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Die zwitscherne Glocke

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
In Europa in irgendeinem Land und in irgendeinem kleinen Dorf steht eine Kirche. Sie ist nicht größer, als irgendeine andere und wohl auch nicht schöner, aber sie hat eine schöne und auch einzigartige traurige Geschichte.

Acht riesige Eichen betten das Gotteshaus ein. Von weiten sieht es so aus, als würden die Bäume trotzig versuchen noch weiter in den Himmel zu reichen als die Kirche und viel fehlt daran nicht. Vielleicht wird schon bald nur noch der goldene Wetterhahn zwischen den Bäumen hervorgucken. Es ist ein schöner Bau. Rote Backsteine ziehen sich bis ganz nach oben und schließen dann an ein dunkel graues Dach an, auf dem die aberwitzige Natur den Samen eines Baumes geweht hat, der dort nun grünlich zart sprießt. Dort oben hat auch ein Turmfalke sein Nest und segelt Tag für Tag von Baum zu Dach oder anders herum. Nebenbei entfernt er lästiges Getier und daher hat man ihn gern bei sich. Die gesamt vordere Front der Kirche ist ein riesiges großes Tor aus schwerem Holz. Ganz simpel und unverziert. Nur die Griffe des Tors sind ein wenig geschwungen. Über dem Tor hängt ein Kreuz. Es schimmert im Licht silbern, aber ist von unedlerem Metall gemacht. Der Weg zum Eingang führt an Heckenrosen vorbei, in denen im Sommer die Bienen summen und im Winter die Igel schlafen. Hinter dem Haus liegt ein kleiner Friedhof, mit ungefähr 50 Gräbern. Es war und ist eben schon immer ein kleines Dorf gewesen und außerdem gibt es da noch einen anderen Friedhof am Ende des Dorfes.
Auch der Friedhof ist mit duftenden Blumen bepflanzt und man denkt eher man befinde sich in einem herzoglichen Park als auf einem Friedhof. Nur die Grabsteine zeigen wo man ist.
Überall sieht man Vögel. Sie trillern, pfeifen und zwitschern die schönsten Melodien und wenn man ganz genau zuhört, hört man eine Geschichte heraus, die sich vielleicht so zugetragen hat, wer weiß....

Vor langer Zeit an diesem Ort, lebte ein Pfarrer in einem Haus neben der Kirche. Es war ein wirklicher frommer Mann, was man hier sagen muss, denn auch unter Schafen gibt es Wölfe. Wenn einer in dem Dorf ein kleines Wehwehchen oder Kummer hatte, war der Pfarrer die erste Adresse. Für alles brachte er Verständnis auf und half, wo er nur konnte. Dem Otto von drüben gab er Essen als der erkrankte und so manchen Streit hatte er zu schlichten. Im Dorf nannte man ihn deswegen im etwas witzigen Sinne ?den Erleuchter?, weil er immer froh war und jeden Menschen ein wenig Glanz und Hoffnung gab. Dieser Pfarrer, der Erleuchter, hatte mit vielen diese Kirche aufgebaut. Jeder einzelne Stein war durch seine Hand gewandert und sein Schweiß war genau so Baustoff, wie der Lehm der vom Felde kam. Als der Bau dann fertig war und der Erleuchter selbst den Hahn auf die Spitze der Kirche setzte fehlte nur noch das Wichtigeste. Die Kirchenglocke! Diese war bestellt und er selbst holte sie aus der fernen Stadt. Sie kostete mehr als ein Haus und dem Pfarrer und seinen 9 Helfern kam es auch so vor als wiege sie genauso viel.
Es gab ein riesiges Fest im Dorf, das die Glocke einläutete. Die Menschen lachten, sangen und tanzten, und die Vögel in den Bäumen, die damals noch viel kleiner waren, sahen dem Treiben mit Belustigungen zu. Für sie war der Klang der Glocke, der so eben gehört worden war, auch ein Vogel, aber sie verstanden nicht, warum der neue Vogel so viel Beifall erntete. Bei Vereinzelten Federtieren kam auch eine Spur von Neid auf, denn sie zwitscherten täglich und alles was sie ernteten waren Kinder die nach ihnen mit Kirchkernen schossen oder, noch schlimmer, man nahm sie gar nicht wahr.
Mit der Zeit verschwand jeder ?Beifall? aber so bald der neue Vogel anfing Laute von sich zu geben, kamen die Menschen und gingen in das Haus, so als würde das fremdartige Gezwitscher es den Menschen befehlen. Das machte Eindruck und schon bald wussten die Elstern, Raben, Tauben und Spatzen wann ungefähr der Vogel zwitscherte. Dann waren alle still, warteten und als der Vogel mit seinem Gesang fertig war, fingen sie an zu versuchen sich mit dem neuen zu unterhalten. Aber der war eingebildet und wollte nicht. Deswegen gaben die Vögel die Versuche auf und die Glocke blieb ein unbeliebter Nachbar.
Jahre später, der Pfarrer erlebte schon das 80. Jahr, begab es sich, dass der Erleuchter zu einen Schlichtgespräch zweier Bauern gebeten worden war. Es ging um eines Gans die über einen Zaun gesprungen war und nun in der Herde des Nachbarn lebt. Dieser beanspruchte diese aber für sich. Das Geschrei war groß, dass kann man sich denken. Der Pfarrer kam auch in allerletzter Minute und konnte gerade noch eine handfeste Rangelei beenden. Dem Pfarrer genügte dazu ein einziges Wort. Am Ende war dann auch die Schlichtung erfolgreich und er ging zufrieden nach Hause. Über die Schulter eine tote Ente, die er ablehnte, aber dann aus Höflichkeit dann doch mitnahm. Kurz vor seiner Haustür, gerade hatte er seinen Schlüssel in das Schloss gesteckt und halb rumgedreht, fing auf einmal sein Herz ganz schnell zu schlagen an. Das Atmen schmerzte, er konnte gerade noch ganz aufschließen und dann fiel er einfach um.
Genau in dieser Minute, es war schon spät am Abend, schreckten alle Vögel auf, sogar lauter als sonst hörte man die Glocke schlagen einmal zweimal dreimal.
In den Häusern gingen überall die Lichter an, die Leute kamen heraus und alle waren mit einem Mal bei der Kirche. Noch immer summte die Glocke leise.
Dann fand man ihn und es gab keinen im Dorf der sich in dieser Nacht noch hinlegte. Man brachte den Mann in die Kirche hinein, legte ihn vor das große Kreuz und weinte. Jeder kannte ihn. Er hatte sie verheiratet, getauft, ihre Lieben mit warmen Worten beerdigt und jeder aus dem Dorf hatte wenigstens einmal in seinem Leben bei ihm gebeichtet und nun lag er da. Seine Augen hatte irgendwer zugemacht und das Gesicht zeigte ein friedvolles Bild. Es schien sogar als würde es etwas sagen wollen. So etwas wie ?Jetzt ist meine Zeit gekommen und ihr müsst euren Weg weitergehen. Jeden von Euch werde ich empfangen. Ich bin bei Euch?. Ja das hätte er wohl noch gesagt. Das ganze Dorf blieb bis zum Morgengrauen in der Kirche. Wer aber die Glocke dreimal läutete blieb ein Rätsel. Die Kirchentür war verschlossen gewesen und noch nie erklang die Glocke drei mal. Die Abergläubischen meinten wohl zu wissen, der Pfarrer selbst als Geist sei es gewesen, aber jeder soll sich selbst denken was geschah.
So wie die Vögel. Auch sie blieben diese Nacht wach. Sie sahen auf das Zwitschern der Glocke wieder alle Menschen kommen, einer kam sogar im Schlafe und weil er noch schlief, mußte man ihn tragen. Das war zuviel. All der Neid schlug in Hass um. Und unter sich schmiedeten die Vögel einen Plan zurecht, der den Vogel entfernen sollte. So oder so. Der Vogel war die ganze Zeit im Turm gewesen und noch niemand hatte ihn gesehen aber man wusste dort von der Luke auf dem Dach kommt sein Gezwitscher her. Bei seinem nächsten Ton wollte man irgendwie angreifen, aber das nächste Mal blieb aus.
Es fand sich kein neuer Pfarrer der, der Stelle des Erleuchters gewachsen war. Die Kirche stand da und wurde immer grauer. Den Vögeln wurde mit der Zeit der Plan aus dem Hirn genommen und irgendwie vermissten sie den Klang der Glocke, das Zwitschern des ?Neuen?.
Sie fragten sich, warum pfeift der eigenartige Vogel nicht mehr und irgendwann überwanden sie ihre Angst und schauten nach.
Heute sieht man am Himmel an einem Sonntag Morgen viele Vögel und alle sieht man in den Glockenturm fliegen.
Dort schlägt eine graublaue Taube ihren Schnabel gegen des Metall und alle Vögel sind still und lauschen dem Zwitschern ihres Freundes.
Und der Klang der Glocke weht auch über ein Grab am äußeren Ende des Friedhofs, auf dem in goldener Schrift nur zwei Worte stehen: ?Der Erlöser?
 
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Kommentare  

Die Storie hat mir sehr gut gefallen, kann sie aber nicht Einordnen.
Deshalb kurzer Kommentar.
5 P.


NewWolz (19.03.2003)

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