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3 Seiten

Das Schaufenster von Mr. und Mrs. Beetle Einleitung und 1. Kapitel

Romane/Serien · Für Kinder
Es war einmal ein Schreiberling der im Nordwesten Englands lebte. Er hatte wie alle Mitglieder seiner Zunft die Gabe auch an ungewöhnlichen Orten und Plätzen Leben entstehen zu lassen. Eines Abends kam er an einem Spielwarengeschäft vorbei vor dem eine alte, verschrobene Frau im Morgenmantel und ausgelatschten Hausschlappen stand. Neugierig schauten beide in das Schaufenster. Die Szenerie hinter der Scheibe gefiel ihnen so gut, dass keiner merkte wie die Zeit verging und der Nachthimmel sich über die Stadt ausgebreitet hatte. „Wenn die reden könnten“, kicherte die Alte und nickte mit dem Kopf in Richtung der Stofftiere und Puppen die hinter der Scheibe saßen. Sie entfernte sich. Eine Antwort erwartete sie offensichtlich nicht.
Spontan beschloss der Schreiberling allen die hinter dem Schaufenster saßen, Leben zu geben. Es sollte jedoch ein Geheimnis bleiben zwischen ihm und den Schaufensterbewohnern. Die Ladenbesitzer brauchten davon nichts wissen.
Er gebot König Bär, der hoch oben auf einem Thron unter der Decke saß, seinen Untertanen zu befehlen, bei Tagesanbruch ihren Platz und ihre Stellung wieder einzunehmen. Als vertrauenswürdiger Regent gab König Bär sein Wort und kümmerte sich von Stund an um die Einhaltung des Gebotes und der Schreiberling kehrte in sein Zimmer zurück um die kleine Geschichte aufzuschreiben ...

Kapitel 1


Merkwürdige Dinge gingen im Schaufenster des Spielwarengeschäftes „Kinderparadies“ vor sich.
Jeden Abend, nachdem Mr und Mrs Beetle das Licht im Laden gelöscht und die Ladentür hinter sich abgeschlossen hatten, erwachte im Schaufenster das Leben.
Den ganzen Tag saß König Bär still auf seinem Thron unterhalb der Decke. Mrs Beetle hatte mit hellblauen Stoffbahnen und weissen Wattebäuschen einen Himmel erschaffen. Von dort oben schaute er jetzt auf sein Volk herab und regierte, wie es sich für einen König gehört. Im Puppenhaus Randolph räkelten sich die Kinder in den Betten. Vater Randolph stand auf der Wendeltreppe zum oberen Stockwerk und Mutter kochte in der Küche Tee. Tante Agnes saß im Esszimmer und wartete darauf, dass sich der Rest der Familie endlich zu ihr gesellte.
Am Bahnhof nahm gerade die Eisenbahn ihren Fahrdienst auf.
Viele Runden standen ihr bevor und es würde wieder zu Verspätungen kommen, wenn Krokos, das grüngelbe Krokodil wie immer die Abkürzung über die Gleise nahm.
Ein rücksichtsloser Bursche!
Lilly und Melinda, die zwei teuren Porzellanpuppen streckten ihm voll Verachtung die Zunge heraus wenn Krokos an ihrem Tisch vorbei watschelte, danach wendeten sie sich wieder einander zu und lästerten, was sie immer taten, meistens über ihre Mitbewohner. Vor allem Bronus, der kleine cremefarbene Bär war das Ziel ihres Spottes: „Wie kann solch ein hässlicher Zottelfatzke auch nur in unserer Nähe sitzen“, gehörte noch zu den harmlosen Kommentaren.
Hätte der kleine Bronus um seinen wahren Wert gewusst; er war nämlich ein Sammlerstück und kostete das zehnfache dieser beiden Spottdrosseln; er hätte ihnen jeden Tag eine Nase drehen können. Doch sogar die Passanten die am Schaufenster vorbei liefen und gelegentlich hineinschauten, konnten seinen Wert nicht erkennen. War er doch in einen geschmacklosen graugrünen Hosenanzug gepackt und mit einer schief sitzenden Pudelmütze dekoriert und musste hinter Lilly und Marlene auf einem niedrigen Schemel sitzen.

Mrs Beetle hatte vor Jahren einen Nähkurs belegt und glaubte Talent für dieses Handwerk zu besitzen. Außer den Puppen, die ihre Kleider vom Hersteller bezogen, trugen ausnahmslos alle Bewohner des Schaufensters Mrs Beetles Kreationen. Darüber waren nicht alle begeistert. Als Schaufensterbewohner verstanden sie sich sozusagen als Repräsentanten des "Kinderparadieses" und in ihrer Aufmachung fiel es ihnen schwer sich würdevoll in Szene zu setzen. Ja, sie waren geradezu verlegen und man schämte sich sogar und seufzte still wenn Passanten von außen nach innen hinein blickten.

Doch jemand hörte sie. Der alten Mrs. Watson entgingen die Klagen nicht. Wenn sie spätabends, meistens eine Stunde vor Mitternacht, im Morgenmantel und ausgetretenen Hauslatschen vor dem Schaufenster auftauchte, dauerte es nicht lange und sie war informiert über das Leben, die Sorgen und Nöte der Bewohner hinter der Scheibe.

Die Leute in der Stadt hielten sie für reichlich schrullig. Kein halbwegs vernünftiger Mensch stand nachts in einem solchen Aufzug vor einem Laden um stundenlang Selbstgespräche bei Wind und Wetter zu führen.

Keineswegs führte Mrs. Watson Selbstgespräche. Sie unterhielt sich mit König Bär und seinen Untertanen. Gelegentlich schimpfte sie mit Marlene und Lilly und setzte ihnen den Kopf zurecht. Sie sah und hörte eben Dinge, welche die vernünftigen Leute nicht sahen und hörten. „Ich will sehen, was ich für euch tun kann“, rief sie und klopfte gegen die Fensterscheibe. Das brachte ihr gleich wieder missbilligende Blicke von vorübergehenden Leuten ein.

Vor etlichen Jahren hatte Mrs. Watson eine eigene Schneiderei besessen, war stadtbekannt gewesen und in vielen Kleiderschränken hängen noch heute ihre maßgeschneiderten Hosen, Kleider und Jacken.

Doch dann wurde sie krank, musste die Arbeit aufgeben und die Schneiderei verkaufen. Zwischenzeitlich ging es ihr besser, doch ließ die moderne Zeit auch in der Stadt ihre Spuren zurück. Große Geschäfte und Einkaufszentren entstanden und niemand benötigte mehr die Dienste einer erfahrenen Schneiderin.

Etwas unsicher und doch entschlossen, die Situation von Bronus, Burz und co. zu verbessern, betrat eines Nachmittags eine kleine ältere Dame in einem auffälligen Kleid die Beetlesche Spielwarenhandlung "Kinderparadies.“


Fortsetzung folgt ...
 
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