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2 Seiten

Götterdämmerung (Prolog)

Romane/Serien · Fantastisches · Experimentelles
© darkwitch
Prolog

Eine Nacht ohne Morgen, dennoch dämmerte es nun langsam. Das Licht kroch, als würde es Tonnen wiegen von Richtung Osten aus heran. Alle Leichtigkeit war verschwunden. Dicke Wolken am Himmel strahlten in einem kränklichen Gelb. Kein Sonnenstrahl wollte hindurch dringen.
Ein Tag ohne Abend, dennoch kam jedes Mal die Dunkelheit. Streckte sich gierig ins Grau hinein und färbte den bedeckten Himmel rot wie Blut. Dann verschlang die Dunkelheit das wenige Licht und am Schwarzen Horizont zeigten sich weder Sterne noch Mond.

Shadon wusste nicht, wie er hier hergekommen war, oder ob es überhaupt noch eine Rolle spielte. Das Weltenende schien gekommen zu sein und alle wussten es. Leider verhielten sie sich auch so. Wie tollwütige Tiere fielen sie übereinander her, töteten grausam, verheerten wahllos und ziellos. In dieser verwüsteten Welt hatten sich verschiedene Splittergruppen gebildet und jede davon beanspruchte die einzige wahrhaftige Wahrheit für sich. Aber die einzig echte Wahrheit war, dass wohl niemand die Wahrheit kannte. Niemand. Außer vielleicht die Engel und vermutlich nicht einmal die.
Shadon wusste nicht, wie er hier in dieser Welt gelandet war, er hatte ja noch nicht einmal eine Ahnung woher er gekommen war. Vor einigen Jahren war der dunkelhaarige, blauäugige Mann mitten in der Wüste aufgewacht ohne eine einzige Erinnerung daran wer er war, woher er kam und wohin er gewollt hatte. Er wusste ja noch nicht einmal, was er in dieser Wüste gewollt hatte. Nicht einmal sein Name wäre ihm geblieben, wäre dieser nicht auf die Innenseite seines linken Armes tätowiert gewesen. Als er vewirrt das Wort dort gelesen hatte, hatte er gewusst, dass dies sein Name war.
An die Zeit vor der Wüste hatte er nur noch seltsame, wirre und fragmentierte Erinnerungsfetzen von Angst und Verzweiflung, Feuer und Eis, schrecklichem Leid und grausamen, alles zerreißenden Schmerzen in Brust und Rücken. Er hatte auch Narben dort, aber er konnte den Menschen, die ihn gefunden hatten, nicht erklären woher. Es gab noch gute Menschen in dieser Welt, die friedliebend und gastfreundlich wie moderne Nomaden von Ort zu Ort und von Oase zu Oase zogen. Er hatte wahnsinniges Glück gehabt, dass es gerade solche Wanderer waren, die ihn gefunden hatten. Diese Leute hatten ihn aufgenommen, hatten sich um ihn gekümmert und seinen zerschundenen Körper verarztet. Und selbst nachdem er wieder gesund war, hatten sie ihn in ihrer Mitte weiterhin geduldet und willkommen geheißen. Shadon war zwar nie ein richtiger Teil dieser eingeschworenen Gemeinschaft geworden, aber er war so etwas wie ein langer, gerne gesehener Gast, der mit anpackte. Er hatte viele Freunde unter diesen Nomaden gefunden, aber niemals eine Frau für sich.
Ein leises Seufzen suchte sich den Weg über seine Lippen.
Auch wenn ihm nichts aus seiner Vergangenheit geblieben war, so erinnerte er sich sehr gut daran, wie die Sonne aussah und wie sie sich anfühlte. Auch wie der Mond und die Sterne aussahen, oder das Meer, oder Bäume. Wie sie sich anhörten und wie sie rochen. Und er vermisste es mit einer Intensität, die ihm seine Umgebung nicht richtig nachfühlen konnte.
Shadon fuhr sich über das stoppelige Kinn. Ein Blick in den kleinen Taschenspiegel zeigte ihm einen müden, etwa fünfunddreißig Jahre alten Mann mit markantem Gesicht, kurzen, dunklen Haaren und blauen Augen. Die Anführerin der Wanderer, die ihn damals gefunden hatten, hatte ihn einen Vertriebenen und Getriebenen genannt und sie hatte irgendwie Recht damit. Er fühlte sich wirklich getrieben, hielt es nirgends lange aus und hatte das Gefühl er müsse etwas ganz bestimmtes finden. Wenn er jetzt nur noch wüsste was.
 
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Kommentare  

Hallo Jingizu,
ich freue mich auch sehr über deinen Kommentar. Vielen Dank für das Lob. Wie du schon sagst, dies ist erst der Prolog. Ich werde natürlich im Verlauf auch näher auf meinen Helden eingehen.

Hallo Daniel Freedom,
auch über deinen Kommentar freue ich mich und über dein Lob ebenso. Ich hoffe, ich werde den Erwartungen gerecht werden.


darkwitch (02.10.2012)

Dieser Prolog ist wirklich sehr gut geschrieben. Diese Sätze lassen direkt Bilder vor einem entstehen und haben mich beeindruckt und ich muss zugeben, sie machen auch mich neugierig auf mehr...

Daniel Freedom (02.10.2012)

Dein Text beginnt ungeheuer sprachgewaltig, poetisch-episch eben wie es wohl zu einem solchen Thema passt.

Von der Vergangenheit des Protagonisten ist also nichts bekannt - und das was er noch weiß, wird hier sehr schnell abgespult. Zu schnell vielleicht? Jedoch... es ist ja nur der Prolog und womöglich kommt es später noch viel detailierter.
Endzeit, Engel, ein Vergangenheitsloser Held... auf den ersten Blick hat das großes Potential.


Jingizu (02.10.2012)

Hallo Gerald W.

vielen Dank für den Kommentar. Wie schön, du bist neugierig, dann muss ich etwas richtig gemacht haben.


Huhu Anariel,

na das denk ich dir, dass dir das gefällt.
Vielen Dank auch für deinen Kommentar. Du hattest Recht, bisher gefällt mir die Seite sehr gut.


darkwitch (02.10.2012)

Oh, das gefällt mir auch.
Kann mich da nur Gerald anschließen, ein gelungener Anfang, der sehr neugierig macht.


Tis-Anariel (01.10.2012)

Gelungener Anfang. Bin sehr neugierig auf das was noch folgen wird.

Gerald W. (01.10.2012)

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