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Lieber Herr Suhrkamm

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Majissa
Lieber Herr Suhrkamm,

Haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Absage, die mich am 18.02.2002 erreichte und bis heute leider unbeantwortet blieb.

Durch ein Versehen meiner Mitarbeiterin, die ich eigens für die Beantwortung meiner Verlagsabsagen angestellt habe, geriet Ihr Brief zu meinem größten Bedauern über einen längeren Zeitraum verlustig.

In Ihrem Schreiben bedanken Sie sich für mein Interesse an Ihrem Verlag. Es ist wirklich nicht nötig, Herr Suhrkamm, daß Sie sich so herzlich bedanken. Gerade, weil ich Ihrem Hause ein gesteigertes Interesse entgegenbringe und Ihnen auch in Zukunft meine Werke nicht vorenthalten möchte, ist es mir doppelt unangenehm, daß Sie so lange auf meine Reaktion warten mussten.

Leider wird es mir aber im Hinblick auf die hier eingehenden Flut von Verlagsabsagen nicht möglich sein, so intensiv wie gewohnt auf den Inhalt Ihres Schreibens einzugehen. Dies bedeutet kein abschließendes Urteil über dessen Qualität, sondern hat allein mit der großen Anzahl der Verlage zu tun, die ebenfalls auf meine Antwort warten. Dennoch habe ich Ihrer herzlichen Absage die gleiche sorgfältige Prüfung zukommen lassen wie Sie, lieber Herr Suhrkamm, meinem Manuskript „Weißkohl im Schnabel des Spechtes“.

Zu meiner großen Freude hat Ihr Lektorat wie gewöhnlich keine Spuren auf meinen Textseiten hinterlassen. Weder häßliche Kaffeeflecken noch verwischte Zigarettenasche. Ein paar gräßliche Haarschuppen auf der ersten Seite, schon, aber im großen und ganzen erhielt ich mein Manuskript nahezu keimfrei zurück. Es liegt die Vermutung nah, daß Sie mit Handschuh und Pinzette arbeiten. Unter klinischen Bedingungen zur Substanzsicherung. Ja? Beschäftigen Sie Buchrestaurateure? Das wäre mir neu, aber im Hinblick auf die zunehmend morbide und zerfallsbedrohte Papierqualität durchaus verständlich. Sie werden mir sicher zustimmen, daß das Papier der heutigen Zeit bereits durch einen längeren Blick zu ersten Korrosionserscheinungen neigt. Deswegen benutze ich nur noch ein sehr ausdrucksstarkes, handgeschöpftes Pflanzenpapier aus Simbabwe. Doch das wird Ihnen sicher schon aufgefallen sein.

Es streichelt meine schriftstellerische Seele, daß Sie keine Bemängelungen gefunden haben. Nicht einen einzigen Federstrich, keine noch so winzige Randbemerkung. Also waren all meine Zweifel völlig unbegründet. Sie können sich unschwer vorstellen, wie nervenaufreibend es ist, den Spannungsbogen bei einem Thema zu halten, das den Weißkohl zum Gegenstand hat.

Sie schreiben mir, wie gern Sie mein Buch veröffentlichen möchten, aber nicht können, weil Sie Verpflichtungen gegenüber Ihren Hausautoren haben. Darüber hinaus bringen Sie nicht einfach nur ein Buch heraus, sondern begleiten das Werk Ihrer Autoren lebenslang. Das ist so nett, Herr Suhrkamm. Das ist wahre Treue und Philosophie. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Hausautor bei Ihrem Verlag zu werden, so bitte ich freundlich um die Übersendung eines entsprechenden Bewerbungsbogens. Wenn die Kapazität an Hausautoren jedoch bereits erschöpft ist, dann seien Sie so freundlich, mich auf die Warteliste zu setzen. Denn irgendwann sterben sie ja auch, die Hausautoren oder werden unheilbar krank.

Gern hätte ich Ihnen ausführlicher geantwortet. Mit der Bitte um Verständnis wünsche ich Ihnen weiterhin viel Kraft für die Bewältigung all Ihrer Post und verbleibe bis zum nächsten Manuskript

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Frau Spechtschnabel

P. S. Als anständige Ehefrau bleibt noch die Frage, ob man als Hausautorin in Ihrem Verlag in einer Wohngemeinschaft lebt oder auch ein Einzelzimmer beziehen kann.






 
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Kommentare  

Einfach nur scheiße

Sina (03.05.2004)

Ich muss mich Gwen in jeder Hinsicht anschließen. Keiner fragt die Bücherratten. Ich würde mir wirklich wünschen, dass sich so ein Verlagsfritze mal auf Webstories verirrt...und dann kann er mal sehen, was ihm so durch die Lappen geht. Solche Geschichten wie deine z.B. Mach weiter so!

Metevelis (16.02.2003)

Hat sch on seinen Grund warum ich mich bei Euch einlogge anstatt zur Stadtbücherei oder in einme Buchhandlung zu gehen oder bei Amazon.de vorbeischaue. Wir leben halt in einer Gesdellschaft bin der Geld alles ist. Nicht wahr Herr Suhrkrampf!!!! Der hat es halt verstanden.

Frank-Michael (23.01.2003)

Super! Habe mich sehr gut amüsiert!!

Tanja (11.10.2002)

Ja, das mag wohl daher kommen, dass uns niemand fragt. "Uns", damit meine ich mich, den Leser. Nicht DEN Leser, der sich vielleicht einmal pro Jahr eine Schwarte organisiert, um den Flug nach Mallorca und die Zeit, wo's am Strand nix zu flirten gibt zu überbrücken. Nein, ich meine Leser wie mich, die - bei aller Liebe zu Internet und Pay-TV - dem geschriebenen Wort treu bleiben und mindestens 100 Euro pro Monat in ihrer Lieblingsbuchhandlung lassen.
Wir dürfen zwar löhnen, doch fragt uns, wie schon gesagt, keiner, was wir lesen möchten. Ich bevorzuge auch spannende, leicht gruselige Literatur, Schattenwelt-Geschichten, Twilight-Zone, Stil "Factor X" oder aber lustige Begebenheiten aus der Alltagswelt, unfreiwillige Situationskomik - Stories, die jedem überall passieren könnten. Such mal danach. Suchst dir 'nen Wolf.
Irgendwo sitzen in den Verlagen statistikgläubige Marktforscher. (Du weißt sicher was Statistik ist? Statistik ist, wenn man 100 Leute, die Krebs haben, befragt, was sie bevorzugt morgens zum Frühstück gegessen haben. Wenn 80% davon Käsebrötchen und Kaffe angeben, kann man statistisch gesehen davon ausführen, dass der Genuss von Käsebrötchen mit Kaffee früher oder später unweigerlich zu Krebs führt). Und diese Statistikgläubigen haben irgendwann herausgefunden, dass wir Leser nicht etwa angenehm unterhalten werden wollen. Nein, wir möchten nach schwergetaner Arbeit irgendwelche langatmigen Sach- oder Selbsthilfebücher lesen, Geschichten von den Reichen und Schönen in USA (in deren Welt man sich sowieso nicht hineinversetzen kann), Krimibücher mit unschlagbaren Helden (die selbst im Kugelhagel von 100 Maschinengewehren nie einen Kratzer abkriegen), schwerverdauliche Schulliteratur á la Hesse und Mann oder "künstlerisch wertvolle" Werke, von denen man zwar kein Wort versteht, aber hinterher in jede Unterhaltung lässig einfließen lassen kann: "Also, ich habe kürzlich ein Werk von yx gelesen (solche Leute schreiben WERKE, keine Bücher). Also, diese neo-dadaistische Interpretation des desintegralen Bestandteils der postprotovikalen Gesellschaft ist wirklich erstaunlich..."
Ja, und zurück auf der Strecke bleiben WIR.
*Seufz*
Falls es Dir hilft: Ich würde (jedenfalls von den meisten Autoren hier) jede Kurzgeschichtensammlung kaufen. Für richtiges, echtes Geld.
5 Punkte für die verständliche Frustration *gg*


Gwenhwyfar (12.07.2002)

Aaaah! Nicht schon wieder!!! Du bist gemein! Aua, mein Panz! Jesus - ich habe vor Lachen geheult wie ein brünstiger Seehund! Wie du das mal wieder hingekriegt hast...Spitze! Ich habe jede Menge eigene Erfahrungen wiedergefunden. Du beschreibst sogar die "Stufe 2". Es geht nicht nur um "Stufe 1" (Leseprobe geschickt und die typische nichtssagende Absage). Nein, es wurde ein komplettes Manuskript angefordert (woraufhin du dich sicher gefreut hast) und DANN erst abgesagt.
Immerhin hattest du Glück und man war freundlich zu dir. Eine Autorin, die bei webstories schreibt, bekam das angeforderte Manuskript nach einigen Wochen mit der unhöflichen Bemerkung wieder. "Ungelesen zurück!"! Widerlich! Wir haben Anstandsregeln und man sollte wenigstens höflich bleiben.
Ich fand deine Schreibe absolut köstlich. Herrlich boshaft, wie du den aufgeblasenen Verlagsgöttern den Spiegel vorhälst. Fünf Punkte und eine SPITZE! dazu!!!


Stefan Steinmetz (28.04.2002)

danke b. heinrichs für dein lob. wenn die verlage wüssten, was ihnen so alles entgeht, würden sie vielleicht auch den mut aufbringen, ein manuskript mal in die hand zu nehmen. sie beissen ja schließlich nicht, die dinger. auch dir, holger, herzlichen dank für deinen ausführlichen kommentar und das lob. der verlagsabsagenmisere kann man eigentlich nur mit humor und ironie begegnen. kommt noch eine gehörige portion beharrlichkeit dazu, hat man vielleicht einmal eine chance. wer weiß...übrigens freut es mich, daß ich die sehnsucht nach kreta in dir geweckt habe. liebe grüße

majissa (11.04.2002)

Moin, aus Glücksburg,

Danke für den Brief, den viele von den hier Veröffentlichenden (was für ein Wort?) sehr gut aus anderer Richtung kennen. Klar, von ca. 4000 nicht angefordert eingesandten Manuskripten werden vielleicht ein bis zwei gedruckt. Und gedruckt heißt noch lange nicht verkauft und das ist das Einzige, was für einen Verlag und den etablierten Buchhandel wichtig ist.

Dieser Brief könnte sehr gut in eine Sammlung von ähnlichen Äusserungen eingereiht werden, stell Dir vor so ein Werk gibt es irgendwann von Dir. Es macht viel Spaß deinen Text zu lesen. Gern lese ich weiteres von Dir, schon weil Du die Sehnsucht nach Kreta geweckt hast.

Tschüss und liebe Grüsse aus Glücksburg

Holger


Holger Jonas (06.04.2002)

Das ist eine verbal formulierte Retourkutsche für alle Verlage, die 'uns' Amateuren NIE eine Chance geben, unsere kleinen, feinen Geschichten zu veröffentlichen. Schade für die Verlage ! Tolle Idee !

b.heinrichs (01.04.2002)

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