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Das fast letzte Paradies

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
Es ist nichts Neues. Paradiese sind zunehmend Mangelware. Auch in der Südsee braucht man sie nicht mehr zu suchen. Aber einige wenige gibt es noch.

Und mit einem dieser seltenen Paradiese komme ich sogar häufiger in Berührung. Allerdings bleibt es mir verschlossen, weil es nur für eine Gruppe von Privilegierten geöffnet ist. Vermutet Ihr, wer sich darin tummelt? Nein? Die Beamtenschaft, die man zumindest in Deutschland nicht abschaffen kann, weil sie im Parlament für die Erhaltung ihrer Privilegien Sorge trägt. Das ist irgendwie menschlich.
Aber die deutsche Beamtenschaft habe ich hier weniger im Auge. Da ich in Frankreich lebe, berührt mich das französische Beamtenparadies, das offensichtlich seine eigenen Kriterien aufgestellt hat und sich im übrigen auch von den nunmehr feststehenden europäischen Spielregeln kaum beirren und schon gar nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Wie fast alle Franzosen sind auch die französischen Beamten höflich und lächeln einen nicht selten sogar an. Dabei habe ich allerdings den höchst subjektiven Eindruck gewonnen, dass die Beamtinnen in der freundlichen Kundenbehandlung oftmals ihren männlichen Kollegen spürbar hinterherhinken. Und ein Lächeln ist bei diesen Kolleginnen auch nur selten zu beobachten, was wohlwollend dem Umstand zugeschrieben werden könnte, dass im Süden Europas Frauen in der Öffentlichkeit und damit erst recht im Dienst nicht lächeln sollten, um einem Missverständnis bei dem südlichen Männertyp vorzubeugen. Also diese freundlichen französischen Beamten sichern einem dann lächelnd zu, dass der Vorgang unverzüglich erledigt wird. Und? Und es passiert darauf oft genug nicht das Allergeringste. Und wenn man dann wieder bei dem besagten Beamten vorstellig wird, lässt dieser nicht die geringste Unsicherheit bzgl. seiner unerledigten Arbeiten erkennen. Ganz abgesehen von der Schwierigkeit, diesen Beamten überhaupt sprechen zu können, denn dieser befindet sich oft im Streik, oder aber das Büro ist gerade geschlossen, z. B. ab Freitag nachmittags.

Soweit also die Theorie, mit der sich die französische Kundschaft längst resignierend abgefunden zu haben scheint, zumindest hier im Süden Frankreichs. Selbst, wenn es ein dem deutschen vergleichbares Beschwerderecht gäbe, man würde hier davon keinen Gebrauch machen, denn es bestünde die Gefahr, dass man dadurch die Situation verschlimmern oder z. B. bei der Steuerbehörde dabei auffallen könnte. So wird es verständlich, dass hier z. B. die völlig blödsinnige Regelung unangefochten bleibt, wonach sich die Höhe der Müllabfuhr nach der Größe und Ausstattung der Wohnung bemisst und nicht nach der Zahl ihrer Bewohner. Ich bezahle deshalb über 500 Euro jährlich, und der einsame Schlossbewohner ein Mehrfaches davon.

Oftmals kommt man selbst als Betroffener an einem Lachen nicht vorbei: Ich beantrage gerade meine Rente in Deutschland. Die Deutschen haben dazu meinen französischen Versicherungsträger um die Zusendung eines speziellen – ausgefüllten – Formulares gebeten. Die Franzosen haben jedoch dieses Formular unausgefüllt nebst einer Fotokopie mit meinen Daten zugeschickt in der Hoffnung, dass sich die Deutschen aus der Fotokopie bedienen und das Formular selbst ausfüllen. Ein anderes angefordertes Formular haben die Franzosen erst gar nicht auf die Reise gebracht. Die überaus hilfreichen deutschen Sachbearbeiter und ich versuchen nun seit Wochen mit vereinten Kräften, die Franzosen zum Handeln zu bewegen. Heute hat mir ein französischer Sachbearbeiter telefonisch zum dritten Mal versichert, dass die Sache unverzüglich erledigt würde – zumal er mein Problem erkennen würde, das für ihn ein plausibel menschliches ist, dass ich nämlich aus Deutschland pünktlich meine Kohle sehen möchte.

Und weil ich gerade so schön im Erzählen stecke:
Ich musste seinerzeit so manches Fahrzeug über den französischen Zoll bringen. Also war immer wieder endloses Warten angesagt, bis man mir dort das Stichwort „Pastis“ in aller Öffentlichkeit zurief. Nach meiner Übergabe einer Flasche „Pastis“ wurde ich das nächste Mal aus der Reihe der Wartenden herausgewunken und per Handschlag begrüßt. Es hätte mich kaum noch verwundert, wenn mich diese französischen Beamten plötzlich auf italienisch angesprochen hätten.

Aber diese Pastissache wäre mir dann doch noch beinahe zum Verhängnis geworden. Und das liest sich wie folgt:
Vor 18 Jahren war ich so ziemlich der erste Deutsche, der hier seine deutschen Einkünfte versteuern musste. Vom diesbzgl. deutsch-französischem Doppelbesteuerungsabkommen hatte man zwar schon gehört, aber mit seinem Inhalt musste ich die französische Behörde erst vertraut machen. Das war schwierig und langwierig und drohte mich mehr Steuern zu kosten als nötig. Also erinnerte ich mich an den seinerzeit hilfreichen Pastis. Als ich diesen aber im Steuerbüro auf den Tisch stellte, drohte ich ernsthaft rauszufliegen – im gelindesten Falle. Zur Besänftigung der aufgebrachten Beamten musste ich dann erst mal meine besagten Erfahrungen mit den Kollegen vom Zoll vorbringen. Aber mal abgesehen von dieser Geschichte mit dem Pastis tat man sich steuerlich weiterhin schwer mit mir. Ein diesbezüglich amtlicher Anruf in Paris förderte dann ein ganz seltsames Ergebnis zu Tage. Denn ich bekam daraufhin eine Steuererstattung in Form eines Schecks über exakt 12.000 Francs (seinerzeit ca. 3.500 DM), obwohl ich für das betreffende Jahr gar keine Steuern bezahlt hatte. Diese Großzügigkeit hat sich dann später schlagartig gelegt, als nämlich etwa die Hälfte der Mannschaft dieser Steuerbehörde ausgewechselt worden war. Der versetzte Chef dieser Behörde hatte mir noch kurz zuvor in seiner Not mit meinem Fall vorgeschlagen, mich einfach vergessen zu wollen. Auf meinen an sich hocherfreuten Einwand, was denn mit mir geschehen würde, wenn er nicht mehr auf diesem Posten säße, antwortete er: „Monsieur, dann hätten Sie ein Problem.“

Zum Abschluß noch diese kleine Begebenheit - im Hinblick auf die Wirksamkeit europäischer Beschlüsse bei hiesigen Behörden:
Ich hatte ein Luxusauto alten Baujahres in Deutschland erstanden und meldete es in Frankreich um. Ich wurde also auch dort vorstellig, wo man die Kfz-Steuer bezahlen muß. Man forderte von mir 15.400 Francs, was etwa 4.600 DM entsprach. Ich warf entsetzt die Hände hoch und rief: „Aber nein, ich will die Steuer doch nur für ein Jahr bezahlen.“ Die Bearbeiter hinter dem Tresen lachten sich schlapp und meinten, dass dies die Steuer für exakt ein Jahr sei. Ich habe nicht mitgelacht. Kurz darauf erklärte mir ein französischer Autohändler, dass diese Art von französischer Luxussteuer längst und ausdrücklich von der europäischen Kommission als Exportbeschränkung verboten worden sei. Zurück bei der Behörde erklärte man mir dort, dass man davon gehört, aber noch nichts Verbindliches vorliegen habe. Das war es.

Nur gut, dass hier der Rotwein so gut schmeckt. Denn dieser hilft einem, von den Mordgedanken Abstand zu nehmen, wenn man als Ausländer mal wieder nicht weiter weiß – und die zuständige Behörde oftmals auch nicht.

23.01.2004
 
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Kommentare  

Mein herzliches Beileid für die von Dir ertragene Unbill französischer Beamtenwillkür. So sind sie halt, die Froschfresser!

Tip: Sich nur noch mit der bekanntermaßen hochmotivierten, kompetenten, bis an die Grenze zur Servilität freundlichen deutschen Beamtenschaft auseinandersetzen. Besonders Freitag nachmittags, wie Du ganz richtig monierst, wenn der gemeine Franzose bereits im Bistro oder auf der Französin hängt, schuftet der deutsche Verwaltungsfachangestellte ja noch vorbildlich, unermüdlich, geradezu mitleidserregend.

Erfülle Deine patriotische Pflicht und kehre diesem Land den Rücken! Oder hast Du aus der Geschichte nichts gelernt? Das Elsaß! Der Schandvertrag von Versailles! Französische Bierbrauversuche!

Und in deutschen Landen brauchst Du für 'ne alte S-Klasse oder einen ähnlichen Zuhälterschlitten auch keine Luxussteuer bezahlen! Ist alles schon auf den Spritpreis umgelegt.

Eine etwas einfältige Story, mit Verlaub.


Jan (15.05.2004)

Prost, Klaus!
Ich nehme an, Du bist freiwillig nach Frankreich gezogen. In jedem Land gibts Vor-und Nachteile, so isses halt.


Dr. Ell (10.02.2004)

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