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4 Seiten

***Lamia*** 3.2 Hunger

Romane/Serien · Fantastisches
Er sah auf und spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen, als ihn Lamias hungriger Blick erfasste. Konnte sie denn seine Gedanken lesen? „Ihr werdet also heiraten, Herrin?“ unterbrach Jarno unvermittelt die beklemmende Stille zwischen ihnen. Es war kaum mehr als ein Flüstern. Er sah Lamia ernst in die Augen. Nun war sie es, die nervös wurde. Diese Stimme – alleine wenn er so sanft redete, spürte sie ihr Herz. Seine Augen – sie glaubte fast, er müsse doch alles sehen. Lamia betrachtete ihren Koch, sie selbst hatte ihn ausgewählt. Sein Körper war verführerisch, doch sie war versprochen. Somit hatte sie nicht das Recht, sich mit ihm zu vergnügen. Doch trotz aller Ermahnungen löste dieser Mann Reaktionen in ihr aus, die ihr nicht gefielen. Und sie wollte ihm die Wahrheit offenbaren: „Unsere Vermählung ist arrangiert. Wir lieben einander nicht.“ Sie sah ihm fest in die Augen: „Ich kenne ihn nicht einmal. Mein Vater will, dass wir heiraten. Und seit Generationen werden die Ehen in unseren Familien bereits bei der Geburt festgelegt.“ Jarno drehte das Fleisch in der Pfanne um. Er nickte sachte ohne sie anzusehen. Sein Gesicht war versteinert: „Wann erwartet Ihr Euren Bräutigam?“ Lamia zögerte mit der Antwort, bis er aufsah – ihr in die Augen sah: „Zum nächsten Beltane-Fest. Wir werden gemeinsam über das Feuer springen.“ Sicher wusste er, dass dies bedeutete, dass sie dann ein Paar waren – man galt als verlobt. War er zusammengezuckt? Lamia konnte es nicht mit Gewissheit sagen – das Licht hier konnte ihr ebenso gut einen Streich spielen. War das stille Wut? Doch mit einem Mal wurde Jarnos Blick sanfter. Verständnisvoll? Lamia konnte es nicht erfassen, nur erahnen.

Er nahm das Fleisch aus der Pfanne und legte es auf einen Teller. Plötzlich ging alles ganz schnell. Er nahm eine große hölzerne Pfeffermühle und warf sie hoch, ließ sie durch die Luft wirbeln. Er fing sie auf und drehte daran, um das Fleisch ein wenig nachzuwürzen. Nach dreimaligem Drehen warf er die Mühle erneut hoch und fing sie hinter seinem Rücken auf. Mit einer geschmeidigen Bewegung führte er sie an seiner rechten Seite vorbei nach vorne und stellte sie an ihren Platz zurück. Lamia besah er mit einem vergnügten Augenzwinkern, als er ihr das Essen servierte: „Lasst es Euch schmecken, Herrin.“ Sekundenlang sah sie ihn mit aufgerissenen Augen an. Doch sie konnte nicht ernst bleiben – ein leises Lachen entfuhr ihr. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie hatte sich so zusammennehmen müssen, als er die Mühle hinter seinem Rücken aufgefangen hatte. Beinah hätte sie vor Freude applaudiert. Welch unerwartete Talente er ihr offenbarte und wie leicht er es verstand, einer Situation eine neue Stimmung zu geben. „Willst Du Dich in Deiner freien Zeit als mein Hofnarr verdingen?“ schmunzelte sie ihn an – bis sie sein Lächeln sah. Ihr Herz schien aus ihrer Brust springen zu wollen. Diese Stimmung wiederum gefiel ihr überhaupt nicht. Der Moment geriet aus dem Ruder. Dieser Mann hatte etwas Besonderes an sich. Lamia konnte sich kaum noch beherrschen. Sie zwang sich, das Fleisch zu probieren. Und als es ihre Zunge berührte, wurden ihre Geschmacksnerven bis aufs Äußerste gereizt. Es war so gut, sie liebte blutiges Fleisch und das hier war das Beste, das sie je gekostet hatte.

.......................................und doch gelüstete es ihr nach etwas anderem.

Mit glitzernden Augen stellte Jarno eine verhängnisvolle Frage: „Meine Herrin, konnte ich Euren Gaumen befriedigen?“ Plötzlich war alles anders! Sie war unerwartet schnell bei ihm – ganz nah bei ihm. Eben noch hatte er sich in Sicherheit gewogen, schließlich war doch die Anrichte zwischen ihnen gewesen. Doch plötzlich war sie hinter ihm. Ein leises Fauchen drang an sein Ohr und ihr eisiger Atem erzeugte eine kribbelnde Gänsehaut an seinem Hals. Ihre Stimme war unwiderstehlich sanft: „Ich wüsste, wie Du meinen Gaumen vollends befriedigen könntest, Koch.“ Ihre Hand strich sanft seine Haare beiseite und glitt zart über seine erhitzte Haut. Sie beugte sich ein wenig vor und wieder spürte er ihren eiskalten Atem.

Er sah über seine Schulter. Sie schwebte ein wenig und ihr gieriger Blick ruhte auf seiner aufgeregt pulsierenden Halsschlagader. Fasziniert betrachtete er ihren geöffneten Mund. Blutrote Lippen, die ihre wunderschönen weißen Zähne einrahmten. Und ihre Eckzähne traten deutlich hervor. Er ging einen Schritt weg von ihr und drehte sich schmunzelnd um: „Vorsicht Herrin! Bedenkt, Ihr müsstet Euch einen neuen Koch suchen, solltet Ihr Euren Gelüsten nachgeben.“ Ein amüsiertes Lächeln erhellte ihr Gesicht: „Somit stellt sich die Frage, ob Dein Blut dieses Opfer wert wäre, nicht wahr?“ Langsam ließ sie sich herab, bis ihre Füße den Boden wieder berührten. Fasziniert beobachtete Jarno, wie sich ihre Reißzähne zurückzogen – doch nur ein wenig. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hände auf seine Brust – spürte den leichten Schweißfilm auf seiner Haut. Es war so furchtbar heiß hier und sein Körper war so warm, so voller Leben.

Mit bebender Stimme flüsterte sie: „Hast Du Angst vor mir?“ Jarno legte einen Arm um ihre Hüfte und zog sie ganz nah zu sich ran. Er konnte die Bestie in ihr erkennen. In diesem zauberhaften, beinah unschuldig wirkenden Gesicht war sie so deutlich zu sehen. Und es war dieses Gegensätzliche, was sie so anziehend für ihn machte. Diese immer noch etwas zu langen Eckzähne, umrahmt von ihren sinnlichen Lippen inmitten dieser makellos weißen Haut.

Seine Hand legte sich warm an ihre eiskalte Wange. Sie sah zu ihm auf. Beinah konnte sie seinen sanften Blick über ihr Gesicht gleiten spüren. „Beißt mich nicht, meine Herrin!“ flüsterte er rau und beugte sich vor. Sie spürte seine warmen Lippen auf ihren. Er raubte ihr den Atem, so sanft, so zärtlich, so fordernd küsste er sie. Sie umfing eine wunderbare Geborgenheit und gleichzeitig eine Sehnsucht, wie sie sie nie zuvor gefühlt hatte. Jarno spürte, wie sie sich in seinem Armen fallen ließ. Er hielt sie ganz fest, wollte sie nie wieder loslassen. Behutsam beugte er sich vor, ihre Arme um seinen Hals geschlungen, ließ sie sich weiter nach hinten fallen, so dass sie beinah den Boden unter ihren Füßen verlor. Doch sein Arm in ihrem Rücken ließ sie wissen, dass er sie halten würde. Da spürte sie seine weiche Zunge an ihren Lippen. Sie öffnete ihren Mund und empfing ihn. Ein leises Stöhnen entwich ihr. Er hatte Mut! Sie musste nur zubeißen, schon würde er ihr mit Leib und Seele verfallen. Für immer! Bis in alle Ewigkeit.

Doch war er das nicht schon längst? Und sie? War sie ihm denn nicht verfallen? Mit dem Vorsatz, ihn gefügig zu machen, war sie zur Küche herabgestiegen. Doch nun lag sie in seinen Armen und ließ sich von ihm küssen – und sie küsste ihn. Sie fühlte sich ganz schwach und gleichzeitig musste sie sich so sehr beherrschen, ihrer Begierde nicht einfach nachzugeben. Sie spürte ihn, seine warme Zunge tastete nach ihrer und spielte mit ihr, liebkoste sie ganz sanft. Er reizte sie so sehr – sie konnte ihr Verlangen nicht länger zügeln. Fauchend stieß sie ihn weg von sich.

Laut atmend sah er sie verwirrt an. Doch als er ihren Blick sah, begriff er. Kein Zweifel! Sie wollte sein Blut!
 
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Kommentare  

hi salzi,
einfach klasse!!!
Vom ersten bis zum letzten Wort sehr gut formuliert, passende Wortwahl, ein feiner Schreibstil.
Du verstehst es meisterlich, die Spannung zwischen den beiden immer weiter auf eine Spitze zu treiben, von der ich bereits dachte, sie erreicht zu haben.
Nein, du überzeugst mich, es gibt keine Grenzen.
Weiter so (Y)(Y)(Y)


Shan (31.08.2004)

Der Kapiteltitel "Hunger" ist ganz im Sinne der Geschichte sehr zweideutig, hehe!
Teilweise sinnlich, dann wieder derb. Und über allem dampft das willige Fleisch und das kochende Blut!

Gruss


Ingo Gärtner (18.08.2004)

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