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11 Seiten

Mortal Sin Februar 2007- Girls Just Wanna Have Fun

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Man muss lange Leben, um ein Mensch zu werden.
- Antoine de Saint-Exupéry


Das siebte Glas Pinot Grigio wurde von ihr in einem Zug geleert und schmeckte bei Weitem nicht mehr so gut, wie das Erste. Der Geschmack war säuerlich-bitter und brannte höllisch in ihrer Kehle. Emilia Sophia McDermott verzog das Gesicht und stellte das Glas zurück auf das silberne, kleine Tablett des Kellners, der ihr den Wein gebracht hatte.
Bevor sie in Versuchung geführt wurde ein weiteres Glas zu nehmen, schob sie sich durch die Menge der Partygäste, die sie nicht kannte, aber die William anlässlich ihres Geburtstages eingeladen hatte. Fremde, bedeutungslose Gesichter umzingelten sie und zogen sie in einen Strudel aus Verwirrung und Überforderung. Hektisch und leicht torkelnd bewegte sie sich weiter, bis sie sich auf der Tanzfläche wiederfand, auf welcher kaum etwas los war. Es war genau das, was sie jetzt brauchte: Raum und Platz für sich alleine und keine Menschen in ihrer Nähe, mit denen sie nichts zu schaffen hatte.
Gelöst und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen streckte sie die Hände in die Höhe und drehte sich immer wieder um die eigene Achse, wodurch der Rock ihres Kleides elegant in der Luft umherwirbelte, als vollführe er einen filigranen Tanz. Dabei schaute sie verträumt in das gleißende Licht des Kronleuchters, das über ihr strahlte wie ein Stern am Nachthimmel.
Die Blondine spürte den aufkommenden Schwindel nicht, der durch die zahllosen Umdrehungen hervorgerufen wurde, denn dafür fühlte sie sich viel zu unbeschwert und frei. Fröhlich summte sie ein Lied, während sie sich in ihrer ganz eigenen Welt befand, fernab der Realität; einer Realität, vor der sie am liebsten geflohen wäre.
„Da ist aber jemand gut gelaunt“, hörte sie die raue Stimme ihres Kollegen James Roddick, die sie stoppen ließ. Sogleich geriet sie aus dem Gleichgewicht und stolperte geradewegs in seine Arme. Sie war nicht in der Lage ihn zu fokussieren, da ihre Pupillen eine rasante Irrfahrt durch den Raum machten.
„Nein, bin ich nicht. Ich bin bloß angetrunken, James“, säuselte sie nicht ganz bei Sinnen und fing an zu kichern.
„Alles klar“, lachte er heiter und hielt sie fest in seinen muskulösen Armen. In seinem Griff fühlte sie sich sicher und erfuhr die menschliche Wärme, die sie so dringend brauchte und nach der sie sich wie verrückt sehnte. Daher schmiegte sie sich auf eine dreiste und erotische Art an ihn, was sie im nüchternen Zustand niemals getan hatte. Immerhin verband James und sie bloß Freundschaft und sie waren auf sexueller Ebene nicht aneinander interessiert. Doch jetzt fühlte sie sich einsam und war liebesbedürftig. Zumal war ihr junger Kollege ein attraktiver, heißer Typ, was ihr erst in diesem Augenblick wirklich bewusst wurde.
„Du gehst aber ran, Emilia“, nahm er ihr allem Anschein nach ihr Verhalten nicht übel, im Gegenteil, es schien ihn sogar zu amüsieren.
Dies veranlasste die Blondine dazu sich auf ihre Zehenspitzen zu heben und ihr Gesicht in seiner Halsbeuge zu vergraben, wo sie seinen herben Duft fand, der sie berauschte. Gierig und schamlos inhalierte sie ihn und ließ sich von ihm in andere Sphären heben.
„Oh mein Gott, wie gut du riechst“, schwärmte Emilia und biss sich genüsslich auf die Unterlippe. Ihr Alkoholspiegel war der Grund, weshalb ihr gar nicht in den Sinn kam, dass sie eindeutig zu weit ging und allen Ernstes mit James flirtete.
„Du genießt deinen Geburtstag wohl in vollen Zügen.“ Ihr Kollege sprach in einem Ton, der eine Mischung aus Vergnügen und Überforderung war.
„Ich nutze jeden Moment, in dem ich frei bin und mich nicht im Sog der Hölle befinde.“ Sie hob auf einmal ihren Kopf und blickte in seine stahlgrauen Augen, die für die grauenvolle und blutrünstige Welt stand, in der sie sich tagtäglich bewegte.
Schlagartig verschwand ihre gute Laune und ein Klumpen der Schwermütigkeit bildete sich in ihrem Magen.
„Ich will fliehen, James. Auch wenn es nur gedanklich ist“, äußerte sie mit wehmütiger und schwacher Stimme, während sie mit aufkommenden Tränen kämpfte.
„Das verstehe ich, aber du solltest es nicht übertreiben.“ Er schien besorgt um sie zu sein, doch das gab ihm noch lange nicht das Recht sich aufzuführen wie ein überfürsorglicher Vater.
„Ich übertreibe es nicht, klar?!“, blaffte sie ihn erzürnt an und trat einen Schritt zurück. James sah sie an, als zweifle er an ihrem Verstand.
„Du baggerst mich an, Emilia. Das würdest du nicht tun, wenn du deine Grenzen nicht er-reicht hättest“, widersprach er und fasste sie energisch an den Oberarm. Die blonde Killerin war empört über seine ermahnenden Worte. Es fehlte wirklich nur noch der erhobene Zeige-finger.
„Wer bist du, dass du mir Vorschriften machst?“ Eben hatte sie seine Nähe und seinen Duft genossen, doch jetzt hatte sie genug von ihm und wollte bloß weg. Daher wand sie sich energisch aus seinem Griff, was er mit Irritation wahrnahm.
„Was ist denn auf einmal los mit dir?“ Emilia gab ihm keine Antwort, stattdessen kehrte sie ihrem Kollegen den Rücken und entfernte sich von ihm. Im Vorbeigehen schnappte sie sich eine volle Champagnerflasche aus einem Eiskübel, ehe sie aus dem Zimmer verschwand.

Emilia Sophia McDermott schloss die Augen und versuchte den pochenden Kopfschmerzen keine Beachtung zu schenken, die sich langsam, aber sicher, anbahnten.
Sie saß mittlerweile betrunken auf einer schicken rostbraunen Ledercouch in einem von Williams Gästezimmern, an der ihre Schenkel widerlich klebten. Die Flasche mit Champagner hatte sie fast bis zur Hälfte geleert, sodass sie sich in einem nebligen Zustand von Euphorie und unterschwelliger Übelkeit befand. Sie fühlte sich miserabel und das nicht nur körperlich. Heute war sie 26 Jahre alt geworden, doch Freude empfand sie deswegen nicht. Denn weder ihre Eltern, noch ihre Schwester Lily hatten sich bei ihr gemeldet und ihr gratuliert. Dies war zuvor niemals vorgekommen.
Zwar hatte sich ihre Familie die letzten zwei Jahre Stück für Stück von ihr entfernt und nur sporadisch Kontakt mit ihr gehabt, aber immerhin hatten sie noch miteinander gesprochen. Jetzt schien der Bruch zwischen ihnen endgültig stattgefunden zu haben, was ihr brutal das Herz brach. Emilia hatte niemanden mehr außerhalb der Mauern des Killerdaseins. Ihr blieben bloß ihre Kollegen; blutrünstige und seelenlose Monster, die sie notgedrungen und gezwun-genermaßen in ihrem Leben dulden musste. Was für eine niederschmetternde und grauenhafte Erkenntnis!
Darauf folgte ein großer Schluck aus der Champagnerflasche, um ihr Leid in dem teuren und köstlichen Alkohol zu ertränken. Ihr Schädel dankte ihr dies mit einem immensen Druck, der die Killerin in den Wahnsinn trieb. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, was jedoch nur wenig Abhilfe schuf. Ihr entfuhr ein wehleidiges Stöhnen, das durch ein anderes Geräusch unterbrochen wurde. Emilia hob müde die Lider und ließ ihren Blick in Richtung Zimmertüre schweifen.
Sie entdeckte Patton Massey, der beinahe lautlos den Raum betrat. Für seine Verhältnisse war er heute Abend elegant gekleidet. Er trug eine schwarze Anzughose und ein maßgeschneidertes anthrazitfarbenes Hemd, das sich perfekt an seinen definierten Oberkörper schmiegte. Emilia hätte dieser Anblick durchaus gefallen können, wenn er nicht ihr widerwärtiger Kollege gewesen wäre, den sie hasste.
„Ah, hier haben wir ja das Geburtstagskind“, dröhnte seine dunkle, raue Stimme in ihren Ohren, während er die Tür schloss und auf sie zusteuerte. Sie ignorierte ihn rigoros, zumindest versuchte sie es, was sich allerdings als schwierig herausstellte, da er sich dreist neben sie auf die Couch fallen ließ. Seine Nähe machte Emilia unruhig und nervös. Patton strahlte für sie das pure Böse aus. Das Böse, das sie verschlang. Das Böse, das sie fürchtete. Das Böse, das sie nicht abschütteln konnte.
Die Blondine sprach kein Wort mit ihm. Sie hatte kein Interesse daran und hoffte durch ihr Schweigen, dass er auf dem schnellsten Weg wieder verschwand und sie alleine ließ. Pattons Penetranz, sowie seine mangelnde Fähigkeit, die Ablehnung anderer Menschen ihm gegen-über erkennen zu können, zerstörten allerdings gnadenlos ihre Hoffnung. Ihr Kollege blieb an Ort und Stelle und betrachtete ihr schneeweißes, kurzes Kleid, auf dessen Rock sich feine Kirschblütenapplikationen erstreckten. Dann wanderte sein eindringlicher und intensiver Blick zu ihren nackten Beinen, die ihn sichtlich erregten. Seine Augen glänzten unnatürlich und er zeigte einen gierigen Gesichtsausdruck, der auf einen Schlag alles offenbarte, was sie an ihm verabscheute.
„Zu meiner Schande muss ich leider gestehen, dass ich gar kein Geschenk für dich habe, McDermott.“ Er trug sein falsches Bedauern stolz zur Schau, als würde sie seine Heimtücke nicht durchschauen.
„Ich lege keinen Wert darauf, Massey“, antwortete sie gereizt und hoffte ihn dadurch von einem weiterführenden Gespräch abhalten zu können.
„Soll ich dich vielleicht lecken, Süße? Ich habe eine geschickte Zunge“, meinte er selbstlobend und unverschämt. „Und auch geschickte Finger.“ Er präsentierte ihr ein anzügliches Lächeln, das ihr nicht geheuer war.
Ehe sie etwas auf seine geschmacklosen Worte entgegnen konnte, erhob er sich von der Couch und kniete sich vor sie. Im Anschluss schob er bestimmend ihre Beine auseinander und griff rabiat an ihre Oberschenkel.
„Lass das, Massey“, zischte sie wütend und trat nach dem Ex-Soldaten, der gerade noch ihrer Attacke entging, indem er blitzschnell zur Seite wegtauchte. Noch immer lächelte er, als er sich wieder neben sie setzte und seinen rechten Arm um sie legte. Emilias Körper versteifte sich.
„Du bist so ein artiges Mädchen.“ Er strich mit den Fingern seiner linken Hand sanft über ihre Wange, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte.
„Und zart wie eine Blume.“ Seine Stimme war dabei emotionslos, pragmatisch und kalt, wie seine eisblauen Augen, die sie gnadenlos durchbohrten, als wollten sie ihr Schmerzen zufü-gen. Emilia hatte eine böse Vorahnung, die sich im nächsten Augenblick bereits bewahrheite-te.
Aus heiterem Himmel ließ er von ihrer Wange ab und umfasste fest ihr Kinn, sodass sie glaubte, dass er ihren Kieferknochen zermalmte. Emilia konnte den Mund nicht öffnen, was sie in Panik versetzte. Noch schlimmer wurde es, als Patton sie auf die Sitzfläche der Couch beförderte, sie in das Leder presste und ihrem Gesicht so nahe kam, dass sie seinen heißen Atem auf ihrer Haut spüren konnte.
Die Blondine hatte das Gefühl zu ersticken und von der hohen Gefährlichkeit, die von ihm ausging, erdrückt zu werden.
„Aber ich hätte dich lieber böse und versaut, McDermott“, dröhnte er, schob ihr Kleid nach oben und drängte sich zwischen ihre Beine. Emilia wollte schreien, doch ihr Kollege hatte ihren Kiefer weiterhin fest im Griff.
„Ich wette du fickst gut, Blondie.“ Dieser Wichser verhöhnte sie mit purem Genuss und sadistischer Freude. „Ich werde mich wohl davon überzeugen müssen.“
Lähmende Angst drohte sie zu überwältigen und zu einem leichten Opfer für ihn zu machen, bis die starke Frau; die Killerin in ihr erwachte. Sie musste ihn stoppen, ehe er über sie herfiel wie ein wildes, unzähmbares Tier und sie vergewaltigte. Innerlich bauten sich in Sekunden-schnelle ein immenser Zorn und Hass in ihr auf, der sie explodieren ließ.
Gezielt und gnadenlos verpasste sie ihm einen Faustschlag mitten in seine perverse, widerwärtige Fratze der es in sich hatte. Der Ex-Soldat jaulte qualvoll und das Blut aus seiner Nase spritzte ihr ins Gesicht. Sie schmeckte sein Blut auf ihren Lippen, was sie anekelte, doch dies schob sie gedanklich weit weg, denn es gab etwas Wichtigeres: Patton ließ endlich von ihr ab, sodass sie fliehen konnte.
Emilia rollte sich von der Couch und kam hart auf dem hochwertigen Parkett auf. Sie schlug sich die Knie und Ellbogen auf, dennoch kroch sie erbärmlich Meter um Meter und entfernte sich von ihm.
Allerdings machte sie ihre Rechnung ohne den blonden Killer, dessen trampelnde, schwere Schritte sie hinter sich vernahm. Emilia rappelte sich, so schnell sie konnte, auf und wollte vor ihm davonlaufen, aber es war bereits zu spät. Ihr Kollege umschlang mit seinen muskulösen Armen ihre Taille und hob sie mit einem heftigen Ruck von ihren Füßen.
„Na, na, na, Süße, du entkommst mir nicht“, lachte er grausam, bevor er sie zurückschleppte und auf die Couch donnerte. Die Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst und ein stechender Schmerz schoss durch ihren gesamten Körper. Ein qualvoller spitzer Schrei entfuhr ihr, was ihn richtig scharf machte. Emilia spürte seine Erektion an ihrem linken Oberschenkel, als er sich auf sie legte. Wie eine Furie schlug sie um sich, was ihn nicht im Geringsten störte oder beunruhigte. Für Patton Massey war die Gegenwehr seines Opfers nichts Ungewöhnliches und gehörte zur Tagesordnung. Er war geübt darin Frauen wehrlos zu machen, um zu be-kommen, was er will. Aus diesem Grund und der Tatsache, dass er um einiges kampferprobter und stärker war, als sie, sank ihr Kampfgeist rapide in den Keller. Im Gegenzug erreichte ihre Angst neue Höhen und ließ sie in einen tiefen Abgrund stürzen…
„Du kannst es nicht lassen, oder Massey?“, erklang aus heiterem Himmel Ophelia Monroes Stimme, die von Spott und Wut durchzogen war. Ihr Auftauchen ließ ihn innehalten, aber er blieb weiterhin auf ihr liegen und zerquetschte sie. Angespannt hielt sie die Luft an und betete inständig, dass der Ex-Soldat endlich von ihr ablassen würde.
„Ich habe nun mal eine Schwäche für schöne Frauen“, erwiderte er und ein schelmisches Lächeln huschte über seine Lippen. Dabei starrte er Emilia unentwegt an, als könne er es gar nicht erwarten sie gewaltsam und gegen ihren Willen zu ficken.
„Das ist mir bekannt, Massey“, ätzte sie angewidert. Dann kam sie näher, was das Klackern ihrer High Heels auf dem Parkett verriet.
„Aber egal, wie sehr ich dir auch dein Vergnügen gönne, das hier hat jetzt ein Ende und du gehst sofort von McDermott runter.“ Im nächsten Moment erschien die Brünette in ihrem Sichtfeld. Ihre Miene war ausdruckslos, doch in ihren blaugrünen Augen tobte ein Hurrikan. Derweil machte Patton keinerlei Anstalten auf seine Kollegin zu hören. Dieser Umstand be-wog Ophelia zu einer drastischeren Maßnahme. Aus ihrer Tasche förderte sie ihre Taurus PT92 zu Tage und presste diese gegen seine rechte Schläfe. Die blonde Killerin beobachtete stillschweigend und wie erstarrt die Situation zwischen ihren Kollegen.
„Du sollst von ihr runtergehen, Massey“, knurrte Ophelia bedrohlich. Trotz der gefährlichen Lage, in der er sich befand, drehte Patton dennoch seinen Kopf zu Ophelia und nahm so den Blick von Emilia. Eine tonnenschwere Last fiel von ihr ab und ließ sie wieder ruhig und regelmäßig atmen.
„Was passiert, wenn ich es nicht tue, meine Liebe?“ Er blieb unverändert in der Rolle des Stärkeren; desjenigen, der den Ton angab, obwohl er eine Waffe am Kopf hatte.
„Dreimal darfst du raten.“ Die Dunkelhaarige löste die manuelle Sicherung der Taurus, was er vergnügt wahrnahm.
„Du bist eine Spielverderberin, Monroe“, war sein Kommentar, ehe er sich erhob und sie da-mit in die Freiheit entließ. Stark zitternd und leichenblass setzte sie sich umgehend auf und drückte sich schutzsuchend in die Couch. Emilia schlang fest die Arme um ihren Oberkörper, um das Zittern zu stoppen. In der Zeit, in der sie sich sammelte, standen sich Ophelia und Patton gegenüber. Sie schienen hitzig miteinander zu diskutieren, doch dies hielt nicht lange an und das Bild veränderte sich. Ihre Kollegin trat nahe an den Ex-Soldaten heran, legte ihm ihre rechte Hand auf die Brust und wisperte ihm etwas ins Ohr. Sie traute ihren Augen nicht, als dann auch noch der Blonde einen Arm um ihre Wespentaille legte und sie an sich zog.
Der Umgang zwischen ihnen war vertraut und intim, was sie schockierte und irritierte. Was lief zwischen den beiden? Wie lange ging die Sache schon? Und war Ophelia eingeschritten, weil sie ganz offensichtlich eine Art Beziehung mit Patton unterhielt? Sie stellte sich unzähli-ge Fragen, indes die eigenartige Show unbeirrt weiterging.
Patton sagte etwas zu seiner jungen Kollegen, das sie zu einem anrüchigen Kichern verleitete, bevor sie ihn küsste. Emilia war heillos überfordert mit dem, was hier gerade vor sich ging und sie sich in ihren kühnsten Träumen und Fantasien niemals hatte vorstellen können. Sie schwankte im Minutentakt zwischen Überraschung, Zorn und Ekel und wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Es war in kürzester Zeit einfach zu viel passiert, mit dessen Verarbeitung ihr Gehirn erstmal hinterher kommen musste.
Sie war momentan sehr mit sich selbst beschäftigt, sodass sie spät bemerkte, dass sich die Wege der anderen beiden Killer nach dem Kuss trennten. Der Ex-Soldat verließ wortlos den Raum, während Ophelia in ihren hochhackigen Schnürsandaletten zu ihr kam, sich auf die Couch setzte und elegant die langen Beine überschlug.
Die Atmosphäre war angespannt; das Schweigen unerträglich und nervenaufreibend. Die Brünette zündete sich in Seelenruhe eine Treasurer Silver an und machte mehrere Züge, ehe sie das erste Mal mit Emilia sprach.
„Was für ein Geburtstag, Blondie“, äußerte sie in einem Ton, als würde sie in wunderschönen Erinnerungen schwelgen.
„Findest du das etwa lustig?“, hysterisierte sie daraufhin mit hochroten Wangen. „Dieser Wichser hatte vor mich zu vergewaltigen! Er hat mich verletzt und behandelt, als sei ich ein Spielzeug, das er nach Lust und Laune durch die Gegend schleudern kann!“ Ihre blauen Augen zentrierten dabei ihre aufgerissenen und blutigen Knie, die das Leder der Couch einsauten.
„Reg dich ab, McDermott. Es ist ja nicht Schlimmeres passiert, dank mir wohlgemerkt“, spielte sie sich als strahlende Retterin auf, der sie gefälligst dankbar zu sein hatte. Emilia platzte der Kragen, als sie diese Unverschämtheiten aus ihrem Mund hörte.
„Dank dir, Miststück?! DANK DIR?!“, schrie sie wie von Sinnen und fletschte aggressiv die Zähne. „Du und Massey macht wahrscheinlich noch gemeinsame Sache und habt diesen Übergriff auf mich geplant.“ Für sie machte diese Vermutung durchaus Sinn. Ophelia und sie pflegten, seitdem sie sich vor zwei Jahren fast gegenseitig getötet hätten, eine Feindschaft und Patton hatte schon immer Freude daran sich an Frauen zu vergreifen. Mit Sicherheit hatten sie sich zusammengetan, um sie zu quälen und ihrem Hass gegen sie Ausdruck zu verleihen.
„Ich soll einen Plan mit Massey ausgeheckt haben?“, spottete sie mit hochgezogener Augenbraue. „Du hast sie ja nicht alle.“
„Das glaubst du, ja? Ich habe euch beide doch gerade zusammen gesehen, da finde ich meinen Vorwurf nicht gerade abwegig“, antwortete sie bissig und untermauerte ihren furchtbaren Verdacht mit Beweisen.
„Und nur, weil ich mit ihm ficke, verbünde ich mich mit ihm?“ Es folgte ein glockenhelles Gelächter, das durch den Raum schallte und Emilia in Rage versetzte. Sie wagte es tatsächlich über sie zu lachen, nach allem, was sie heute durchgemacht hatte.
„Du bist eiskalt, Drecksstück. Dir sind andere Menschen völlig egal und du denkst nicht eine Sekunde nach, bevor du ein Leben vernichtest.“ Für ihren Ausraster erntete sie ein süffisantes Grinsen. Ophelia Monroe war stolz auf ihren verdorbenen Charakter, durch den sie Macht und Anerkennung gewann.
„Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie falsch, manipulativ und durchtrieben du bist.“ Sie sprach auf ihre vorgetäuschte Freundschaft zu ihr an, vielleicht auch ein wenig auf die Affäre zwischen ihnen. Sogleich schlug ihr das Herz bis zum Hals und die Katastrophen, die das nie-derträchtige Verhalten ihre Kollegin in ihrem Privatleben zur Folge hatten, überrannten sie.
„Wir alle haben unsere schlechten Seiten“, meinte sie düster und belehrend. Natürlich war ihre Aussage auch ein Seitenhieb auf Emilia, die ihrer Meinung nach stets das Böse in ihr zu verdrängen versuchte. Ophelias blaugrünen Augen hingen aufmerksam an ihr, als wollten sie sie dazu bringen ehrlich zu sein und zu gestehen, dass in ihr etwas schlummerte, was sie zu der Killerin machte, die sie war.
„Für dich bin ich der Teufel höchstpersönlich, schon klar, aber trotzdem kannst du nicht dar-über hinwegsehen, dass ich dich vorhin gerettet habe. Massey hätte dich vergewaltigt, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre, auch wenn du das nicht glauben willst.“ Ihre Miene wurde zu Stein und ihre rechte Hand, in der sie die Zigarette hielt, begann kaum merklich zu zittern.
„Er ist ein grausamer und gnadenloser Mann, für den Frauen nur wenig Wert haben. Er sieht sie als schwach und nutzlos an.“ Sie nahm einen kräftigen Zug, ehe sie fortfuhr.
„Für ihn sind Frauen leichte Opfer und Gewalt sein Mittel zum Zweck, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Und wie du hautnah erleben durftest, macht er auch vor Kolleginnen nicht Halt.“ Sprach sie da gerade etwa über sich selbst? Hatte der Ex-Soldat sich auch an ihr vergriffen? Wenn ja, warum schlief sie dann weiterhin mit ihm? Emilia erforschte ihr Gesicht nach Antworten und fand nach einigen Minuten etwas, womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte. Ihre Überlegungen waren in eine ganz falsche Richtung gelaufen. Patton Massey hatte ihr nicht dasselbe angetan. Nein.
Sie hatte allen Ernstes den Eindruck, dass Ophelia Gefühle für diesen kranken Bastard hegte. Deswegen reagierte sie so seltsam, wenn sie über die versuchte Vergewaltigung sprach. Fast schien sie verletzt zu sein; gar eifersüchtig, dass er eine andere Frau, statt sie, angefasst hatte.
„Wieso hast du Sex mit ihm, wenn er solch eine Meinung vertritt? Ich dachte, du seiest eine selbstbewusste Frau, die sich von Männern nichts gefallen lässt, besonders nicht von solchen widerlichen Schweinen, wie Massey“, betonte sie die Tatsache, dass Ophelia gegen ihre Prinzipien handelte. Ihre Frage erhellte zu ihrer Überraschung das Gesicht der Brünetten und holte sie aus ihrer finsteren Gedankenwelt. Sie beugte ihren Oberkörper nach vorne und lächelte bezaubernd.
„Ach, Schätzchen, ich habe Massey unter meiner Kontrolle, keine Sorge. Ich habe die Macht über ihn und genieße den geilen, heißen Sex mit ihm“, erklärte sie ihr, als sei sie begriffsstutzig. „Männer sind alle gleich, Blondie. Sie markieren den Stärkeren, dabei wissen sie, dass die wahren Befehlshaber die Frauen sind. Man muss dies für sich nutzen, nur als ein kleiner Tipp am Rande.“ Frech zwinkerte sie ihr zu, ehe sie sich wieder zurücklehnte und sich einen weite-ren Zug gönnte. Und so saß sie vor ihr: zufrieden mit sich, ihren makellosen Körper gekleidet in einer Rock-Top-Kombination, die in verschiedenen Metallictönen schimmerte und eine Zigarette rauchend.
Emilia McDermott bot im Gegensatz dazu ein trauriges und erbärmliches Bild. Erniedrigt, verletzt und mit Patton Masseys Blut auf dem blütenweißen Kleid hockte sie auf der Couch und das ausgerechnet an ihrem Geburtstag. Das Universum meinte es nicht gut mit ihr und ließ sie neben Ophelia ständig aussehen wie eine Versagerin; wie ein Mensch zweiter Klasse oder eine Kreatur, die aus einem dreckigen Loch gekrochen war. Sie schien dafür bestraft zu werden, dass sie sich ihre Menschlichkeit trotz ihres Berufes bewahrt hatte und nicht dem abgrundtief Bösen erlegen war.
„Aber reden wir nicht weiter über die Männerwelt. Heute geht es schließlich um dich, nicht wahr?“, flötete sie fröhlich. „Du sollst deinen Geburtstag genießen, also setz ein Lächeln auf und feiere noch ein bisschen, McDermott. Betrink dich und vergiss die Sache mit Massey“, war ihr vermeintlich guter Rat, mit dem sie sie verhöhnte. Emilia platzte der Kragen.
„Ich soll die versuchte Vergewaltigung einfach vergessen?! Ich soll so tun, als sei gar nichts passiert?!“, kreischte sie empört. „Das hättest du wohl gerne, Miststück, aber ich werde Willi-am davon erzählen und…“
„Und dann was, hm? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass unseren Boss das interessiert und er Massey bestrafen wird“, blaffte sie ihr ungehalten entgegen. Ihre ausgelassene Stimmung war mit einem Mal verflogen.
„Außerdem müsstest du erstmal beweisen, was geschehen ist und dies wirst du wohl kaum können. Ich werde nämlich nichts sagen, Süße. So wird letzten Endes dein Wort gegen seines stehen. Du hast keine Chance.“
Auch wenn sie es nur ungern zugab, hatte ihre Kollegin recht. Sie war ein Opfer, dem niemand Glauben schenken würde. Zwar waren ihre Blessuren und das Blut auf ihrer Kleidung Anzeichen eines Kampfes, aber mehr auch nicht. Und da gewaltsame Streitigkeiten zwischen seinen Killern William Cunningham nicht unbekannt waren, konnte sie sich den Mund fusselig reden. Verzweifelt, aber auch verärgert ließ sie den Kopf hängen und musste gegen hoch-steigende Tränen kämpfen. Der Ex-Soldat würde ungestraft davonkommen und sie musste weiter mit ihm arbeiten und seine Anwesenheit ertragen. Bereits der bloße Gedanke an ihn löste bei ihr Übelkeit und Würgen aus.
„Anscheinend hast du schon genügend Champagner runtergekippt, McDermott“, witzelte die Dunkelhaarige in Emilias grenzenlosem Leid. „Da lasse ich dich lieber alleine.“ Sie hörte, wie sie sich erhob und spürte eine Hand auf ihrer rechten Schulter, die ihr wohl Trost spenden sollte. Diese hinterhältige und verlogene Geste ließ sie ihre verbliebenen Kräfte mobilisieren, den Kopf heben und ihr ins Gesicht spucken. Wortlos, aber mit einem dämonischen Blick, den sie ihr unter den langen Wimpern zuwarf, wischte sie sich ihren Speichel weg, ehe sie auf dem Absatz kehrt machte und in Rekordgeschwindigkeit aus dem Gästezimmer verschwand.
Emilia Sophia McDermott war allein. Nun ja, nicht ganz, denn die Bilder dieses Abend brannten sich in ihr Gedächtnis und wurden zu einem Teil von ihr, den sie nie wieder loswerden würde.
 
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