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16 Seiten

littlebastard (Teil 3)

Romane/Serien · Nachdenkliches

Am nächsten Morgen regnete es Bindfäden, aber ich hatte trotzdem gute Laune und war in Gedanken schon längstunterwegs auf meiner Reise in die Vergangenheit oder wie immer man es nennenwollte. Nach dem Frühstück gings an die konkrete Planung und eswurde Zeit, dass ich mich fragte, wie ich überhaupt nach Westfalen kommenwollte. Mit dem Zug war mir zu teuer und zu umständlich, mit dem Motorradwollte ich auch nicht fahren und ein eigenes Auto hatte ich leider nicht.Da ich so das Gefühl hatte, es würde eine längere Reise werden,wäre ein Auto aber schon praktisch gewesen, denn da konnte man auchmal eine Nacht drin pennen. Es blieb mir wohl nichts anderes übrig alsManu zu fragen, ob sie mir ihren Wagen vielleicht leihen würde, dieanderen wollte ich nicht um diesen Gefallen bitten, und die würden mirihre Karren, sofern sie welche hatten, sowieso nicht geben.
Ich raffte mich also auf, drückte wenig später auf die Klingelmit der Aufschrift Manuela Grabert an dem vierstöckigen hässlichenAltbau mit der quietschenden Tür. Manu öffnete noch etwas verschlafen, mir schlug eine süßliche Duftwolke und Musik von Nirvana entgegen, aber sie ließ mich immerhin herein und bot mir sogar ne Tasse Kaffee an. Wir saßen am Küchentisch, ich erzählte ihr kurz was ich vorhatte, aber ich war nicht ganz sicher, ob sie mir wirklich zuhörte. Am Ende brachte ich meine Bitte vor und fragte: „Na ja und ich habmir gedacht, dass du vielleicht, also damit ich nicht den Zug nehmen mussoder so, also... dass du vielleicht so nett wärst und mir deinen Golfleihen würdest.“
Ihr Blick wurde etwas wacher, aber sie machte keine anstalten, mir eine Antwort zu geben.
„Wo warst du eigentlich gestern?“, fragte sie stattdessen, „Wir waren erst bei Jürgen und haben n bisschen was geraucht und danach waren wir in dieser Pommesbude, weißt du, Kokser hat im Hinterhof ein Fenster aufgebrochen, Klaus hat Pommes gemacht und wir haben ne echt krasse Party gefeiert. Du hast echt was verpasst.“
Mir war ziemlich egal, was ich verpasst hatte, auch wenn es zugegebenermaßen relativ lustig klang, aber ich hatte jetzt andere Sorgen. Flehend sah ich sie an und fragte nochmal nach ihrem Auto.
„Wieso willst du meine Karre dafür? Kannst du nicht mit deiner Honda fahren? Und warum willst du den Wichser überhaupt suchen? Is doch egal wer er ist oder?“
„Manu, bitte, frag nicht so viel, ich will es einfach, und ich brauch dazu n Auto.“
Wie in Zeitlupe schenkte sie mir Kaffee nach, zündete sich eine Zigarette an, schien aber wenigstens über meine Bitte nachzudenken, zumindesterweckte ihr Gesichtsausdruck diesen Eindruck. Vielleicht versuchte sie aberauch nur ihren Kater loszuwerden oder fragte sich, wie sie heute morgen nachHause gekommen war. Ich schlürfte meinen Kaffee, wartete und dachteschon über weitere Argumente nach, von der Sorte Weißt du nochals ich dir mal... als sie mich endlich wieder ansah.
„Lucas, Süßer, ich kann dir mein Auto nicht geben.“
„Warum nicht? Ich hab doch auch schon ab und zu was für dich getan oder etwa nicht?“
„Ich habe aber kein Vertrauen zu dir und woher soll ich wissen, dass du es zurückbringst? Und selbst wenn du vorhast, es zurückzubringen, woher weiß ich dass du keinen Unfall damit baust und ich dann für den Schaden aufkommen muss?“
Ihre Ausreden waren völlig bescheuert, aber wenigstens wusste ich jetzt woran ich war. So viel also zum Thema Freundschaft. Eigentlich wusste ich ja immer, dass meine sogenannten Freunde mich hängenlassen würden, wenn ich sie mal brauchte, und ich wusste nicht, ob ich an ihrer Stelle nicht das gleiche getan hätte. Trotzdem kränkte es mich, denn ich hatte gehofft, Manu wäre anders, würde mich verstehen und über ihren schatten springen. Das sagte ich ihr dann auch, aber es beeindruckte siewenig. Ihr Auto konnte ich jedenfalls vergessen.
„Danke, Manu“, sagte ich zum Abschied, „du bist echt ne wahre Freundin!“
„Sieh mal, Lucas, so jemand wie du hat einfach keine Freunde, weiler jegliches Vertrauen, was in ihn gesetzt wurde, immer nur enttäuschthat.“
War ich wirklich so schlecht?

Das fing ja toll an! Auf dem Rückweg nach Hause kam ich an einem Spielplatz vorbei, an dem ich erstmal meine Wut auslassen musste, und so zerlegte ich die meisten der Spielgeräte in ihre Einzelteile. Ich war ja gar nicht mal wütend auf Manu, weil sie mir ihren Scheißwagen nicht gegeben hatte, sondern vielmehr auf den letzten Satz, den sie gesagt hatte und vor allem darüber, dass sie vielleicht Recht damit hatte. Jedenfalls drosch ich jetzt auf das Klettergerüst, die Schaukel und eine Rutsche ein bis es denen schlechter, mir aber besser ging. Das änderte zwar nichts an der Situation, aber ich bekam dadurch einen klareren Kopf und schaffte es, die dummen Gedanken loszuwerden.
Wieder in meinem Zimmer angekommen überlegte ich mir Alternativen, ging alle Bekannten durch, wer von denen mir vielleicht ein Auto geben könnte, dachte darüber nach, vielleicht doch mit dem Motorrad oder dem Zug zu fahren, verwarf allerdings beides wieder und blieb schließlich beim Wagen meiner Mutter hängen. Wenn ich sie gefragt hätte, wäre die Antwort natürlich auch ein klares Nein gewesen, erst recht, wenn sie erfahren hätte, wohin ich überhaupt wollte, aber wer sagtedenn, dass ich sie überhaupt fragen musste? Ich wusste, wo sie ihrenSchlüssel aufbewahrte, ich kannte mich mit dem Auto aus, und außerdemfuhr sie sowieso so gut wie nie mit dem alten Civic. Wahrscheinlich würdees ihr nicht einmal auffallen, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre,und mich würde sie auch nicht vermissen.

Ich packte also ein paar Sachen, also Klamotten, Cassetten für die Fahrt, etwas Geld und natürlich das Foto, in meinen Rucksack, wartete bis sie das Haus verließ, suchte dann in der Küche nach dem Schlüssel und machte mich dann auf den Weg. Ein komisches Gefühl war es schon, und ich kam mir auch etwas wie ein Dieb vor, aber erst Recht komisch wurde das Gefühl als ich auf die Bundesstraße zusteuerte und Bremenhinter mir ließ.
Nun war ich also auf dem Weg zu meinem Vater, dachte ich und wusste nicht recht, ob ich mich nun toll und wagemutig oder beschissen und verrückt fühlen sollte. Auf jeden Fall aber gab es nun kein Zurück mehrund ich wusste, ich würde das hier durchziehen.
Mein Weg führte mich durch Orte wie Bassum, Diepholz und Rahden, und ich hatte genug Zeit, mir immer wieder auszumalen wie die erste Begegnung mit meinem Erzeuger wohl aussehen würde. Rechts und links, vor und hinter mir nur Felder, Wälder und ab und zu ein kleines Dorf oder ein paarBauernhöfe, evetuell mal einige Kühe oder vereinzelte Fahrradfahrer,aber ich sah nur Johannes Lorenz vor mir, wie er erst zusammenzuckt als ichihm sage wer ich bin, mich dann aber überschwenglich begrüßt.Wenige Kilometer später malte ich mir die Situation erneut aus, nurdass mein Erzeuger diesmal nicht erfreut ist, mich zu sehen, sondern mirdie Tür vor der Nase zuknallt und mir zuruft, ich solle verschwinden.Und noch später stellte ich ihn mir dann vor wie er zuerst fast einenHerzstillstand erleidet, dann aber in Tränen ausbricht und sich füralles entschuldigt, was damals vorgefallen ist.
Ich rief mich selbst in die Realität zurück als schließlich mein Magen knurrte und ich es bereute, nichts zu essen eingepackt zu haben. An der nächsten Tankstelle hielt ich also an, es war sowieso Zeit zum Tanken und legte eine kurze Mittagspause ein, danach ging es weiter, wieder nur trostlose Landschaft, wenig Verkehr, und ich fragte mich, wie die Menschen in so einer Einöde es überhaupt aushalten. Meine Gedanken schweiften diesmal zu Black_Rose. Ob sie wohl auch auf dem Land lebte? Oder doch ineiner Großstadt, Frankfurt oder Stuttgart vielleicht? Auf jeden Fallmusste sie älter sein als ich, denn gestern hatte sie mich Kleiner genannt, mehr wusste ich ja leider nicht über sie. Ich schätzte sie aufvielleicht dreißig Jahre, wahrscheinlich war sie nicht gerade dumm,vielleicht war sie Hotelmanagerin oder sowas. Und ich fragte mich, was siedamit gemeint hatte, dass ich sie nicht anbaggern würde. Vielleichtwar sie ja doch fett. Oder sie saß im Rollstuhl. Eine fette Hotelmanagerin,die im Rollstuhl saß und nichts besseres zu tun hatte als im Chat Leuteauszufragen, ob sie unglücklich waren, weil sie nämlich selbstmit ihrer Situation nicht klarkam. Wer wusste das schon so genau?

Am Nachmittag erreichte ich meinen Heimatort oder vielmehr den Ort, in dem ich geboren war. Ich kannte hier nichts, fühlte mich völlig fremd, und wie sollte es anders sein, ich war ja noch nie hier gewesen. Wenn ich das richtig in Erinnerung hatte, war meine Mutter hier schon wenige Wochen nach meiner Geburt weggezogen, zuerst nach Hannover und zwei oder drei Jahre später dann nach Bremen. Vielleicht würde ich wenigstens die Kirche finden oder sogar das Haus, in dem meine Mutter gewohnt hatte. Die Adresse hatte ich ja, und nachdem ich mich zu der Straße durchgefragt hatte, fand ich es auch schließlich. Ein zweistöckiges Mehrfamilienhaus, im Erdgeschoss befand sich ein Blumenladen, darüber wohl Wohnungen.Es war schöner als das Haus, in dem wir jetzt wohnten, aber das brachte mich natürlich auch nicht weiter. Ich parkte den Wagen am Straßenrand und sah mich erstmal um. Wie es nun weitergehen sollte wusste ich nicht so genau, aber Black_Rose hatte mir geraten, doch einfach einige ältere Leute zu fragen, ob sie sich vielleicht an meine Mutter erinnerten.
Ein paar Minuten lief ich vor dem Haus auf und ab, dann hatte ich genug und fragte eine ältere Frau, die gerade mit zwei Einkaufstüten im Hauseingang verschwinden wollte, ob ihr der Name meiner Mutter etwas sagte. Tat er natürlich nicht, doch bei einem Mann im mittleren Alter hatte ich Glück, er wusste Bescheid, wohnte wohl schon länger hier und erklärte mir auch,dass sie damals, kurz nachdem sie ein Kind bekommen hatte, von heute aufmorgen plötzlich verschwunden war. Ich fragte ihn auch noch nach JohannesLorenz, bekam aber nur zur Antwort, dass auch der hier nicht mehr wohnte,aber wo ich ihn finden konnte, wusste ich nicht.
Es blieb mir also nichts anderes übrig als die katholische Kirche aufzusuchen und dort nachzufragen. Zunächst wollte mir niemand Auskunft geben, was sicherlich auch verständlich war, denn ich sagte ja niemandem, warum ich nach dem Mann suchte. Ich ließ allerdings nicht locker, fragtemich weiter nach Leuten durch, die den ehemaligen Priester kannten und erfuhrschließlich doch noch einiges, was vielleicht weiterhalf.
Kurz nachdem ich geboren worden war und meine Mutter die Stadt verlassenhatte, tauchten erste Gerüchte auf, ihr übereilter Umzug könnenicht ohne Grund geschehen sein, und nach und nach wurden Stimmen laut, diezu wissen glaubten, dass das gute Verhältnis zwischen ihr und dem Priesternicht nur freundschaftlicher Natur war. Niemand hatte es wohl je laut ausgesprochen, aber immer mehr Gemeindemitglieder vermuteten ganz richtig, der Geistliche sei an meiner Geburt nicht ganz unbeteiligt gewesen und reimten sich dieGeschichte langsam aber sicher zusammen. Auch wenn Johannes Lorenz nie offenmit den Gerüchten konfrontiert wurde, so bekam er etwas davon mit, undso wie es schien hielt er es wohl nach einiger Zeit auch für angebracht,den Ort zu verlassen und sich versetzen zu lassen oder wie immer man dasin der Kirche nennen mochte. Jedenfalls hatte er seine Gemeinde nach einemJahr dann verlassen, wohin genau wollte oder konnte mir allerdings niemandsagen.
Ich konnte ja verstehen, dass man sowas einem Fremden, und der war ich ja, nicht einfach auf die Nase binden würde, aber aufgeben wollte ich trotzdem noch nicht. Ich fragte mich weiter durch und fand schließlich wenigstens heraus, dass Lorenz einen Bruder hatte, der angeblich in Osnabrück wohnte. Das war nun wirklich nicht viel, eher ein Strohhalm, aber es war meine einzige Möglichkeit, und so musste ich sie wohl nutzen, ob ich nun wollte oder nicht. Vielleicht war es aussichtslos, ganz bestimmt den Aufwand nicht wert, man konnte mir nicht einmal die Adresse dieses Bruders geben, aber wenn ich etwas anfing, fiel es mir immer schon schwer, es nicht zuende zu führen und darüberhinaus hatte mich auch der Abenteurergeist gepackt und ich hatte inzwischen Gefallen an meinem Detektivspielchen gefunden.
Inzwischen war es Abend geworden, aber die Fahrt würde nur eine Stunde dauern, und so setzte ich mich ins Auto und machte mich auf den Weg. Wenn es diesen Bruder wirklich gab, und ich ihn finden würde, bedeutete das, dass ich meinem Onkel gegenüberstehen würde, dachte ich, und mir wurde etwas mulmig zumute. Ach, ich musste ihm ja nicht sagen, wer ich war, konnte ihm ja etwas anderes erzählen, auch wenn mir auch eben nichts glaubwürdiges eingefallen war. Die Geschichte, ich sei Theologiestudent und wolle aufgrund einer Empfehlung meines Professeors mit Herrn Lorenz reden hatte mir jedenfalls niemand abgekauft, genausowenig wie die Lüge, er habe mich damals getauft und ich wolle ihn nun einmal wiedersehen. Aber bevor ich mir Gedanken machte, wie ich den Mann überzeugen sollte, mir zuhelfen, sollte ich mir vorher vielleicht überlegen, wie ich ihn findenwollte. Ich konnte ja schlecht ein Telefonbuch nehmen und jeden mit NamenLorenz fragen, ob er vielleicht einen Bruder hatte, der katholischer Priesterwar. So wie es aber im Moment aussah, würde das meine einzige Möglichkeitsein, denn etwas anderes fiel mir beim besten Willen nicht ein. In einemKrimi wäre ich vermutlich mit dem Foto durch die Stadt gerannt und hättejeden Passanten gefragt, ob er den Mann auf dem Bild kannte, wäre irgendwannin einer düsteren Kneipe gelandet und eine alternde Bordsteinschwalbehätte mir gestanden, er sei vor einigen Jahren ermordet aufgefundenworden, habe aber seinen Hinterbliebenen ein altes Landhaus in der Normandiehinterlassen. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob ich zu viele schlechteFilme sah. Dabei waren das ja gar keine Krimis, sondern fast ausschließlichHorrorfilme, wenn man auch da über den intellektuellen Anspruch sicherstreiten konnte. Wenn ich einen Sohn wie mich hätte, schoss es mir durchden Kopf, würde ich mich dafür schämen und ihn vermutlichauch verleugnen.
Die Fahrt verging schneller als ich gedacht hatte, und bald schon fuhr ich in die Stadt hinein, ohne zu wissen, welche Richtung ich überhaupt einschlagen sollte. Für eine ausgiebige Suche war es inzwischen sicher zu spät, für eine Übernachtung in einem Hotel hatte ich zuwenig Geld mit und eine andere Alternative fiel mir nicht ein. Das war typisch fürmich, ich hatte eine Idee, musste sie sofort in die Tat umsetzen, doch kurzvorm Ziel stellte ich fest, dass ich gar keinen Plan hatte. Also würdeich wohl bis morgen warten, sagte ich mir, parkte den Civic in einer unbelebten Seitenstraße und machte mich erstmal auf die Suche nach einer Kneipe, denn ich hatte seit Stunden nichts mehr gegessen, einen Bärenhunger, und wenn ich etwas Gras bekommen würde, wäre das auch nicht schlecht. Außerdem hatte ich mir eine Pause verdient, auch wenn ich das Gefühl hatte, eigentlich noch keinen Schritt weitergekommen zu sein. Immerhin hatte ich einiges erfahren, was damals geschehen war, nur war ich leider meinem Vater noch keinen wirklichen Schritt näher gekommen, wenn die Chance, ihn zu finden nicht sogar geringer war als vor Antritt meiner Suche.
Eine Kneipe, in der ich etwas zu essen bekam, hatte ich bald gefunden, Leute, die mir etwas zu Rauchen verkauft hätten leider nicht, aber ich überstand den Abend auch mit ein paar Bier und einem kleinen Flirt mit dem Mädel hinter der Theke. Danach ging ich zum Auto zurück, versuchte, den Sitz in eine bequeme Position zu bringen, was nur leidlich gelang, und schlief dann sofort ein.

Strahlender Sonnenschein weckte mich am nächsten Morgen, aber das war auch das einzig positive, mir tat alles weh, mir war kalt, mein rechtes Bein war eingeschlafen und schlecht geträumt hatte ich außerdem. Im Traum hatte ich meinen Vater getroffen, allerdings nicht im langen Gewand eines Priesters, sondern in dem des Killers aus Scream. Mit der entsprechenden Maske und auch einem Messer dazu war er auf mich losgegangen, zwischendurch tauchten auch Freddy Krueger und Pinhead aus Hellraiser auf, an mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich hatte sich mein Vater am Ende in Darth Vader verwandelt und mir zugeraunt Luke, ich bin dein Vater.
Ich stieg also aus dem Wagen, streckte meine müden Glieder und machte mich dann ans Werk. Zuerst suchte ich einen Bäcker, kaufte mir meinFrühstück und fragte nach dem nächsten Postamt, um dort dannim Telefonbuch den Namen Lorenz zu suchen. Es gab eine ganze Reihe Lorenze,aber einer sprang mir sofort ins Auge. Ich wusste nicht wieso, aber ich warmir plötzlich sicher, dass wenn einer von denen der Bruder meines Vaterswar, dann der. Vielleicht war es auch völlig falsch, aber mein Vaterwar Priester, hieß Johannes, und da es in diesem Telefonbuch nur einenHerrn Lorenz mit biblischem Vornamen gab, schrieb ich mir, ohne die anderenNamen in Erwägung zu ziehen, die Adresse von Markus Lorenz auf und fragtedann den unfreundlichen Postbeamten, der jeden Kunden hier automatisch alsFeind anzusehen schien, nach dem Weg.
Eine halbe Stunde später hatte ich das entsprechende Haus gefunden,doch ich zögerte etwas, bevor ich die Klingel drückte. Ich warmir weder sicher, dass dies der Bruder meines Erzeugers war, noch dass ermir weiterhelfen würde, und ich hatte mir noch nicht einmal überlegt,was ich ihm genau sagen wollte. Andererseits hatte ich auch nichts zu verlieren,also klingelte ich und wartete gespannt bis ich hinter der massiven eichentür Schritte hörte.
„Ja bitte?“, fragte mich ein älterer Mann mit Brille durch den Türspalt und sah mich dabei skeptisch an.
„Herr Lorenz?“, fragte ich zurück und setzte dann hinzu: „Darf ich kurz reinkommen?“
Er musterte mich unsicher von oben bis unten, und ich muss zugeben, dassich in meiner zerrissenen Jeans, dem vom Schlafen noch zerknitterten T-Shirt, der Lederjacke und einem Gesicht, dass vermutlich auch nicht gerade ausgeschlafen aussah, wirklich nicht gerade vertrauenerweckend wirkte, aber schließlich öffnete er die Tür ganz und ließ mich herein, zumindest bis in den Flur.
„Was wollen sie, junger Mann, ich kaufe nichts an der Tür.“
„Nein, nein“, stammelte ich unsicher, „ich will nichtsverkaufen, ich wollte ihnen nur eine Frage stellen.“
Er sah mich immer noch mistrauisch an, wartete aber auf meine Frage.
„Haben sie vielleicht einen Bruder, der Johannes heißt?“
Meine Stimme kam mir selbst ungewohnt unsicher vor, mir schwirrten hunderte von Gedanken durch den Kopf, aber immerhin hatte ich jetzt alles getan, was ich tun konnte, um meinen Vater zu finden. Jetzt hing es von meinem Glück und der Antwort dieses Mannes ab, wie sich meine Suche weiterhin gestalten würde.
„Warum wollen sie das wissen?“, fragte er, und seine Augen verengten sich dabei zu Schlitzen.
„Ja, also...“, brachte ich schließlich heraus, „ich habe vor einigen Jahren in dem Ort gewohnt, in dem er Priester war, gehörte seiner Gemeinde an, habe im Glauben viel durch ihn gelernt, und die Jugendgruppe unserer Gemeinde wollte nächstes Jahr ein Sommerfest veranstalten und dazu auch Vater Johannes einladen, aber da wir keine gültige Adresse gefunden haben...“
Lügen konnte ich auch schon mal besser, sagte ich mir, versuchte dem Alten direkt in die Augen zu sehen und wartete auf seine Reaktion.
Er räusperte sich und erklärte dann, er habe von seinem Bruderschon seit Jahren nichts mehr gehört und unser Sommerfest ginge ihnauch nichts an und er könne mir deshalb nicht helfen, aber ich bildetemir ein, er könne schon helfen und wolle nur nicht und wagte darum nocheinen letzten Vorstoß.
„Sehen sie, Herr Lorenz, das Sommerfest ist uns wirklich wichtig, und ihr Bruder hat viel für die Gemeinde getan, es wäre doch wirklich nur eine Kleinigkeit, wenn sie mir sagen würden wie ich ihn erreichen kann.“
„Junger Mann, ich weiß nicht wer sie sind und ich weißnicht, was sie wollen, aber dass eine kirchliche Jugendgruppe gerade sieschickt um für ein Sommerfest einzuladen, glaube ich ihnen ganz bestimmtnicht. Und nun verschwinden sie bitte aus meinem Haus.“
Das war deutlich, genauso deutlich wie seine verärgerte Geste, die mir den Weg zur Tür wies. Ich wandte mich zum Gehen, fluchte leise in mich hinein, doch als er gerade die Tür hinter mir schließen wollte, drehte ich mich noch einmal um und erklärte mit brüchiger Stimme: „ Herr Lorenz, sie haben vollkommen Recht, ich habe sie belogen, aber nur, weil sie mir die Wahrheit sowieso nicht glauben würden. Bitte,es ist wirklich sehr wichtig für mich, dass ich ihren Bruder finde.“
Ich sah den Mann flehend an, rechnete mir keine großen erfolgschancen aus, aber wenigstens hatte ich seine Neugierde geweckt.
„Und warum ist es so wichtig für sie?“
Er würde es mir ja doch nicht glauben.
„Weil... weil ich glaube dass ihr Bruder mein Vater ist.“
Lorenz Gesichtszüge sackten nach unten, er versteinerte geradezu, und ich dachte, nun knallt er mir endgültig die Tür vor der Nase zu. Doch er tat es nicht, sondern atmete einige Male tief durch und sah aus als hätte ihn der Schlag getroffen, aber er öffnete die Tür und bat mich nun seinerseits mit brüchiger Stimme hereinzukommen. Ohne ein Wort zu verlieren ging er voran in die Küche, kramte eine Flasche Weinbrand aus dem Schrank hervor, nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche und ließ sich dann auf einen Stuhl fallen. Ich wusste nicht so recht, was das jetzt zu bedeuten hatte, setzte mich ihm gegenüber und wartete, was passieren würde.
„Sie glauben also, dass mein Bruder Johannes Lorenz ihr Vater ist?“, fragte er nach schier endlosen Augenblicken des Schweigens.
Ich nickte nur.
„Und wie kommen sie darauf?“
Nun war ich es, der sich räusperte, dann holte ich das Foto aus meiner Tasche, hielt es ihm hin und erzählte: „Ich habe dieses Foto und einige Briefe im Kleiderschrank meiner Mutter gefunden. Ist das nicht ihr Bruder?“
„Doch, das ist er.“
„Es tut mir leid, Herr Lorenz, dass ich sie damit belästige, aber ich weiß nicht, wo sich mein Vater gerade aufhält und ich würde ihn gerne sehen wollen...“
Lorenz guckte immer noch das Foto in seiner Hand an, dann sah er mich an, suchte wohl nach Ähnlichkeiten, die ich aber nicht entdecken konnteund er wohl auch nicht, und meinte: „Das braucht dir nicht leidzutun,ich habe immer erwartet, dass es eines Tages so kommen würde.“
Eigentlich hatte ich erwartet, er würde mir sagen ich solle mich zum Teufel scheren oder ihn würde doch noch der Schlag treffen oder sonstetwas, aber ganz bestimmt nicht ein ich habe immer erwartet, dass es eines Tages so kommen würde.
Als ich nachfragte, erfuhr ich, dass Markus Lorenz die ganze Geschichte kannte, mein Erzeuger hatte ihm vor etlichen Jahren von meiner Mutter erzählt, von der ungewollten Schwangerschaft und auch davon, dass er seiner Geliebten damals geraten hatte, die Gemeinde zu verlassen, um sich selbst zu schützen. Als Johannes Lorenz mitbekommen hatte, dass im Ort die Gerüchteküche brodelte und er dort kein Bein mehr auf die Erde bekommen würde, war er zu seinem Bruder gekommen, der ihm einen Rat geben sollte, aber keinerlei Verständnis für sein Handeln aufbringen konnte. Die Brüder hatten sich gestritten, Markus war der Meinung, es sei heuchlerisch und egoistisch gewesen, sein Kind zu verleugnen, hatte ihm vorgeworfen, des Priesteramtes nicht würdig zu sein, nach Johannes Überzeugung war es jedoch der einzig richtige Weg, um mit seiner Sünde fertigzuwerden, und seitdem hatten beide kein Wort mehr mit dem anderen gewechselt.
Der Mann redete sich richtig in Rage, ich merkte deutlich, dass seine Wut auf den Bruder noch immer nicht verraucht war, und er gab seinem Bruder noch immer die Schuld an allem.
„Wohin soll das führen, wenn selbst unsere Priester in Sünde leben, ihrer Gemeinde predigen, man könne nur erlöst werden, wenn man alles beichtete, aber selbst vor ihrer Schuld davonlaufen?“, beendete er seine Erzählung.
„Sind sie auch Priester?“, fragte ich.
Lorenz schüttelte den Kopf: „Nein, ich bin pensionierter Polizist, aber auch da verfügt man über einen gesunden Menschenverstand.“
Pfaffen und Bullen... nicht gerade die Berufsgruppen, die mir am liebsten waren. Aber den Priestern konnte ich meist wenigstens aus dem Weg gehen.Ich war mir gar nicht mehr so sicher ob ich zu dieser Familie überhauptgehören wollte, aber sowas konnte man sich ja bekanntlich nicht aussuchen.
Inzwischen hatte sich Lorenz wieder ein wenig beruhigt und sah mich jetzt musternd von oben bis unten an. Zuerst fragte ich mich, ob er vielleichtahnte, womit ich meine Freizeit so verbrachte, aber dann sagte er: „Sagmal, Junge, wie heißt du eigentlich?“
„Lucas“, antwortete ich und erzählte dann auf seine weiteren Fragen noch einiges von mir, wenn auch nicht immer die Wahrheit, denn das musste man ja einem Bullen, auch wenn er rechtlich gesehen mein Onkel war, nicht auf die Nase binden.
Eigentlich war Lorenz für einen Polypen ganz in Ordnung, ich hatte den Eindruck, er interessierte sich wirklich für mich, und so verquatschten wir den ganzen Vormittag. Ich erzählte ihm von meiner Mutter und dass es in ihrer Welt für alles oder besser gegen alles eine Regel gab, log ihm vor, ich sei in der Schule relativ durchschnittlich und hätte vor, das Abi zu machen, und er erzählte irgendwann wie alle älterenLeute von früher, von seiner Kindheit im Krieg, von seinen Eltern, dieja wohl meine Großeltern waren und ihre Kinder immer zu rigoroser Gerechtigkeit erzogen hatten, was dann auch dazu geführt hatte, dass er selbs Polizist geworden war und sein Bruder Theologie studiert hatte und verriet mir natürlich auch viel über meinen Vater. Wenn ich das alles richtig verstand, war er schon immer sehr gläubig gewesen und hatte sich etwas darauf eingebildet, die Gebote der Bibel besser zu erfüllen als andere, auch wenn Markus Lorenz ihm schon immer gesagt hatte, dass es darauf nicht ankäme, sondern auf volles Vertrauen zu Gott, doch an dem Punkt hatte ich ihm nicht so ganz zugehört. Für mich war die Bibel immer ein Buch voller Vorschriften gewesen, die man sowieso nicht erfüllen konnte, aber so langsam verstand ich, wieso Johannes Lorenz und meine Mutter sich damals auf Anhieb verstanden haben.
Als sich Stunden später mein Magen zu Wort meldete, hatte Lorenz mich schon völlig schwindelig gelabert und ich wollte eigentlich langsamgehen, doch er bestand darauf, dass ich zum essen blieb, offensichtlich froh,endlich einen Neffen zu haben. Ich fand die ganze Situation ziemlich komischund fühlte mich verdammt blöd, aber was hätte ich denn machensollen, schließlich wollte ich ja immer noch erfahren, wo mein Erzeugersich denn nun aufhielt.
Zum Mittag gab es dann irgendeine Pampe, die Lorenz mir als Lorenzschen Spezialeintopf, den angeblich schon seine Mutter immer gemacht hatte, vorsetzte, aber wenn das wirklich stimmen sollte, war es verwunderlich, dass beide Söhnedas überlebt hatten. Aus purer Höflichkeit, von der ich selbstnicht wusste, dass ich sie an den Tag legen konnte, würgte ich zweiTeller davon herunter, danach kam ich endlich zur Sache.
„Markus“, wir waren inzwischen zum Du übergegangen, „eigentlich bin ich ja hergekommen, um meinen Vater zu treffen, kannst du mir denn sagen, wo ich ihn finden kann?“
Selbstverständlich konnte er das, er schrieb mir die Adresse auf und fand es sogar gut, dass ich ihm unter die Augen treten wollte. Der Name des Ortes, in dem Johannes Lorenz jetzt angeblich wohnte, sagte mir absolut gar nichts, und als ich nachfragte, erfuhr ich, dass es sich dabei um ein kleines Dorf in der Nähe von Rostock handelte.
„Rostock? Das is ja ne halbe Weltreise“, rutschte es mir heraus und erhielt als prompte Antwort: „Ja wenn du da wirklich hinfahrenmöchtest bist du bestimmt etliche Stunden unterwegs. Aber wenn du willstkannst du über nacht gerne hierbleiben, dann kannst du morgen in allerRuhe losfahren...“
Das musste ja nun wirklich nicht sein, dachte ich, sagte ihm aber, dass ich doch lieber heute noch losfahren wollte und bedankte mich in gespielter Höflichkeit für das Angebot.

Als ich wieder beim Auto ankam, brauchte ich erstmal eine Zigarette um den Geschmack des Lorenzschen Spezialeintopfes wieder loszuwerden, dann machte ich mich auf den Weg in die Innenstadt. Ich hatte nicht vor, noch am gleichen Tag bis nach Rostock zu fahren, denn ich hatte eine viel bessere Idee. Immerhin waren Ferien, ich hatte alle Zeit der Welt, und Osnabrück kannte ich sowieso noch nicht. Bei meinem Shoppingbummel durch die Fußgängerzone wurde mir klar, dass sich das auch nicht wirklich lohnte, aber ich genoss es trotzdem. Viele Gedanken schwirrten mir dabei durch den Kopf, vieles von dem, was Lorenz gesagt hatte, einiges von dem, was ich gestern erfahren hatte und immer wieder die Frage, was wohl aus mir geworden wäre, wenn Johannes Lorenz damals seinen Beruf an den Nagel gehängt hätte und mit uns eine Familie gegründet hätte. Als erstes wäre ich in einem beschissenen Kaff aufgewachsen, in dem absolut nichts los war und die Leute nichts besseres zu tun hatten als... ja was eigentlich? Und dann wäre es mir bei meinem Vater sicherlich nicht so problemlos gelungen, mich dem ganzen kirchlichen Gequatsche zu entziehen und mein eigenes Leben zu leben. Er wäre vermutlich strenger gewesen, hätte mich jeden Sonntag gezwungen, in die Kirche zu gehen und peinlich genau darauf aufgepasst, dass ich auch ja keinen Spaß im Leben gehabt hätte. So wie Lorenz seinen Bruder beschrieben hatte, wären er und meine Mutter wahrscheinlich ein tolles Team gewesen, wenn es darum ging, mir das Leben zur Hölle zu machen. Vielleicht sollte ich ihm eher dankbar sein, dass er seine Kirche damalsmehr geliebt hat als meine Mutter. Andererseits hätte ich vermutlichauch nicht so viel Scheiße gebaut, hätte nicht so viele Scherereien mit den Bullen gehabt und jetzt bessere Aussichten als in der elften Klasse sitzenzubleiben und die Schule danach ganz abzubrechen. Ach, was brachtees schon, darüber nachzudenken, ich war so wie ich war, lebte solangeich Spaß hatte, und wenn ich gar nicht weiterwusste, würde ichmich immer noch mit Manu an ihrem Dreißigsten vor einen Zug schmeißen können.

Nach meinem Geschäftebummel suchte ich einen Laden, von dem aus mangegen eine viel zu hohe Gebühr das Internet nutzen konnte, fand aucheinen, schrieb zunächst Black_Rose eine Mail, in der ich ihr berichtete,was meine Ermittlungen in den letzten Tagen ergeben hatten, dann loggte ichmich in den Chat ein und hoffte, dass auch FlashGordon dort auftauchen würde. Nach etwa einer halben Stunde, die mich viel mehr kostete als ich eigentlich ausgeben durfte, wenn ich bedachte, dass ich auf dem Weg nach Rostock noch mehrmals tanken wollte, hatte ich Glück.


FlashGordon betritt denChat

FlashGordon: Hi @ll

littlebastard: Hi Flash alles senkrecht?

FlashGordon: darüber mach du dir mal keine Sorgen Bastardo

littlebastard: wieso? meinst du es ist eh schon hoffnungslos? *g*

FlashGordon: hast du niemanden zum cybersex gefunden und musst jetzt deine Wut an mir auslassen?

littlebastard: nein eigentlich habe ich niemanden für cs gesucht

FlashGordon: das ist ja mal was ganz neues! was machst du dann hier?

littlebastard: ich warte auf dich

FlashGordon: sorry, aber ich steh nicht auf dich ;-)

littlebastard: ich auf dich auch nicht aber hast du heute schon was vor?

FlashGordon: sag mal was soll das denn jetzt werden???

littlebastard: also wenn ich ehrlich bin habe ich einen Anschlag auf dich vor

FlashGordon: kapier ich jetzt nicht

littlebastard: is ganz einfach... ich bin grad in Osnabrück und weiß nicht wo ich pennen soll und da hab ich an dich gedacht

FlashGordon: du verarschst mich!?!?

littlebastard: nein ich hatte gehofft du wärst n bisschen spontan und würdest den Bastard gerne mal live kennenlernen...

FlashGordon: das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?

littlebastard: doch ist es

FlashGordon: und wo bist du gerade?

littlebastard: in so nem Laden in der Stadt, von wo aus man ins Netz kann

FlashGordon: *glaubt das jetzt alles nicht*

littlebastard: hey mein Geld is gleich alle...

FlashGordon: okay... weißt du wo McDonalds ist?

littlebastard: werde ich schon finden

FlashGordon: okay ich bin in ner halben Stunde da

littlebastard: danke is echt super von dir!!!

FlashGordon: ich schätze ich werde es noch früh genug bereuen *g*

FlashGordon verlaesst den Chat


Mir fiel wirklich ein Stein von Herzen, denn dass dieser Typ so schnell bereit war, sich mit mir zu treffen war nun wirklich nicht selbstverständlich. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich wie immer viel mehr Glück alsVerstand hatte, denn jeder andere hätte mich vermutlich für verrückt erklärt, und ich hätte dann eine weitere Nacht auf diesem überaus unbequemen Fahrersitz des Civic verbringen dürfen. Also wenn es doch einen Gott geben sollte, dann war er heute aber wirklich auf meiner Seite.

Zehn Minuten später saß ich bei McDonalds vor einem pappigen Cheeseburger und einer Cola, den Blick immer auf die Tür gerichtet, so dass ich jeden, der reinkam, abschätzen konnte, ob er vielleicht zu dem passte, wasich über FlashGordon wusste. Das war eigentlich nicht viel, ich hattevon ihm nur erfahren, dass er zweiundzwanzig und Student war, vom Alter herpasste das auf die meisten hier, und ich glaubte auch nicht, dass man Studentenan einer Nickelbrille und besserwisserischem Gesichtsausdruck erkannte. Diemeisten Kunden steuerten aber direkt auf den Verkaufstresen zu und ich nahmmal an, dass Flash sich erstmal suchend umsehen würde. Vielleicht kamer ja auch gar nicht, hatte sich doch verarscht gefühlt oder nur zugesagt,um mich schnell wieder loszuwerden, schoss es mir durch den Kopf, aber ichvertraute weiterhin auf mein Glück und wartete.
Kurze Zeit kam ein Typ rein, jung, blond, schlank, ungefähr so groß wie ich und sah sich im Laden um. Ich stand auf, ging hin und fragte: „FlashGordon?“
„Bastardo?“
Ich nickte.
„Ja ich bin Lucas. Danke, dass du wirklich gekommen bist.“
„Ich bin Christopher...“
Mehr wusste er wohl erstmal nicht zu sagen, und ich musste ja auch zugeben, dass es wahrscheinlich nicht alle Tage passierte, dass ein Wildfremder im Chat fragte, ob man sich nicht mal eben treffen wollte. Na, wahrscheinlich passierte das schon ab und zu, aber dann wohl doch eher aus anderen Gründen. Wenigstens setzte sich Christopher aber zu mir und hörte mir zu alsich in groben Zügen erklärte, warum ich überhaupt hier war.Bei meinen Ausführungen versuchte ich, möglichst verzweifelt zuklingen, denn wenn ich ehrlich war, hätte ich mich an seiner Stellenicht einfach so bei mir übernachten lassen.
Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich ihn überzeugt hatte, dass ich nicht auf der Flucht vor der Polizei war oder ihn über Nacht ausrauben wollte, doch dann nickte er und versprach mir, dass ich wirklich eine Nacht bei ihm pennen durfte, vorausgesetzt, ich würde mich mit einem ausziehbaren Sofa zufriedengeben. Im Vergleich zum Auto würde das Sofa ein Himmelbett sein, dachte ich und nahm dann in Gedanken alles zurück, was ich noch vorgestern über ihn gedacht hatte. Selbst wenn er mir da vielleichtlangweilig vorgekommen war, so war ich jetzt wirklich begeistert darüber,wie spontan er sein konnte und ihm ziemlich dankbar.
„Danke“, wiederholte ich nun bestimmt schon zum zwanzigsten Mal, „aber wieso machst du das eigentlich? Ich meine, du hättest mich doch auch einfach hier versauern lassen können.“
„Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie war ich neugierig. Besonders nach dem, was du im Chat immer so von dir gibst...“
„Wie meinste das denn?“
„Na ja, aber du führst dich da meist als ziemliches Ekel auf,und ich bin einfach gespannt, ob du wirklich so hohl bist wie ich dich eingeschätzt habe.“
Direkter konnte man das wohl nicht sagen, dachte ich etwas beleidigt, aber ich verkniff mir den Spruch besser Ekel als Langweiler dann doch lieber.
Christopher merkte wohl, dass sein Spruch etwas fehl am Platz war und wechselte sofort das Thema: „Und? Was haste heute abend noch vor? Ich meine,du bist sicher nicht hergekommen, um den ganzen Abend in meiner Bude zu sitzen oder?“
„Ja... äh... nee... ich weiß nicht. Also n bisschen wastrinken und rauchen wäre schon nicht verkehrt...“
„Rauchen? Du meinst kiffen?“, fragte er und sah mich skeptisch an.
Ups... vielleicht war das jetzt nicht so klug gewesen, dachte ich und setzte gleich noch hinzu: „Äh... muss aber auch nicht sein. Was hastdu denn noch vor?“
Er hatte nichts vor, meinte aber, er könne mir ja noch einige netteKneipen in der Stadt zeigen, und nachher käme dann seine Freundin nochvorbei. Na auch gut, ich würde wohl auch ohne was zu rauchen auskommen,aber bevor wir irgendetwas starteten, hätte ich gerne meine Klamottennoch zu ihm gebracht, sagte ich, und auch gegen eine heiße Dusche nichts einzuwenden. Christopher war einverstanden und so brachen wir auf. Ich war wirklich gespannt, was der Abend noch bringen würde und wie lange es dauern würde, bis mein Gastgeber die Schnauze von mir voll hatte.

 
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