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Ein Artikel, den ich mal für Personen geschrieben habe, die mit SVV nichts anfangen können...

Nachdenkliches · Experimentelles
© Mandala
Ich habe auch viele Anfragen mich dazu entschlossen mal einen Bericht über die allgemeine Situation von SVV zu schreiben. Ich versuche neutral zu bleiben, um nicht wieder von mir zu erzählen. Doch eins muss ich vorweg sagen: Wie andere SVV erleben, oder was sie dazu antrieb sich selber zu schneiden kann ich nicht 100% sagen. Ich stecke nicht in den Körpern dieser Menschen drin, von daher berichte ich aus Erzählungen und Eigenerfahrung. Dennoch schreibe ich nicht in „Ich“-Form, sondern in der Mehrzahl – nämlich „Wir“, die SVVler.

SVV gibt es schon lange Zeit. Auch im Mittelalter haben sich Frauen und Männer selber verletzt. Jedoch war die Anzahl der Frauen größer, die an sich selber „Hand anlegten“. Im Mittelalter galten diese Menschen als Sadisten und Masochisten, wobei es heute manchmal nicht anders ist. Auch heute gibt es Personen, die glauben, den SVVlern macht es Spaß und sie erfreuen sich an dem eigenen Blut und an dem Schmerz. Dem ist nicht so, denn es ist tatsächlich eine anerkannte Krankheit. Hervorgerufen wird diese Krankheit von Situationen, die wir in der frühsten Kindheit oder auch als erwachsene Person, erfahren mussten. Dazu zählen Missbrauch, Vergewaltigungen, Schläge, Verachtung, Liebesentzug von Eltern oder nahestehenden Personen, Hänseleien in der Schule, Freunde die nicht existieren...und und und... Alles diese Dinge können ein Auslöser zum selbst verletzen sein. „Nebenwirkung“ von SVV sind unter anderem Bulimie, Magersucht, und Suizidgedanken.
Viele SVVler merken erst, wenn das eigene Blut fließt und der Schmerz aufkommt, dass sie leben – dass sie existieren. Andere wiederum tun es, um sich selber zu bestrafen oder um der Welt zu zeigen, dass es ihnen schlecht geht. Klar, wir können auch anders um Hilfe bitten oder spüren, dass wir noch am Leben sind. Doch wir sehen keinen anderen Ausweg als uns mit Rasierklingen, Scherben, Messern, Zigaretten, Teppichschneider etc. zu verletzen oder unsere Köpfe gegen die Wand schlagen und uns selber zu boxen. Boxen in den Magen oder auf andere Körperstellen. Uns Schmerzen zufügen, die wir nicht spüren. Ja, ihr hört richtig. Wir spüren den Schmerz nicht, während wir uns das alles antun. Wir empfinden Erleichterung in uns. Der Hass gegen einen selber oder anderen Personen fliegt davon. Er wird sozusagen durch das eigene Blut aus einem raus geschwemmt. Es befriedigt uns auf eine Art und Weise, die viele nicht nachvollziehen können. Es ist verständlich, denn die Mehrheit von euch spürt Schmerzen, wenn sie sich aus Versehen mal schneiden, oder wenn sie in der Disco eine Zigarette an den Arm kriegen. Wir aber spüren keinen Schmerz, wenn wir drauf vorbereitet sind. Wenn uns eine außenstehende Person verletzt, dann tut uns das auch weh. Doch jeder SVVler hat eine bestimmte Art sich zu verletzen und baut ein eigenes Ritual auf. So ein Ritual kann folgendermaßen aussehen. Die Person macht im ganzen Zimmer Kerzen an und Musik, die ihn traurig stimmt oder aggressiv macht. Sie setzt sich aufs Bett und legt ein Handtuch oder Taschentücher aus. Je nachdem für welches „Instrument“ –hier eine Rasierklinge- sie sich entschieden hat, legt die Person los. Sie nimmt die Klinge und schneidet in die Haut des eigenen Körpers. Je größer das Gefühl im Bauch und Seele ist, desto tiefer wird geschnitten. Je mehr Blut fließt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich das Gefühl verringert. Fließt viel Blut, fühlt die Person sich wohl. Kommt nicht so viel aus der Wunde, wird noch einmal die Klinge angesetzt.
Während so einem Ritual vergessen wir alles um uns herum. Wir hören die laufende Musik nicht mehr und spüren keinen Schmerz. Wenn ich das Gefühl beschreiben sollte, würde ich sagen, es ist wie als wenn ein Techno-Freak zu seiner Musik abgeht. Er ist wie in Trance und tanzt und tanzt und tanzt... so würde ich es beschreiben. Erst nachdem die Musik aufhört, merkt der Trancer, dass er getanzt hat. Genauso ist es bei uns. Erst, wenn genug Blut geflossen ist merken wir, dass es wehtut. Dann tut es auch weh und wir versorgen die Wunde mit Mullbinden, Pflastern und Salbe.
Jede einzelne Narbe lieben wir. Wir sammeln sie wie andere Männer ihre Saison-Fußballkarten oder andere Frauen ihre Schuhe und Lippenstifte.
Das Schneiden und unser Blut gehört zu unserem Leben. Keiner kann uns davon abhalten oder uns reinreden. Wir tun es einfach.
Wie kann man uns helfen?! Tja... das ist eine schwere Frage, die sich aber sicherlich alle stellen, die so eine Person kennen. Helfen... wenn wir wissen, dass es jemanden gibt, der immer für uns da ist, ist es schon eine große Hilfe. Auch wenn wir sagen „Ich brauche keine Hilfe“, wissen wir immerhin, dass es so eine Hilfe gibt – dass sie uns angeboten wurde, auf die wir immer wieder zurückkommen können. Wenn ihr uns fragt, was wir verspüren bei so einer „Tat“ oder wenn ihr genaueres über dieses Thema wissen wollt, hilft es auch schon. Dann merken wir, dass kein unwichtiges Ding sind, sondern dass sich jemand für uns interessiert. Gebt uns dennoch nie das Gefühl, das wir für euch nur interessant sind, weil wir schneiden und mit dieser Krankheit zu kämpfen haben. Wenn, dann müsst ihr uns als Person kennen lernen wollen oder euch für unsere Person und Wünsche/Träume interessieren. NIE das Cutten in den Vordergrund stellen...

So, ich hoffe ich konnte euch einen Teil „unserer“ Welt nahe bringen. Wenn ihr noch Fragen habt, könnt ihr mich gerne ansprechen...

Alles Liebe *M*
 
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Kommentare  

Beim Lesen immer betroffener geworden. Ich kenne berufsbedingt Jugendliche die das tun. Aber so konnte es noch keine beschreiben. Ihnen fehlten immer noch die Worte dazu...

Grainne O'Malley (18.01.2005)

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