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10 Seiten

Do it once more, darling

Kurzgeschichten · Romantisches
Er paddelte in einem leichten Kanu den Yukon in einem Abschnitt rauf, wo dieser eine gemächliche Strömung hatte. Im Bug lag ein Zelt, eine kleine Apotheke für Notfälle, Proviant noch für etwa eine Woche oder auch ein Funkgerät. Er hatte nämlich einen Ranger in der Station solange bekniet, daß dieser sich bereit erklärt hatte, ihn allein auf den Yukon zu entlassen unter der Bedingung, daß er sich täglich über Funk melden würde. Er nahm das Funkgerät in die linke Hand und paddelte mit der anderen Hand gemächlich weiter. „Officer, hier ist Trigger, der Deutsche. Gehe gleich am rechten Ufer an Land, um zu übernachten." „Trigger, kommst Du schon besser mit dem Stechpaddel klar?", hörte er am anderen Ende. „Geht gut, Officer, es ist großartig, melde mich morgen wieder." „Schlaf gut Trigger und laß Dich nicht auffressen, bis morgen. Over." Im Licht der tief stehenden Sonne spiegelte sich die gewaltige Landschaft in ihren satten Farben in seinen jugendlichen, glänzenden Augen. Die Natur begann sich nämlich ihr rötlich gelbes Kleid anzulegen, in dieser kurzen Zeitspanne des Indian Summer, bevor der Schnee alles begrub. Er war nun schon den dritten Tag mit seiner Begeisterung und Neugierde auf diesem Fluß unterwegs. Und er war in seinen jungen Jahren so unberührt, wie die grenzenlose Natur um ihn herum. Er sah Bären, wie sie am Ufer Lachse mit ihren mächtigen Pranken auf’s Trockene beförderten, purpurfarbene Lachse, die zum Ort ihrer Jugend zurückgekommen waren und sich nun in dieser Farbe ihr Totenkleid angelegt hatten.

Er suchte das Ufer nach einer geeigneten Lagerstelle ab. Der Officer hatte ihm genau beschrieben, wie diese auszusehen hatte, wo man z. B. Feuer machen durfte, ohne die Umwelt zu gefährden. Aber der junge Mann hatte bereits bei den Pfadfindern einiges darüber gelernt, wie man sich in unbekanntem Gelände zu verhalten hat, nur daß hier alles viel gewaltiger und grenzenloser war. Doch die Entscheidung wurde ihm plötzlich dadurch abgenommen, daß ein struppiges Ungetüm am Ufer auftauchte und dort heiser bellend auf und ab lief. Hinter dem Hund tauchte eine Frauengestalt auf und befahl den Hund an ihre Seite, worauf dieser sofort, wenn auch widerstrebend gehorchte. Sie legte die Hand schützend über die Augen und betrachtete den jungen Mann, der jetzt nur noch so oft das Stechpaddel eintauchte, daß er nicht abgetrieben wurde. Offensichtlich zufrieden mit dem, was sie gesehen hatte, winkte sie ihn zu sich ans Ufer. Das tat sie derart energisch, daß es einem Befehl gleichkam. Er zog sein Kanu an Land, wobei sie ihm half. Dann standen sie sich in gleicher Augenhöhe gegenüber. Sie reichte ihm die Hand und nannte ihren Namen „Anne". Er sagte seinen und wich dem offenen Blick ihrer grünlichen Augen aus, die in einem zwingenden Kontrast zu ihren hellroten Haaren standen, die ihr in einem meterlangen Zopf über den Rücken fielen.

Der Hund sprang ihn plötzlich winselnd an und leckte ihm quer über das Gesicht. Anne lachte hell auf und tadelte den Hund „Moondancer, begrüßt man so etwa Fremde?" Und sie forderte Trigger auf, die Nacht als ihr Gast in ihrer Blockhütte zu verbringen, woraufhin er wegen seiner Aufregung gar nichts erwidern konnte. Nachdem beide gemeinsam das Kanu entladen hatten, und sie sich seinen Rucksack auf den Rücken geschwungen hatte, folgte er ihr schwer bepackt einen schmalen Pfad entlang. Dabei lief Moondancer schwanzwedelnd um sie herum. Nach etwa einhundert Metern erreichten sie eine Lichtung, in deren Mitte ein stattliches Blockhaus stand, das erhöht auf dicken Holzstämmen ruhte, so daß der freie Raum darunter als Abstellraum dienen konnte. Aber manchmal machte es sich dort auch Blacky, ein Schwarzbär, gemütlich, den auch Moondancer nicht zu verjagen wagte, wie Anne später mal zu berichten wußte.

Anne stellte die Sachen vor der breiten Holztreppe ab, die auf die Veranda vor der stabilen Eingangstür führte. Sie machte eine weit ausholende Armbewegung: „Hier wohne ich seit fünf Jahren, zehn Meilen von der nächsten Siedlung entfernt.“ Sie schritt die Holztreppe hoch und öffnete die Eingangstür, wobei sie auf die vielen tiefen Einkerbungen in der Tür hinwies: „Von Blacky, dem Schwarzbären, wenn er nach mir oder besser gesagt nach meinen Vorräten Sehnsucht hat. Deswegen müssen nachts alle Fenster durch solide Läden gesichert werden, oder wenn ich irgendwo unterwegs bin.“
Trigger folgte ihr in den großen, offensichtlich einzigen Raum, der durch zwei kleine Fenster links und rechts neben der Eingangstür erhellt wurde. An der gegenüber liegenden Längsseite stand ein gußeisener Herd und daneben ein hohes Regal, das Kochutensilien, Gläser und Geschirr enthielt. An den Wänden hingen vornehmlich Biberfelle, die auch vor ihrem Bett lagen, das in einer Ecke des Raumes stand. Er interessierte sich schon immer für Waffen und bewunderte jetzt zwei großkalibrige Gewehre, die an der Wand über dem Kopfende ihres Bettes hingen.
Anne hatte sich sofort an dem Herd zu schaffen gemacht und Holz nachgelegt, wobei sie ihren wohlgeformten Hintern, der in einer engen, verblichenen Jeans steckte, unübersehbar in die Luft streckte. „Ja, diese Waffen braucht man hier,“ meinte sie „um sich zu ernähren, aber notfalls auch, um sich zu verteidigen, und zwar weniger gegen Angriffe von Bären oder Wölfen, sondern eher um sich vor dem Gesindel zu schützen, das der Yukon manchmal hier anschwemmt. Hast du schon mal mit einem Gewehr geschossen?“ Er erzählte ihr, daß sein Vater ihm bereits mit einem Kleinkalibergewehr das Schießen beigebracht habe, als er erst 6jährig gewesen sei.

Sie richtete sich am Herd auf und deutete in die ihrem Bett diagonal gegenüber liegende Ecke. „Dort werden wir Dir aus Decken und Fellen ein Bett herrichten. Aber jetzt werde ich uns erst mal was zu essen machen. Du kannst Dich derweil auf die Veranda setzen und das farbenprächtige Schauspiel der untergehenden Sonne über den Baumwipfeln verfolgen. Aber vorher kannst Du Dich draußen links vom Haus an der Quelle waschen. Und wenn Du reinkommst, bringe bitte ein paar Holzscheite mit.“

Eine Stunde später saßen sie sich beim Schein einer Petroleumlampe an dem soliden Holztisch mitten im Raum gegenüber. Beim Verzehr von gekochten Flußkrebsen ließ die Anspannung in ihm allmählich nach. Ihre Augen musterten ihn wohlwollend und fragend. Und dabei dachte sie, daß sie wohl doppelt so alt wie er sei, und gut seine Mutter hätte sein können. Sein scheuer Blick verfing sich in ihrer stattlichen Weiblichkeit, glitt immer wieder über ihre Haare, die nun geöffnet über ihre Schultern fielen, über ihren breiten Mund mit den vollen gradlinigen Lippen, über den kräftigen Hals mit seinen vereinzelten Falten, über ihre Lederbluse mit indianischen Verzierungen, die wegen ihres lockeren Schnittes die Fülle fantasieanregend andeutete. Ihren Blicken wich er aus, denn einer solchen Situation hatte er nichts entgegenzusetzen, weil ihn das Leben damit noch nicht bekannt gemacht hatte. Sie lächelte bei dem Gedanken an seine forschende Unsicherheit.

So übernahm sie die Führung und befreite ihn aus seiner Unsicherheit, indem sie ihn nach den wichtigsten Äußerlichkeiten seines Lebens und nach dem Zweck und der Dauer seiner jetzigen Reise fragte. Er antwortete auf alle Fragen zu seinem Leben getreulich und offen. Als er auf seine jetzige Reise zu sprechen kam, wurde sein Redefluß langsamer, so, als müsse er seine Gefühle und Gedanken erst einmal ordnen, denn bezüglich dieser Reise gab es davon in ihm gehörig Angestautes, dessen wahres Ausmaß er selbst nicht so recht kannte. Seit seiner frühesten Kindheit trug er nämlich eine diffuse Sehnsucht in sich, die ihn zu jedem Indianer- oder Trapperbuch greifen ließ, dessen er habhaft werden konnte. Auf seinem Bett liegend, durchstreifte er im hohen Norden mit seinen Helden Wälder, erklomm Berge oder begleitete sie in ihren Baumrindenkanus auf den Flüssen. Er selbst gab sich den Namen „Mithahasah“, das Pulvergesicht, ein großer Krieger der Cheyenne. So war ihm diese Landschaft, die ihn hier jetzt seit einigen Tagen in Atem hielt, nicht wirklich fremd. Sein Jugendzimmer hatte er vor Jahren zu einer Art Wigwam umgestaltet. Und er hatte längst damit begonnen, indianische Schriftsteller in Englisch zu lesen.

An seinem fünfzehnten Geburtstag bat er seine erstaunten Eltern, ihm eine Reise in den hohen Norden zu schenken – in seine Heimat, wie er sich ausdrückte. Als er fortan diesen Wunsch immer wieder vorbrachte, versprachen ihm seine Eltern, ihm diesen Wunsch zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag, dem Tag seiner Volljährigkeit, zu erfüllen, darauf hoffend, daß er die Sache bis dahin vergessen haben würde. An diesem Tag jedoch bestand er auf der Erfüllung dieses Versprechens. Und seine Eltern bezahlten ihm diese 14-tägige Reise. Auch arbeiteten sie mit ihm die Route aus, wobei sie über seine genauen Kenntnisse von Alaska überrascht waren. Sein einflußreicher Vater setzte sich mit dem amerikanischen Generalkonsul in Verbindung und schilderte ihm den „verrückten“ Wunsch seines Sohnes immerhin doch so eindringlich, daß dieser amüsiert versprach Kontaktstellen ausfindig zu machen. Und so wurde letztlich dieser Officer der Ranger von dem Kommen des jungen Deutschen in Kenntnis gesetzt.

Dies alles erzählte er Anne und fügte hinzu, daß er noch bis zu dem nächsten, oberhalb am Yukon liegenden Indianerdorf weiter paddeln wolle, dessen Häuptling von seinem Kommen durch die Ranger informiert sei. Dieser aber wußte dies schon seit langem. Er wußte auch, daß der junge Deutsche nie in seinem Dorf ankommen würde.
An diesem Abend fragte Anne ihn noch, wieviel Zeit ihm verbleibe. Als er von einer Woche sprach, nickte sie unmerklich mit dem Kopf. Dann bereitete sie ihm sein Nachtlager und wünschte ihm schöne Träume. Sie selbst spannte eine Decke vor ihr Bett, hinter der sie sich entkleidete. Doch vorher vergewisserte sie sich noch, daß das Feuer im Herd für die Nacht genug Nahrung hatte und drosselte die Luftzufuhr entsprechend. Draußen heulte ein Tier herzzerreißend. „Kein Grund zur Unruhe, es ist Moondancer, er hat Wolfsblut und heult den Mond an“, rief Anne ihm zu.

Am nächsten Morgen war sie schon früh auf den Beinen. Draußen war es noch dunkel. Er wachte von ihrem Geklapper am Herd kurz auf, wo sie Wasser erwärmte, um darin Haferflocken einzuweichen. Da er die halbe Nacht wach gelegen, dem Ruf der über sie wegziehenden Wildgänse gelauscht und keine innere Ruhe gefunden hatte, verfiel er jetzt sofort wieder in tiefen Schlaf. Als das Licht des neuen Tages durch die Fenster fiel, berührte sie ihn an der Schulter und weckte ihn auf.

Nach dem Frühstück, bei dem jeder wortlos seinen Gedanken nachging, bat sie ihn, Holz hereinzuholen. Und ob er ihr vor seiner Abreise noch Wasser bringen könne. Und dann erinnerte sie sich, dass der neue Wasserbottich, der für sie zu schwer wäre, an die Quelle transportiert werden müsse. Und so fiel ihr noch so manches für ihn ein. Und jetzt war er es, der lächelte. Jedenfalls war es darüber Mittag geworden und, wie sie meinte, zu spät für einen Aufbruch, denn zu dem Indianerdorf betrage es eine Tagesreise.

Nach dem Mittagessen mit getrocknetem Fisch machte er sich im Schuppen mit Aufräumen nützlich. Und mit zunehmenden tieferen Sonnenstand ergriff mehr und mehr eine wärmende Vorfreude auf den gemeinsamen Abend von ihm Besitz.

An diesem Abend fragte sie ihn, ob zuhause eine Frau auf ihn warte. Und er bejahte diese Frage unschuldig damit, dass seine Mutter ihn erwarte. Ob er denn keine Freundin habe, wollte sie nun wissen. Und als er dies verneinte, hakte sie nach, ob er sich denn noch nicht für eine Frau interessiert habe. „Dies schon“, gab er zur Antwort, aber diese sei mit ihren Eltern dann weggezogen, ohne dass er mit ihr ein einziges Wort habe wechseln können.

Anne stand darauf vom Tisch auf und machte sich mit irgendetwas hinter ihm zu schaffen, wobei sie ganz beiläufig über seinen Kopf strich, was in ihm ein bisher unbekanntes Kribbeln auslöste.
Als sie wieder auf ihrem Platz saß, wollte sie von ihm erfahren, wie er zu dem ungewöhnlichen Namen „Trigger“ gekommen sei. Diesen habe er in der Schule erhalten, erwiderte er verlegen lächelnd.

Draußen sprang etwas gegen die Tür und Moondancer kam hereingetrottet. Er beschnupperte Trigger ziemlich eingehend, um sich dann offensichtlich zufrieden unter dem Tisch einzurollen. Anne erzählte, dass sie Moondancer halbverhungert in den Bergen gefunden habe, als er bei der Leiche eines tödlich verunglückten Trappers Wache gehalten habe, und dass Moondancer seine Freiheit liebe. „Das verstehe ich“, sagte Trigger halblaut wie zu sich selbst. Bei vorgerückter Stunde wünschte sie ihm wieder schöne Träume und verschwand hinter dem Vorhang. Er vergrub sich tief in den Fellen und Decken und nahm wahr, wie sein Herz pochte.

Am kommenden Morgen nach dem Frühstück drückte Anne ihm ein Gewehr in die Hand. Er möge doch mal sehen, ob er etwas zur Bereicherung der Küche beitragen könne. Aber er solle nur etwas schießen, was beide in zwei bis drei Mahlzeiten aufessen könnten, denn zum Lagern von mehr Wildbret sei es tagsüber noch zu warm. Beide schauten sich wie Komplizen an, bevor er in die von ihr gezeigte Richtung verschwand, wo man hin und wieder wegen der dortigen Waldbeeren wilde Truthähne antreffen könne. Für alle Fälle hatte er seinen Kompass dabei. Nach einigen hundert Metern tauchte auf einmal Moondancer an seiner Seite auf und beharrte darauf, ihn zu begleiten. „Alter Knabe, wenn es soweit ist, wirst du uns nicht verraten.“ Moondancer spitzte bei diesen Worten seine Ohren. Dann kamen sie an einen steilen Abhang. Trigger drückte Moondancer auf den Boden und schob sich vorsichtig an die Kante vor, von wo er einen weiten freien Blick hatte. In einer Entfernung von etwa 40 Schritt entdeckte er unten in Waldbeersträuchern einen Truthahn inmitten seiner Hennen. Trigger zielte sorgfältig, wobei ihm aber vor Aufregung das Herz aus dem Leibe springen wollte. Bei dem Knall stoben die Hennen in alle Richtungen flügelschlagend davon. Moondancer sprang den Hang runter, wobei er sich mehrfach überschlug. Während Trigger noch damit beschäftigt war, den günstigsten Abstieg zu erkunden, zerrte Moondancer den mächtigen Truthahn zum Hang hin. Auf dem Heimweg war Trigger stolz darauf, Anne seinen Erfolg präsentieren zu können, den er an einem Stock mit zusammengebundenen Füßen über der Schulter trug. Moondancer lief ständig im Kreis um ihn herum, wohl wissend, dass auch auf ihn ein Festessen wartete.

„Hast Du gut gemacht, mein Großer“, begrüßte ihn Anne und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, der wieder besagtes Kribbeln bei Trigger auslöste.

Beim abendlichen Festschmaus ließ sich Trigger nicht zweimal bitten, sein Jagderlebnis in allen Einzelheiten zu schildern, wobei das eine oder andere seiner Fantasie entsprang. Und danach ging er mit ihren Wünschen für schöne Träume zum Schlafen in seine Decken- und Fellansammlung, und Moondancer legte sich neben ihn.
Am kommenden Morgen, fiel Trigger siedend heiß ein, dass er sich am Vortage nicht beim Officer gemeldet hatte. Da sein eigenes mitgebrachtes Funkgerät nicht funktionierte, durfte er das von Anne benutzen, die ihn bat, den Officer von ihr herzlich zu grüßen. Dieser fuhr ihn dann auch barsch an, wo er denn stecke, und warum er sich auf ihren Funk nicht gemeldet habe. Als sich der Dampf am anderen Ende der Leitung verzogen hatte, berichtete Trigger, dass er bei Anne sei, die ihn herzlich grüßen lasse. „So, so bei Anne bist Du“, ließ sich der Officer vernehmen. Und dann herrschte erst einmal Stille am anderen Ende der Leitung. „Officer, sind Sie noch da?“ Ein Räuspern ließ sich vernehmen. „Zu den Indianern willst Du wohl nicht mehr. Vergiss Deine Rückreise nicht und bestelle Anne, dass ich in Kürze bei ihr vorbeikomme. Over.“

Anne hatte Teile des Gespräches mitbekommen. Trigger wollte nun von ihr erfahren, ob sie vielleicht den Grund erkenne, warum der Officer so kurz und schroff angebunden gewesen sei. Anne lächelte, „Ach, Großer, das haben Männer manchmal so an sich.“

Und so verstrichen die restlichen Tage alle ähnlich aber nicht gleichförmig. Sie hielten sich nie weit voneinander auf, wie von unsichtbaren Fäden festgehalten. Sie hatte eine Reise mit ihrem Kanu stromabwärts zu dem nächsten Handelszentrum verschoben, und er hatte seinen Besuch bei dem Indianervolk verdrängt, der ihm doch so am Herzen gelegen hatte. Und seltsamerweise streunte auch Moondancer nicht mehr umher und hielt es nachts sogar im Blockhaus neben Trigger aus.
Dieser spaltete tagsüber Holz für den nahen Winter, ersetzte einige Holzschindeln auf dem Dach und kam jeden Augenblick mit der Frage zu ihr, was er noch erledigen könne. Vielleicht aber auch nur deshalb, um sich ihren liebevollen Blick abzuholen.
Fast täglich gingen Anne und Trigger zum Angeln an einen nicht weit entfernten glasklaren größeren Bachlauf. Da saßen sie dann dichter zusammen, als es mit zwei Angelruten normalerweise geboten war. Von Zeit zu Zeit schaute er sie verstohlen von der Seite an. Und wenn sich dann der Sonnenschein in ihren langen roten Haaren fing, die sie nur noch offen trug, dann wurde es ihm eng in seiner Brust und gleichzeitig erschien ihm sein Leben grenzenlos. Dann schob er seine Hand so nahe an die ihre, dass die Wärme übersprang, und sie seine Hand in die ihre nahm.

Aber er verharrte weiterhin in Befangenheit und ahnte, dass es etwas Mächtiges, Unbekanntes gab, vor dem er Angst hatte. Anne nahm dieses mit ihrer fraulichen Intuition wahr und wollte ihn sanft und zärtlich über diese Grenze ins Unbekannte führen und ihn auch dort nicht verlassen.

Als sie sich an einem der letzten Abende gegenübersaßen und das Licht der Petroleumlampe ihre Gesichter aus der Dunkelheit hob, erzählte sie ihm ihre Lebensgeschichte der letzten Jahre, bevor sie sich hierhin zurückgezogen hatte.
Ihr Mann und sie hätten in Anchorage ein kleines Hotel gehabt, in dem regelmäßig diese gutmütigen aber groben Männergestalten übernachtet hätten, wenn sie sich von dem Leben in der Wildnis erholen und im übrigen auch amüsieren wollten. Das habe natürlich auch die entsprechende Damenwelt angelockt. So hätten sie und ihr Mann unwillentlich ständig an einem Leben im Ausnahmezustand teilnehmen müssen. Als dann ihr nicht unbeträchtlich älterer Mann sozusagen über Nacht mit einer dieser Damen verschwunden sei, habe sie das Hotel zu einem Preis verkaufen können, der ihr das jetzige bescheidene Leben sorgenfrei ermögliche. Im übrigen sei ihr dieses Leben jetzt nie gänzlich unbekannt gewesen. Denn sie habe jede freie Minute bei Freunden in einem Blockhaus an einem größeren See verbracht, der nur mit einem Wasserflugzeug zu erreichen sei. Bei diesen Freunden habe sie auch diesen Ranger Officer kennengelernt, der jedoch sehr streng und unzugänglich sei, was vielleicht wohl auch seinem Dienst zuzuschreiben sei. Dieser habe sie dann zu sich in die Ranger Station drei Tagesreisen von hier flussabwärts mitgenommen und ihr diesen Platz in seinem Dienstbereich besorgt. Er sei es auch gewesen, der sich um den Transport der Baumaterialien und um den Bau selbst gekümmert habe. Er besuche sie regelmäßig, etwa einmal im Monat mit seinem Dienstboot. Dann bringe er ihr auch die Post und andere Sachen mit, die sie über Funk durchgegeben habe.
Am Ende ihres Berichtes ergriff sie eine Hand von Trigger, schaute ihn lange an, wobei sich das helle Grün in ihren Augen eine Schattierung dunkler färbte. „Und Du, Großer, gibst mir nun das Gefühl zurück, dass es doch noch Gründe gibt glücklich zu sein, aber das tut in diesem Fall auch sehr weh.“ Sie stand abrupt auf und verschwand wortlos hinter dem Vorhang. Trigger hatte sein Gesicht in den aufgestützten Händen vergraben. Dann wischte er sich die Tränen ab, legte im Herd Holz nach, machte die Petroleumlampe aus, ging, begleitet von Moondancer, zu seinem Nachtlager und konnte mal wieder nicht einschlafen.

Als der letzte gemeinsame Tag anbrach, stellte Anne einen Strauß Wildblumen mit tiefroten Ahornblättern in einer Vase auf den Frühstückstisch. Sie saß ihm zum ersten Mal in einem Kleid gegenüber, ein weißes mit einem leichten Ausschnitt. Er brachte keinen Ton heraus, zu vieles verschnürte ihm die Kehle. Als er keinen Bissen anrührte und auch den dampfenden Kaffee vor ihm unbeachtet ließ, stand Anne auf, nahm seine Hand und führte ihn auf die Veranda, wo sie ihn sanft zwang, neben ihr Platz zu nehmen. Sie hielt seine kalte Hand in der ihren. Beide saßen so etwa eine Stunde schweigend nebeneinander. Dann sah sie von der Seite, dass seine Lippen irgendetwas formulieren wollten. „Sag bitte nichts“, forderte sie ihn auf. Darauf ging sie ins Haus zurück und ließ ihn allein.

Auch beim Mittagessen herrschte zwischen beiden Stille. Moondancer lag auf der Terrasse und rührte sich nicht vom Fleck. Den Nachmittag verbrachte Trigger allein in der Natur. Moondancer begleitete ihn nicht. Beim Abendessen wechselten sie ein paar belanglose Worte. Danach bat Anne ihn, etwas leicht entflammbares Holz für den kommenden Tag mit der Taschenlampe zu suchen. Sie selbst ging zum Herd und schürte das Feuer.

Als er mit einem Arm voll Kleinholz wieder den Raum betrat, war der Vorhang vor ihrem Bett verschwunden. Und im schwachen Licht der Petroleumlampe sah er auf ihrem Bett die Umrisse ihres hellen, nackten Körpers.
Erschrocken ließ er das Holz fallen und stand da wie vom Blitz gerührt. Auf ihren Ruf „Komm“ zog er sich wie in Zeitlupe aus und lief dann zu ihr, um sich auf sie zu werfen, glitt dabei aber auf einem Biberfell aus und landete anstatt auf ihr, bäuchlings vor ihrem Bett. Trotz des heiligen Ernstes der Situation konnte Anne in diesem Augenblick ein lautes Lachen nicht unterdrücken, begleitet von dem Ausruf „Do it once more!“

Spät in dieser Nacht legte sie ihren Kopf auf seine Brust. Und er spürte ihre Tränen. Zum Mann erwacht, schlug er beschützend seine Arme um ihren warmen, weichen Körper und hörte sie flüstern: „Do it once more, Darling!“


16. Mai 2005
 
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Kommentare  

tja, dieser trigger. irgendwie kommt er mir doch persönlich bekannt vor, wenn auch heute bisken bis einiges älter und seit langem schneller am abzug (trigger).

achim (27.05.2005)

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