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9 Seiten

Mortal Sin Herbst 2006- Cleaning My Soul

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Es gibt keinen so furchtbaren Zeugen, keinen so übermächtigen Ankläger, als das Gewissen, das in der Seele eines jeden wohnt.
- Polybius


Wie lange war er schon hier? Zwei Stunden? Drei? Seitdem er sich in ihrem Haus aufhielt, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Es schien als sei in diesen vier Wänden die Welt zum Stillstand gekommen, während sie sich außerhalb unaufhörlich weiterdrehte.
Eine Welt, in der die brutale Realität wartete; seine Realität, die aus Blut, Schmerz und Gewalt bestand und die er immer mehr zu hinterfragen begann, je länger er dem Einfluss seiner Kollegin ausgesetzt war.
Dieser Umstand beunruhigte ihn, doch er sah sich nicht im Stande etwas dagegen zu unter-nehmen. Er saß unbeweglich, beinahe starr auf ihrer hellblauen Couch, während in seinem Kopf ein heilloses Chaos herrschte. Unzählige Gedanken strömten auf ihn ein, überwältigten und quälten ihn und warteten nur darauf, dass er endgültig den Verstand verlor und dem Wahnsinn verfiel.
James Matthew Roddick presste die Hände gegen seinen dröhnenden Schädel und hätte am liebsten lauthals losgeschrien, aber er bremste sich; er zügelte seine Emotionen, damit diese nicht ausbrachen und die Herrschaft über ihn an sich rissen. Scheiße, er war ein Auftragskiller warum hatte er sich nicht unter Kontrolle? Seit wann war er solch ein Weichei, das sich von so etwas Banalem wie seinen Gefühlen beeinflussen ließ?
Wenn William jetzt hier wäre und ihn in diesem erbärmlichen Zustand sehen könnte, dann würde er sich für ihn schämen. Er würde ihm mit Enttäuschung und Abscheu begegnen und ihn mit unzähligen Schlägen strafen um ihm seine unakzeptable Schwäche auszutreiben.
Und zusätzlich würde er ihn von jeglichen neuen Aufträgen fernhalten und ihm stattdessen weitere Trainingseinheiten aufbrummen wie das letzte Mal, als er in den Augen seines Adoptivvaters versagt und seinen hohen Ansprüchen nicht gerecht geworden war, was noch nicht allzu lange her war.
Erst vor wenigen Monaten war William nicht nur hinter seine klägliche Vorstellung bei seinem ersten Mordauftrag gekommen, sondern zu seinem Leidwesen auch hinter die Beziehung zu seiner Kollegin Ophelia Monroe. Dafür gab er sich zum Teil selbst die Schuld, weil er zu unvorsichtig gewesen war, aber sein Adoptivvater hätte im Gegenzug seine Privatsphäre respektieren und ihn nicht belauschen dürfen.
Aber egal welche Gründe letzten Endes dazu geführt hatten, das Ergebnis blieb dasselbe: William hatte sich von ihm verraten gefühlt und das Vertrauen in ihn verloren, denn immerhin hatte er ihm strengstens verboten sich emotional auf einen anderen Menschen einzulassen. Doch das Schlimmste für seinen Adoptivvater war mit Abstand die Tatsache, dass es ausgerechnet Ophelia war in die er sich verliebt hatte; die Frau, die er zwar für eine brillante und begnadete Killerin hielt, darüber hinaus aber für ein berechnendes und heimtückisches Mist-stück das seinem Sohn mit absoluter Sicherheit irgendwann brutal sein Herz brechen und ihn ins Verderben stürzen würde.
Natürlich glaubte James ihm kein Wort da er der festen Überzeugung war, dass er sie bloß aus Prinzip vor ihm schlecht machte und in den Dreck zog. Immerhin hatte er es gewagt sich über seine Regeln hinwegzusetzen und so wollte er ihm bloß deutlich machen, dass er einen schweren Fehler begangen hatte und es besser gewesen wäre ihm zu gehorchen; dass er im Recht und er hingegen nur ein unreifer Junge war.
Seine Lippen verzogen sich bei diesem Gedanken zu einem bitteren Lächeln. James hatte seinem Adoptivvater seit dem Beginn seiner Ausbildung mit allen Mitteln beweisen wollen, dass er bereit war zu töten und all das zu tun was er ihm beigebracht hatte. Er hatte ihm unbedingt imponieren und ihn stolz machen wollen, doch letztlich hatte eine Beziehung zu einer Frau dies zunichte gemacht womit weder William noch er selbst jemals gerechnet hatten.
Es kommt immer anders als man denkt. Dieser Satz hallte in seinem Kopf wieder wie ein Echo. Der Plan seines Adoptivvaters war nicht aufgegangen; es war nicht so gelaufen wie er sich die berufliche Laufbahn seines Sohnes vorgestellt hatte und das schmerzte ihn. Es machte ihn wütend und ließ ihn an sich selbst und seinen Fähigkeiten zweifeln. Natürlich hatte er dies niemals geäußert, ansonsten hätte er ja seine eigenen Prinzipien verraten und Schwäche gezeigt, doch James hatte es gesehen. Er hatte es in seinen Augen gesehen und an seiner Art und Weise wie er mit ihm umging und sprach.
Nach all den Jahren, in denen er bei ihm aufgewachsen war, kannte er William Cunningham zu gut als dass er solche Anzeichen übersehen hätte, egal wie klein jene auch waren. Denn James Roddick hatte ihn über die gesamte Zeit aufmerksam beobachtet und sich jede Gestik, Mimik und jeden Tonfall sorgsam eingeprägt. Er hatte ihn und seine Verhaltensweisen studiert was ihm sicherlich nicht gefallen würde, wenn er jemals dahinterkäme. Dabei hatte er bloß das getan was er ihn gelehrt hatte: Die Menschen zu studieren, um in der Lage zu sein deren Emotionen schnell zu erfassen und dadurch frühzeitig mögliche Reaktionen und Aktionen zu erkennen, die eine Gefahr für ihn darstellen konnten. Dies sollte ihm vor allem in sei-ner Tätigkeit als Auftragskiller einen Vorteil verschaffe, doch es hatte nicht lange gedauert bis er erkannt hatte, dass er diese Fähigkeit in seinem Privatleben ebenfalls gebrauchen und nutzen konnte.
Denn der 15-Jährige hatte nicht nur das Wesen seines Adoptivvaters ergründet, sondern auch das von Ophelia Monroe. Wobei er allerdings zugeben musste, dass er sie bei Weitem nicht so gut einschätzen konnte wie William, da er bei den unzähligen Versuchen, hinter ihre Fassade zu blicken, regelmäßig an seine Grenzen gestoßen war. Ja, James Roddick war kläglich an ihr gescheitert was ihn schier zur Verzweiflung brachte. Er liebte sie, also war es verflucht noch mal seine Aufgabe sie besser zu verstehen. Dass er dabei bisher auf ganzer Linie versagt hatte und erfolglos geblieben war, konnte er kaum ertragen.
Verzweifelt seufzte er und verfiel in eine depressive Stimmung, die ihm das Denken er-schwerte. Seine Gedanken, die ihn eben noch ungehindert bedrängt und gequält hatten, schienen nun wie festgefroren zu sein. Sie drangen nicht richtig zu ihm durch was er eigentlich als erleichternd empfinden sollte, stattdessen war er verunsichert und- er wagte es kaum zu sa-gen- leicht verängstigt. Der junge Killer fühlte Panik in sich aufsteigen angesichts der unge-wohnten und ungewollten Emotionen, die ihn überkamen und denen er verdammt noch mal nicht Herr wurde.
Von der Wut auf sich selbst geleitet, rammte er seine Finger mit so viel Kraft in das weiche Polster der Couch, dass seine Handknöchel ganz weiß wurden. Doch auch dies half nicht gegen das furchtbare Gefühl des Versagens, welches sich gnadenlos durch sein Inneres fraß. Es hörte einfach nicht. Es…
„James?“, erklang auf einmal, wie aus dem Nichts, die zarte Stimme seiner Kollegin, die es kaum durch den dichten schweren Nebel, der seinen Kopf umhüllte, schaffte. Daher versuchte sie es erneut und zwar deutlich lauter und mit zusätzlichem Schulterrütteln.
„Was zur Hölle willst du, McDermott?!“, fuhr er Emilia scharf an, die in seinem Blickfeld auftauchte und ihn sorgenvoll aus ihren strahlend blauen Augen anglotzte. Verdammt, er hasste es wenn sie ihn auf diese Weise ansah, so als sei er ein kleiner Junge um den man sich kümmern und den man beschützen musste. Durch sie verstärkte sich nur noch sein Eindruck schwach zu sein und das machte ihn rasend. Und er ihr zum Vorwurf.
„Ich wollte nur wissen ob bei dir alles in Ordnung ist, weil…“
„Wer hat dir die Erlaubnis gegeben dich in Dinge einzumischen die dich nichts angehen, huh?“, blaffte er sie tollwütig und zornfunkelnd an. Erschrocken über seine heftige Reaktion wich sie ein ganzes Stück zurück, dabei war ihr Gesicht kreidebleich und ihre Unterlippe zitterte.
„Es…es…war nicht meine Absicht dich zu verärgern, James“, stammelte Emilia überfordert und schuldbewusst was seinen Zorn nur noch befeuerte.
„Dann hör auf mich zu fragen wie es mir geht und kümmere dich um deinen eigenen Scheiß, klar?“ Mit todernster Miene stierte er sie an damit sie endlich kapierte, dass nicht mit ihm zu spaßen war und sie besser daran tat ihren Mund zu halten. Allerdings rechnete er nicht mit der Hartnäckigkeit seiner Kollegin oder sollte er eher sagen mit ihrer Torheit?
„Ich habe aber das Gefühl, dass dich etwas beschäftigt was du alleine nicht bewältigen kannst und…“
„Wer bist du, McDermott? Meine Psychologin?“, platzte es ungehalten aus ihm heraus, dabei sprach er sie absichtlich mit ihrem Nachnamen an, obwohl sie sich eben erst mit ihren Vor-namen vorgestellt hatten. Damit wollte er verbal eine ganz klare Linie ziehen; eine Grenze, die ihr aufzeigen sollte, dass sie keine Freunde waren und seine Emotionen sie daher absolut nichts angingen.
„Nein, das bin ich nicht aber ich könnte dir vielleicht eine Hilfe sein, wenn du nicht so verflucht stur wärst und es zulassen und akzeptieren würdest, dass sich jemand für dich interessiert“, antwortete sie ihm energisch mit hochroten Wangen, womit James absolut nicht ge-rechnet hatte.
Sein inständiger Wunsch, dass sie ihn in Ruhe ließ und sich nicht in seine Angelegenheiten einmischte, schien einfach eiskalt an ihr abzuprallen. Emilia McDermott war es vollkommen egal was er wollte. Sie versuchte ihm ihre Fürsorge aufzudrängen und zwar ohne Rücksicht auf Verluste, doch was hatte sie bloß davon? Wollte sie auf diese Weise etwa ihr eigenes Ge-wissen beruhigen; ihre Seele bereinigen nach den Vorkommnissen dieser Nacht? Argwöhnisch verengte er seine grauen Augen zu Schlitzen und betrachtete eingehend das Gesicht seiner Kollegin. Er forschte darin nach Anzeichen für seine Theorien und es dauerte nicht lange bis er fündig wurde. Die Muskeln ihrer Wangen zuckten und sie biss sich verstohlen auf die Unterlippe. Ja, sie sah schuldig aus und er konnte förmlich sehen wie aus jeder Pore ihr Selbsthass drang.
Das war also der wahre Grund warum sie sich um ihn sorgte. Es ging ihr nur um sich selbst und die Findung ihres Seelenfriedens. Das Schlimmste daran war für ihn allerdings, dass sie ihm die ganze Zeit über etwas vormachte und glaubte, dass er sie nicht durchschauen und hinter ihre Lügen kommen würde. Falsch gedacht, Miststück! Mich kannst du nicht so leicht täuschen.
„Mir ist bewusst, dass es nicht einfach ist sich zu öffnen und anderen zu vertrauen, vor allem in unserem Metier, aber auch wir brauchen manchmal jemanden der uns zuhört, unterstützt und uns zur Seite steht wenn wir Probleme haben“, wurde sie nicht müde ihr Gesülze loszuwerden.
„Vorhin habe ich genau das gebraucht, James, und du warst für mich da“, wurde ihre Stimme leise und brüchig als sie von den Erinnerungen an den heutigen Auftrag überwältigt wurde. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und er befürchtete bereits, dass sie erneut an-fangen würde zu weinen, aber sie riss sich zusammen und ihr Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. „Dasselbe möchte ich nun für dich tun. Ich möchte für dich da sein.“
„Das will ich aber nicht, McDermott“, raubte er ihr umgehend jegliche Hoffnung, dass sie mit ihren sentimentalen Worten zu ihm durchdrang und Einfluss auf ihn nahm. „Ich brauche niemanden. Ich komme nämlich sehr gut alleine zurecht.“
„Leider habe ich bereits geahnt, dass du soetwas sagen würdest.“ Ihr Tonfall war durchzogen von Kummer und Verzweiflung. „Du würdest niemals irgendeine Art von Schwäche zugeben, selbst wenn dein Leben davon abhinge, oder?“, wisperte sie und schüttelte dabei mitleidig den Kopf. „Das ist unfassbar traurig und es tut mir unendlich leid, James.“
Ihr letzter Satz ließ seinen Puls augenblicklich in die Höhe schießen und ihn von einer Sekunde auf die andere die Kontrolle verlieren. Der 15-Jährige sprang kurzerhand von der Couch und stürzte sich wild schnaubend auf die Blondine.
Deren Augen wurden vor Überraschung und Panik riesengroß als er sie an den Oberarmen packte und ihren schmalen Körper mit voller Kraft gegen die hinter ihr befindliche Wand beförderte. Emilia stieß einen spitzen schmerzerfüllten Schrei aus, doch er kannte keine Gnade und ließ ihr wortwörtlich keine Zeit zum Atmen. Der junge Killer umfasste mit der rechten Hand ihre Kehle und drückte so kräftig gegen ihren Unterkiefer, dass ihr Kopf überstreckt wurde und sie gezwungen war nach oben zu sehen.
Anschließend trat er nahe an sie heran, legte seine Stirn gegen die Wand und schaute auf seine Kollegin herunter, die trotz ihrer brenzligen Lage recht gelassen wirkte.
„Ich will und brauche dein Mitleid nicht, weil ich verdammt zufrieden mit mir und meinem Leben bin“, erklärte er ihr inbrünstig. „Im Gegensatz zu dir hadere ich nämlich nicht damit Menschen zu töten.“ Nach diesem Ausspruch zog sich sein Magen krampfhaft zusammen als wolle sein Körper ihm auf diese Weise deutlich machen, dass er gerade nicht nur sie sondern auch sich selbst belog. James bemühte sich diese Anzeichen zu ignorieren und tief in sein Unterbewusstsein zu verdrängen, denn er wollte es unbedingt vermeiden zugeben zu müssen, dass Emilia Bedenken in ihm hervorrief, die er weder haben sollte noch durfte.
„Ich bin mir sicher, dass das nicht stimmt“, presste sie aufgrund seines festen Griffes zwar angestrengt aber mit vollster Überzeugung hervor. Ihr Blick haftete ununterbrochen an ihm wie ein Schatten, der ihn verfolgte und den er nicht loswerden konnte. James musste sich zwingen sie weiterhin anzusehen, denn wenn er jetzt einen Rückzieher machte, dann würde er aufgeben und definitiv als Verlierer aus dieser Sache hervorgehen.
Dabei hatte er die Blondine mit seinem Angriff eigentlich einschüchtern und daran hindern wollen, dass sie seinen Verstand mit ihren Ansichten verseuchte und ihn dazu brachte sein Dasein als Auftragskiller ernsthaft in Frage zu stellen. Leider schien sein Plan nicht aufzugehen was seiner Wut neuen Auftrieb gab.
„Lass es, McDermott! Und ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Misch dich nicht in Dinge ein von denen du keine Ahnung hast und die dich absolut nichts angehen“, polterte er los und merkte gar nicht, dass er im Begriff war sich um Kopf und Kragen zu reden. „Wir kennen uns nicht. Du bist eine Fremde und darum muss ich vor dir keine Rechenschaft ablegen. Ich muss meine Entscheidungen und Einstellungen nicht vor dir ausbreiten und erklären. Ich bin wer ich bin und tue das wozu ich Lust habe und was mir bestimmt ist.“ Im Anschluss herrschte zunächst Schweigen, aber dann setzte Emilia zum Kontern an.
„Es war dir nicht bestimmt ein Mörder zu sein, James. Du wurdest von Anfang an auf das Leben als Auftragskiller vorbereitet. Für dich gab es niemals einen anderen Weg. Du hattest keine Chance dich für etwas anderes zu entscheiden. Ich dagegen konnte diesen Weg aus freien Stücken wählen und…“
„Und was sagt das über dich aus, McDermott?“, fragte er provozierend. „Was für eine Sorte Mensch beschließt in solch einem Metier zu arbeiten, huh?“ Der junge Killer verstärkte sei-nen Griff um ihren Hals, sodass sie zu Röcheln begann.
„Ich werde es dir verraten“, raunte er und sah mit Genugtuung die wachsende Angst in ihren blauen Augen als ihr der Sauerstoff zur Neige ging und sie glaubte, dass er sie töten würde. Aber das war nicht seine Absicht. Er wollte ihr psychische Schmerzen zufügen; er wollte sie verletzen und leiden sehen nachdem sie sich ihm gegenüber als moralische Instanz aufgespielt hatte.
„Es sind Menschen, die die Aufregung und den Nervenkitzel lieben und magisch von der Dunkelheit und dem Bösen dieser Welt angezogen werden.“ Während er mit ihr sprach, spürte er wie seine eigenen Worte ein leidenschaftliches Feuer in ihm entfachten und er unweigerlich in einen Rausch verfiel. „Es sind besondere Menschen, die stark sind und wissen wer sie sind und was sie wollen...normalerweise“, schloss er seine Ansprache und schlug so den Bo-gen zurück zu Emilia. Absichtlich brachte er ihre quälenden Selbstzweifel zur Sprache, denn er wollte ihr aufzeigen wie selbstgefällig sie sich als Opfer darstellte, obwohl sie sich freiwillig dafür entschieden hatte für seinen Adoptivvater tätig zu sein.
„Du glaubst anders zu sein, nicht wahr? Du erzählst unentwegt von deinen Gewissensbissen und wie schrecklich es für dich ist zu töten.“ Er wartete erst gar nicht die Antwort seiner Kollegin ab, obgleich sie in ihrer Lage sowieso nicht dazu fähig war nur einen Ton hervorzubrin-gen.
„Aber vorhin hast du mir erzählt, dass du Williams Jobangebot angenommen hast, weil er dir Dinge versprochen hat, die dich gereizt haben und nach denen du dich gesehnt hast. In dir stecken also der Wille und das Verlangen Menschen das Leben zu nehmen. Du sehnst dich danach, deswegen kannst du aufhören dir und mir etwas vorzumachen.“ Kaum hatte er vor ihr die offenkundige Wahrheit ausgesprochen da wurden die Laute, die sich aus ihrer zugedrückten Kehle kämpften, immer erbärmlicher. Dies kümmerte James allerdings recht wenig und so redete er unverfroren weiter.
„Stell dich endlich der Realität, McDermott. Du bist ein Teil von Williams Welt und das genießt du, egal wie sehr du es auch leugnest. Ich kann es nämlich sehen, verstehst du? Ich sehe den Blutdurst in deinen Augen und den Wunsch und Drang die elende Langeweile in deinem Leben loszuwerden. Ist es nicht so?“ Seine Stimme war stetig lauter geworden während sein Griff sich gelockert hatte, was von ihm gewollt war. Denn nun sollte sie genügend Luft haben um zuzugeben, dass James recht hatte und sie nichts weiter als eine Lügnerin und ein Feigling war.
Jedoch war Emilia zunächst damit beschäftigt in kürzester Zeit gierig und hektisch eine Viel-zahl an Atemzügen zu machen als befürchte sie, dass es bald wieder anders kommen und er ihr erneut die Kehle zudrücken würde. Das Ergebnis ihrer übersteigerten Sauerstoffzufuhr war ein starker Hustenanfall, der ihr Gesicht puterrot färbte und ihr, der Miene nach zu urteilen, heftige Schmerzen bereitete. Und anstatt seine rechte Hand von sich wegzuziehen, um einen weiteren Angriff zu verhüten, umfasste sie sanft sein Handgelenk und schaute ihn hilfesuchend an. Genau in diesem Moment zerbrach etwas in James. Er konnte gar nicht sagen was es war, aber eines war ganz sicher: Es fühlte sich furchtbar an.
Augenblicklich schloss er die Augen und hoffte inständig, dass es bald aufhören würde so verdammt wehzutun. Gleichzeitig war er überrascht und geschockt, dass Emotionen die Macht besaßen solch enorme Schmerzen zu verursachen. Nun ja, eigentlich war ihm diese Tatsache durchaus bewusst und auch nicht unbekannt, aber es war bereits sehr lange her, dass er sich selbst in diesem Zustand befunden hatte. Damals war er noch ein Kind gewesen als seine Eltern ermordet worden waren und der immense Verlust ihn innerlich zerrissen hatte.
Natürlich kam sein aktuelles Befinden bei Weitem nicht an das heran was er nach dem Tod seiner Eltern verspürt hatte, dennoch haute es ihn beinahe um und überforderte den 15-Jährigen völlig.
„Komm bitte zur Vernunft und lass mich los, James“, versetzte das armselige Krächzen von Emilia ihn zurück ins Hier und Jetzt und machte alles nur noch schlimmer. „Das willst du doch gar nicht.“
„Hör endlich auf, McDermott!“, schrie er wie von Sinnen, sodass Speichel in ihrem Gesicht landete. „Hast du nicht schon genug angerichtet?“
„Angerichtet? Was habe ich dir denn getan? Sag es mir.“ Scheiße, er hatte ihr ungewollt einen Einblick in sein Gefühlsleben gegeben und somit verraten, dass sie Einfluss auf ihn nahm und in der Lage war ihn zu verwirren. James Roddicks Gedanken und Emotionen spielten ver-rückt, bis sich das entstandene Chaos letztendlich in einer für ihn ungewohnten Reaktion entlud.
„Warum tust du das, McDermott? Wieso hörst du nicht auf mich zu quälen? Warum…“ Er wollte weitersprechen, aber die Worte erstarben auf seinen Lippen. Tränen schossen ihm un-kontrolliert in die Augenwinkel und drohten jede Sekunde auszubrechen. Um das zu verhindern atmete er tief ein und aus was ein jämmerlich klingendes Geräusch verursachte. Man konnte hören, dass er kurz davor stand zu weinen und das ertrug er nicht. Also versuchte er mit dem Aufsetzen einer ausdruckslosen Miene seine Schwäche vor Emilia und sich selbst zu verschleiern, doch zu seinem großen Entsetzen ließen sich die Tränen nicht mehr aufhalten. Und so tropften sie auf ihre Wangen hinab und rannen diese wie in Zeitlupe entlang. James war wie erstarrt während er dem Lauf der Tränen zusah, die ihren feuchten Spuren auf ihrer Haut hinterließen. Der Anblick hatte was Faszinierendes und Wunderschönes und zum ersten Mal, seit er ihr Haus betreten hatte, fühlte er sich wohl und auf irgendeine Art sogar geborgen. Dies und die Stille, die zwischen ihnen entstanden war, beruhigten ihn und ließen die Wut, die ihn die ganze Zeit über beherrscht hatte, verrauchen. Wie war das nur möglich?
Fragend schaute er seiner Kollegin tief in die Augen in der Erwartung, dass sie ihm eine Antwort geben würde. Natürlich sagte sie nichts was ihn seltsamerweise jedoch weder frustrierte, noch beunruhigte. Ihm genügte die Güte, die ihr gesamtes Wesen ausstrahlte und so viel mehr sagte als tausend Worte.
James war wie betäubt und registrierte daher bloß am Rande, dass Emilia sanft aber bestimmt seine Hand von ihrem Hals entfernte, bevor sie sich seine vergossenen Tränen von den Wangen wischte und ihn mit ihrem Blick durchbohrte. Es lag eine Spannung in der Luft, die förmlich greifbar war. Der junge Killer spürte und ahnte, dass die kommenden Minuten über die Zukunft ihrer Beziehung entscheiden und diese unwiderruflich prägen würden.
Seine Kollegin war die Erste, die sich wortwörtlich einen Schritt nach vorne wagte und ihn voller Wärme und Verständnis in ihre Arme nahm. Reflexartig entgegnete er ihre Umarmung mit dem Wissen, dass von nun an ein unsichtbares Band zwischen ihnen bestand das sie zu engen Freunden und Verbündeten machte. Ein Band, das sie für eine Zeit lang miteinander verbinden würde, bis ein entscheidender Moment alles verändert.
 
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