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Das Karussell

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Auf einer Parkbank zu sitzen und einfach mal so innehalten kann sehr beruhigend wirken. Denn unsere Zeit vergeht so schnell, dass es unser Geist fast gar nicht mehr schafft, alle diese Reize, die tagtäglich auf unser Gehirn einstürmen, sinnvoll zu filtern geschweige denn sinnvoll zu verarbeiten.

Einfach mal ganz ruhig und gelassen auf einer Parkbank sitzen, wer macht das denn heutzutage noch? Es sieht fast so aus, als würden viele Menschen regelrechte Angst vor solchen ruhigen Momenten haben, weil man sich, kommt man einmal zur Ruhe, oft auch mit sich selbst und mit seinem Platz in der Welt beschäftigen muss.

Die Parkbank als Symbol für das innerliche “zur-Ruhe-kommen”, als Oase der allgegenwärtigen Schnelligkeit und auch Schnelllebigkeit unserer Zeit. Der Zeit des Karussells, auf dem man sich immer schneller und schneller im Kreise dreht bis man um sich herum gar nichts mehr zu erkennen vermag. Höchstens noch Schemen, die an einem unaufhörlich vorbeihuschen, ohne dass man sie wirklich erfassen kann.

Einige von uns sitzen auf diesem Karussell und werden ständig angebrüllt, es mit den Füßen selbst weiter zu beschleunigen, auch wenn sie sich fast schon nicht mehr festhalten können, weil ihre eigene Muskelkraft vor der so immer weiter ansteigenden Zentrifugalkraft zu kapitulieren droht.

Manchmal schauen sie sich auf ihrem Karussell um und sehen, dass es Ihren Fahrtgenossen ganz ähnlich geht. Hin und wieder schafft es einer von ihnen tatsächlich nicht mehr, sich festzuhalten, wird weggerissen und landet unsanft irgendwo außerhalb des Karussells. Die anderen können noch sehen, wie diese bedauernswerten Geschöpfe mit verzweifelten Gesichtern ihre Niederlage erkennen; wie sie in das undeutliche Schema des “da-draußens” gerissen werden und wie sie sich mit diesem vereinigen, so dass auch sie nicht mehr erkennbar sind.

Sofort setzten viele der Übrigen erschrocken den Fuß wieder auf den Boden und treiben das Karussell, auf dem sie sitzen, noch weiter an, weil sie so schnell wie nur irgend möglich von diesem Ort des Geschehens weg wollen, wobei sie paradoxerweise durch diese Maßnahme in Wirklichkeit lediglich dafür sorgen, dass sie auch wieder schneller an eben diesem Punkt ankommen.

Sie bekommen gesagt, dass sie sich noch weiter anstrengen sollen, sonst würden sie genau so enden, wie diese bedauerlichen Kreaturen. Sie bekommen gesagt, dass das ihr Schicksal sei, und dass man am Schicksal nun mal nichts ändern könne. Sie bekommen gesagt, dass auf ihren Schultern die Verantwortung für die ganze Gemeinschaft liege und dass sie die Elite seien, die dieses Leben, das die ganze Gemeinschaft lebt, überhaupt erst ermöglichen. Gäbe es sie nicht, komme das Karussell zum Stillstand und somit auch dieses Leben. Und das könne ja nun wirklich keiner wollen.

Die meisten von ihnen sehen das dann auch ein und strengen sich noch weiter an, noch weiter und noch weiter.

Das Karussell dreht sich schneller und schneller, immer mehr können sich nicht mehr halten, bis wirklich nur noch die Elite, nur noch die Stärksten der Starken übrig sind. Jeder, der jetzt noch dabei ist, hat bewiesen, dass er dazu gehört, dass er stark genug ist, diese Verantwortung für die ganze Gemeinschaft zu tragen.

Dass diese kleine Elite selbst diese Gemeinschaft bildet, die sie tragen und dass all jene, die sich nicht mehr haben halten können, oder gar nicht erst auf das Karussell aufgestiegen sind, nicht mehr dazugehören bzw. noch nie dazu gehört haben, das hat von ihnen bisher noch keiner erkannt. Wie auch? Auf einem Karussell findet so etwas wie eine Parkbank schließlich auch gar keinen Platz.
 
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Kommentare  

Karussell ist wie Rummel, ein guter Vergleich für die Hektik der wir uns hingeben oder die uns umgibt. Da fragt man sich wirklich, macht man den ganzen Rummel mit oder nicht? Vielleicht schaffen wir Menschen es ja mal, dass das Karussell sich ganz normal dreht und jeder mal aufsteigen oder absteigen kann wie er will.

Petra (13.03.2010)

Tja, das ist eben das Schwierige, den Weg der Mitte zu wählen. Mal auf der Parkbank auszuruhen und dann - husch - rauf auf`s Karussell und wieder runter auf die Parkbank, aber wer macht das schon. Allein um rechtzeitig den Lieblingsfernsehfilm zu sehen, hetzt man sich. Eine schöne kleine Geschichte zum Nachdenken. Deine Metaphern haben mir sehr gut gefallen.

doska (10.03.2010)

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