Irgendwann

Für A..L.; schön, daß du da bist.


"Verzeihung, Verzeihnung !.. Sandra !.."
"Harald ! Und du bist auch hier ? Ich kann ja gar nicht glauben, daß du gekommen bist !.. Na ja, ich meine, du und Onkel Klaus wart nicht unbedingt die besten Freunde, die man sich vorstellen kann..."
"Ja, ja. Aber weißt du, wenn jemand das Zeitliche segnet... und dazu noch so abrupt und sinnlos, dann vergißt man einfach alle Unstimigkeiten der Vergangenheit, weißt du."
"Jedenfalls bin ich sehr erfreut, dich wieder zu sehen. Wirklich schade, daß der Anlass dazu sein Tod sein mußte."
"Was ich eigentlich fragen wollte, ist... was kostet eigentlich die Uhr da ?"
"Oh ja, das war seine Lieblingsuhr, ich glaube, er hat sie nicht mal abgenommen, als er schlafen ging. Er hat sie sehr gemocht. Na ja, zweihundert, würde ich sagen."
"Hm, nicht gerade billig, was ? Also gut, also gut... hier, einhundert, zweihundert... Hier, bitte. Ab jetzt wird ein kleines Teilchen von ihm immer... oder fast immer bei mir sein."
"Vielen Dank, du weißt ja, wir könnten das Geld gut gebrauchen. Schau dich doch mal um, vielleicht, findest du ja noch etwas, was dir gefällt."
"Gut, mache ich !"
"Und noch mal danke, ja ?"

"Du, Markus, ich konnte mir gar nicht vorstellen, daß dein Onkel so viele Freunde hatte..."
"Stimmt. Er war MEIN Onkel. Daß DU ihn "Onkel" nennst, finde ich ich irgendwie unangebracht."
"Dein Onkel war ein sehr netter Mensch. Und ich stand ihm sehr nah, das weißt du doch !"
"Sogar näher als ich, würde ich sagen."
"Hast du denn ein Problem damit ? Was gefällt dir dabei nicht ?"
"Ach wieso denn ? Alles bestens ! Ich meine, es ist doch ganz natürlich, daß ich schon zwei, zwei verdammte Bücher geschrieben und sogar veröffentlicht habe und kein Schwein kennt mich !.. und er... ein einziger Zeitungsartikel mit einem winzigen Foto und ihn kennt die ganze Stadt ! Also für mich klingt's irgendwie... nicht ganz normal, findest du nicht auch ?"
"Weißt du, was ich denke ? Ich denke, du bist bloß neidisch auf den amren Onkel Klaus..."
"VERDAMMT NOCH MAL !!! Er war nicht dein Onkel ! Er war meiner !"
"Bist du !.. Sieh dir all diese Leute an, sie sind nämlich zu DIR gekommen, und so empfängst du sie ?! Wenn du möchtest, daß ich gehe, dann gehe ich, bitte ! Erwarte dann aber nicht, daß du auch nur die Hälfte davon verkaufst, was du hier alles ausgestellt hast ! Seine Sachen stellen ja nicht unbedingt eine Kunstsammlung dar..."
"Nein, geh... geh nicht. Entschuldige. Siehst du den Typen da ? Wieso... warte mal... ach du lieber Himmel ! Das ist ja Ralf !.. Oder täusche ich mich ?... Ralf, komm' doch her !"

"Hallo ! Ich bin auch mal vorbeigekommen, falls du nichts dagegen hast. Na ja, ich habe deinen Onkel nicht sonderlich gut gekannt..."
"Gott, du hast ihn überhaupt nicht gekannt, du hast ihn ja nur ein paar mal in deinem Leben gesehen !"
"...Also heißt es, ich soll lieber gehen ? Sandra ?.."
"Nein, um Gottes Willen, natürlich nicht, bleib doch solange wie du willst ! Markus hat heute wieder Kopfschmerzen und er brüllt andauend jemanden an. Oder, Markus ?"
Ja, sorry, klar kannst du bleiben... Ich meine, siehst du den Alten da ? Ich kann mir gar nicht denken, daß er mit meinem Onkel irgendetwas zu tun haben könnte. Schließlich ist es hier keine Abschiedsparty, ich wollte ja nur möglichst viel von seinen Sachen verkaufen, bin nämlich völlig pleite. Also für jeden Kauf bin ich dankbar."
"Hm, kannst du mir eigentlich mehr über den Unfall erzählen, als in der Zeitung stand ? Es konnte doch nicht einfach so ein absurder Tod gewesen sein ! Es ist mir einfach unvorstellbar."
"Nein, ehrlich gesagt war alles genau so, wie du es gelesen hast. Sven wollte ihm seine Lieblingskanone zeigen, die er noch vom Zweiten Weltkrieg hatte und da haben alle Angst gekriegt, sie könnte plötzlich losgehen. Na ja, und da wollte er beweisen, daß sie gar nicht geladen ist und... na ja, und hat sie direkt auf Onkel Klaus gerichtet und... abgedrückt. Geladen war sie schon, sonst wären wir heute gar nicht hier."
"Dumm. Ein saudummer Tod, ein anderer Ausdruck fällt mir nicht ein... Okay, dann lasse ich euch in Ruhe und gucke nach, ob ich auch für mich was schönes finde. Bis dann also !"
"Bis dann !"

"Nein, ich kann's nicht fassen ! Mein Onkel war quasi der beliebteste Mensch in der Stadt !"
"Du bist doch nicht etwa eifersüchtig ?! Auf deinen Onkel ?! Ich glaub's nicht ! Onkel... Klaus war einfach ein sehr sehr netter Mensch, kein Wunder also, daß er von so vielen Menschen gemocht wurde."
"Sag mal, wieso wolltest du eigentlich mich heiraten, wieso nicht ihn ? Ich habe das Gefühl, du wärest bei ihm viel glücklicher als bei mir !"
"Du hast ja keine Ahnung, was du da schwätzst. Du willst einfach nicht begreifen, daß er schließlich tot ist ! Tot, verstehst du ?!"
"...und das ist der Grund, daß völlig unbekannte Menschen von ihm so reden, als sei er ihr nähester Verwandte ?! Du !.. Du redest die letzten zwei Tagen nur von ihm, keine einziges Wort über uns ! Verflucht noch mal !"
"Ich will dieses sinnloses Gespräch nicht mehr führen. Jemand muß noch den zwei alten Herren da helfen, sag Bescheid wenn du mich brauchst. Und du hast absolut keinen Grund eifersüchtig... oder gar neidisch zu sein, wir lieben dich doch auch, müssen wir es denn immer wiederholen, damit du es glaubst ? Genau so wie deinen Onkel... Ja, ich komme gleich zu Ihnen !... Glaub' mir, genau so."

"Nein. Nein, Sandra, bei weitem nicht genau so. Noch nicht."