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4 Seiten

Ich bin der Tod II

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© ferenczi
Ein freundlicher warmer Sommerabend. Ich gehe mit Rammstein spazieren, der kleinen Dackel-Terrier -Mischung meines vorwitzigen WG-Nachbarns.

Innerhalb der Ortschaft versuche ich ihn mit "Komm" zu rufen, wenn er über die Straße will oder zu lange an einer Stelle schnüffelt; er hört aber nur auf Rammstein und ich schäme mich. Nach einer Viertelstunde hat er immer noch nicht gekackt und ich entschließe mich ,einen Feldweg außerhalb der Ortschaft einzuschlagen, vielleicht animiert ihn der Geruch des Roggenfeldes, der unbegrenzte Auslauf, was weiß ich...

Euphorisch wetzt er mit den Stummelbeinen durchs hohe Gras, während ich gedankenverloren 10m hinterhertrotte.

Ich weiß nicht mehr an was ich gerade gedacht habe, es war wirklich nichts besonderes , glaube ich, da merke ich, wie plötzlich ein starker Wind aufkommt, einfach so , von einer Sekunde zur anderen; fast zeitgleich wird es richtig dunkel, etwas rot-lila verfärbt am Horizont , aber sonst : richtig dunkel!

Mann! ... `n Gewitter oder was? , denke ich noch. Ich schau mich suchend um, kann Rammstein aber nicht mehr sehen. Shit!

Die Getreidehalme biegen sich wie von roher Gewalt bewegt in alle Richtungen, ich sehe eigentlich nur noch die Ähren schimmern und höre wie eine Böe nach der anderen brausend durchs Feld fährt. Meine Klamotten flattern wild an meinem Körper herum, die Haare wehen mir in die Augen und ich tippe langsam auf den dicksten Hagelschauer about to come seit Menschengedenken . Es wird auch unangenehm kalt und ich halte wieder verzweifelt Ausschau nach dem verschissenen Hund ..., da fängt es unmittelbar vor mir an , hell zu flackern.

Es entsteht, begleitet von monströsem heulendem Getöse eine Art gleißender Lichtkegel, so ca. ein Meter über dem Boden.

Das helle Licht blendet total und ich blinzle angestrengt hinein.

Dafür läßt das ohrenbetäubende Brausen nun allmählich nach.

Ich blinzle neugierig weiter und nach einer Weile mache ich tatsächlich die Umrisse einer menschenähnlichen Gestalt aus , also auch so ein , zwei Meter über dem Boden, wohlgemerkt. Immer noch erschrocken und vorallem ungläubig sehe ich jetzt klar einen Mann vor mir schweben: ziemlich groß , so zweieinhalb Meter, die Gliedmaßen länglich verzerrt, im schwarzen Frack mit Zylinder , ungef. 50/60 jährig, eine insgesamt elegante , aber zugegebenermaßen einschüchternde Erscheinung, nicht zuletzt wegen dem arroganten und sehr gereizt wirkenden Gesichtsausdruck.

"Ich bin der Tod."

Der mit unnatürlicher Abgeklärtheit und tiefer, sonorer Stimme ausgesprochene , lapidare Satz, verfehlt seine Wirkung bei mir nicht.

Ich bin, zumindest ob der Fremdartigkeit wie auch der überzeugenden Wirkungskraft dieser Erscheinung irritiert und ein pessimistisches Gefühl beschleicht mich für einen Augenblick.

Doch nur für einen Augenblick und schon nach kurzem Nachdenken besinne ich mich auf meine Schulbildung, na, zumindest auf die naturwissenschaftlichen Fächer, ha; schreite entschlossen auf den Mann zu , strecke meine Hand aus, will ihn berühren - und fasse ins Leere.

Hm. Vielleicht eine Projektion von irgendwoher, aber ohne Leinwand?

Hat mir Burkhard die dumme Sau Hasch in den Tee getan oder was? Also , wenn mich hier jemand verarschen will, wie haben die den Himmel bis nach Apeldorn so dunkel gekriegt? Unmöglich, muß Hasch oder was anderes sein. Oh, mann, denke ich so bei mir, wie komm ich jetzt nach Hause? Ich seh kaum was, der Hund ist weg ...

Ich bemühe mich , die Gestalt zu ignorieren, welche mich genau beobachtet und rufe entschlossen und verärgert- wenn Burkhart wirklich..., boa, der kann was erleben, die arme Sau-ich rufe also ins undurchdringliche Schwarz nach dem Hund.

"Rammstein! Rammstein!Komm!"

Ich warte ungeduldig, mir wird langsam mulmig, ich fühl mich so orientierungslos und will gerade wieder rufen, da ertönt erneut der tiefe Bass:" Ich bin gekommen , um Rammstein zu holen." Obwohl ich an die Drogen - Version glaube und also an die rein halluzinatorische Existenz dieser Person und obwohl mir der Hund inzwischen fast egal ist , spüre ich aber doch plötzlich eine starke Abneigung dem Mann gegenüber aufkommen.

"Ja, mein Gott, dann nimm ihn doch mit , warum machst du denn so`nen Aufstand? Sturm, Dunkelheit- sowas Albernes!" ereifere ich mich.

"Du sollst wissen", der bisher unheimlich ruhige Ton wurde jetzt menschlicher und verriet durch die zunehmende Schärfe ein bestimmtes Maß an Erregtheit," du sollst wissen, daß du nichts weißt!"
Das " nichts" betonte er gehässig.
Oh nein, so ein Blödsinn, denke ich bei mir.
"Ja, gut, aber dann sag` mir doch bitte, was es zu wissen gäbe."

Ehe er antwortet , legt er eine dramaturgische Kunstpause ein und entgegnet schließlich in überlegener, fast klischeehaft jenseitiger Manier:
"Nichts."
"Ich soll gar nichts wissen?!"
"Du kannst gar nichts wissen!"
"Aber die Wissenschaft-"

Nun gab sich der Tod einem - wie es sich für den Tod gehört - bizarren, ausufernden Lachen hin und meine Antipathie wuchs. Nervtötend langsam nur ebbte sein zynisches Gelächter ab, bis er sich dann wieder vernehmen ließ, immer noch zeitweise unterbrochen von einigen Glucksern:

"Ja, die Wissenschaft forscht und forscht, ha, ha, sie erforscht die Materie, die stofflichen Dinge, ich bin aber nicht stofflich und ich existiere auch , wie du siehst... ha, ha, ha, haaaaaaaa....!"

So. Dieses arrogante Arschloch.Das Fass ist übergelaufen und ich schreie ihn an: "Waaas wiiillst duu voon miiiiir?!?Du nervst mit deiner sinnlosen Herumphilosophiererei. Der Tod gehört zum Leben, das ist klar, aber der Tod als Person ist so sinnlos, das es wehtut, vorallem, wenn er so einen Blödsinn labert! Hau aaaab!"

Es ist mir klar, daß ich möglicherweise vor der Kulisse eines schönen Sonnenunterganges in ein Roggenfeld hineinmonologisiere. Subjektiv stellt sich mir die Situation aber anders da und darum reagiere ich auf sie , als ob sie real wäre.

Und wenn es wenigstens zu dem Ergebnis führt , daß ich einmal ganz offensiv mit meinem Unterbewußtsein in Kontakt trete; wäre ja auch nicht zu verachten.

Das Gehässige in dem Ausdruck dieser Person tritt wieder etwas zurück und weicht einer selbstgefälligen Erhabenheit. Er schaut drein , als wenn er jetzt den Trumpf aus dem Ärmel schütteln würde.

"Meine Funktion ist die des Symbols. Viele Menschen brauchen das." Ich verharre selbstvergessen und sprachlos und merke nach einer Weile , daß mein Mund offen steht.
"Du meinst ich brauche das auch?" frage ich fassungslos.
"Ja."
"Ich ..."
"Der Hund liegt übrigens 20m von dir entfernt im Gras, rechts.Er hat Gift gefressen."
Ein ungutes Gefühl breitet sich in meinem Magen aus und ich stiefel ergeben und verwirrt in die angegebene Richtung.Tatsächlich, da liegt er. Scheiße. Die kurzen Beine im Krampf zur Seite gestreckt, die lange Zunge hängt aus dem überproportional dicken Kopf.
Burkhard wird sich nicht freuen.

"Ja , und jetzt?" frage ich gereizt. "Daß der Hund tot ist , ist traurig, er scheint ja auch gelitten zu haben, wie`s aussieht. Aber - " vielleicht konnte ich diese Erscheinung jetzt loswerden, " es ist nicht mein...."

"Der Hund ist nicht tot." wurde ich unterbrochen.
"Echt? Du meinst so eine Art Starre?" Hoffnung keimte in mir auf.Das wäre aber auch wirklich übel, wenn ich Burkhard den Hund so zurückbringen müßte.
"Du kannst die Ewigkeit nicht spüren , wenn du nicht an sie glaubst. Der Hund ist nur in eine andere Form der Existenz übergetreten, so wie du es auch einmal tun wirst.Dein Leben ist nur ein winziger Bruchteil der Ewigkeit."
Ich atme tief durch , seufze genervt und fass mir an den Kopf.
"Mit mir als die Personifizierung des Todes kannst du dich mit dem Gedanken an das stoffliche Ende deines eigenen Lebens oder dem von dir nahestehenden Menschen auseinandersetzen."

Mittlerweile befinde ich mich in einer resignierenden und zugleich aufgeheizten Scheißegalstimmung. Ich taste auf dem Boden umher und versuche irgendwas zum Werfen in die Hand zu bekommen. Da , ein harter Gegenstand. Ich hebe ihn auf , nehme Anlauf,rufe dabei wütend und entschlossen die Worte: "Ich kann ...- ich muß aber nicht!" und werfe den Gegenstand in die Richtung der Gestalt im Lichtkegel. Der Gegenstand fliegt zwar wie erwartet erst wie durch Luft hindurch, dann höre ich aber plötzlich einen seltsamen , splitternden Krach, wie wenn etwas zerberstet.

Außerdem falle ich irgendwo rein ...
In ein Grab! , schießt es mir tieferschrocken durch den Kopf.
Ich fühle unter meinen Händen , die sich aufstützen aber keine Erde sondern einen Teppich. Instinktiv, reflexartig greife ich nach rechts und halte tatsächlich ein Kabel mit einem Schalter in der Hand. Ich drücke den Schalter und endlich , endlich kann ich wieder was sehen!
Es ist zwar nur das schwache Licht meiner Nachttischlampe...
Meine Nachttischlampe!

Ich sehe mich um und entdecke vor mir auf dem Boden meinen Walkman in tausend Stücken zerbrochen herumliegen.Nein..., das gibts doch nicht, das darf nicht wahr sein! Ich weiß nicht wo mir der Kopf steht, bin verunsichert, ob das was ich jetzt sehe , denn wirklich real ist, bleibe längere Zeit so vor meinem Bett liegen und versuche nachzudenken.

Während ich so liege und grübele, fällt mein Blick auf mein Kommunionskreuz, ein vergessenes Relikt aus längst vergangenen Kindertagen, welches ich zwischen den Walkmantrümmern ausmache. Hab ich wohl mit dem Walkman heruntergeholt...

Was soll`s , ob der Mann in Schwarz oder Gott, eh alles dasselbe: ein Traum aus dem die Gläubigen wohl nur der Tod holen kann....

Vielen Dank an Philipp Pulger für die Inspiration
 
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Kommentare  

und zwischen tod und geburt salutieren flügelschwingen, ein Licht geht auf in meinem ich: menschen können sich noch finden. nach dem tod.

 (05.05.2006)

Gut geschrieben und ich habe beim Durchlesen an so manchen Stellen laut lachen müssen!

enelya (26.05.2004)

Gute Beschreibungen machen diese kleine Geschichte zu einem Hochgenuss des Lesens! Ich hoffe auf mehr Inspirationen! *meeeeehr!!!* grins!

SabineB (25.05.2001)

Hey, nicht schlecht.Die lockere Beschreibung gefällt mir...

esmias (19.05.2001)

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