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3 Seiten

Vom Ende An

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Es ist eine dumme Geschichte, die weder einen Anfang noch ein Ende hat.

Eigentlich erscheint es einem so ziemlich unmöglich sie erzählen zu können. Jedesmal verliert sich der Faden irgendwie und irgendwo - entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft... ...Aber nicht in der Gegenwart - es gibt sie nämlich gar nicht. Versuchen Sie mal "Gegenwart" zu sagen - bis Sie auch nur noch ein Teilchen davon aussprechen, ist die Gegenwart schon längst Vergangenheit... Und so versuche ich nun etwas zu erzählen, was eigentlich kein Schwein interessiert, denn so ziemlich jeder kennt sie ja schon - mit minimalen (was auch relativ ist) Unterschieden.
Womit soll ich denn anfangen ? Mit dem Anfang ? Und wie ? Wie stellen Sie sich den Anfang eigentlich vor ? Wenn man darüber nachdenkt, versteht man unter dem Anfang etwas, wovor entweder ein Ende von irgendetwas oder gar nichts gegeben hat. Na gut, hätte es vor dem Anfang ein Ende gegeben, wäre es dann eigentlich gar kein Anfang, höchstens wäre es der Anfang des nächsten Teils. Soll das etwa heißen, daß es vor dem Anfang überhaupt nichts gegeben hat, nicht mal irgendein schwarzes Loch oder so etwas ? Angenommen - aber wieso sollte es dann überhaupt einen Anfang gegeben haben ?
Und genau so steht's mit dem Ende. Muß es denn überhaupt ein Ende geben ? Also wenn ja, dann soll das Ende doch auch ein Anfang von irgendetwas sein, höchstwahrscheinlich für noch irgendein Ende, das wiederum gar kein Ende sein wird, denn gleich danach wird's noch einen Anfang geben... ...und so weiter und so weiter und so weiter... ...vermutlich überhaupt ohne jegliches Ende, obwohl das Ende eigentlich genau so vorprogrammiert sein sollte wie der Anfang, den es zweifellos gegeben hat... oder nicht ?

Der Anfang von meiner Person. 1981. Hm... Dieser Anfang ist nicht so rätselhaft und das Ende wird's wahrscheinlich auch nicht sein. Höchstwahrscheinlich wird's sich einfach verlieren, in der Menge der übrigen Enden an jenem Tag... Das gehört aber noch in die Zukunft; bleibt also abzuwarten, wie lange es Zukunft bleiben wird, für mich, meine ich.
Meine Mutter. Nun ja, sie ist meine Mutter, mehr dazu gibt's nicht zu sagen. Hat mich zur Welt gebracht, versteht sich. Glaube nicht, daß sie der Welt damit einen großen Gefallen getan hat... Weiter. Mein Vater. Ich kann mich ziemlich gut an ihn erinnern, auch wenn er schon seit meinem zehnten Geburtstag nicht mehr bei uns ist. Weiter. Meine Großmutter. Die Mutter meiner Mutter. Doof, ich weiß, aber mehr dazu gibt's nicht zu berichten.
Weiter. Aram. Mein bester Freund. War's, soll ich wahrscheinlich sagen; seitdem ich hierher gezogen bin, schreiben wir einander ab und zu, aber das war's auch. Leider.
Weiter. Anna. Bildhübsch. Intelligent. Stets freundlich und hilfsbereit. Ich glaube, es gibt niemanden auf dieser Welt, der sie nicht mögen würde. Wahrscheinlich weiß sie es gar nicht, aber ich betrachte sie jetzt als meinen besten Freund, und von denen habe ich ja nicht gerade viel. Leider. Wir unterhalten uns ja kaum und es ist ja auch verständlich, auf ihrer Stelle würde ich auf mich auch kaum Acht geben.
Weiter. Mark. Seit diesem Schuljahr ist er nicht mehr bei uns. Nein, nicht gestorben, einfach in eine andere Schule gegangen. Wir unterhielten uns jeden Tag über dies und das, aber irgendwie konnte ich ihn nie als einen richtigen Freund betrachten, keine Ahnung, warum. Ich wünschte, ich könnte es. Aber der war ja mit der Hälfte der Klasse befreundet.
Weiter. Sabine. Sitzt neben mir. Sie scheint eine Antwort auf jede Frage zu haben, die es nur geben kann. Ein großes Teil davon kommt aus all den Indiana-Jones-Romanen, die sie die ganze Zeit liest. Und malen kann sie auch ganz toll, denn ich kenne kaum jemanden, der von Herrn Weber 'ne 15 gekriegt hätte.
Weiter. Herr Noé. 'N toller Kerl und 'n toller Lehrer; der Beste, den ich je hatte. Unser Klassenlehrer. Ich habe noch nie gesehen, wie er ausrastet oder jemanden anbrüllt oder so. Immer so ausgeglichen... Und da beneide ich ihn ganz furchtbar.
Weiter. Das Netz. Mein zweites Zuhause. Ich habe viele Netzkumpel, die ich allerdings nie gesehen habe. Umso besser. Obwohl meine Mutter mich oft daran erinnert, daß es nicht die reale Welt sei und daß ich mehr auf reale Personen achten soll. Tu' ich, allerdings nicht so ganz erfolgreich. Leider.
Die Zukunft. 'N schwarzes Fleck. Oder eher viele kleine schwarze Flecken. Also wenn ich mir, zum Beispiel, jetzt gleich alle Finger breche, dann werden ein paar von ihnen verschwinden, denn die Chance, daß ich ein großer Pianist werde, verschwindet spurlos. Ein Bankangestellter werde ich wohl auch nicht sein, will nichts mit Zahlen zu tun haben und ausgeraubt zu werden ist auch nicht gerade mein Traum. Aber eigentlich möchte ich gar nicht wissen, welches Fleck am Ende übrig bleibt; ich glaube, keiner möchte es.
Das Ende. Meins. 'N Feiertag im Kalender der Menschheit. Leider. Also wenn es jemanden geben wird, der zu meiner Beerdigung kommt, dann bin ich schon außerordentlich glücklich. Derjenige wird aber auch irgendwann den Löffel abgeben; soviel steht fest. Und auch der Moment seines Endes wird der Moment vom sonst noch irgendwessen Ende sein, aber auch vom irgendwessen Anfang. Was mir aber völlig egal sein soll, denn mein Ende ist ja dann schon längst eingetreten.
Leider.

Es ist eine dumme Geschichte, die weder einen Anfang noch ein Ende hat.
 
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Kommentare  

...:::irgendwie orginell:::...

*Becci* (19.07.2002)

Verdammt, habe den Titel vergessen ! "Vom Ende an" heißt die Geschichte. Tschuldigung.

 (06.03.2001)

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