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Auf den Dächern von Cherbourg

Kurzgeschichten · Erinnerungen
Es war eine kühle Frühsommernacht am 9.6.1944 in der Hafenstadt an der Nordwestküste des von Deutschland besetzten Frankreichs.
Vor vier Tagen hatten die alliierten Streitkräfte zwischen Le Havre und der Halbinsel Cotetin den Deutschen Atlantikwall durchbrochen und unter starken Verlusten das Strandgebiet eingenommen. Ihr Ziel war klar, die strategisch wichtige Hafenstadt Cherbourg.


Er saß beunruhigt von den plötzlichen Einmarsch der Feinde auf seinem Wachposten an einer Brücke. Tief im Herzen war er glücklich, endlich befreit zu werden. In seiner Einheit munkelte man seit langem von der Niederlage des Dritten Reiches, doch nun war sie zum Greifen nahe.
Aber es gab guten Grund zur Beunruhigung. Die Briten und Amerikaner würden nicht wissen, dass sie ihre Invasion erfreut hatte. Sie würden nur die grauen Uniformen, die MP 44 und die K 98 der Soldaten sehen, die jetzt schon bereit waren aufzugeben.
Doch man konnte nicht wissen, wem zu vertrauen war. Überall, in jeder Einheit trieben sich Spitzel der Gestapo herum, die einem beim Sprechen zu hörten und jedes einzelne Wort überprüften.

Das Schlimmste war allerdings, dass er selber den Befehl hatte mit einem Schuss zu töten. Bert Acker war ausgebildeter Scharfschütze in einer Wacheinheit in Cherbourg. Er war der beste, hatten viele hoch dekorierte Generäle zu ihm gesagt, während sie ihm eine weitere Plakette auf seine Uniform hefteten.
Leutnant war er nun schon, doch hatte sich an seinem Auftrag nichts geändert. Erfolgreich hatte er vor vier Jahren geholfen die Stadt zu erobern, hat den Widerstand einfach eiskalt beseitigt. Doch nicht im stundenlangen Häuserkampf oder in zahlreichen Straßenschlachten wie einige seiner Kameraden.
Er war nur auf einem günstigen Dachstuhl oder einer übernommenen Kirche stationiert gewesen und hatte durch sein Zielfernrohr die Gegner ins Visier genommen, ohne dass ihn je einer gesehen hatte. Nur selten hatte Bert mehr als eine Patrone seiner K 98 gebraucht um einem Infanteristen, der für die Freiheit seines oder das mit seinem Land befreundeten Landes gekämpft hatte, zu erledigen.
Es war eine feige Art seinen Gegner auszuschalten, so wie das Bombardieren einer unbewaffneten Stadt oder der hinterhältige Einsatz von Giftgas aus dem Schützengraben, der die Feinde noch lange quälte, bis sie starben.
Dies war nun wieder ein positiver Aspekt. Es war ein eher schmerzloser Tod. Meisten trafen die Projektile in den Kopf, seltener in die Brust.

Nun saß Acker dort in seinem Wachhäuschen und wartete vergeblich auf schnell Befreiung. So schnell, dass er nicht mehr sein Gewehr schnappen konnte, so gezielt, dass er nicht zielen musste, so leise, dass er nichts mitbekam.
Niemals würde es so geschehen, dachte sich Bert. Erst nach Tagen würde sich der Sieger aus dem Gefecht ergeben und es würde erst viel Schmerz geben, bevor es vorbei war. Und es würde definitiv vorbei sein. Viel zu lasch waren die deutschen Verbände im Landesinneren und in dieser Stadt, als dass sie einem gezielten Großangriff standhalten könnten. Die wenigen Panzer konnten nichts ausrichten, eher würden sie überrannt werden.
Aber er wollte sich nicht die Bilder in seinen Gedanken ausmalen, sondern lieber an seine Familie denken. Es fiel ihm schwer, sich an sie zu erinnern, ohne auf das Bild in einem silbernen Anhänger, der um seinen Hals hing, zu schauen.

Er stellte sich seine Frau vor, wie sie ihn empfangen würde, wenn er nach Hause zurück kehrte. Vor ungefähr einem Jahr hatte er zuletzt Urlaub bekommen, um sie zu besuchen, doch schon nach einem Tag wurde er zurück nach Frankreich kommandiert.
Jede Woche hatte sie ihm anfangs geschrieben, doch es wurden immer weniger Briefe, die ihn immer verzögerter erreichten. Den letzten hatte Bert am Monatsanfang bekommen.
Dort schrieb seine Jennifer, dass es unerträglich war, noch länger auf ihn zu warten. Im Ruhrgebiet, wo sie lebte, gab es kaum noch Männer, die meiste Arbeit verrichteten die Frauen.
Sie selbst war in einer Munitionsfabrik für das fertigen von Gewehrmunition zuständig. Das war es was sie zusammenschweißte. Jennifer stellte die Munition für ihren Mann her, das war etwas besonderes. Auf jede einhundertste Patrone ritzte sie 'Für Bert' ein.
Aber er hatte nur ein einziges Mal eine dieser Kugeln erhalten, bei der letzten Lieferung gelang sie zu ihm. Seitdem hob er sich diese auf, sie sollte ihm Glück bringen, wenn er Glück brauchte. Doch bisher brauchte er bloß ein gutes Sichtfeld.
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Kommentare  

Hallo Thomas,
als ehemaliger Offizier der BW mag ich feststellen, daß Du die Situation sehr gut nachempfunden hast. Fragt sich nur, woher und warum ein so junger Mann dies herbeizaubert.
Klaus


Klaus Asbeck (19.12.2003)

Hallo Thomas!
Ich gebe zu, ich bin historisch nicht so gut drauf, deshalb traue ich mich da auch nicht weiterschreiben. Ansonsten find ich es interessant, sich mal in die Lage eines Soldaten von damals hineinzuversetzen. Man kann sich das heutzutage ja kaum vorstellen.
Die Idee mit der Glückspatrone gefällt mir. Hat eine gewisse bittere Ironie. Bewerten tu ich noch nix. Mal schaun, wie´s weitergeht.


Tom (20.08.2003)

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