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10 Seiten

Ahrok - 66. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Sechsundsechzigstes Kapitel: Fatale Entscheidungen

Bernhard schritt zielstrebig auf das Tor der Wache zu. Die vier Wächter, die sich im Regen unter dem kleinen Dach zusammengerottet hatten, unterhielten sich laut und lachten über kameradschaftliche Scherze.
Welch eine Verschwendung von Ressourcen. Die Hälfte der Männer hätte man gut und gerne auf Streife senden können. Zumindest waren sie während ihres Dienstes auf der Hut, denn wie erwartet versperrten ihm sogleich zwei gekreuzte Hellebarden den Weg.
„Hier geht es nicht weiter. Die Wache hat geschlossen. Kommen Sie also ein andermal wieder“, fuhr ihn jemand an, dessen Laune offenbar sehr unter dem schlechten Wetter litt.
Bernhard hob den Kopf, damit der Sprecher sein Gesicht sehen konnte.
„Viktor. Wie geht es dir?“
„Hauptmann Schreiber? Sind Sie es wirklich? Was ist geschehen? Thomas Wagner sagt, Sie wurden bereits vor zwei Wochen zurückerwartet.“
Die anderen drei Männer, größtenteils Jungspunde kaum den Knabenalter entwachsen, umringten den verschollen geglaubten Hauptmann ehrfürchtig.
„Die Krankheit, Viktor. Es war die verdammte Krankheit, die mich so lange von meinen geliebten Männern ferngehalten hat.“
„Ja, das sieht man Ihnen auch an. Sie haben ja mächtig abgenommen in den letzten Wochen.“
„Darf ich eintreten, Viktor?“
„Natürlich, Herr Hauptmann.“
Die Barriere aus Hellebarden verschwand und gab den Weg frei.
„Danke. Grüß mir die Familie und ich wünsche euch einen ruhigen Dienst.“
Bernhard hielt nach nur einem Schritt unbewusst inne. Seine Finger strichen wehmütig über das Holz der Eingangstür. Die Farbe hatte schon vor Jahren Risse bekommen und nun blätterte sie unter seinen Fingern ab. Er hatte im Jahresplan vorgesehen, dass Türen und Fenster dieses Jahr ausgebessert werden sollten, aber wenn er heute Abend seinen Plan in die Tat umsetzte, dann würde dafür wohl kein Silber mehr da sein. Nun, da sich die Ausführung des Diebstahls der Vollendung näherte, legte sich das schlechte Gewissen wie eine Schlinge um seinen Hals.
Bernhard hatte im Laufe seines Lebens viele schwere Entscheidungen getroffen und manche hatten sich im Nachhinein als falsch herausgestellt. Es blieb nur zu hoffen, dass es ihm bei dieser nicht ebenso ergehen würde. Seine Hand drückte das korrodierte Eisen der Klinke hinunter.
Sogleich strömte ein kalter Luftzug an ihm vorbei, als er die wohlbekannte Halle betrat.
Nichts hatte sich hier in seiner Abwesenheit verändert. Noch immer brannten die Fackeln so nahe an den Wandteppichen, dass es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis seine Männer einem lodernden Inferno zum Opfer fielen. Andererseits waren die Wächter nach dem heutigen Abend ohnehin nicht mehr seine Männer.
Seltsamerweise vernahm Bernhard keinen Laut. Es gab weder die Stimmen der Wächter, die ihre Ausrüstung für die kommende Nachtwache vorbereiteten noch das Johlen zufriedener Männer, die soeben eine Schicht ohne Verletzung überstanden hatten. Außer ihm war niemand hier. Ein wundersamer Zufall, der Bernhard doch sehr an den Motiven der Götter zweifeln ließ.
Dennoch huschte er leise wie ein Dieb nur auf Zehenspitzen die Treppe hinauf zu seiner Wachstube. Völlig unnötig wie sich herausstellte. Der Posten des Sergeanten vor der Stube des Hauptmanns war ebenfalls unbesetzt. Erst als er die Stimmen zweier Männer hinter der Tür zu seinem Zimmer vernahm, wich die freudige Erregung wieder der Vorsicht.
Er wollte nicht lauschen, wer dort sprach oder worum es dabei ging. Diese Kerle befanden sich in seiner Stube! So als wäre es das Natürlichste auf der Welt, straffte sich Bernhard und er trat, wie er es schon Tausende Male zuvor getan hatte, erhobenen Hauptes in seine Wachstube. Was er dort sah, hatte er am Wenigsten erwartet.
Thomas Wagner saß auf seinem Sessel, hinter seinem Schreibtisch und trank seinen Wein aus seinem Becher. Diese vermaledeite Kröte kannte auch nicht die geringste Scheu. An seiner Seite stand ein junger Mann, den Bernhard nicht kannte, der jedoch die Farben der Wächter trug.
„Bernhard Schreiber… welch unerwartete Überraschung.“
„Ja, das sehe ich, Sergeant Wagner.“ Die Tatsache, dass dieser Kerl trotz seines Anblicks noch immer sitzen blieb, vertrieb sämtliche Gedanken an das Gold und ersetzte sie mit gerechtem Zorn. „Feiern Sie Ihre kleinen Feste mit all Ihren Freunden hier, wenn ich nicht da bin?“
Der Mann winkte den jungen Wächter zu sich und flüsterte diesem etwas ins Ohr. Dieser verbeugte sich kurz, dann verließ er das Zimmer, nicht jedoch ohne Bernhard zuvor noch einen merkwürdigen Blick zuzuwerfen.
„Setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken?“
Er goss etwas Wein in einen zweiten, unbenutzten Becher.
„Runter von meinem Stuhl!“
Thomas Wagner stellte den dargebotenen Becher enttäuscht ab.
„Nein… ich denke ich bleibe hier sitzen. Oh, und es heißt ´Hauptmann Wagner´.“
„Was?“
„Tun Sie doch nicht so überrascht, Herr Schreiber. Sie waren wochenlang verschwunden. Man konnte Sie weder zu Hause antreffen, noch ließen Sie sich hier auf der Arbeit blicken. Ihre Krankheitsgeschichte ist wohlbekannt. Niemand konnte wissen, ob Sie je wieder zurückkehren. Es blieb mir also keine andere Möglichkeit, als Ihren vorzeitigen Ruhestand beim Statthalter zu beantragen.“
„Sie haben was getan, Wagner?“
„Es gibt keinen Grund für Feindseligkeiten. Die Papiere kamen letzte Woche unterschrieben und mit dem Siegel des Statthalters auf ihnen zurück. Sie sind jetzt offiziell im Ruhestand, Herr Schreiber. Mit allen Ehren entlassen.“
„Und Sie verdammtes Scheusal haben sich dann sogleich diesen Posten ergaunert!“
„Herr Schreiber, ich verstehe Ihren Unmut, aber der Statthalter und ich sind in langen Gesprächen zu dem gemeinsamen Schluss gekommen, dass ich hervorragend als Ihr Nachfolger geeignet bin. Der Mann war sehr angetan von meinen Ideen zur Personalführung.“
Hauptmann Wagner hatte ihm den Rücken zugewandt und war an das Fenster getreten.
Trotz seines Vorhabens, die Stadtwache zu berauben und sich dann davonzustehlen, versetzte ihm diese Intrige einen Stich, den er nicht einfach verwinden konnte. Thomas Wagner. Der unfähigste aller Wächter, der intrigante, schleimige Arschkriecher hatte nun den Posten eines Hauptmanns inne. Was war nur aus der Welt geworden, die er einst so sehr geliebt hatte?
„Ein Mann von Ehre hätte solche Taten nicht begangen, Wagner.“
Dieser drehte sich ihm nun wieder zu.
„Ach, ich bitte Sie. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter. Ehre, Treue und Tugend sind nichts als Stolpersteine auf dem Weg an die Spitze. Viele Männer sind ihretwegen schon gefallen. Verschonen Sie mich also bitte mit Ihrem sentimentalen Bardengeschwätz.“
Bernhard bleckte die Zähne. Sie waren ganz allein. Die Tatsache, dass er den neuen Hauptmann ohnehin aus dem Weg räumen musste, um an das Gold zu gelangen, war in diesem Moment nur ein Bonus.
Mit einem Satz glitt er über den Schreibtisch. Stieß Papierstapel und Tintenfass um, während er nach dem Weinkrug griff. Thomas Wagner war viel zu jung und unerfahren, um einen Angriff auf sein Leben zu erkennen, selbst wenn er ihn direkt vor Augen hatte. Erst als der Krug gegen seine Schläfe krachte, Wein und Tonsplitter überall verteilte, dürfte ihm der Gedanke gekommen sein, dass etwas nicht stimmte. Ein Hagel aus Leberhaken zwang den jungen Hauptmann in die Knie. Die Schläge raubten ihm die Luft und damit die Möglichkeit nach Hilfe zu rufen.
Bernhards wilder Tritt schleuderte den Schädel des Mannes gegen die Wand. Man konnte die Verblüffung hinter all den Schmerzen erkennen und das brachte Bernhard Schreiber erst so richtig in Fahrt. Völlig benommen versuchte Hauptmann Wagner, sich wieder aufzurichten. Blut und Bruchstücke von Zähnen flossen ihm aus dem leicht geöffneten Mund.
„Wie fühlt sich das an, Wagner? Wie fühlt es sich an, wenn jemand anderes plötzlich über Ihr Leben entscheidet?“
„Bitte…“, röchelte es leise.
„Was? Du willst etwas Wein? Oh ja, du liebst meinen Wein!“ Bernhard ergriff einen Becher. „Hier trink! Trink auf das Wohl von Bernhard Schreiber!“
Er drückte den Kiefer des Hauptmanns auseinander und goss den ganzen Inhalt des Gefäßes in seinen Mund. Hustend fiel Thomas Wagner auf alle Viere.
„Was ist, Wagner? Schmeckt dir mein Wein auf einmal nicht mehr?“
Der Becher landete neben dem leise wimmernden Mann. Eine ganze Serie von Tritten und Schlägen gegen Kopf und Brustkorb warf ihn hin und her. Erst nachdem er seine ganze Wut an dem wehrlosen Mann ausgelassen hatte, gönnte Bernhard ihm etwas Ruhe. Der Hauptmann war nicht in der Lage sich auch nur einen Zoll weit zu bewegen. Seine Lippe war an mehreren Stellen gerissen, die blutunterlaufenen Augen bereits zugeschwollen, wahrscheinlich waren auch einige Rippen gebrochen.
Bernhard Schreiber wandte sich von ihm ab. Es gab noch etwas anderes zu tun. In aller Ruhe und mit fröhlicher Gelassenheit zwischen den Schulterblättern durchsuchte er die Regale in der Stube nach der Kasse der Wächter und fand sie auch sogleich. Sie war nicht einmal verschlossen. Als sich der abgegriffene Deckel öffnete, sah er ganz oben den Wechsel über dreihundertsiebenundfünfzig Goldthaler, unterschrieben vom königlichen Schatzmeister. Daneben lagen noch einige Belege für getätigte Ausgaben und sechs goldene Münzen Kleingeld. Mit vor Erregung zittrigen Fingern raffte er alles zusammen und stopfte Wechsel und Münzen in seine Taschen.
Er hatte es geschafft. Niemand hatte ihn aufgehalten. Langsam ging er zu dem schwer verletzten Hauptmann hinüber. Die Augen des Mannes waren so dick zugeschwollen, dass er Bernhard wahrscheinlich nicht einmal mehr sehen konnte. Ein triumphaler Tritt in den Hintern des intriganten Verräters sollte seine Aufmerksamkeit wieder auf das aktuelle Geschehen lenken, bevor ihn die Ohnmacht erlösen durfte.
„Du pisst auf mich, Wagner! Du pisst auf mich und mein ganzes Leben! Weißt du, wie sich das anfühlt?! Zum Abschied zeig ich dir, wie es sich anfühlt.“
Bernhard öffnete seine Hose.
Der gelbe Strahl landete im Gesicht des jungen Mannes. Er wusch das Blut fort und ersetzte es mit Urin. Er lief ihm in die Haare, die Augen, den Mund und wurde von seiner Kleidung aufgesogen. Der Hauptmann hatte nicht einmal die Kraft seine Hände zum Schutz zu heben oder den Kopf wegzudrehen.
Erst als Bernhard seine ganze Blase geleert hatte, war ein Großteil seiner Wut verraucht. Jetzt ärgerte er sich nur noch darüber, heute so wenig getrunken zu haben.
„Eine nette Vorstellung“, erklang eine Stimme hinter ihm.
Hastig fuhr er herum, aber da stand kein Stadtwächter, sondern etwas viel Schlimmeres.
„Bernhard Schreiber, nehme ich an. Nikolas van Hauten. Ich versuche bereits seit Wochen, einen Termin bei ihnen zu bekommen.“
„Ach ja?“ Bernhard zog den Gürtel wieder fest. „Weswegen denn?“
„Ich habe da einige Fragen an Sie betreffs Konspiration mit Dämonen, Verschwörung gegen die gottgegebene Ordnung, Ketzerei… suchen Sie sich etwas aus, die Liste ist recht lang.“
Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Solche einem Mann war er noch nie begegnet. Augen so kalt wie Eis zeigten weder Besorgnis noch Mitgefühl für den zugerichteten Wagner. Hätte Bernhard nur ein paar von dieser Sorte in der Wache gehabt, so hätte er die Stadt schon vor Jahren blitzblank gesäubert. Dummerweise standen sie gerade auf verschiedenen Seiten.
Fieberhaft suchte er nach einem Schwert oder einem Dolch. Der Hauptmann trug keine Waffe am Gürtel und auch er war unbewaffnet gekommen.
„Sie nehmen den Mund ganz schön voll. Wo sind denn bitte Ihre Beweise für all diese Anschuldigungen?“
„Beweise? Oh, Herr Schreiber, Beweise sind nur etwas für Leute ohne den rechten Glauben. Bitte folgen Sie mir.“
„Wohin denn?“
„Sie wissen genau wohin.“
Seine hastige Suche nach einem Schwert blieb erfolglos. Es gab also nur noch zwei Möglichkeiten, dem Inquisitor zu entgehen. Eine davon beinhaltete etwa drei Schritt freien Fall, die andere seinen Tod.
„Versuchen Sie es gar nicht erst, Herr Schreiber. Natürlich werden Sie den Sturz aus dem Fenster überleben, aber man wird sie mit gebrochenen Beinen dort unten auflesen noch bevor Sie auch nur eine Elle weit gekrochen sind. Der andere Weg hier heraus führt an mir vorbei. Gerade Sie werden erkennen, dass dies ein unmögliches Unterfangen ist. Geben Sie also auf. Lassen Sie sich vertrauensvoll in die Arme des Ordens sinken. Ich werde Sie nicht töten, dafür hab ich viel zu viele Fragen an Sie.“
Ohne den Hauch eines Zweifels war ihm klar, dass er diesem Mann nicht gewachsen war. Ebenso stand für ihn fest, dass er sich ganz sicher niemals in die Hände der Inquisition begeben würde. Der Tod blieb somit der einzige Ausweg.
Mit feuchten Augen und wütenden Flüchen auf den Lippen stürzte er sich auf den Inquisitor. Er sah nicht einmal, wie die kleine Armbrust in die Hand seines Gegenübers gelangte, da bohrte sich auch bereits der Bolzen in seine Leistengegend. Sein Bein gab mitten im Lauf nach und er fiel der Länge nach auf den Boden.
„Nur einmal“, hörte er die kalte Stimme über sich, „nur einmal möchte ich erleben, dass ihr mein wohlgemeintes Angebot annehmt und euch nicht wie tollwütige Hunde verhaltet. Nur ein einziges Mal.“ Schritte näherten sich. „Schafft den Mann zu dem Wagen, der vor der Tür wartet und passt auf, dass er heil dort unten ankommt. Ich habe noch viel mit ihm vor.“

Ragnar schlug mit der flachen Hand auf den Tresen.
„Bring uns zwei Dunkle.“
Der Wirt sah zu den anderen Gästen hinüber, einer von ihnen schüttelte leicht mit dem Kopf.
„Habt ihr das Schild draußen nicht gelesen? Wir bedienen hier weder Elfen noch Zwerge oder Trolle. Das hier ist ein anständiges Gasthaus, also verschwindet wieder.“
„Hör zu, Wirt. Der einzige Grund warum du gerade meine Stimme hörst, anstatt des Geräuschs, das entsteht, wenn deine Finger brechen, ist, dass ich nicht weiß wo du dein Bier aufbewahrst. Also noch mal. Zwei Dunkle. Jetzt!“
„Schon gut, schon gut.“ Der Mann wechselte erneut Blicke mit den anderen Gästen. „Es ist Fraydag Abend, da will ich mal nicht so sein. Ich hol euch euer Bier.“
Der Mann verschwand hastig durch eine Tür hinter dem Tresen.
Ahrok wäre unter anderen Umständen wohl nicht mit der Reaktion des Zwerges einverstanden gewesen, aber heute hätte er sicher nicht anders gehandelt. Der Streit mit der Komtess nagte noch immer an ihm. Sich jetzt zwischen ihn und Frohsinn verheißenden Alkohol zu stellen, war keine gute Idee.
Die einzigen anderen Gäste saßen, wie hätte es auch anders sein können, am Tisch vor dem Kamin. Damit stahlen sie ihm genau den Platz, an dem er selber gern gesessen hätte, um seine Kleider zu trocknen und wieder etwas Gefühl in die kalten Finger zu bekommen.
Zwei von ihnen trugen schwarze Kutten, vielleicht waren es ja Mönche, der andere kam Ahrok jedoch bekannt vor. Obwohl der Mann bemüht war, sein Gesicht anzuwenden, hatte er das Gefühl, ihn schon ein paar Mal gesehen zu haben. Auf dem Anwesen des Grafen konnte er ihn nicht getroffen haben, denn für ein Mitglied der Oberschicht war der Mann zu schäbig gekleidet. Vielleicht war Ahrok ihm auf dem Markt begegnet oder damals noch in Hans´ Schenke.
Genau! Das war´s. Die „Pinkelnde Sau“. Daher kannte er den Mann. Auch wenn Ahrok sich nicht sicher war, ob der Kerl damals schon diese schlimmen Narben besessen hatte, so war es doch dasselbe Gesicht. Es war eine willkommene Abwechslung, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Abseits der blaublütigen Gesellschaft war es ihm ein tiefes Bedürfnis, wieder einmal mit einem normalen Menschen normale Gespräche zu führen.
„Hey du“, winkte er dem Vernarbten zu. „Kennst du uns noch?“
Ruckartig erhob sich der Mann und ergriff seinen Mantel, der über der Stuhllehne hing.
„Leave no witnesses. Kill ´em!“, zischte er den anderen zu, dann verschwand er eilig an Ahrok vorbei hinaus aus der Schenke. Ein zu Recht verwunderter Ahrok stand inmitten der Taverne und fragte sich, was nun schon wieder schiefgelaufen war, als er die kurzen Messer in den Händen dieser Mönche aufblitzen sah.
„Ragnar.“
Er wich vorsichtig ein paar Schritte vor den Männern zurück.
Mit einem Knall flog die Tür auf, hinter welcher der Wirt gerade erst verschwunden war. Eben jener trat, eine gespannte Armbrust in den Händen, hinter den Tresen.
„Ich hab euch gewarnt, aber ein freundliches ´Verpisst euch, ihr Hurensöhne!´ reicht heutzutage wohl nicht mehr aus. Schnapp dir deinen Lustknaben und verlass meine Schenke oder…“
„Oder was?“, grollte der Zwerg.
„Ragnar. Hier hinten gibt’s auch gleich Ärger.“
Der Zwerg reagierte nicht sondern schob sein Gesicht so nah an den Bolzen, dass dieser ihm in die Nase stach.
„Das ist das Problem mit Waffen.“ Der Zwerg ließ den Wirt nicht aus den Augen, während die beiden Schwarzgekleideten Ahrok die Fluchtmöglichkeiten abschnitten. „Ein jedes, dummes Arschloch hält sich gleich für einen Krieger, wenn er eine in der Hand hält.“
Ragnars Hand fegte die Armbrust beiseite. Surrend schoss der Bolzen durch den Raum und blieb in einem Deckenbalken stecken.
„Eine Armbrust ist eben keine Waffe für den Nahkampf“, lautete Ragnars letzte Lektion an den Wirt. Die gewaltigen Pranken des Valr umschlossen den Nacken des vollkommen überrumpelten Mannes, dann riss ihn der Zwerg hinab auf die Theke.
Laute Schmerzensschreie hallten durch den Raum. Sie endeten jedoch schnell, als der Zwerg den Kopf des Wirtes noch weitere drei Male auf das blutige Holz schlug.
„Du magst also keine Zwerge, wie?“ Der Schädel landete ein weiteres Mal auf dem Tresen. „Ich geb dir einen Grund, Zwerge nicht zu mögen!“
Der Wirt antwortete nicht mehr. Seine Gesichtszüge waren verschoben, Kiefer und Nase gebrochen. Sein schwacher Atem warf Blasen im Blut, das ihm über die kraftlosen Lippen lief. Ragnar ließ ihn fallen und drehte sich um.
„Und was stimmt jetzt mit denen da nicht?“
„Keine Ahnung!“ Ahrok griff einen Stuhl und brachte ihn zur Verteidigung zwischen sich und die Angreifer. „Vielleicht mögen die auch keine Zwerge.“
„Au ja. Auf solche Leute freue ich mich schon den ganzen Tag.“
Durch ein paar Handzeichen verständigten sich die mordlüsternen Mönche und positionierten sich neu.
„Kommt schon. Nicht alle auf den Kleinen. Ich bin auch noch da. Wer von euch möchte eine Scheibe von dem Zwerg?“ Einer der Männer wandte sich von Ahrok ab. „Jaaaa, so ist´s fein.“
„Ready?“, rief einer der beiden.
„Bei dir alles klar, Ragnar?“
„Ready“, bestätigte der andere.
Gleichzeitig stürmten die beiden Männer in ihren Kutten vor. Mit ihren Messern bildeten sie eine stählerne Barriere, der Ahrok nicht zu nahe kommen wollte. Durch eine angetäuschte Bewegung nach links wollte der Mann den Stuhl umgehen, den Ahrok noch immer als Waffe benutzte, doch seine Augen verrieten seine wahre Absicht. Der Stuhl krachte mit solcher Gewalt gehen seinen Oberarm, dass die Lehne splitterte und der Mönch zu Boden geworfen wurde. Ahrok ließ ihm keine Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen. Harte Stuhlbeine trafen auf nicht ganz so harte Knochen. Nach einer Handvoll Schlägen war der Mann zu seinen Füßen nur noch ein wimmerndes Häufchen mit gebrochenen Fingern und Armen, das sich kaum noch zu rühren wagte.
Auf der anderen Seite des Raumes jagte der zweite Angreifer Ragnar mit wilden Schwüngen hin und her, bis dieser abrupt zum Gegenangriff überging. Dass das Messer ihm dabei nur einen Finger breit über dem Auge die Stirn zerschnitt, irritierte den Zwerg nicht einmal. Wie ein wilder Stier rannte Ragnar ungebremst weiter, selbst als er auf seinen Gegner traf. Tische, Stühle, einfach alles wurde aus dem Weg gepflügt, als er den Mann vor sich herschob. Erst die Wand stoppte Ragnars wilden Lauf. Alles was sich zwischen seiner Schulter und der Hauswand befand, wurde wie zwischen zwei Mühlsteinen zerquetscht.
Der Mann erbrach sich blutig auf Ragnars Rücken, bevor er von dem Zwerg durch das Fenster auf die Straße geschleudert wurde.
Verständnislos starrte Ahrok den Valr an.
„Was?“, fragte der Zwerg.
„Musste das sein? Durch das Fenster? Jetzt wird es kalt hier drinnen.“
„Dann setzt dich ans Feuer.“
Ahrok warf hilflos die Arme in die Luft. Eine vernünftige Diskussion mit Ragnar war einfach nicht möglich. Unzufrieden mit sich und dem lausigen Kampf, nahm er dann doch wie vorgeschlagen am Kamin Platz und blickte sich gelangweilt um. Irgendwie sahen alle Tavernen gleich aus. Ja gut, manche waren größer als andere, aber etwas wirklich Neues bot keine. Das hier war also nur wieder eine weitere Schenke mit zugegeben prächtig gedrechselten Tischen und Stühlen. An den Wänden hingen Jagdtrophäen und sogar einige Bilder. Also an und für sich konnte man sich hier richtig wohl fühlen, wäre da nicht das ewige Gewimmer des Wirtes zu hören.
Der Zwerg stieß diesen gerade vom Tresen und wischte provisorisch das Blut weg.
„Ich schau mal nach, wo der hier sein Bier versteckt hat, denn ich gehe hier ganz sicher nicht nüchtern weg.“
Ahrok nickte den Flammen zu. Sollte der Zwerg doch machen, was er wollte. Heute ging eh alles den Bach runter. Zum Umkehren war es zu spät. Entschuldigungen lagen ihm nicht. Ein Krieger bittet eben nicht um Vergebung.
Was für ein Scheißtag.
Überraschend flog die Tür zum Gasthaus auf.
Doch anstatt eines schwerverletzten Mönchs stand ein Mann mit stechendem Blick in der Tür. Routiniert analysierte er die Situation in Windeseile. Seiner Uniform nach zu urteilen war es ein Stadtwächter.
„Hier ist noch geschlossen“, rief Ahrok ihm zu.
Diese dämlichen Stadtwächter verdarben immer alles. Selbst seinen schwer verdienten Rausch wollten sie ihm nicht gönnen. War denn heute wirklich die ganze Stadt gegen ihn?
Wimmernd schob sich der Wirt hinter dem Tresen vor.
„Endlich kommt jemand. Helfen Sie mir! Bitte.“ Bei jedem seiner weinerlichen Worte lief ihm roter Speichel über die geschwollenen Lippen.
Just in diesem Moment kam der Zwerg mit zwei vollen Krügen aus dem Nebenraum.
„Guck mal was ich hier habe, Ahrok!“
Zischend glitt das Schwert aus der Scheide der Stadtwache.
„Ich hab genug gesehen. Ergebt euch ohne Widerstand und folgt mir zur Wache!“
Ahrok grinste böse. Ein Kampf würde ihn davon abhalten, allzu viel über den verdammten Tag nachzudenken. Das würde nach dem schlechten Start ja vielleicht doch noch ein spaßiger Abend werden.
Langsam stand er auf. Sein weißes Hemd war nass vom Regen und den Blutspritzern.
„Nehmt ihn fest! Den Zwerg da drüben auch“, kommandierte der Wächter.
Jetzt erst betraten drei weitere Stadtwächter das Gasthaus.
Plötzlich schnellte Ahroks Faust vor und traf die Nase des vordersten Mannes. Der Helm flog durch den Raum und landete polternd auf den Dielen.
„Wenn ihr mich wollt, dann holt mich doch“, rief er aufgeregt.
Ragnar stelle das Bier auf dem Tresen ab.
„Was ist hier überhaupt los?“
„Nutzt eure Knüppel. Der hier scheint adlig zu sein.“
Ahrok schlug wild um sich, aber die vier Männer engten seinen Bewegungsspielraum ein. Einer bekam seinen Arm zu fassen, ein anderer sein Bein. Er kam kaum noch dazu, die ganzen Angriffe abzuwehren. Knüppelschläge hagelten nur so auf ihn hernieder, trafen Nacken, Rippen und Kopf. Mit einem Mal wurde es dunkel.
 
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Kommentare  

Oh, da ist Bernhard aber sehr überrascht worden. Er hatte sich das ganz stimmt so nicht gedacht. Es sieht nun wirklich nicht gut für ihn aus. Ahrok und Ragnar werden verhaftet. Was wird sie erwarten?

Jochen (10.04.2012)

Obwohl Bernhard nach wie vor ein Arschloch ist, finde ich es doch schade, dass bald sein Leben enden wird. Und Ahrok und Ragnar kommen auch in große Schwierigkeiten. Sehr spannend.

Petra (05.04.2012)

es endet im chaos, der hauptmann erst abgesetzt von seinem posten, dann in den händen der inquisition, bin gespannt ob sie ihm was nachweisen können, denn der dämon wurde ja entfernt. vielleicht entfernt... und die schlägerei im gasthaus scheint auch nicht gut auszugehen. ein spannender aktionreicher teil!

Ingrid Alias I (05.04.2012)

Au weiha....
Bernhard wurde nicht nur abserviert, er kriegt es auch noch mit der Inquisition zu tun.
Ahrok ist nach seinem Streit mit Ariane sauer und als er und Ragnar einen trinken wollen, landen sie promt am denkbar ungünstigsten Ort und finden sich recht unverhofft in Schwierigkeiten wieder.
Ariane tut mir ein wenig leid, aber sie hat sich auch ein wenig dumm angestellt. Da merkt man, dass sie wohl wirklich noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Männer hat.
Und das alles liest sich locker und flott weg. Wriklich gut geworden.


Tis-Anariel (04.04.2012)

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