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9 Seiten

Ahrok - 23. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Dreiundzwanzigstes Kapitel: Flucht aus dem Westbezirk

„Hier spricht die Stadtwache! Wir suchen einen jungen Mann, der sich mit einem Zwerg hier in diesem Stadtteil versteckt. Die zwei sind gesuchte Verbrecher und ruchlose Mörder. Ein jeder, der ihnen Unterschlupf gewährt, macht sich ebenso mitschuldig an ihren Verbrechen. Hinweise auf den Aufenthalt der Gesuchten werden großzügig belohnt!“
Bis auf diesen sich ständig wiederholenden Ruf, marschierte die kleine Armee aus Stadtwächtern nahezu lautlos die Turmstraße entlang. Gespenstische Ruhe herrschte in diesem Stadtteil und keiner der Wächter machte Anstalten, etwas daran zu ändern.
Nicht ein Bewohner dieses verkommenen Viertels hatte sich bisher bei ihnen gemeldet.
Es war mittlerweile vier Stunden nach Sonnenuntergang und es war so finster, wie es nur in einer solch bedrohlichen Nacht sein konnte. Es gab in den alten Straßen weder Fackeln noch Lichtquarze, die tröstendes Licht hätten spenden können.
Natürlich hatte es sie einmal gegeben. Keine zwanzig Jahre war es her, da hatte der kleine Junge, der es einmal zum Sergeanten der Stadtwache bringen würde, genau hier in diesen Straßen gespielt. Aber das war lange bevor die Stadtbevölkerung so rapide zugenommen hatte. Märkteburg quoll über vor Glücksrittern, Kriegsflüchtlingen aus dem Süden, Einwanderern aus dem Osten und Leuten, die es auf dem Land zu nichts gebracht hatten und die ihr Glück nun in der Stadt versuchen wollten. Damit all diese Versager nicht ständig dem braven, arbeitenden Bürger unter die Augen kamen, hatte die Stadtobrigkeit ihnen den Westbezirk zugewiesen.
Aber anstatt sich friedlich und freudig mit dem schönen, alten Stadtteil abzufinden, hatten die Einwanderer ihn jedoch völlig heruntergewirtschaftet. Hier stand der Dreck in den Straßen, die Fenster der Häuser hatte man schon vor langer Zeit eingeworfen und alles was nicht niet- und nagelfest war, hatte schon jemand gestohlen.
Es war ein Stadtviertel, in welchem sich selbst die Stadtwächter nur sehr selten blicken ließen. Kaum jemand überlebte auf eigene Faust hier im Westbezirk, deshalb organisierten sich in festen Abständen immer wieder aggressive Banden und Gruppierungen und die wurden daraufhin immer wieder von einem Sonderkommando der Stadtwache zerschlagen.
Diese Seuche war längst überfällig. Sie durchbrach diesen endlosen Kreislauf von Überbevölkerung und Kriminalität und verschaffte ihnen etwas Luft. Der Namenlose oder einer der anderen gütigen Götter musste sie gesandt haben, um diesen ganzen, ruchlosen Abschaum hier auszurotten, damit ehrliche Menschen und vielleicht auch ein paar Zwerge und Elfen hier wieder in Frieden und Ordnung leben konnten.
Die göttliche Seuche hatte in den letzten Tagen und Wochen ganze Arbeit geleistet. Vor beinahe jedem Hauseingang lagen eine oder mehrere Leichen, die man dürftig mit schmutzigen Tüchern abgedeckt hatte. Was auch immer hier im Westbezirk wütete, die Götter mögen dafür sorgen, dass es auch hier blieb.
Sergeant Schmidt blickte über seine Schulter. Etwa zehn Mann der gefürchteten „Grünen Schar Abteilung Zwei“ befanden sich heute ebenfalls unter seinem Kommando.
Natürlich hatten diese sich freiwillig gemeldet. Solche Leute meldeten sich immer freiwillig. Die Grüne Schar wurde immer dann eingesetzt, wenn gegen die Bevölkerung Märkteburgs vorgegangen werden musste. Sie beendeten Revolten, zerschlugen Aufstände oder unterstützten die Hexenjäger bei der Säuberung von Kultistennestern.
Und die Besten, Härtesten und Gefühllosesten von ihnen befanden sich in der Abteilung zwei. So erzählte man es sich zumindest in der Buchhaltung. Aber der Sergeant bezweifelte keineswegs, dass diese zehn speziell ausgebildeten Männer schon so manche Unruhe blutig niedergeschlagen hatten.
Allein der Anblick ihrer hellgrünen Uniformen sorgte dafür, dass sich die meisten Demonstrationen und Widerstände von selbst auflösten und auch heute war ihm so, als ob die hundert Augen, die sie aus dem Schatten der schmutzigen Gassen heraus beobachteten, nur ihretwegen respektvollen Abstand zu den Stadtwächtern wahrten.
An der nächsten Kreuzung ließ der Sergeant die Truppe halten.
Wohin sollten sie sich wenden? Es gab die Möglichkeit, die Gruppe aufzuteilen, aber dann bestand die Gefahr, dass sie ihre bloße Anzahl nicht mehr vor den aggressiven und eher anarchistisch veranlagten Geschöpfen dieses Viertels beschützte.
Dennoch, zwei Trupps zu je dreiunddreißig Mann würden die finsteren Straßen viel schneller durchkämmen können und wären immer noch so schlagkräftig, dass nur die verrücktesten Räuber sich ihnen in den Weg stellen würden.
Letztendlich mussten sie die beiden Mörder finden. Das war die Hauptsache.
„Sergeant.“
Fridolin Schneider, ein Truppführer aus der Grünen Schar, war neben ihn getreten und wies mit der linken Hand die Heldenhafte Gasse entlang.
Am Ende dieser Gasse befand sich eines der wenigen noch beleuchteten Gebäude in diesem Viertel. Der Tempel des Namenlosen. Eine große Menschenmenge hatte sich vor den Toren des Tempels versammelt, hämmerte gegen sie, warf die Flammenschalen im Eingangsbereich um und bombardierte die Tempelwand mit allerlei verrotteten und vergammelten Wurfgeschossen.
Sergeant Schmidt rieb sich den Bart unter seinem Mundschutz. Da drüben waren etwa einhundert, vermutlich infizierte Aufständische versammelt. Er hatte befürchtet, dass sie auf eine solche Situation stoßen würden.
Diese Revolte niederzuschlagen, würde Zeit kosten, die sie nicht hatten, aber er konnte die Priester dort nicht ihrem Schicksal überlassen.
„Fridolin. Ihr kümmert euch um die Leute dort und sucht den Tempel nach unseren Zielen ab. Es wäre möglich, dass sie beim Namenlosen um Vergebung bitten wollen.“
Der Sergeant konnte erkennen, wie der Mann unter seinem Mundschutz breit grinste.
„Grüne Schar!“, donnerte Fridolin sofort. „Greift euch jeweils einen Stadtwächter mit festem Magen und folgt mir zum Tempel. Wir werden da jetzt aufräumen!“
Kurz darauf marschierten neunzehn Mann mit vorgehalten Hellebarden die Heldenhafte Gasse entlang zum Tempel des Namenlosen, während Sergeant Schmidt mit dem Rest der Truppe in entgegengesetzter Richtung seine Suche fortsetzte.

Ahrok lehnte lächelnd an der Wand des Raumes und sonnte sich in seinem Sieg. Dieses krummsäbelähnliche Etwas, das ihm als Waffe gedient hatte, war so schlecht gefertigt, dass er sich beim Parieren eines Schlages die rechte Hand verstaucht hatte, aber trotzdem lagen all seine Angreifer nun regungslos zu seinen Füßen und er stand noch immer.
Mia hatte Recht gehabt.
Das Schwert war nur das Werkzeug. Die wirkliche, todbringende Gefahr war er selber. Er blickte an sich herunter. Blutspuren gab es einige auf seiner Kleidung, aber keine davon war von ihm. Ein paar Prellungen und blaue Flecke hatte er unweigerlich davongetragen, aber ansonsten war er unverletzt.
Verdammt, war er gut.
Schreckliche, qualvolle Schreie und das wütende Brüllen eines Zwerges holten ihn wieder zurück in die Wirklichkeit.
Was auch immer die Weißen in diesem Raum hier angestellt hatten, die waren nun keine Gefahr mehr für die armen Menschen von Märkteburg. Ein ausgemergelter Mann, der Kleidung nach zu urteilen vielleicht ein Waffen- oder Hufschmied, lag inmitten den Leichen der Echsen und war mindestens ebenso tot wie die Monster, die ihn umgaben. Zwischen den ganzen Körpern befanden sich blutverschmierte Pergamente, die in einer ihm unbekannten, krakeligen Sprache beschrieben waren. Auf dem Regal zu seiner Rechten standen noch drei Käfige, in welche die Weißen hässliche, dicke Fledermäuse eingesperrt hatten.
Er spielte mit dem Gedanken, die kleinen Biester frei zu lassen, entschied sich aber dann doch dagegen. Sollten die Haustiere dieser geschuppten Monster hier unten verrecken wie ihre Herren.
Hoch erhobenen Hauptes und vollends mit sich zufrieden stolzierte Ahrok aus dem Raum den langen Gang entlang, der neben der Suppe herführte.
Der Stille nach zu urteilen, hatte Ragnar seine Gegner längst um die Ecke gebracht und wartete jetzt mürrisch und nörgelnd darauf, dass er zu ihm stieß. Und tatsächlich stand der Zwerg nur ein paar Dutzend Schritt weiter den Gang entlang vor ihm.
Endlos Flüche in seinen Bart grummelnd betastete der Zwerg seine Oberarme. Links von ihm trieb der Körper eines Weißen in der Suppe.
„Wurde aber auch Zeit, dass du endlich kommst!“, fuhr in der Zwerg an. „Lass uns endlich von hier verschwinden. Ich schätze wir haben die meisten von ihnen erwischt.“
Ahrok nickte.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“
Arme und Hals des Zwerges zierten etliche Kratz- und Bissspuren, die sich rasend schnell entzündeten.
„Nu geh mir nich auf die Eier.“ Ragnar kratzte unaufhörlich an den frischen Wunden. „Diese scheiß Echse hat wohl kurz vorher in Juckpulver gebadet. Boah, nervt mich das heute alles schon wieder!“

Chris wischte das blutige Messer an der Kutte des Nyoka´tuk ab, bevor er es wieder im Gürtel verstaute. Die Echse war mit einem Kessel voller Irgendwas die dunklen Gänge hier unten entlang gelaufen und hatte ihn bis ihrem zum letzten Atemzug nicht einmal bemerkt.
Jetzt lag das Geschöpft mit dem Gesicht auf den nasskalten Steinen und der Kessel kullerte leise noch ein paar Ellen weit. Vielleicht war das sogar diese schreckliche Wunderwaffe, die gerade zäh und eitrig aus dem Kessel in die Kanalisation hinein floss, aber das war nun nicht mehr von Bedeutung.
Das Nest hier unten war zerschlagen, die Ergebnisse vernichtet.
Jetzt gab es nur noch eines zu tun. Sämtliche Beweise, die zu ihm führen konnten, mussten verschwinden.
Unschlüssig sah er sich um. In diesen labyrinthartigen Gängen konnte sich selbst ein Mann mit seiner herausragenden Orientierung schneller verlaufen als es einem lieb sein konnte. Doch dann hörte er schon wieder die gellenden Stimmen seiner zwei Werkzeuge und er machte sich auf den Weg, um sich mit ihnen zu treffen.
Hinter ihm tropfte nun von niemandem mehr beachtet Vypos neuste Kreation in die Märkteburger Kanalisation. Bei dieser schwachen Strömung würde es Tage oder gar Wochen dauern, bis sie von der Suppe bis hin zur Ilv getragen wurde, aber Vypos Vermächtnis war von geduldiger Natur.

Er war zusammen mit dem Zwerg den ganzen Weg zurück bis hin zu dem feuchten Brunnenschacht gelaufen. Dort stand er nun schon seit einigen Minuten und blickte sich missmutig um.
Die Strickleiter war nicht mehr da.
Ahrok hatte die gesamte Brunnenwand abgeleuchtet. Wieder und wieder, aber die Leiter blieb verschwunden. Irgendjemand machte ihnen heute ständig das Leben schwer. Vielleicht waren es ja die rachsüchtigen Friedhofswärter, die sich noch dafür revanchieren wollten, dass er sie vorhin so erschreckt hatte.
Ein „Ohhh, Scheißeee!!!“ was von einem lauten Platschen gefolgt wurde, bestätigte Ahroks Vermutung, dass sie hier im Dunkeln niemals die rutschige und obendrein noch etwa sieben Schritt hohe Brunnenwand hinaufklettern konnten.
„Ich hab´s dir ja gesagt“, kommentierte er Ragnars Absturz.
Dieser funkelte ihn nur böse von unten an.
„Halt bloß den Mund! Mach du doch ´nen besseren Vorschlag! Schließlich bist du ja plötzlich der Schlaue von uns beiden.“ Auf seinen Hammer gestützt rappelte sich der Zwerg wieder auf. „Boah, wenn mir jemals wieder ´n betrunkener Spinner irgendwelchen Scheiß erzählt, dann halt mich davon ab, diesen Hirngespinsten hinterher zu laufen.“
´Und wenn du mich bittest, mitzukommen, dann erinnere mich daran, dass ich dir absage´, dachte sich Ahrok und starrte düster in die Pfütze zwischen seinen nassen Füßen.
Was für ein Scheißtag. Sein frisch erworbenes Schwert war irgendwo in der Suppe verschwunden, seine neue Kleidung war durchnässt, dreckig und zerschunden und zu guter Letzt bekam er nicht einmal ein einziges Kupferstück für die harte Arbeit hier.
Ahrok blickte den Schacht hinauf in den Sternenhimmel und schüttelte den Kopf.
„Und was nu?“
„Wir suchen uns ´nen anderen Weg hier raus. Du weißt doch, dass es hier irgendwo Ausgänge für die Kanalwächter gibt.“
„Ja, Spitzenidee! Denen sollten wir dringend in die Arme laufen. Die stehen sicher total auf uns.“
„Und wessen Schuld ist das, he? Meine sicher nich! Ich hab dem Kerl von der Kanalwacht nich mein Schwert durch den Hals gestoßen.“
„Ja, ja, jetzt fang nicht mit diesen alten Kamellen an. Ich weiß ja nicht, wie das bei euch Zwergen zu Hause so läuft, aber hier oben gilt das Recht des Stärkeren und wenn du versagst, dann holt dich der Weizen?“
„Was?“
„Der Weizen, Mann. Der Weizen. Das ist so ein rachsüchtiges Getreide!“
„Ich weiß, verdammt noch mal, was Weizen ist! Ich mein: Was redest du hier für´n Scheiß von wegen ´Recht des Stärkeren´?“
„Scheiß? Du findest also, dass mein Lehrer mir ´einen Scheiß´ erzählt hat? Haua, Ragnar, das ist jetzt aber ´n starkes Stück. Langsam gehst du mir mit deiner überheblichen Zwergenart mächtig auf die Eier!“
Ragnar stierte ihn eine Weile sprachlos an.
„Kritik kannst du nicht vertragen, was?“
Die Stimme des Zwerges war weder aggressiv noch hatte sie ihren üblichen oberlehrerhaften Beiklang, deshalb verging auch Ahrok die Lust auf einen weiteren Streit.
„Hör einfach auf über meine Lehrerin herzuziehen. Sie war die Einzige, die jemals an mich geglaubt hat.“
Ragnar schob das Kinn vor und nickte leicht.
„Es ist gut, seine Lehrer in Ehren zu halten, aber... das Wichtigste im Leben ist es, eigene Erfahrungen zu machen – und eigene Entscheidungen zu treffen, nicht immer nur die Parolen und Weltanschauungen anderer nachzuplappern.“
„So? Willst du also sagen Mia hatte Unrecht?“
„Ich will damit nur sagen, dass es viele Wahrheiten gibt und du deine eigene finden musst.“
Ahrok blickte an dem Zwerg vorbei in die Dunkelheit. Er hatte weder genau verstanden, was dieser von ihm wollte, noch hatte er Lust, länger in dem kalten Wasser zu stehen. Kein Streit, keine Heldentaten, kein langes Umherlaufen mehr – er wollte nur noch so schnell wie möglich nach Hause in sein Bett.
„Hey, ihr da.“
Das leise Flüstern schreckte die beiden Krieger auf und sie wirbelten sofort kampfbereit herum.
Ahrok konnte die Gestalt, welche sich im düsteren Schatten der Kanalisation aufhielt, kaum erkennen. Jemand, der Stimme nach zu urteilen ein Mann, stand dort in einen langen Mantel gehüllt und hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
„Ihr wollt doch sicher hier raus, oder? Ich kann euch für eine kleine Gebühr führen.“
„Wir haben nichts“, bellte Ragnar sofort.
„Ich bitte Euch, werte Herren. Die Gänge hier sind endlos und tückisch. Ihr wärt nicht die Ersten, die hier in diesem endlosen Gewirr den Tod finden. Ein paar Kupferlinge reichen schon, um mich und meine Familie durch die nächsten Tage zu bringen. Bitte, meine Herren, bitte.“
„Ich sagte doch wir...“
„Ja, ja, von mir aus. Fünf Kupferstücke wenn du uns hier raus bringst“, schnitt Ahrok dem Zwerg das Wort ab.
„Fünf Kupferstücke! Sag mal spinnst du? Du weißt doch genauso gut wie ich, wie lange wir dafür wieder ackern dürfen!“
„Ich will hier raus, Ragnar. Ich will hier nur noch raus. Von mir aus bezahl ich den Typen eben allein und du kannst auf eigene Faust nach ‘nem Ausgang suchen, aber ich häng mich lieber an den Führer da.“
„Meine Herren?“
„Ja, Scheiße, meinetwegen. Du kriegst deine fünf Münzen, sobald wir hier raus sind“, willigte nun auch der Valr ein.
„Danke, meine Herren, danke. Sie sind zu großzügig.“ Der Mann verbeugte sich einige Male. „Bitte folgen Sie mir und bleiben sie dicht auf, denn man verläuft sich sehr schnell hier unten.“
Ragnar schulterte seinen Hammer und folgte den beiden Menschen wieder hinein in die Kanalisation.

Chris schloss kurz die Augen, um sich an den Weg zu erinnern, den er sich schon vor Monaten eingeprägt hatte, denn diese Kreuzung kam ihm gerade so unbekannt vor. In dieser verdammten Dunkelheit sah ein Fleck aus wie der nächste. Der Exkrementfluss bot keine Orientierungsmöglichkeit und sein Gedächtnis was auch nicht mehr so gut wie noch vor einigen Jahren.
Er entschied sich dafür, dem Weg nach links zu folgen. Es war höchstwahrscheinlich der Richtige.
Seinen zwei Werkzeugen hinter ihm fiel einmal nicht auf, dass er für einen kurzen Moment zögerte, bevor er wieder zielstrebig ausschritt.
Noch immer gaben die beiden ihm Rätsel auf.
Sie waren Gesetzlose. Mörder, die sich in einer abgehalfterten Kaschemme vor der Stadtwache versteckten und doch brauchte er nur ein paar Worte fallen lassen und sie zogen quer durch die ganze Stadt in den scheinbar sicheren Tod, nur um ein paar Monster zu bekämpfen.
Was hatte dieser Zwerg davon oder der Junge? Es winkte keine Belohnung und Ruhm konnten sie auch nicht erlangen, für einen Tat, von der niemand erfuhr und von der sie keinem erzählen konnten.
Die Bewohner der Altmark waren eindeutig andersartig. Niemand in der Republik war so dämlich wie diese zwei.
Chris maßte sich nicht an, einen Zwerg verstehen zu können.
Diesen Kreaturen hatte die Republik vor langer Zeit den Rücken gekehrt, aber der junge Mann war ähnlich dumm wie der Zwerg. Er konnte vielleicht kämpfen, beim guten und einzigen Gott, das konnte er, aber Kampfgeschick allein machte seinen naiven Bauerncharakter noch lange nicht wett. Seine Fähigkeiten waren verschwendetes Potential in den Händen dieses ungebildeten Jungen.
Die Zwerge bekamen den Menschen eben nicht. Wann würden die guten Menschen der Altmark endlich lernen, was man in der Republik schon lange wusste.
An der nächsten Ecke kam ihm dann schon wieder vieles bekannter vor. Sie waren also doch auf dem richtigen Weg. Er erlaubte sich ein kleines Lächeln. Wer außer ihm hätte diesen Tag planen können? Wer außer ihm hätte diese ganzen Widrigkeiten zu seinem Vorteil nutzen können?
Niemand.
Deshalb war er auch der Beste. Deshalb war er auch entsandt worden.
Die nächsten sechzig Schritte bis zum Gitter hing Chris in einer Traumwelt von Belobigungen und Beförderung, dann erreichten alle drei den vergitterten Zugang zur Kanalisation.
Kaum zwei Ellen vor ihnen mündete die Kanalisation in die Ilv und nur ein Dutzend Gitterstäbe trennten sie von der Treppe, die hinauf zur Straße führte.
Er verbeugte sich tief und wies nach draußen.
„Werte Herren, ich hab Euch versprochen, ich bringe Euch hier heraus. Hier sind wir. Hier ist der Ausgang, werte Herren.“
Sofort zwängte sich der filigrane Spion durch die Gitter hindurch und wartete auf der anderen Seite.
„Das iss doch jetz nich dein Ernst“, grollte der rothaarige Zwerg.
Allein der Kopf des Valr war fast doppelt so breit wie die Spalten zwischen den Stäben.
„Keine Sorge, meine Herren. Ich wohne nur wenige Minuten von hier entfernt. Ich hole nur schnell ein Brecheisen aus meinem Schuppen und dann seid auch Ihr am Ziel. Wartet bitte nur einen winzigen Moment und halten Sie das Kupfer bereit, denn ich bin sofort wieder da.“
Aus dem Augenwinkel beobachtete Chris, wie die beiden sich widerwillig vor dem Gitter niedersetzten und schulterzuckend ihr Schicksal ertrugen. Zufrieden sprintete er die Treppe hinauf und sah sich oben auf der Straße um.
Sein Versteck musste sich einige Querstraßen weiter rechts von seiner Position befinden.
Ein ungewöhnlich großer Trupp dieser Stadtwächter machte ihm jedoch urplötzlich einen Strich durch die Rechnung. Sie patrouillierten durch die Straßen hier oben, klopfte an jede Haustür und durchsuchte jeden Müllberg auf der Suche nach einem blonden Mann und einem Zwerg. Es würde schwer werden, an denen vorbei zu kommen. Er verwarf sofort seinen alten Plan und bediente sich der neuen Situation.
„Hey, Stadtwächter, Stadtwächter, hierher. Die Gesuchten befinden sich gleich hier in der Kanalisation!“
 
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Kommentare  

Huch, dieses Kapitel wird ja weitaus positiver aufgenommen als die meisten anderen. Das freut mich aber!
Dann hat es sich ja doch gelohnt Jochens Rat zu folgen und der Geschichte ein etwas eigenständigeres Leben zu geben.


Jingizu (06.10.2010)

die beiden streithähne haben mich an figuren aus meiner lieblingsserie erinnert :D aber so ist es eben nicht :) wie jedes kapitel einfach toll^^

Michael Drake (03.10.2010)

Wer hat Chris entsandt? Immerhin erfahren wir, dass er aus der Republik kommt. Sehr spannend das Ganze und vor allem fragt man sich, wie die beiden Helden da wieder herauskommen wollen.

Petra (03.10.2010)

nee nee, dieser chris ist ja echt unglaublich hinterhältig, aber die beiden helden sind auch unglaublich vertrauensvoll, will heißen dämlich. oder können sie sich da rausmogeln oder hauen? bin gespannt.

Ingrid Alias I (03.10.2010)

Das ist ja eine echte Schweinerei von diesem Chris. Jetzt stecken die beiden aber wirklich ganz tief im Dreck und zwar im wahren Sinne des Wortes. Ein schönes - mir völlig unbekanntes Kapitel! Hat mir sehr gefallen!

Jochen (02.10.2010)

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