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13 Seiten

Ahrok - 30. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Dreißigstes Kapitel: Kruuk

Seit Stunden saß Ahrok nun schon munter mit den anderen Gesellen rund um die Feuerstelle und ließ fröhlich die Flasche kreisen.
Anfangs hatte Ragnar noch vermutet, er wäre endlich vernünftig geworden und hätte den wunderbaren Verlockungen des Alkohols endlich aus voller Überzeugung nachgegeben, aber letztendlich war er sich da nun gar nicht mehr so sicher.
Ahrok kannte in seinen lallenden Reden nur ein Thema.
Sandra.
Wobei seine Anschauungen über diese Frau etwa halbstündlich wechselten.
Mal hob er sie in den Himmel und stellte sie als die perfekte und allerbeste aller Frauen auf der weiten Welt dar und kurz darauf verfluchte er ihren verdammten Hurenarsch so sehr, dass selbst die hartgesottenen Trinker um ihn herum noch einige neue Flüche lernen konnten.
Vermutlich versuchte Ahrok nur quälende Gedanken an sie im Alkohol zu ertränken. Ragnar grinste traurig, armer Junge, nicht der gesamte Biervorrat von Hrimgart, der Frostfeste, reichte aus, um traurige Erinnerungen wegzuspülen – niemand wusste das besser als Ragnar selber, aber es half zumindest etwas über die schlimmsten Stunden hinweg.
Was blieb einem denn auch sonst?
Diese Gesichter... er wollte sie nicht mehr sehen. Sie sollten doch nur verschwinden. Trink und fühl dich gut. Trink und mach deine Arbeit.
Verdammte Schwäche... verdammtes Bier...
Er zitterte, doch diesmal war es weder vor Zorn noch vor Verzweiflung.
Er wollte es nicht zugeben. Nicht vor irgendjemand anderem und erst recht nicht vor sich selbst, aber da war etwas mit ihm geschehen. Diese Kälte wollte nicht aus seinen Knochen weichen und gleichzeitig glühte sein Schädel so sehr, dass ihm der Schweiß von der Stirn rann.
Verdammt.
Zwerge wurden nicht krank. Sie wurden einfach nicht krank.
Er wollte schreien vor Wut, aber letztendlich fühlte er sich selbst dafür zu schwach.
Ächzend stützte er sich auf seinen Hammer und stand auf. Vorsichtig ließ er seinen Kopf zwischen den Schultern kreisen und massierte sich den Nacken.
Die Nacht befand sich in ihren letzten Atemzügen. In kaum einer Stunde würde die Morgensonne ihre kleine, erbärmliche Gesellschaft beleuchten.
Die Sonne.
Ragnar hatte sich mittlerweile so sehr an ihren Anblick gewöhnt, dass ihm die Vorstellung, wieder unter die Berge zurückzukehren, beinahe unmöglich erschien. Natürlich gab es dort unten auch keinen Platz, an den er zurückkehren konnte. Es gab niemanden, der auf ihn wartete oder eine Rückkehr herbeisehnte.
Für ihn gab es keinen Platz. Nicht in dieser Welt und nicht in der Nächsten.
Er senkte den Blick wieder.
Ahroks Kopf lag schon einige Minuten lang reglos in einer Pfütze aus Hochprozentigem und Speichel auf dem Boden nahe dem Feuer und er rührte sich nicht mehr. Wahrscheinlich würde er morgen einen tierischen Kater haben, wenn nicht noch Schlimmeres.
Der kalte Nachtwind wehte ihm durch die Haare und kühlte seine heiße Stirn ein wenig. Düstere Gedanken arbeiteten sich aus der Tiefe wieder empor, in die er sie gespült hatte, und nagten an seinem Herzen. Sie ließen es schneller schlagen und die letzten Reste seiner Zuversicht wanken.
Er fühlte den Schatten des Todes über sich. Die knöchrigen Finger des Gevatters streckten sich nach ihm aus, doch dieser Gedanke stimmte ihn in seinem Zustand alles andere als fröhlich. Auf diese Art durfte er nicht sterben.
Ragnars Blick wanderte die menschenleeren Straßen entlang und hing eine Weile an zwei Katzen, die sich lauernd umrundeten, bis sie sich entschieden, direkt unter einem flackernden Lichtquarz der Fleischeslust zu frönen.
In der anderen Richtung lag die „Pinkelnde Sau“.
Wenn Ragnar die Ohren spitzte konnte er die vertrauten Tavernengeräusche bis hierhin hören.
Er lächelte leise und seine Augen schlossen sich langsam.
Plötzlich jedoch erloschen alle Lichter hinter den Fenstern der Pinkelnden Sau wie auf Kommando und grauenvolle Schreie gellten durch die Straße.
Ragnar war sofort hellwach. Die eingefallene Miene straffte sich augenblicklich und seine Sinne waren so scharf, wie sie es nur in Zeiten des Kampfes sein konnten. Der Valr schulterte seinen Hammer und humpelte in Richtung der Taverne.

Chris konnte gerade noch instinktiv seinen Oberkörper zur Seite drehen und somit den Klauen der Bestie entgehen, die auf ihn zusprang. Das Monstrum brauchte nur einen Wimpernschlag, um sie neu zu orientieren und suchte sich seinen Gesprächspartner als neues Opfer aus.
Die dreckigen Klauen glitten dem vom vielen Alkohol noch völlig benebelten Mann tief in den Bauch und das Vieh begann die Gedärme aus ihm herauszureißen, als wäre es ein Kind das Geschenke zum Geburtstag aufreißt.
Der Mann starb, noch bevor er wusste, wie ihm geschah.
Was für eine Verschwendung.
Er hatte beinahe sechs Stunden damit zugebracht, auf diesen Kerl einzureden und nun diente er als Spielzeug für irgendeine ihm unbekannte, höchstwahrscheinlich dämonische Lebensform.
Sofort verklang die ohnehin schief gespielte Laute des Troubadouren und all jene, die nicht ungläubig auf diese grässliche Situation starrten, begannen unkontrolliert zu kreischen. Die Schankmädchen ließen die Getränke fallen und kauerten sich in die hinterste Ecke der Taverne. Wild umherrennende Gäste warfen Stühle und Tische um und standen sich dabei in ihrer panischen Flucht selbst im Weg, während weitere dieser Monster aus dem Hinterzimmer der „Pinkelnden Sau“ strömten.
Chris blendete die Hektik um ihn herum aus und konzentrierte sich auf das Wesentliche.
Wer war hier und warum?
Sieben dieser echsengleichen Monstren sprangen in der Taverne herum wie hungrige Wölfe durch eine Schafsherde. Sie besaßen die Instinkte von Raubtieren, gepaart mit einer schrecklichen Mordlust. Scheinbar wahllos rissen sie ihre völlig überraschten Opfer, nur um sich gleich danach ein neues Ziel zu suchen.
Ihnen folgte ein vernarbter Weißer, der den Bestien Anweisungen zuzurufen schien und hinter ihm stand sogar ein Schamane ihres Volkes im Schatten der Taverne.
Chris schob die Oberlippe hoch.
Das war nicht gut. Er machte einen Seitschritt, um den Zähnen einer Bestie auszuweichen. Diese Erleuchteten fand man so gut wie nie an der Front, wenn er sich richtig an seine Schulzeit erinnerte. Sie mussten hinter jemand Besonderem her sein und wer außer ihm war hier schon besonders?
Man hatte ihm dieses Mordkommando auf die Fersen gehetzt. Die Spionageabwehr der Weißen war offenbar doch weitaus besser organisiert, als er es je für möglich gehalten hatte.
Auf jeden Fall war es ein Fehler von diesem Erleuchteten gewesen, sich hier blicken zu lassen.
In einer fließenden Bewegung glitt seine Hand hinab in den Stiefel und umfasste das Heft seines Wurfmessers.
Doch nur einen Augenblick, bevor er das spitze Stück Stahl durch die Kehle des Schamane jagen konnte, sprach dieser nur ein einziges Wort und sämtliche Lichtquarze in der „Pinkelnden Sau“ und im Umkreis um die Taverne herum explodierten in einem grellen Lichtblitz.
Die Menge schrie vor Überraschung.
Chris hielt sich die Augen. Grelle Flecken tanzten in der Dunkelheit und überdeckten sämtliche anderen Konturen.
Geblendet und orientierungslos musste der terranische Spion sich erst einmal wieder innerhalb der Taverne zurechtfinden. Er drehte die Waffe in seiner Hand, so dass die Klinge nun von seinem kleinen Finger wegzeigte und ertastete mit der freien Hand die unmittelbare Umgebung.
Seine Augen würden sich viel zu langsam an die Dunkelheit gewöhnen, deswegen schloss er sie ganz und hoffte, dass ihn die anderen Sinne hier heil herausbringen würden.
Die Tür musste in etwa acht Schritte halblinks von ihm liegen.
Er wirbelte herum und brachte gerade noch rechtzeitig das Messer zwischen seine Kehle und die Zähne des Angreifers. Vielleicht hatte er die Bestie wirklich gespürt, vielleicht war es auch nur Glück gewesen, aber diese Bewegung hatte ihm das Leben gerettet.
Das Monster kratzte mit seinen Krallen an seiner Lederjacke entlang und riss sie dabei in Fetzen. Chris stemmte sich mit aller Kraft seinem Angreifer entgegen, doch dieser war bedeutend größer und kräftiger als er selber.
Der Atem des Monsters stank nach faulem Fleisch und seine grün glühenden Augen waren vor Erregung weit geöffnet.
In einer unnachgiebigen Wut biss die Bestie immer wieder auf die Klinge des Messers, als wollte es sich durch den Stahl hindurch zum Hals des Spions hindurchfressen.
Er gab die Gegenwehr auf und machte einen Ausfallschritt nach hinten. Mit der Linken umfasste er gleichzeitig den Nacken der Bestie und zog diese zu Boden.
Der Kruuk schlug in seiner unkontrollierten Vorwärtsbewegung kräftig mit dem Kopf auf die Tischplatte und Chris jagte ihm sieben Messerstiche in den unteren Rücken, bis ihn der Kruuk wieder von sich schleuderte.
Der Spion taumelte schwer getroffen zurück, dabei stolperte er über ein paar Beine am Boden und fiel nach hinten um.
Sofort war die Bestie wieder über ihm, so als würde es ihr nicht das Geringste ausmachen, dass Chris ihr sämtliche Organe zerstochen hatte. Das Blut rann dem Kruuk nur so aus dem Leib, doch kratzten die Klauen des Monsters mit ungebremster Wildheit über den Boden, seine Brust und sein Gesicht.
Er schützte seine lebenswichtigsten Partien so gut er konnte, doch es war ihm einfach unmöglich, sich gegen alle Attacken des Kruuk zu verteidigen. Das Biest war viel zu schnell, viel zu kräftig.
Noch nie in seinem Leben hatte er den eigenen Tod so nah vor Augen gehabt.
Plötzlich durchbrach ein weiterer Lichtblitz die Dunkelheit.
Chris wagte es die Augen zu öffnen und blickte am Schädel des Kruuk vorbei nach oben.
Direkt an seinem Kopf stand der alte Schankwirt eine Fackel in der Rechten und ein ungepflegtes, staubiges Langschwert in der Linken.
Der flackernde Schein enthüllte den ganzen Schrecken des blutigen Gemetzels in der „Pinkelnden Sau“. Frisches Blut, Gedärme und Leichenteile dekorierten jeden Winkel der Einrichtung. Überall beugten sich gefräßige Bestien über Körper und vergruben ihre Zähne in dem noch warmen Fleisch ihrer Opfer. Knochen knackten unter den kräftigen Kiefern, Sehnen rissen, Muskeln wurden zerfetzt. Es war wie in einem Schlachthaus.
Der Schankwirt riss beide Arme nach oben und ließ einen langen, schaurigen Schrei ertönen. Die Augen des Mannes waren tränennass, seine Schürze voller Schmutz und Bier, doch hätte selbst der Gott des Krieges in diesem Moment nicht furchteinflößender sein können.
„Stirb! Stirb! Stirb!“, brüllte er und bei jedem Wort schlug er mit der Fackel gegen den Schädel des Kruuk und trieb diesen damit von Chris herunter.
„Nicht mit mir, hörst du? Nicht mit mir! Nicht mit mir!“
Völlig überrascht wusste der Kruuk diesen unbeherrschten Attacken nichts entgegenzusetzen und wurde wild hin und her geschleudert. Funken stoben nur so herum bei jedem Schlag und die Gegenwehr des Monsters erlosch irgendwann einfach.
Mit mehrfach eingeschlagenem Schädel lag es wie die anderen Opfer auf dem blutgetränkten Holzboden. Diese monströsen Krallen scharrten zwar in unregelmäßigen Abständen noch leicht über das Holz, würden aber nie wieder Schaden anrichten.
Die plötzlich aufgetauchte Lichtquelle zog indes sogleich die Aufmerksamkeit aller anderen Kruuk im Raum auf sich. Das Fauchen und Grollen der Bestien ging in dem hilflosen Jammern ihrer Opfer beinahe unter.
Viel langsamer als üblich kam Chris wieder auf die Beine. Die Tausende Male geschulten Bewegungsabläufe verliefen automatisch, aber nicht mehr so einwandfrei wie sonst.
Sein Gesicht brannte und der Schmerz nahm ihm einen Teil seines sonst immer eiskalten Kalküls. Es fühlte sich an, als hinge ihm die Haut in Streifen von den Wangen. Dieser verdammte Auftrag war die Hölle.
Der Wirt neben ihm hielt die lauernden Biester mit weiten Schwüngen seiner Fackel auf Distanz, aber dies würde nicht ausreichen. Niemand rührte sich in der Taverne. Ein jeder, der hier drinnen noch lebte, wagte es kaum, auch nur zu atmen.
Einige wenige Glückliche hatten es nach draußen geschafft und schrien die Nachbarschaft zusammen, doch Hilfe war von denen wohl kaum zu erwarten.
Chris hätte nie gedacht, dass er hier in dieser gottverlassenen Stadt sterben würde.
Da ihm der eigene Hals nicht mehr gehorchen wollte, musste er seinen ganzen Körper ein Stück drehen, um sich einen Überblick über die Situation rechts von ihm zu verschaffen. Die beiden Weißen, welche dem Massaker bislang eher teilnahmslos beigewohnt hatten, schritten zwischen den kauernden Kruuk entlang und betrachteten die reglosen Körper am Boden.
„Bei Hadwins monströsen Sackläusen, wisst ihr nicht wie spät es ist? Der Krach geht einem ja auf die Eier“, keuchte jemand an der Tür.
Die Augen des Erleuchteten weiteten sich. Er zeigte auf den Valr, der gerade über die Leichen in die Taverne hereinstieg: „Kaa jo! Kaa dwaff!“
Der Zwerg hielt kurz inne und grinste matt: „Ich wusste doch, dass du dich freust mich zu sehen.“

Ein lautes Krachen weckte Ahrok aus seinem Schlaf. Sein Schädel brummte wie ein ganzer Bienenstock und obendrein war dieser heute auch noch so unendlich schwer. Mühsam hob er den Kopf aus der Pfütze. Alles um ihn herum sah so verschwommen aus.
Vielleicht lag das aber auch nur an dem Nebel, der milchig über den Boden kroch.
„Rannar…?“, seine eigene Stimme klang wie von ganz weit weg. „Wo sei ihrnalle…?“
Das Feuer war schon fast heruntergebrannt und niemand hatte frische Scheite aufgelegt. Keiner seiner Trinkkumpane war hier zu sehen.
Es war seltsam laut heute Nacht hier auf der Straße. Die Übelkeit kroch langsam die Speiseröhre hinauf, es war das Beste, wenn er sich wieder hinlegen würde. Erneut splitterte etwas und diesmal ertönte die unverkennbar laute Stimme des Valrs dazu. Vielleicht sollte Ahrok doch lieber einmal nachsehen, was da hinten so vor sich ging.
Mit getrübtem Blick suchte er nach einer Waffe, konnte aber auf die Schnelle nichts finden.
Stöhnend erhob er sich und wankte um die Bruchstücke des eingefallenen Hauses herum nach draußen auf die Straße. Alles drehte sich.
Beschissener Alkohol.
Blödes Weibsstück!
Als er strauchelte, bekam er mit Mühe die Hauswand zu fassen und fing so seinen Sturz ab. Hatte sich die Einrichtung verändert? Er würgte kurz und erbrach sich an der Wand. Wenn die lauten Geräusche nicht gewesen wären, so hätte er sich hier auf der Stelle wieder zusammengerollt. Ihm war ja so schlecht.
Unsicher schwankend arbeitete er sich die Straße entlang zur „Pinkelnden Sau“, um welche sich eine große Menschentraube gebildet hatte.
Ein dämonisches Gebrüll donnerte durch die Straßen, aber er war noch viel zu betrunken, um sich zu fürchten.
Das Erste was Ahrok sah, als er die Menge erreichte, war wie Ragnar, begleitet von einer Stichflamme, laut schreiend durch ein Fenster hinaus auf die Straße geschleudert wurde. Fluchend erhob sich der Valr. Ein großer Glassplitter ragte aus der Schulter des Zwerges. Als er ihn herausriss, bespritze eine kleine Flut roten Blutes die Hauswand. Rasch tastete der Zwerg nach seinem Hammer.
Ahrok wunderte sich – seit wann sprang der verrückte Zwerg denn durch Fenster?
Ein dumpfer Schlag ließ das Gebäude in seinen Grundfesten erschüttern, ein zweiter sprengte einen Teil der Wand heraus. Die Trümmer flogen ihm selbst hier hinten noch um die Ohren. Dann trat etwas in Ahroks getrübtes Sichtfeld, dass er noch nie zuvor gesehen hatte.
Diese… Viecher… strömten aus dem Loch in der Wand wie Ameisen aus einem Ameisenhügel. Sie krochen über den Boden oder kletterten Wände und Decken entlang. Ihre schuppigen Körper glänzten im Schein der aufkeimenden Feuer und sie fauchten wie wütende Katzen. Im Entferntesten besaßen sie Ähnlichkeit mit den Weißen, die ihn auch noch manchmal in seinen Träumen verfolgten.
An einige Körperpartien hatte man den Monstern Rüstungsteile festgeschnallt, dennoch bewegten sie sich so schnell, dass es seinen trüben Augen schwer fiel, ihnen zu folgen.
Sicher war dies hier auch nur ein Traum, der Alkohol war eben ein böser Geist.
Die Menge zerstreute sich augenblicklich.
Alle sechs Monster legten beinahe wie auf Kommando ihre Köpfe schräg in den Wind und blickten sich mit ihren giftgrünen Augen um. Einer leckte sich über die spitz gefeilten Zähne, dann sprang er in die Menge.
Frauen kreischten, Kinder weinten und jemand schrie etwas vom Untergang der Welt.
Ahrok grinste breit. Wenn das hier das Ende der Welt war, dann war der Zwerg wohl genau da wo er immer sein wollte – an vorderster Front und so gut wie tot.
Ragnars Schlag traf den Kruuk, der ihm an nächsten war, an der Schulter und riss diesen zu Boden. Mit zertrümmerten Gelenken kroch die Bestie dennoch unbeirrt weiter auf den Zwerg zu und schnappte nach seinen Beinen.
Der Zwerg war viel zu langsam. Er schien sich wie in einer Art Trance zu bewegen.
Sofort sprang der nächste Kruuk über seinen verletzten Kameraden hinweg und riss den Valr mit sich zu Boden.
Ahrok musste ihm helfen.
Obwohl er die Monster nur sehr verschwommen sehen konnte, legte er seinen Körper nach vorn, sprintete los, holte aus und legte sein ganzes Gewicht in den Schlag.
Sein Angriff traf mit unglaublicher Wucht den Kruuk. Punktgenau schlug Ahrok durch die aufgeschnallten Panzerplatten des Monsters. Seine Faust traf auf die kurze Rippe, Knochen brachen unter der Wucht und wurden in die Lunge getrieben. Überrascht quiekend wandte sich das Monster von dem Zwerg ab. Ein weiterer Schlag flog vorbei an seinen geifernden Zähnen und landete auf dem Kehlkopf des Kruuk.
Mühsam rang die Bestie nach Luft, als ihr die Rippen in die Lunge stachen. Blutiger Schaum bildete sich bei jedem schweren Atemzug auf den Lippen der Bestie.
Verwundert blickten Chris, Ragnar und die Weißen auf den torkelnden Menschen, der dem Kruuk soeben so hart zugesetzt hatte.
Jetzt war er erst so richtig in Stimmung gekommen. Es war Zeit hier ein paar ordentliche Arschtritte zu verteilen!
„Komm schonu Missvieh! Jezz mach ischisch fersch!“, lallte Ahrok und versuchte dabei, ungeschickt aufrecht stehen zu bleiben.

Sergeant Schmidt kaute nervös an seinen Fingernägeln. Es war eine alte, längst abgelegte Angewohnheit aus seiner Kindheit, die in dieser Situation wieder durchbrach. Diese Nervosität, dieses Warten.
Er hatte zum Glück nur das gebrochene Hinterrad und die daraufhin fällige Strafe erwähnen müssen, schon war Egon Schnarrenberger fügsam und willig geworden.
Jetzt saß Hieronimus Schmidt in der ungenügend gesicherten Kutsche und pflügte in ihr die leeren Straßen entlang. Egon auf dem Kutschbock hatte sich nur einen Mantel über das Nachtzeug geworfen. Mehr Zeit hatte er dem Kutscher nicht gelassen.
Immer wieder hatte er den Mann gedrängt sich zu beeilen.
Es gab Dinge, die dringend geklärt werden mussten. Wer wusste schon, ob der Junge und der Zwerg nicht schon längst eine andere Schenke aufgesucht hatten.
Sie hatten sich ein gutes Versteck ausgesucht. In dieser ärmlichen Gegend ließen sich selbst die Stadtwächter kaum blicken. Nicht weil es hier keine Verbrechen gab oder es für sie zu gefährlich war. Es lag daran, dass die Leute in dieser Gegend kaum Steuern zahlten und sich somit den Luxus einer Stadtwache nicht leisten konnten.
„Herr Schmidt. Das sollten Sie sich mal anschauen. Das sah vorhin hier noch nicht so aus.“
Sogleich schlug ihm das Herz bis zum Hals.
Was war hier passiert? Erwartete ihn der Hauptmann schon, um ihn festzunehmen? Bleckte ein Dämon bereits seine Zähne, um ihn zu verschlingen?
Vorsichtig schob er den Kopf aus dem Fenster. Sofort schlug ihm der Fahrtwind ins Gesicht.
Ein doppelgeschossiges Haus vor ihnen brannte, die große Menschenansammlung auf der Straße zerstreute sich gerade panisch in alle Winde, während irgendetwas Monströses zwischen den armen Bürgern herumsprang und einen nach dem anderen niederriss.
Der Kutscher zügelte die Pferde bis zum Stillstand.
„Nur damit Sie´s wissen - ich fahr hier keinen Schritt weiter, Herr Schmidt.“
Hieronimus schwitzte leicht. Er konnte doch diese armen Leute sich nicht einfach so selbst überlassen, aber seine Familie...
„Fahr weiter, Egon! Ich muss zu dieser Schenke.“
„Das da vorn ist die „Pinkelnde Sau“ und die beiden, die Sie suchen, springen da auch vor dem Feuer herum.“
Sergeant Schmidt starrte ungläubig aus dem Fenster.
Den Zwerg erblickte er sofort. Dieser konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, aber schwang dennoch immer wieder laut brüllend seinen Hammer. Bei jedem Hieb geriet er durch den eigenen Schwung ins Torkeln und konnte sich nur schwerlich wieder fangen. Um ihn herum sprangen abscheuliche Bestien vor und zurück, setzten ihm hart zu und verschwanden dann wieder außerhalb seiner Reichweite.
Nur ein paar Schritte neben ihm wehrte sich der Junge, den er heute Abend verhaftet hatte, mit bloßen Händen gegen die Monster.
Er hatte noch nie jemanden so kämpfen sehen.
Der Kampfstil des jungen Kriegers war überragend. Er taumelte durch die Gegend, so als wäre er betrunken, doch er wich dabei den Angriffen seiner Gegner aus und schlug hart und präzise zu. Es war so, als würde er erahnen, wo sich die Monster hinbewegen würden.
Für das ungeschulte Auge hätte es wohl so ausgesehen, als würde der Junge mit einer riesigen Portion Glück durch diesen Wirbelwind aus Klauen und Zähnen torkeln, aber jemand wie er erkannte sofort die ausgefeilte Technik dieses außergewöhnlichen Kämpfers.
„Bring mich weg! Bring mich einfach nur weg von hier!“, jemand riss die Tür auf und sprang in die Kutsche.
Mehrere Bürger mit leichenblassen Gesichtern folgten ihm. Sie alle drängten sich hastig in das Gefährt hinein.
Als Hieronimus aus der Kutsche sprang, nahmen sogleich vier weitere Personen seinen Platz ein. Der Wagen ging bedenklich weit in die Knie und das kaputte Hinterrad drohte jeden Augenblick zu brechen, als der Kutscher sein Gespann zurücksetzte.
„Ein Schwert! Irgendjemand soll mir ein Schwert bringen!“, brüllte er in die Straße.
Einer der Fliehenden warf ihm im Vorbeilaufen eine Waffe zu.
Er griff nach dem Kurzschwert, welches über das nasse Pflaster rutschte und sammelte noch einmal allen Mut den er aufbringen konnte.
Ein letztes Stoßgebet an den Namenlosen, dann war es soweit. Mit lautem Gebrüll stürzte er dorthin, wo alle anderen flohen. Seine Vernunft war ausgeschaltet, das Adrenalin übernahm von nun an.

Ragnar schnaufte so schwer wie noch nie in seinem Leben zuvor.
Leuchtende Punkte tanzten vor seinem Auge und er war nur eine Armlänge davon entfernt, auf der Stelle ohnmächtig zusammenzubrechen. Der vertraute Hammer war so schwer, dass er ihm bei jedem Schlag aus den Händen zu gleiten drohte, seine Muskeln verkrampften sich und gehorchten ihm nicht mehr vollends.
Längst hatte er die Übersicht verloren.
Er wusste nicht mehr, wo er und wo seine Gegner standen. Immer wieder sprang einer von ihnen in sein schmales Sichtfeld. Diesen griff er dann, meistens erfolglos, an. Diese Bestien waren heute viel zu flink für ihn.
Neben ihm schlug sich Ahrok recht wacker.
Der Junge lachte laut und lallte unverständliches Zeug. Er schlug ins Leere und trotzdem schafften es die blöden Viecher immer genau noch in seine Faust zu springen. Es war dennoch umsonst. Die wenigsten Treffer zeigten eine Wirkung.
Bis auf den Ersten, den der Junge so hart getroffen hatte, hatten sie keinen einzigen der Kruuk mehr zu Boden gekriegt. Im Gegenzug waren sie selber nur noch Minuten davon entfernt diesen Bestien endgültig zu unterliegen.
Ahroks nächster Angriff verfehlte den Kruuk um Längen. Der junge Krieger drehte eine wunderschöne Pirouette, fiel der Länge nach hin und knallte mit dem Schädel hart auf den Fußboden, wo er dann liegen blieb.
Die Verwirrung der Kruuk hielt nur einen winzigen Augenblick, dann stürzten sich gleich zwei von ihnen auf den bewusstlosen Ahrok.
Ragnar sah ihn stürzen und auch die Kruuk, doch er war im Denken und Handeln viel zu langsam, um den Jungen noch zu erreichen. Als er sich Ahrok zuwandte, um die Bestien von ihm herunter zu jagen, sah er, dass ihm jemand zuvor kam.
Ein Stadtwächter bahnte sich seinen Weg durch panisch fliehende Menschen und Körperteile. Das rostige Kurzschwert hielt er auf Hüfthöhe bereit zum Stoß und er erreichte die Kruuk, noch bevor Ragnar überhaupt reagieren konnte.
Die kleine Waffe stieß nach vorn, doch der Mann verringerte sein Tempo nicht einmal, als er mit der Bestie zusammenstieß. Verrostetes Metall sank tief in den Rücken des Kruuk und der Stadtwächter riss das Monster in vollem Lauf mit sich. Erst die Hauswand der „Pinkelnden Sau“ bremste seinen Vorstoß.
Der Aufprall trieb die Klinge bis zum Heft in den Körper des Kruuk. Dieser brüllte vor Schmerz so laut, dass sich augenblicklich alle Augen auf die beiden Kämpfenden richteten.
Der Mann zog seine Waffe ein Stück heraus, veränderte den Winkel und stieß erneut zu. Seine Klinge bohrte sich durch das Herz des Kruuk und ließ diesen augenblicklich verstummen.
Mit einer raschen Drehung riss er das Schwert wieder aus seinem Gegner. Mit geschultem Auge verschaffte er sich einen Überblick über die Situation. Es sah für keinen von ihnen gut aus.
Schwer atmend hielt er sich die eigenen Rippen, dann stürzte er sich, beflügelt durch seine eigenen Anfeuerungsrufe, wieder ins Getümmel.
Ragnar sah ihn schon nicht mehr, denn der Valr befand sich währenddessen schon wieder in einer unkontrollierten Rückwärtsbewegung in die Taverne hinein. Ungestüm bahnte sich einer der Kuuk seinen Weg durch die enge Tür auf Ragnar zu. Das Monster riss dabei die Wände links und rechts auf. Weder Holz noch Stein konnte ihn bremsen. Blitzschnell raste die Pranke des Kruuk wieder auf den Zwerg zu. Aus reinem Instinkt rollte sich Ragnar zur Seite und die Klauen des Monsters zogen tiefe Furchen in das Holz des Bodens.
Ragnar grinste matt. Hier drinnen zwischen all den umgestürzten Stühlen und Tischen war der Größenvorteil seines Gegners eher hinderlich. Des Weiteren schränkte das zerstörte Inventar den Bewegungsspielraum des Kruuk erheblich ein.
Sein Gegner war das Opfer seiner eigenen unbedachten Wildheit geworden.
Ohne Vorwarnung ging Ragnar aus der Rückwärtsbewegung zum Angriff über. Beide Körper prallen an einander. Rohe Kraft gegen rohe Kraft. Doch selbst in seinem geschwächten Zustand gewann Ragnar hier die Oberhand.
Der Valr stieß den Kruuk von sich und das Monster knallte an den Tresen. Gleich darauf traf der Hammer seitlich das rechte Knie der Bestie, zerschmetterte Knochen und zerriss Sehnen. Die durch Mark und Bein gellenden Schmerzensschreie des Kruuk reichten aus, um Ragnars Kampfeswillen erneut leise aufflackern zu lassen.
Sofort fuhr der Kruuk ihn wieder an, doch das zertrümmerte Knie gab nach und die Bestie fauchte überrascht, als sie nach vorn umfiel. Der Kruuk musste unglaubliche Schmerzen ausstehen, doch bremsten sie ihn nicht im Geringsten. Noch immer schlug er mit diesen verheerenden Krallen in Ragnars Richtung, während er auf den Zwerg zurobbte. Doch eine Verteidigung war auf dem Bauch liegend nahezu unmöglich, die Bewegungsfreiheit des Kruuk in dieser Enge nun noch weiter eingeschränkt und letztendlich kam der Kopf des Monsters in Reichweite für Ragnars Hammer.
Der metallene Schädel von Umti Felssplitterer traf knirschend das Haupt des Kruuk. Aus dem aggressiven Fachen der Bestie wurde ein hilfloses Jammern, als sie wie ein Sack Kartoffeln zu Boden geschleudert wurde.
Ragnar stolperte durch den eigenen Schwung nach vorn. Ungebremst knallte er nun ebenfalls an den Tresen. Langsam rutschte der Zwerg zu Boden und blieb reglos neben dem Kruuk liegen.

Ohne auf die Schmerzen zu achten, sah sich Chris in der zerstörten Taverne um. Langsam erhielt er ein Stück seiner alten Selbstbeherrschung zurück. Er hatte sich geirrt. Die Weißen waren nicht hinter ihm her, sondern hinter dem Jungen und dem Zwerg.
Der Erleuchtete besaß eine Macht, die selbst für einen Weitgereisten wie ihn völlig neuartig war.
Ein Feuerstoß war direkt aus seinen Handflächen entstanden und hatte den Zwerg aus der Taverne geschleudert. Nur eine kleine, weitere Geste hatte die Wand zu Straße eingerissen und dort klaffte nun ein riesiges Loch, durch welches die Kruuk dem Zwerg folgten.
Der Besitzer der Taverne wollte sich in seiner blinden Wut sofort wieder auf die Kruuk stürzen, aber Chris hielt ihn am Arm zurück.
Völlig verwirrt blickte ihn der Mann an.
Chris wies mit einem Kopfnicken in Richtung der zwei Weißen, die noch immer in der Taverne standen. Diese beiden stellten für sie zwar nicht die direkte Gefahr da, aber er schwor jeden Eid, dass von denen die wirkliche Bedrohung ausging.
Er musste dem Schankwirt nicht einmal ein weiteres Zeichen zum Angriff geben. Allein die Anwesenheit der zwei Weißen in seinem Haus lenkte sofort seinen ungezügelten Zorn auf sie.
Mit Fackel und Schwert in den Händen ging der Mann auf den Kruuk Tann los.
Die Versuchung, jetzt die Verwirrung der beiden Weißen auszunutzen und die Flucht zu ergreifen war beinahe grenzenlos. Wie noch nie zuvor fürchtete der terranische Spion um sein Leben.
Nach zwei zögerlichen Schritten Richtung Ausgang hielt er kurz inne und wog die Chancen ab, dann aber rannte er was seine Beine hergaben an den Kämpfenden vorbei in die Nacht.


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Kaa jo! Kaa dwaff – „Tötet ihn. Tötet den Zwerg.“
 
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Kommentare  

Huhu ihr meine treusten Kommentatoren. Dieses Kapitel fiel mir wieder besonders schwer, da es ausschließlich von der Action lebt und ich noch nicht ganz damit zufrieden bin... aber danke dafür, dass ihr immer noch fleißig lest und kommentiert.

Jingizu (10.05.2011)

Oh, unsere beiden Helden sind wieder mächtig in die Bredouille gekommen. Denn diese Viecher sind nicht so ohne. Gottseidank bekommen sie Unterstützung. Hoffentlich geht der mutige Sergeant Schmidt nicht dabei drauf. Um den Spion Chris wäre es nicht allzu schade. Der Wirt hat mir imponiert. Und was wird aus Sandra?

Petra (10.05.2011)

Ein wahnsinnig spannendes Gemetzel. Sehr gut beschrieben. Ich habe förmlich mitgekämpft. Am meisten gefiel mir der überraschende Mut des Sergeanten.

Jochen (09.05.2011)

was für ein gemetzel, und es kam absolut echt rüber. was heißt kam? es ist ja noch nicht vorbei. ;-)
einige sätze haben mir sehr gut gefallen, zum beispiel: Düstere Gedanken arbeiteten sich aus der Tiefe wieder empor, in die er sie gespült hatte, und nagten an seinem Herzen/ sowie: ... und das Vieh begann die Gedärme aus ihm herauszureißen, als wäre es ein Kind das Geschenke zum Geburtstag aufreißt.
schön! wirklich


Ingrid Alias I (07.05.2011)

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