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3 Seiten

Freundschaftsspiel

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ein Wetter wie fürs Fußballspielen geschaffen lockte 3605 Zuschauer ins Stadion. "Gegen wen spielen wir heute?" fragte Alfred Steinberger, der gestern wieder mal zu tief ins Glas geschaut hatte.
"Gegen Belgier" antwortete Werner Wöhrer kurz. Werner war schon seit der Übernahme des Vereins durch das neue Management im Verein, genau so lange wie Alfred. Aber im Gegensatz zu Alfred hatte er es geschafft in der Stammelf zu bleiben. Alfred hingegen war durch zwei ausländische Spieler auf die Ersatzbank verdrängt wurden und lief nur mehr in Freundschaftsspielen auf.
"Warum verdammt noch mal Belgier?" bellte Steinbergers rauchige Stimme durch die Umkleidekabine. "Ich glaube, das Management arbeitet daran, alle europäischen Länder bei uns zu Gast zu haben." beantwortete Hannes Pöltl. Hannes war genauso Urgestein wie Werner und Alfred, aber auch er spielte nur mehr zweite Geige. Im Gegensatz zu Alfred war er aber von Jugendspielern aus dem eigenen Verein überholt wurden.
"Und dafür müssen wir unsere Knochen hinhalten?" zeterte Alfred "Ergibt das einen logischen Sinn?"
"Ist das Leben logisch?" murmelte Pöltl lakonisch als Antwort.

"Verdammt!" schimpfte Werner. Er hatte sich die Schuhe ohne Schienbeindeckel angezogen. Aber er war heute nicht ganz bei der Sache. Der letzte Satz von Hannes, obwohl nur so dahingesagt, hatte einen seltsamen Gedanken an die Oberfläche seines Bewusstseins gebracht. 'Ist Fussball unser Leben?' - sicherlich, da gab es genug Verrückte, Fans wie auch Spieler, die diese Frage mit "Ja" beantworteten. 'Aber ist unser Leben Fussball?' Blöde Frage - konnte man die ernsthaft stellen? Aber fiel jemandem ein Gegenbeispiel ein?

Plötzlich wurde Werner durch einen Pfiff aus seinen Gedanken gerissen - das Spiel hatte schon begonnen. Die Mannschaft begann motiviert und spielte druckvoll nach vorn. Werner, der gemeinsam mit Hannes in der Verteidigung spielte, hatte wenig zu tun und rückte ein wenig auf. Der gegnerische Tormann lenkte einen Schuss zur Ecke ab. Hannes Pöltl lief nach vor - er wollte den Eckball treten. Die Flanke gelang ihm hervorragend. Niemand schien beim Eckball auf Alfred Steinberger zu achten, der sich von der Strafraumgrenze her in Richtung Tor heranschlich. Er stieg in die Luft und kam unbedrängt zum Kopfball. Werner wollte schon die Arme in die Höhe reißen, um den Treffer zu feiern, aber statt den Ball voll zu treffen, streifte Alfred ihn nur leicht mit der Stirn und der Ball ging weit neben das Tor. 'An seinem Timing beim Kopfball wird er noch arbeiten müssen' dachte sich Werner. 'Aber wen interessiert es eigentlich, ob ein Spieler auf dem Abstellgleis in einem unbedeutenden Spiel trifft.' Seltsam. Hannes und Alfred waren derselbe Jahrgang wie Werner, aber Werner fiel absolut nichts zu den beiden ein, was nicht mit Fussball zu tun hätte.

Automatisch und ohne über das was er machte nachzudenken spielte Werner weiter bis ihn die nächste Aufregung weckte. Der neue Star aus Holland, Maarten, hatte sich durch ein Tackling eines Gegners bös verletzt. Das fast leere Stadion war mit einem Mal akustisch von Pfiffen und Schreien überfüllt. Auch Roger, der Mannschaftskapitän, vergaß für kurze Zeit seine nordische Kühle und forderte beim Schiedrichter heißblütig den Ausschluss des Gegenspielers. Armer Maarten. Er konnte den Platz nur mehr auf der Trage verlassen. "Mein Gott" würgte der junge Erich Bernhard hervor, der von Strebersdorf zur Mannschaft gekommen war. Eine so böse Rissquetschwunde hatte er noch nie gesehen.

'Ja, warum lässt Gott so was geschehen' sinnierte Werner, und diesmal rächte sich seine Unkonzentriertheit. Ein gegnerischer Spieler ließ Werner mit einem kurzen Haken aussteigen und konnte unbehindert aufs Tor zielen. Unglaublich, welch ein Schuss! Der Torwart blieb bei diesem Hammer wie angewurzelt stehen und hatte nicht den Hauch einer Chance.

Aber Werner war das mittlerweile egal. Das Spiel lief trotz gelegentlicher Chancen für die Heimmannschaft wie auf einer schiefen Ebene weiter. Am Ende gewannen die Belgier 3:0.

"Ist eh egal, gemma was trinken" schlug Hannes in der Kabine vor. 'Der Pöltl hat ein leichtes Gemüt' dachte sich Wöhrer. Immerhin war Hannes Pöltl nicht ganz unschuldig am Spielausgang, objektiv hatte er schlechter gespielt als der unkonzentrierte Wöhrer.
Aber Werner hatte etwas besseres vor als sich volllaufen zu lassen. Er blieb sitzen und führte seine Gedanken zu Ende. "Außerhalb der Kabine und des Spielfelds existieren wir nicht" sagte er zu Hannes. "Bledsinn!" antwortete Hannes in seinem bellenden steirischen Dialekt. "Do miffelt's mia z'vül!"

Werner duschte sich lang und ausgiebig und setzte sich dann auf eine Bank in der Umkleidekabine. Er hörte noch leise das Plaudern seiner Mannschaftskollegen, ein Mischmasch aus Deutsch, Steirisch und verschiedenen ausländischen Dialekten. Werner dachte nach.

Die anderen verließen das Stadion durch den Nebenausgang in Richtung Parkplatz.

Und lösten sich auf.
 
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Kommentare  

www.hattrick.org
...aber aus der Perspektive hab ich's noch nie gesehen!


Burgenland EC (25.01.2005)

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