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4 Seiten

***Lamia*** 2.2 Der Weg

Romane/Serien · Fantastisches
Nicht schlecht, Deine Vermutung... *räusper*

------------- ***Lamia*** ------------

Ein einsamer Wanderer durchquerte den düsteren, alles Tageslicht verschlingenden Wald. Die dunkle Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen, um sich vor den lästigen Insekten zu schützen.

Jarno stützte sich schwer auf seinen mächtigen, ihn um mehrere Fuß überragenden Wanderstab aus Eichenholz... Er war in derselben Nacht wie Lamia in Richtung Báthory aufgebrochen und bis zur nächsten Dämmerung gewandert. Er hatte es versäumt, etwas zu essen oder gar, sich eine Rast zu gönnen.

Etwas, das er nicht in Worte fassen konnte, etwas schier Unbegreifliches trieb ihn an... drängte ihn, immer weiterzulaufen...

Unter dem dunklen schweren Wollmantel konnte man leise die Beutel mit seinen Gewürzen und Kräutern rascheln hören. Er hatte sie an seinem ledernen Hüftgürtel befestigt und die kleinen Leinensäckchen waren mittlerweile sehr viel praller denn zu Beginn der Reise.

Dem jungen Koch wurde gewahr, dass er sich für den Abend und für die Nacht einen Gasthof suchen musste. Er spürte, dass die Müdigkeit ihn übermannte. Und im Freien in diesem sagenumwobenen Wald zu übernachten war auch für ihn nicht ungefährlich.

Der durch Pferdewagenspuren gezeichnete Weg, auf dem er nun schon seit einiger Zeit wanderte, ließ ihn hoffen, dass er irgendwann eine Gastlichkeit finden würde.

Und tatsächlich... Sein Instinkt hatte ihn zu einer Schneise in der Dunkelheit geführt... Das Baumwerk wurde lichter und Tageslicht drang durch das Blätterdach, unter dem er nun schon so viele Stunden herschritt.

Jarno versuchte das Ende des Waldes ausfindig zu machen. Doch vor ihm schien sich nur eine schmale Lichtung aufzutun. Und inmitten des kräftigen Grüns der Bäume und Sträucher leuchtete ihm ein kleines, zinnoberrot getünchtes, windschiefes Häuschen entgegen.

Auf der verwitterten Veranda saß ein alter Mann mit schneeweißen Haaren und einem ebenso weißen, langen Bart in seinem Schaukelstuhl und wippte pfeiferauchend leise quietschend vor und zurück.

Er betrachtete den jungen Mann mit einem freundlichen Lächeln und rief ihm entgegen: „Fühlt Euch gegrüßt, Wanderer!“

Jarno stützte sich erschöpft auf seinen Stab... und lächelte zurück: „Ich danke Euch, Wirt! Ob ich bei Euch einen Happen essen und die Nacht verbringen darf?“

Das von vielen Jahren harter Arbeit gezeichnete Gesicht des Alten legte sich in freundliche Falten, während er mühsam aufstand und Jarno mit einer einladenden Geste in seinen Gasthof hereinbat: „Schätzt Euch glücklich, dass Ihr zu dieser Stunde hergefunden habt.“ murmelte er, während er seinen Blick skeptisch in den sich langsam verdunkelnden Himmel richtete.

Der junge Koch trat ein... legte Mantel und Stock ab... und setzte sich an einen der maroden Holztische. Jetzt wo er seinen Beinen endlich die wohlverdiente Ruhe gönnte, spürte er so deutlich, wie erschöpft er war. Verträumt blickte er aus einem der verschmutzten Fenster... wie weit es wohl noch sein würde?

Der Wirt unterbrach seine Gedanken... brachte ihm einen Tonkrug mit Wein und einen Holzbecher. Und wenige Augenblicke später servierte er ihm eine Platte mit köstlich duftendem Wild und süßen Bratäpfeln.

Dazu reichte er einen Korb frisches, noch dampfendes Brot und setzte sich Jarno gegenüber: „Wollt Ihr mir das Ziel Eurer Reise verraten, Fremder?“ Der stach mit einem Messer in ein Stück Fleisch und betrachtete es genüsslich. So lange hatte er nichts gegessen.

Beiläufig murmelte er: „Ich will zum Schloss Mohtice in Báthory.“ und biss ein Stück davon ab.

Der Wirt zuckte zusammen.

Jarno hatte die Augen geschlossen und genoss sichtlich seine erste Mahlzeit nach dieser kräftezehrenden Reise. So bemerkte er nicht den skeptischen Blick, den der Wirt ihm zuwarf: „Mein Herr! Ihr werdet mich für einen Moment entschuldigen.“

Kauend nach dem Wein langend nickte er dem Alten mit leuchtenden Augen zu. Der schmunzelte... lange hatte er kein so dankbares Gesicht mehr gesehen...

Jarno wandte sich wieder dem kleinen schmutzigen Fenster zu, während er den Bratapfel probierte. Es war so friedlich dort draußen... und dieser Geschmack verwöhnte seinen Gaumen... so süß und saftig...

Verträumt ließ Jarno seinen Blick über die kleine Lichtung schweifen... er konnte kein Lebewesen ausmachen... Überhaupt war er darüber verwundert, dass er auf seinem Weg hierher kein Tier gesehen hatte. Nicht einmal das doch normalerweise so allgegenwärtige Zwitschern der Waldvögel hatte ihn begleitet.

Er betrachtete den mächtigen Apfelbaum nahe der Gaststube.

Der trug bereits kräftig rote, schwere Früchte, die der Wirt sicher in den nächsten Tagen pflücken und für das nächste Jahr in seinem Keller verstauen würde.

Dieser Baum strahlte eine unglaubliche Ruhe aus... in der sich Jarno gerne verlieren wollte...

Von jeher betrachtete er diese einzigartigen Lebewesen mit dem gleichen Respekt, den er einem weisen alten Menschen entgegenbringen würde...

Sie waren es, die all die Geheimnisse der Welt in sich trugen und sie bewahrten... bis zum jüngsten Tag...

Ein plötzliches Flattern zwischen den Blättern riss Jarno aus seinen Gedanken und ließ ihn zusammenzucken. Erschrocken straffte er seine Schulter und sah angestrengt durch die schmutzige Scheibe. Er hatte doch nicht damit gerechnet, dass sich dort draußen auch nur das Geringste bewegen würde.

Wieder ein Flattern... da waren schwarze Flügel zwischen der üppigen Blätterpracht... Jarno zog seinen Stuhl näher ans Fenster.

Und da sah er den Vogel. Er hüpfte aus dem dichten Blattwerk heraus auf einen etwas weniger bewachsenen Ast.

Es war ein Rabe. Und er schien Jarno direkt anzusehen.

Der junge Koch schüttelte widerwillig den Kopf. Das konnte ja nicht sein. Als würde der Vogel ihm das bestätigen wollen, drehte er sein Köpfchen nach hinten und ließ seinen Schnabel durch seine Federn gleiten...

Ein plötzliches Rumpeln! Der Wirt!

Er hatte sich die Hüfte an der Tischkante gestoßen, als er sich wieder zu Jarno setzen wollte. Er verzog sein Gesicht zu einem freundlichen, dennoch leicht gequälten Lächeln: „Hat es Euch gemundet? War es ausreichend? Oder kann ich Euch noch etwas anbieten?“

Jarno trank seinen Becher Wein leer und erwiderte: „Es hat ganz wunderbar geschmeckt, Herr. Vielen Dank! Wenn Ihr nun noch eine kleine Ecke für mich hättet, in der ich mich für die Nachtruhe zusammenkauern könnte, wäre ich rundherum zufrieden.“

Auch hatte er lange Zeit keinen so höflichen Gast mehr bewirtet.

Der Alte lächelte: „Ich habe das Fremdenzimmer für Euch hergerichtet. Somit dürft Ihr Euch in einem richtigen Bett zusammenkauern.“

Jarnos Gesicht strahlte in Erwartung einer so gemütlichen Schlafstätte.

Er wollte aufstehen, doch der Wirt hielt ihn auf: „Wartet! Darf ich fragen, was um Himmels Willen ein junger Mann wie Sie im Schloss Mohtice will?“ Erst jetzt bemerkte Jarno des Wirts Besorgnis.

Jarno schmunzelte: „Nun, Herr Wirt! Ich bin Koch und wurde von der Herrin Lamia erwählt, bei Hofe zu dienen.“ Der Wirt bekreuzigte sich und griff in seine Westentasche zu seinem Rosenkranz: „Junger Mann, bitte lasst Euch warnen! Wer sich in dieses Schloss begibt...“

Linkisch sah er sich um, als würde er erwarten, dass ihnen jemand zuhören würde. Er flüsterte mit zitternder Stimme: „...kehrt selten zurück.“ Der Alte sah Jarnos ungläubiges Gesicht. Und während er den Rosenkranz durch seine Finger gleiten ließ, murmelte er verschwörerisch: „Junger Herr! Lasst es zu, dass ich Euch warne.“

Seine grauen Augen waren angsterfüllt, als er dem Koch entgegenzischte: „Kehrt um, solange Ihr noch könnt.“
 
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Kommentare  

Hi Shan!

Vielen Dank für Deinen Kommentar!

Direkt zu Kritik 1: Meine Sprünge zwischen altmodischer und moderner Sprache. Es soll möglichst in altmodischer Sprache sein. Bitte sei so gut und schicke mir die Sätze, bei denen Dir das auffällt zu, wenn es Dir nicht zu viel ausmacht. Vielleicht erstmal ein Beispiel, wenn Dir das zu viel Arbeit ist. Denn auf Anhieb kann ich das nicht finden. Ich ändere eh kontinuierlich - auch Kapitel, die schon gepostet sind. Ich wäre Dir wirklich sehr dankbar dafür: salzhering@yahoo.com

Kritik 2: mitdenken, mitfühlen, mitfiebern. Das ist etwas, das von Lesern scheinbar unterschiedlich wahrgenommen wird. Denn dafür, dass ich sehr genau und detailliert beschreibe, habe ich schon eine Menge positiver Feedbacks bekommen. Genau das wurde bisher immer – bis auf zwei Ausnahmen, eine davon bist Du – als äußerst positiv herausgestellt. Wobei ich gewisse Gefühle oder andere Signale bewusst zurückhalte, weil sie zu viel verraten würden. Aber im Prinzip hast Du Recht, lasse ich beinah eine Kamera mitlaufen. Vielleicht fällt Dir auf, dass ich manchmal zwar Mimik und Gestik beschreibe, aber nicht erwähne, was der Protagonist denkt oder warum er sich so verhält. Dann bleibe ich in der Detailtreue, lasse aber eine Empfindung weg.

Wobei ich auch sagen muss, dass wir wirklich noch ganz am Anfang dieser Story sind. Die großen Geheimnisse, die es zu lösen gilt, habe ich noch nicht mal erwähnt. Bisher gibt’s eigentlich nur kleine Fragen zu klären und da wird schon fleißig geraten *g* Vielleicht kannst Du auch bei Kritik 2 etwas mehr ins Detail gehen? Ich würde mich freuen!

Elisabeth Bathory hat mich sozusagen nachinspiriert. Ich wusste bereits, welche Art von Story ich schreiben wollte und bin bei meiner Vorbereitung auf diese Story auf sie gestoßen. Doch ihre Geschichte hat mich… fasziniert *grins*

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar!

salzi


salzi (11.08.2004)

Die Geschichte gefällt mir sehr gut.
Gelegentlich stolpere ich über Begriffe, die es mir schwer machen, den zeitlichen Rahmen abzustecken. Deine Akteure benutzen in ihrer Sprache eine eher altmodische Sprache. In den Ausführungen aber wirst du manchmal moderner.
Deine Story ist spannend aufgebaut, allerdings vermisse ich etwas, dass ich als Leser mitdenken, mitfühlen, mitfiebern muss und möchte.
Bei den Dialogen gibst du immer bekannt, wie der jeweilige sich fühlt, was er / sie erahnt. Wäre es nicht spannender, das den Leser selber "erfühlen" zu lassen?
Ich werde auf alle Fälle weiter dranbleiben.
Kann es sein, dass dich Elisabeth Bathory inspiriert hat?


Shan (10.08.2004)

Spannend, wirklich!

vivienne (10.07.2004)

Jetzt wird es sogar noch poetisch. Schön!
Ausserdem meine ich, einen kleinen Verweis auf Bram Stoker entdeckt zu haben.
Übrigens, ich bin nicht sicher, ob man einen Holztisch mit dem Adjektiv "marode" bekränzen kann.

Gruss


Ingo Gärtner (10.07.2004)

Na, das klingt ja unheimlich! Wobei ich nicht glauben kann, daß Jarno sterben wird oder ähnliches. Ich glaube, er ist eine Hauptfigur der Geschichte, oder? Auf jeden Fall interessiert mich, wie es weiter geht.

Metevelis (30.06.2004)

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