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Sommergewitter

Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise · Erinnerungen
Die Grillen zirpen.
Meine Augen folgen den dunklen Wolken, die sich auf mich zu bewegen.
Langsam und gemächlich, so scheint es mir.
Spannung liegt in der Luft.
Auf meinem Gesicht liegt ein Lächeln.

Die Luft legt sich warm und drückend auf mein Gesicht, auf meinen ganzen Körper. Wie ein schwerer Schleier umhüllt sie mich, legt sich auf meine Lungen und wirkt tonnenschwer.
Mühsam hole ich Atem, blicke zum Himmel hinauf und sehe die dunklen Wolken, die sich dort sammeln und zusammenballen. Die Sonne ist schon längst untergegangen, der Abend schreitet voran und die Wolken ballen sich noch mehr. Der Steinboden meines Balkons unter meinen bloßen Füßen ist noch warm. Ich stehe dort, an das Geländer gelehnt und kann die Wärme an meinen Fußsohlen fühlen. Erneut hole ich tief Luft und wundere mich ob der Schwere auf meiner Brust.

Eben noch ging etwas Wind, der die Luft bewegte, doch nun ist er erstorben. Selbst die Grillen haben aufgehört zu zirpen, nichts rührt sich mehr. Noch nicht einmal die Blätter an den Bäumen.
Hätte ich nun ein Buttermesser, so könnte man die Luft wohl jetzt in Scheiben schneiden und wie meinen Lieblingsschmelzkäse aufs Brot streichen, so dick fühl sie sich an.
Erneut hole ich schwer Atem. Es fühlt sich eher an, als würde ich die schwere, warme Luft trinken und nicht atmen. Die Spannung um mich herum wächst, der Druck nimmt noch etwas zu.

Wieder wende ich die Augen dem Himmel zu und den sich dicht an dicht drängenden, düsteren Wolken dort. Und dann endlich, der erste Blitz zuckt hindurch. Ein weiterer beleuchtet die Wolken. Sie sind hoch oben, und mir wird klar, dass sie sich über den Wolken entladen, die ich sehen kann. Dann ein dritter Blitz, dieser tanzt über die Unterseite der Wolken, ändert unvorhersehbar die Richtung und verzweigt sich. Donner grollt leise heran. Erneut ein Blitz, diesmal auf der anderen Seite.
Immer öfter erhellen die Entladungen den Himmel mit ihrem grellen, beinahe transparenten, Blauvioletten Licht und zeichnen die Umrisse der Wolken, der Häuser und der Bäume in scharfe Schattenrisse. Der Donner grollt nur, leise, als wäre er weit entfernt.
Kein Hauch bewegt die schwüle, schwere Luft, kein Laut durchdringt die ankommende Nacht außer dem Donner und kein Tropfen Regen fällt herab.

Langsam, fast gemächlich, wie mir scheint, zieht das Gewitter weiter. Schiebt seine Wolkenbank vorsichtig über die Berge und verabschiedet sich mit einem weiteren, leisen Donner.
Die Spannung lässt langsam nach, der Druck, die Schwere schwinden dahin. Am mittlerweile tiefdunklen Himmel blitzen die ersten Sterne, eine Grille fängt an zu musizieren, weitere fallen mit ein. Die Luft ist immer noch warm.

Erneut hole ich tief Atem, der Druck auf meinen Lungen ist ebenso verschwunden, wie das seltsame gespannte Gefühl in meinen Kopf und meinem Körper.
Sinnend sehe ich den letzten Ausläufern des Hitzegewitters nach, wie sie sich über die Berge davonmachen. Ein letzter ferner Blitz erscheint mir wie ein Winken.
Dann ist es fort.

Mein Blick wendet sich den Sternen zu.
Ich trinke die immer noch warme Luft in tiefen, befreiten Zügen.
Auf meinem Gesicht zeigt sich ein stilles Lächeln.
Und die Grillen zirpen.


Anariel 30.05.08
 
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Kommentare  

Hallo Petra,

schön, dass es dir gefällt.
Freut mich, dass ich meine Leser scheinbar regelrecht entführen und mitnehmen kann.

Liebe Grüße


Tis-Anariel (08.06.2010)

Unwahrscheinlich plastisch, wie du das aufkommende Sommergewitter beschreibst, diese drückende Schwüle und diese unglaubliche Stille. Ich konnte das alles mit dir miterleben. Schöner kleiner Text über die Macht der Naturgewalten.

Petra (07.06.2010)

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