - berühren."
"Ich wußte gar nicht, daß so viel...Philosophie dahintersteckt." bemerke ich anerkennend.
"Ach was, Philosophie. Verkaufstrategie!"
"Hast du eine Lieblingspizza?"
"Das ist jetzt aber sehr persönlich." warnt er mich.
"Schon gut, schon gut."
Wir werden von seinem biependen Handy unterbrochen.Bald sind wir beim Service, wo er mehrere Pizzen abholt, ohne Zeit zu verlieren.
Kaum sind wir erneut unterwegs, brennt es mir auf der Zunge: "Ich hab mich gefragt, wer hatte eigentlich als erstes die Idee, einen PizzaService aufzuziehen?"
"Frag das meinen Großvater und er wird behaupten, sein Urgroßvater war´s. Nee im Ernst, ich habe keine Ahnung. Wie auch immer, gute Frage. Das ich darauf noch nicht selbst gekommen bin...Bestimmt haben sich das ein paar Geschäftsleute in Amerika ausgedacht."
"Gesponsert von der Cosa Nostra?" wage ich provozierenderweise einzuwerfen.
"Vorsicht." Ein finsterer Blick und ich verstumme lieber.
Nach einer Pause meint er: "Ich verstehe gar nicht, daß die Leute immer nur Pizza bestellen. Wir haben so viele schöne andere Sachen auf der Karte, z.B. Timballo di Melanzane, das ist Auberginen-Schinken-Auflauf, oder Zuppa di Pesce Siracusana. Und die Dolci, ich sage dir...Vergiß Tiramisu. Mandelmakronen finde ich unschlagbar. Pizza ist ein Klassiker, natürlich aber gleichzeitig so..."
"Trivial?" versuche ich zu erraten.
"Das ist es, das Wort habe ich gesucht."
Einen Freund fürs Leben habe ich wohl nicht gefunden an diesem Samstagabend, dafür weiß ich jetzt, wie man Tarallucci macht, eine Art Schmalzkringel. Und ich kann nur sagen: Un miracolo dell’arte della cucina.

Frutti di Mare: Feinschmecker

Seit ich einmal eine lauwarme Pizza mit bereits sich erhärtendem Käse geliefert bekommen habe, mißtraue ich der Institution Pizzaservice. In meinen Augen muß eine Pizza knusprig, locker und gerade soweit abgekühlt sein, daß man sich nicht mehr die Zunge verbrennt, auf keinen Fall darf durch das Kondenswasser die Papphülle durchweichen, eine Gefahr, die leider nie ganz ausgeschlossen werden kann. Ein bißchen karzinogenes Angebranntes am Teig stört mich keineswegs, kriminell dagegen völlig verschrumpelte, ausgetrocknete Tomaten mit Schale. Fingerdicke Salamischeiben sind Anathema, für mich ein Grund zum brechreizartigem Ekel. Nach manch kochenden Experimenten bin ich zu der heimlichen Überzeugung gelangt, die Kunst des Pizzabackens sei im Grunde nur von denen wirklich erlernbar, die mit Pasti und Antipasti aufgewachsen sind.
Nichtsdestoweniger hat meine Sympathie für die Pizza kaum Schaden erlitten und so gebe ich heute abend (im Kühlschrank gähnende Leere) wieder einmal ich der alten Schwäche nach und hänge mich ans Telefon. Ich erkläre gleich, ich werde meine Bestellung selbst abholen ( denn Selbstabholer bekommen 15% Rabatt). Der Service namens "Il Gattopardo" war nur drei U-Bahnstationen entfernt, und da bis 19.00 Uhr die U-Bahn alle fünf Minuten fährt, bin ich mir sicher, daß ich diesmal eine wohltemperierte Quattro Formaggi verspeisen kann.
Kaum bin ich die fünf Treppen unseres hübsches Altbaus hinuntergestiegen, da wird mir klar, dass mein Haustürschlüssel noch am Bord hängt und ich also später den Hausmeister deswegen belästigen muss.. Mein mittlerweile im Fiß-Moll knurrender Magen lenkt mich von dieser unangenehmen Erkenntnis allerdings schnell wieder ab. Auf der Treppe der U-Bahn-Station nehme ich drei Stufen auf einmal, denn die Bahn ist gerade eingefahren. Doch auf der vorletzten muß sich mein Körperschwerpunkt versehentlich gefährlich verlagert haben, denn ich stolpere und reisse die pummlige Frau vor mir mit zu Boden. Ihre Einkäufe verteilen sich über dem Bahnsteig, entsetzt sehe ich eine Orange auf die Bahn zurollen.
Mit zornigerem Gesicht als diese Frau könnte man sich keine Entschuldigungen anhören. Glühend vor Verlegenheit helfe ich ihr, Obst und Gemüse aufzusammeln, auch wenn darüber selbstredend die Bahn losfährt und ich warten muss.
Draußen hat es zu regnen begonnen. Nicht der übliche Niesel, sondern "Cats and Dogs", wie der Engländer sagt. Im "Il Gattopardo" steht eine geduldige Schlange von Selbstabholern bis unter die orangerote Markise. Als ich schließlich meinen in keinster Weise durchweichten Pizzakarton in Händen halte, sind seit Verlassen meiner Wohnung 24 Minuten vergangen, vor allem aufgrund der Jagd nach dem rollendem Gemüse auf dem Bahnsteig. Doch haben weder ich noch die Frau von unserem Sturz Blessuren davongetragen und die 24 cm Durchmesser Frutti di Mare duftet köstlich.
So fühle ich mich nach allem als Sieger, und im Hochgefühl der Erwartung eines kleinen Kunstwerkes aus Hefeteig mit einem Glas erlesenen Rotweins gehe ich beschwingt zurück zur U-Bahn. Hinter der gelben Markierung an meiner Heimatstation warten die Kontrolleure. Aber das kann mir die Laune nicht verderben. Strahlend drücke ich einem von ihnen meinen Karton in die Hand:
"Halten Sie bitte mal?"
Mein Lächeln schwindet, da ich im Geiste das Bild meiner verlassenen, ja verwaisten Monatskarte auf dem Unterteller meiner Teetasse entdecke. Der freundliche Herr lächelt liebenswürdig über mein Stammeln: "So, Sie haben sie vergessen. Das tut mir leid für Sie, aber ich bekomme 30 Euro von Ihnen."
Diese teuerste Pizza meines Lebens - trotz eines Rabattes von 15% - sollte meine letzte gewesen sein, habe ich mir geschworen. Man muß kein Italiener sein, um wenigstens Spaghetti kochen zu können. Schließlich behaupten auch die Chinesen, sie hätten die Nudel erfunden.

© Andrea Kerlen 2001
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Ich habe Hunger...

Holmes (08.12.2007)

Amüsanter Blick auf die meisten Pizza-Sorten, leicht und locker geschrieben.
Es sei dem Verfasser aber angeraten, die Überarbeitungsfunktion einzuschalten und alle Tippfehler zu beseitigen, das stört den Lesefluss.


Lies Warmeling (04.03.2003)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Offline  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De