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5 Seiten

Durch Tod zum Leben

Schauriges · Kurzgeschichten
Der Himmel war von der grausamen Düsternis der Nacht in ein Bild voll der tristen Schwärze verwandelt worden. Vergessen war das fröhliche Blau, welches zu anderer Zeit von Leben und Freude kündete. Erloschen war die Sonne ,deren Helligkeit und Wärme den Tag prägten. Jetzt thronte nur noch der einsame Mond als letztes Licht am Firmament. Die Sterne...verschwunden unter einem dichten Nebelschleier, welcher sich wie ein blasses Leichentuch über die Welt gelegt hatte. Auch der Himmelswald lag unter den feuchten Schwaden verborgen, versteckt vor den Blicken der Lebenden. In ihrem unheiligem Pakt hatten Nacht und Nebel den friedlichen Hain zu einer Brutstätte der Finsternis gemacht. Und während ein eisiger Wind durch die dichten Baumkronen wehte, wiegten sich die dürren Zweige sanft in seinem frostigem Atem. Das einst grüne Blättergeflecht formte nun eine graue, leblose Decke über dem Wald, die bizarre Sphäre darunter vor jeder Helligkeit abschirmend. So herrschte diese Nacht selbst im tiefsten Gehölz eine erdrückende Stille, außer dem schaurigen Gewisper der sich kräuselnden Blätter war kein einziger Laut zu vernehmen. Die Natur...erstarrt in einem entblößendem Augenblick purer Melancholie...Dies war die Zeit verblassender Visionen...zerbrochener Träume...Stunden der Depression. Einzig die Schatten, diese seltsamen Geschöpfe der Dunkelheit, genossen jene Momente. An den Rändern der Waldlichtungen, dort wo ein wenig Licht die Bäume streifte, tanzten sie in ihrem wirren Reigen, die feuchte Erde mit ihrem diabolischen Lustspiel im Mondglanz entweihend. Heute, in dieser Nacht, waren die teuflischen Gesellen von Leben erfüllt und sogen gierig das Licht des Mondes auf, um es in ihr eigenes groteskes Gemälde zu transformieren...

Eben diesen morbiden Tanz der nächtlichen Gestalten beobachtend, saß der junge, stolze Janus nachdenklich auf einem morschen Baumstumpf. Doch für ihn war das brüchige Holz kein gewöhnlicher Baumstumpf, nein es war ein Königsthron von dem aus er über die Dunkelheit wachte. Ein edler Sitz von wo aus er sein Reich überblicken konnte. Von dort ließ Janus, weiterhin fasziniert vom makaberen Spiel der Schatten, seinen aufmerksamen Blick über den moosbedeckten Waldboden schweifen. Oh, wie oft hatte er sich nicht schon gewünscht er wäre selbst so ein lüsterner Dämon, frei von der quälenden Last des Lebens, schmerzlos wandernd in der Nacht...Statt dessen wurde er gepeinigt vom tristen und einsamen Dasein, von der fruchtlosen Existenz seinen Ichs. Langsam stieß Janus einen Seufzer aus, sein warmer Odem bildete eine kleine Wolke, welche von der eisigen Nachtluft sogleich verschlungen wurde. Eine leichte Brise fuhr durch den Wald und Janus spürte wie der kühle Hauch seine langen Haare zerzauste. Behutsam nahm er die feinen schwarzen Strähnen aus seinem Gesicht und erhob sich .Seine Augen fixierten den Mond und als das blasse Mondlicht ihn traf ,warf auch Janus einen Schatten. Seine schlichten Jagdgewänder und seine lange Tunika zeichneten sich ab, ebenso seine schlanke, beinahe dürre Figur, die durch ihre Größe bestach .Aber sein Abbild besaß nicht diese Augen...jene hellblauen Spiegel die nun den Schädel des Mondes reflektierten, Augen die vieles gesehen hatten...vielleicht mehr als gut war. Schon oft hatte sich aus diesen salzigen Seen ein Tränenfluß ergossen...Janus Züge erhärteten sich als er an seine Vergangenheit dachte. Durch die Erinnerungen wurde sein Antlitz fahl, geprägt von Wut und Schmerz, dennoch strahlte es selbst in diesem Zustand eine übermenschliche Schönheit aus, eine Schönheit ,die alles andere verblassen ließ. Sein feines Gesicht war immer geprägt durch Emotionen und seine weichen, fast femininen Züge drückten stets präzise seine Gefühlswelt aus. Momentan offenbarten sie brennenden Zorn und leidenschaftlichen Haß. Janus Finger verkrampften sich und seine Hände ballten sich zu Fäusten, er preßte sie so fest zusammen daß die Knöchel weiß hervortraten und er einen leichten Schmerz verspürte als der Druck in seinen Adern sich erhöhte. Am liebsten hätte er seinen ganzen Haß laut herausgeschrien, so laut, daß die ganze Welt von der Schallwelle in tausend Fetzen gerissen würde. Er hatte genug von dieser Welt, die eine einzige Lüge war, seine Wut auf sie war unvorstellbar für jeden anderen. Er verabscheute jede Faser dieser falschen Realität und in seinem Herzen brannte ein mächtiges Feuer, welches danach verlangte diesen Zerrspiegel der Wirklichkeit in einem gigantischen Inferno zu einem Glasklumpen zu zerschmelzen. In dieser Welt hielt ihn nichts...aber er brauchte auch nichts...und niemanden! Die Menschen, eine durch und durch primitive Rasse ,kümmerten sich schon immer allein um ihr eigenes kränkelndes Ego, in jeder menschlichen Tat lag nur Arroganz und Egoismus. Freundschaft? Liebe? Täuschungen um die wahre Furcht vor der Selbsterkenntnis zu verbergen! Solcher Verdrehungen der Wahrheit bedurfte er nicht. Denn schon bald würde er seinen gesamten Haß zu einer spitzen Klinge formen und mit ihr das schwächelnde Herz dieser Welt durchbohren, nur auf diese Weise konnte er allen Illusionen und Trugbildern ein Ende bereiten und ein neues Äon einläuten... ein besseres Universum erschaffen. Ein wahres Universum, ohne die Lügen der Menschheit, befreit von den Intrigen des Lebens. Sein Ziel war die Bildung eines neuen, reinen Utopias, die Kreation der puren Wahrheit,...seiner undurchdringlichen Wirklichkeit. Mit durch die Kälte zittrig gewordenen Händen griff Janus vorsichtig an die lederne Scheide seines Gürtels und zog langsam seinen blitzenden Dolch heraus. Als seine Finger zärtlich über den kühlen Stahl der Klinge tasteten, spürte er wie greifbar die Wahrheit nun war, fest in dieser tödlichen Waffe verankert. Reinste Wahrheit...Ja, eine Wahrheit die bald jeder erfahren sollte. Den Griff des Dolches krampfhaft mit beiden Händen umfassend streckte er die Klinge fordernd zum Himmel empor. In seinen Augen lag ein merkwürdiger Glanz ,bald würde es soweit sein, dachte er...Gleich sich einem aus der Gruft enthebendem Gespenst entfloh seinen Lippen ein dämonisches Gelächter. Er wußte ganz genau was für eine Tat er hier zelebrierte, endlich würde der Wahnsinn dieser Welt der Ordnung weichen und seinen Verstand freigeben. Als Janus die Waffe drehte und sich die funkelnde Klinge nach unten wand, verzogen sich seine Lippen zu einem breiten Grinsen. Die Gedanken in seinem Kopf hallten lauter: ?Die Lügen zerschmettern...?,gelassen schloß er die Augen ?Die Welt zerstören...?Während er den Griff fest umklammerte begann er wie in einem dunklen Ritus zu flüstern : ?Die Wahrheit befreien, die Wirklichkeit erschaffen.? Wie in Trance wisperte er weiter: ?Die Lügen...Die Welt...?Ein leichter Windzug glitt durch sein Haar ?Die Wahrheit...Die Wirklichkeit...?In seinem Inneren begann eine gewaltige Energie sich aufzubäumen ?...zerschmettern...zerstören...?Die rasende Klinge des Dolches durchschnitt nun die Luft ?...befreien...?Als Janus fühlte, daß die Schneide seinen Körper gleich erreichen würde verkrampfte sich sein Gesicht ?...erschaffen...?Die rosige Haut wurde von der tödlichen Waffe gespalten und die mörderische Klinge fraß sich, wie ein Wurm der sich gierig dem Kern eines Apfels nähert, stechend in Janus Herz. Warmer Schmerz durchfuhr seinen Körper, erschreckend, doch auch erfreuend zugleich, denn Janus wußte ,in Kürze würde ihn niemals jemand mehr verletzen können. Nie mehr...Den Blick senkend sah er wie sich komplexe rötliche Muster auf seiner Kleidung abzeichneten. Rosen erblühten, nur um gleich darauf von einem blutroten Feuerball verschlungen zu werden. Ihm wurde schwindelig, all diese Eindrücke machten ihn sehr benommen. Die Sinne wurden überfordert. Zuckend sackte er in sich zusammen und schloß die Augen um dieses Gefühl in vollem Ausmaß genießen zu können. Unter sich spürte er wie der weiche Waldboden seinen Körper sanft auffing und die Natur ihn zärtlich umarmte, sie hieß ihren verlorenen Sohn willkommen. Der Geruch von feuchter Erde und nassen Moosen erfüllte die Luft , Janus atmete den wunderbaren Duft ein letztes Mal so tief ein wie er nur konnte. Er merkte bereits, daß es kalt um ihn wurde, spürte wie die Muskeln langsam erschlafften und das Gefühl aus seinen Gliedern wich .Es war kälter als im tiefsten Winter ,als würde ein eisiger Sturm ihn erfassen. Trotzdem war er völlig entspannt, denn er wußte, dies war das Gefühl einer sterbenden Welt. Nun konnte Janus eine neue entstehen lassen. Nach seinem Bild...Finsternis hüllte ihn in einen Mantel aus schwarzer Energie und irgend etwas riß ihn fort von seinem Körper, weg von allem Schmerz und aller Trauer, hin zu einer neuen Existenz. Auf einem wilden Strom aus Schatten trieb seine Seele davon, der dunkle Fluß überflutete seinen Geist und öffnete seinen Verstand der Erkenntnis. Die Schwärze verschmolz ihm und die beiden wurden eins. Bilder aus längst vergessenen Träumen kehrten zurück, er entsann sich an Gefühle die ihn vor langer Zeit geängstigt hatten. Dann fing er an die ganze Prozedur zu durchschauen, er würde nicht die Welt neu erschaffen...Nein, er bekäme nun die Möglichkeit sich selbst neu entstehen zu lassen. Ein anderes Wesen...eine Kreatur wie sie die Menschheit noch nie gesehen hatte! Alle dunklen Kräfte waren seinem Willen unterworfen! Ihm wurde klar ,daß er jetzt unendliche Macht besaß, er mußte sie nur richtig nutzen! Für ihn gab es nun viel zu tun und so begann er das gesamte Spektrum dieser neuen Perspektiven auszuloten...er...der Schöpfer...

Fahl wurde die Szenerie vom schwachen Mondlicht beleuchtet, während Janus Körper blutleer am Boden lag. Es schien als würde in seiner blassen Gestalt ein Fluß münden...Schwarzes Wasser ergoß sich in ein Meer aus Fleisch. Die Schatten flüchteten vor dem Licht und fanden Unterschlupf in dem gestorbenen Körper. Wie ein Requiem hörte man in diesem grotesken Bild erneut ein letztes Mal die Worte?...erschaffen...?. Der Kreislauf schloß sich...
 
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Kommentare  

ich bin beeindruckt. diese detailierten beschreibungen und trotzdem wird es nicht langweilig. und die atmosphäre auch sehr schön eingefangen. man hat fast das gefühl, man beobachtet die szenerie.

Elanor (08.10.2005)

Warum nur gibt es bei webstories immer und immer mehr von diesen sehnsüchtigen Ausrufen... nach dem Ende des Lebens?!? ergreifend... aber mir unverständlich...

Teleny (03.04.2002)

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