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6 Seiten

Des Charognes Humaines

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
„Wer ist das?“, fragte Lena ihre große Schwester, mit ausgestrecktem Finger auf eine ominöse Gestalt zeigend, welche sich langsam über den Boden schlurfend den beiden näherte.
„Ich weiß es nicht“, sagte Sarah, „Aber ich glaube wir sollten verschwinden“.
Die beiden rannten Hand in Hand los. Zwar blickten sie nicht nach hinten, aber sie wussten, dass diese Person ihnen folgte. Sie liefen so schnell sie konnten, aber Lena konnte bereits den frostigen Atem dieser Gestalt in ihrem Nacken spüren. Sie spürte, dass die Gestalt ihr immer näher kam, und schließlich merkte sie, dass sich in ihr eine Kälte ausbreitete, welche sie in ihrem ganzen Leben noch nie verspürte.
Ein Gestank lag in der Luft. So fürchterlich, dass ihr schlecht wurde. Hätte sie ihrer Mutter nur geglaubt, dass Kinder hier nichts verloren hätten. Und sie verfluchte den Moment, an dem sie sich entschloss ihre Schwester hier her zu begleiten. Aller Warnungen zum Trotze. Und jetzt muss sie zusehen, wie sie hier unten in Sicherheit kommt.
Aber je mehr sie liefen, je mehr Ecken und Kurven sie nahmen, je mehr Kreuzungen sie passierten, umso unmöglicher schien es heil heraus zu kommen.
„Diese Katakomben sind riesig“, dachte sich Lena.
In der ferne schien ein schummriges Fackellicht. Aber es versprühte mehr Kälte denn Wärme. Lena war das unheimlich, aber dorthin führte der einzige Weg. Sie hatte Angst. Sie wusste, dass es ihrer Schwester genauso erging. Und ob sie jemals das finden würden, weswegen sie hier sind, vermochte Lena mittlerweile ernsthaft zu bezweifeln.
Als sie nahe genug waren um zu sehen woher das kalte Licht kam, erstarrten sie beide augenblicklich. Drei Gestalten in langen schwarzen Roben, mit Kapuzen die überm Gesicht hingen, starrten sie an. Einer von ihnen hielt eine Fackel in der Hand, die anderen hatten Utensilien bei sich, mit denen man mühelos jemanden ohne Chance auf frei kommen Fesseln konnte.
Auch die Gestalt die ihnen folgte kam zum Stillstand. Weitere Gestalten tauchten hinter ihr auf. Lena und Sarah waren verzweifelt. Die bedrohliche Erscheinung der Gestalten tat ihr übriges. Eine der Gestalten kam auf Lena zu und versetzte ihr einen Schlag auf den Hinterkopf. Augenblicklich sank sie zu Boden...

Als sie wieder aufwachte, befand sie sich in einem kleinem Raum. In der Ecke stand ein kleiner Holztisch. Auf diesem Tisch standen ein paar Kerzen in goldenen Haltern, die den Raum erhellten. Ein Fenster gab es hier nicht, aber eine Eisentür thronte ausladend an einer der kahlen Wände des Raumes. An den Anderen Wänden waren Fackeln angebracht, aber noch nicht entzündet. Auf einem Holzstuhl in einer der Ecken saß Sarah, das Gesicht in den Händen vergraben.
Lena versuchte aufzustehen, aber sie war zu schwach. Der Kopf tat ihr immer noch weh, und sie hatte ein leichtes Schwindelgefühl.
„Sarah!“, wisperte sie mit letzter Kraft, während sie mit schluchzender Stimme gegen einen Tränenfluss ankämpfte.
Sarah blickte auf. Auch sie musste gegen Tränen ankämpfen. Aber sie stand auf und kam hinüber zu Lena, nahm sie in den Arm und strich ihr durch das Haar.
„Sarah, wo sind wir? ich hab so furchtbare Angst“, schluchzte Lena.
„Hab keine Angst. Ich bin bei dir und werd dich beschützen“, Versuchte Sarah, sie zu trösten.
Aber Sarah spürte, dass Lena die Wahrheit bereits kannte. Denn beschützen konnte sie Lena sicherlich nicht.
Sarah stand auf, nahm eine Kerze, und zündete mit dieser ein paar der Fackeln an. Der Raum war nun hell erleuchtet, und ganz langsam begann sich Wärme in dem Raum auszubreiten.
Erst jetzt bemerkte Lena, dass an der Wand gegenüber von ihr, schwere Eisenketten hingen. Zwischen diesen befand sich ein Eingemeißeltes Siegel, welches einen Kreis mit einem Stern zeigte. Dieser Stern wiederum bestand aus sieben durchgezogenen Strichen, von welchen zwei Stück jeweils an insgesamt sieben Eckpunkten zusammenkamen. In der Mitte dieses Sterns prangerte ein riesiges „Ÿ“. Um den Kreis herum war eine Vergoldete Inschrift.
Lena fand endlich wieder die Kraft zum Aufstehen, und so ging sie zu dem Siegel, um sich die Inschrift genauer anzusehen. Auch Sarah wurde neugierig und kam zur Wand. Gemeinsam versuchten sie die Worte auszusprechen, was sich allerdings als eine Unmöglichkeit herausstellte.
„Welche Sprache ist das?“ fragte Lena, doch Sarah war genauso ratlos.
„So etwas hab ich noch nie gesehen“, sagte sie.
Beide schauten einander ratlos an. Lena hatte noch nie ein Wort gesehen, dass so viele Konsonanten enthielt, aber dafür fast keine Vokale. Auch, dass man Punkte, Haken und Striche über, neben und unter so gut wie alle Buchstaben machen konnte, war ihr neu.
Sie beschloss jedenfalls die Versuche, die Worte auszusprechen, einzustellen und schließlich setzten sich die beiden wieder auf den Boden. Sarah nahm ihre kleine Schwester in den Arm und strich ihr wieder durch das Haar.
Zum ersten mal, seit sie hier in diesem Raum ist, war sie wieder in der Lage, Glück zu verspüren. Denn, dass es Lena gut ging, machte sie so dermaßen glücklich, dass sie beinahe alles andere vergas. Sie wusste, in welcher Gefahr ein Kind in der heutigen Zeit sein kann. Viel zu schnell kann es passieren, dass es entführt oder gequält wird. Oder eben, dass es zusammen mit der großen Schwester in einer riesigen unterirdischen Katakombenanlage gefangengehalten wird. Der Gedanke, dass es ihrer Schwester wenigstens noch gut geht, tröstete sie, und gab ihr all ihre Kräfte zurück.
„Nur wie lange noch“, fragte sie leise zu sich, so leise, dass Lena es nicht hören konnte, „Wie lange noch, sind wir hier in Sicherheit?“.
Erst jetzt bemerkte sie, dass Lena in ihren Armen bereits eingeschlafen war. Ihre langen blonden Haare, schimmerten im Fackelschein goldglänzend. Dieser Anblick verübte eine gewisse Faszination auf Sarah aus. Es dauerte nicht lange, bis sie auch einschlief.

Ein paar stunden später wachte Lena wieder auf. Sarah, den Arm immer noch um sie gelegt, schlief noch. So langsam war Lena doch froh, dass sie mit ihrer Schwester mitgegangen war. Denn so gut, wie in den letzten Stunden, sind sie noch nie miteinander ausgekommen. Dabei lag es hauptsächlich an Lena, welche ihrer Schwester ständig Probleme machte. Bis jetzt mochte Lena ihre Schwester überhaupt nicht. Immer wollte sie alles wissen und ständig wollte sie bestimmen wo’s lang geht. Das fand Lena dann immer total ätzend. Aber warum sie letztlich mit ihrer Schwester zusammen hierhin aufgebrochen ist, wusste sie nicht. Irgendetwas in ihr, hat ihr gesagt, sie müsse einfach mitkommen. Als hätte etwas tief in ihr gewusst, dass die beiden sich hier näher kommen würden. So nahe, dass sie endlich lernen, einander zu lieben. Zumindest soweit, dass sie friedlich miteinander umzugehen wussten.

Kurze Zeit später wachte auch Sarah auf. Ihr langes braunes Haar, welches sie zu einem Zopf gebunden hatte, glänzte im Fackelschein. Lena löste sich von Sarah und ging zu dem Tisch.
In diesem Moment ging die schwere Eisentür mit einem lauten Knattern auf und eine Gestalt in einer Robe kam herein. Sein Gesicht war von der Kapuze in einen tiefen Schatten getaucht, und nur ein paar Augen leuchteten in einem kalten weiß heraus.
„Mitkommen!“, befahl die Gestalt.
In ihrer stimme war etwas freundliches, aber dennoch wirkte die Gestalt an sich furchteinflößend auf die beiden. Die beiden beschlossen, der Peron widerstandslos zu folgen. Sie wurden schließlich in eine riesige Halle gebracht, die von unzähligen Fackeln beleuchtet wurde. An der hintersten Wand stand, auf einem Podest mit unzähligen Treppen, ein schwarzer, mit Nägeln und Drachenskulpturen verzierter, anmutig wirkender Thron, auf dem ein noch anmutig wirkenderer Mann saß.
Lena starrte wie gebannt auf diesen eigenartigen Mann, welcher sich nun langsam erhob, woraufhin alle um ihn herum auf die Knie sanken. Auch Sarah viel auf die Knie. Nur Lena blieb stehen. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, als ob eine höhere Macht sie daran hindern würde. Sie starrte wie gebannt weiterhin auf ihn. Wie er in seinen schwarzen Gewändern dastand, faszinierte sie ein wenig.
Er winkte sie zu sich. Lena spürte, wie sie die Kontrolle über sich zurückerhielt und ging langsam voran. Immer wieder schaute sie mit einem flehenden Blick zurück auf Sarah. Aber diese reagierte nur mit einem Blick, der Lena offenbarte, dass sie ihr nicht helfen kann.
Lena schritt ängstlichen Schrittes weiter in Richtung des Thrones. Ihr Weg führte sie dabei an viele dieser eigenartigen Gestalten, welche sie hierunter verfolgten, vorbei. Manche von ihnen trugen Kapuzen, andere wiederum zeigten ihr Gesicht. Ihre Augen waren wie die von einem toten und ein übler Gestank ging von ihnen aus. Lena wusste nicht was das für ein Geruch es war, aber sie wusste, dass sie diesem ekligen Gestank nie wieder in ihrem Leben ausgesetzt sein wollte.
Endlich stand sie vor dem Thron. Erst jetzt fiel ihr auf, dass neben dem Thron auf beiden Seiten Türen waren. Auf ihnen war ein Siegel aufgezeichnet. Jenes Siegel, welches sie auch in ihrer kleinen Zelle gesehen hatte. Nur waren die Inschriften anders. Das konnte sie zumindest aus der Entfernung wahrnehmen, was aber genau dort stand, erkannte sie nicht.
Der Mann setzte sich wieder auf seinen Thron zurück.
„Nun, ich möchte mich vorstellen. Man nennt mich ‚Inisis der Schlächter’. Ich wohne jetzt schon seit Jahren hier unten...“, erzählte er.
„Warum?“, unterbrach Lena ihn.
„Nun“, setze er fort, „Als ich noch oben wohnte, wurde ich ein Opfer eines Verbrechens. Man nahm mir all die Hoffnungen auf ein normales Leben. Und das nur weil...“, er unterbrach.
„Weil was?“, fragte Lena neugierig.
„Weil ich... Weil ich einfach anders bin.“ Seine stimme schwang jetzt zu einem melancholischen Ton um.
„Was war es?“, fragte Lena.
„Die Liebe“
Sarah erschrak. Sie war sich jetzt sicher, dass er ihr bei der Suche helfen konnte.
Inisis blickte kurz rüber zu Sarah, schließlich fragte er zu Lena: „Wer ist das?“
„Sarah, meine Schwester“, antwortete sie.
„Na dann, Sarah, komm doch auch zu mir“, wandte er sich an Sarah, welche daraufhin zu ihm kam, und sich schließlich neben Lena stellte.
„Oh, wie unhöflich von mir“, sagte Inisis und ließ zwei Stühle heranschaffen, welche man dann vor Inisis hinstellte. „Hier setzt euch!“, er deutete auf die beiden gepolsterten Stühle, die man soeben herbei geschafft hatte.
„Eine Frage“, fing Sarah an, „Wer sind diese Gestalten?“
„Das sind Kleriker“, antwortete er, „Und ich bin ihr geistiger Führer“
„Wie hältst du es nur bei diesem Gestank aus?“, fragte Lena, mit einem leicht angeekelten Ton.
„Och, man gewöhnt sich dran“, antwortete er, seine Stimme strahlte dabei zum ersten mal einen leichten Anteil an Freude aus.
„Du sag mal“, fragte Lena zögerlich, „Warum hältst du uns hier unten gefangen?“
Sarah war sichtlich erstaunt, ob des Mutes ihrer kleinen Schwester, denn Sarah wäre sicher nicht auf die Idee gekommen so locker mit dem Herren zu reden. Irgendwie, machte sie das ein wenig neidisch auf sie.
„Ich halte euch hier nicht gefangen. Aber hier unten gibt es noch weitaus mehr, außer unserem bescheidenen Heim. Dinge die einfach zu gefährlich für euch sind. Deshalb haben meine Leute euch von dort weg gebracht. Und als man mir sagte, hier treibt sich ein Kind rum, nun, da verspürte ich den Wunsch euch zu sehen.“, antwortete Inisis, mit einem zögerlichen Lächeln im Gesicht.
„Aber warum diese gewaltsame Gefangenname? Und warum hast du uns in diese Zelle gesperrt?“, antwortete Lena daraufhin überrascht.
„Nun, das Gewaltsame Gefangennehmen, war eine Schutzmaßnahme, denn wir wollen hier unten nicht von fremden belästigt werden. Ihr solltet also den Weg hierher nicht finden. Und was die Zelle angeht, so haben wir den besten der unbenutzten Räume hier unten für euch rausgesucht. Und was das Gefangenhalten angeht, so seid ihr im Irrglauben, denn ihr könnt jederzeit gehen.“
„Wir dürfen einfach so gehen?“, fragte Sarah zögerlich.
„Dürfen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck dafür. Denn angesichts der Tatsache, dass sicher jemand daheim auf euch wartet, spricht dafür, dass ihr nun besser gehen solltet.“
„Eine Frage noch“, antwortete Sarah eilig, aber Inisis unterbrach sie.
„Was ihr sucht, werdet ihr hier unten nicht finden. Ich weiß leider auch nicht wo ihr suchen sollt. Aber wenn ihr eurem Herzen folgt, werdet ihr bald fündig. Ich wünsche es euch. Nun geht“
„Aber...“, entgegnete Sarah
„Geht!“, sagte Inisis, seine Stimme wurde dabei etwas lauter und ernsthafter als zuvor.
Lena und Sarah wandten sich ab um zu gehen. Gerade als sie die Treppenstufen passiert hatten, sprach Inisis erneut zu ihnen.
„Wenn ihr gefunden habt, wonach ihr sucht, könnt ihr mich jederzeit wieder besuchen. Also....also ich würde mich freuen, wenn ihr wiederkommen würdet. Vor allem bei dir Lena....“, sagte er. In seiner Stimme lag etwas flehendes.
Dann sagte er in einer fremden, ziemlich seltsam klingenden, Sprache etwas zu den beiden Gestalten am Ausgang der Halle. Diese kamen auf Lena und Sarah zu.
„Entschuldigt, aber ich kann nicht riskieren, dass ihr den Weg hier hinein finden könnt. Das niemand weiß, wie man hier hin gelangt, ist mein einziger Schutz. Ich hoffe ihr könnt das verstehen“, flehte Inisis.
Wieder traf die beiden etwas hartes am Hinterkopf und sanken zu Boden....
 
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Kommentare  

ja schön. Nachdem ich dein Profil gelesen habe, denke ich, interessiert dich mein Kommentar sowieso nicht.
Dennoch, ich fand die Geschichte ganz ok. Hat was von einem düsteren Märchen. Man hätte es noch ein bisschen ausarbeiten können, dann hätte sehr gut sein können.
gruss presko


presko (16.03.2006)

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Stephanie  
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