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9 Seiten

Ahrok - 59. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Neunundfünfzigstes Kapitel: Ein neuer Anfang

Ahrok stand noch immer in der Tür und sagte kein Wort. Er hatte es geschafft, in den letzten zwei Stunden Kopf und Herz soweit fortzuschieben, dass die Gedanken an sie nur kleine Lichter in der weit entfernten Dunkelheit seiner gebeutelten Seele waren, doch nun brachen all die weggesperrten Gefühle wieder wie eine Flutwelle über ihn herein.
„Hier wohnst du also, wenn du gerade keine Grafen rettest?“
Seine kleine Komtess war in freudiger Erwartung von ihrem Stuhl aufgestanden und wartete nun unschlüssig auf ein Wort oder ein Zeichen von ihm.
„Was machst du hier?“
Diese Worte fielen aus seinem Mund, noch bevor er sie aufhalten konnte. Er sah wie das Lächeln auf ihrem Gesicht schmaler wurde und die freudig erregten Augen wieder ihre ursprüngliche Form annahmen. Er wollte am liebsten seinen Kopf gegen den Türrahmen schlagen für diese Dummheit.
„Ich hab nach dir gesucht.“
„Warum?“
„Warum?“ Sie lachte kurz hilflos auf, „Was meinst du mit ´warum´?“
„Du wirst bald heiraten und ich werd dann weit, weit weg sein… warum bist du dennoch hergekommen?“
„Weil ich nicht einfach hinnehme, dass jemand anderes über mein Leben bestimmt! Weil ich selbst entscheiden will, mit wem ich mein Leben verbringe und mit wem ganz bestimmt nicht.“
„Ich bin nicht gut für dich. Ich kann die keine Leben bieten, das…“
„Was soll das, Ahrok? Ich höre zwar deine Stimme, aber da sprechen nur mein Onkel und dieser Zwerg aus dir. Kannst du nicht für dich selber denken?“
Ahrok schwieg und starrte auf die Dielen.
„Ich…“, versuchte er hilflos einen Satz zu formulieren, aber die Worte liefen ihm davon.
„Ist das etwa alles, was du dazu zu sagen hast?“
Er rutschte am Türrahmen hinab auf seinen Hintern und schwieg.
„Ich verstehe...“
Es hatte sie alle noch verbliebene Kraft gekostet, das Zittern in der Stimme zu unterdrücken und sie hoffte inständig, dass die Tränen erst kamen, wenn sie den Raum verlassen hatte.
Kleine, schnelle Schritte trugen sie an ihm vorbei aus dem Zimmer hinaus, als er ihr Handgelenk ergriff und sie festhielt.
„Ich… bin nicht gut mit meinen eigenen Worten.“
Ahrok ließ ihre Hand fahren, aber der unbeholfene Satz war genug gewesen, um sie dennoch vorerst davon abzuhalten einfach weiterzulaufen.
„Das stimmt nicht, Ahrok… und selbst wenn es so ist, dann wäre es mir egal, aber rede bitte mit mir. Schweig mich nicht an. Sag, was du denkst, was du fühlst, aber lass mich hier nicht allein in unserem Gespräch.“
Sie setzte sich zu ihm in den Eingang.
„Ragnar und Herbert haben Recht was mich betrifft.“
„Das sind nur zwei alte Männer. Was wissen die schon?“
„Ich hab in meinem ganzen Leben nichts gelernt, außer das Schwert zu schwingen und jetzt hab ich nicht einmal mehr eins. Ehrlich gesagt, hab ich ziemlich oft keins, da ich dazu neige die Dinger zu verlieren. Ragnar hat dir bestimmt davon erzählt.“
„Nein.“ Hinter ihren feuchten Augen zeigte sich wieder ein winziges Lächeln. „Hat er nicht.“
„Man nennt mich den Schlächter von Märkteburg. Mein Vater… nicht einmal mein Vater konnte mich leiden und meine Mutter…“
„Ich hab auch Angst“, unterbrach sie ihn und strich ihm durch das Haar. „Ich hab genauso viel Angst wie du, aber ich lasse mich weder von meiner Angst noch von meinem Onkel oder einem bösen Zwerg von meinen Träumen fernhalten.“
Ahrok zog sie zu sich an seine Brust. Seine Arme legten sich um sie und hielten die zierliche Frau fest an ihn gepresst.
„Ich hab wirklich ein wenig Angst… aber sag´s nicht Ragnar.“
Die Worte verklangen und es legte sich eine friedliche Stille über die beiden Menschen dort zwischen Tür und Angel.

Herbert von Lichtenstein zügelte sein Pferd, als er den ihm wohlbekannten Zwerg auf dem Bordstein vor einer Herberge sitzen sah. Im Trab näherte er sich dem kleinen Mann, der wie erwartet in regelmäßigen Abständen einen zerbeulten Bierkrug zum Mund führte.
„Ist sie hier?“, fragte er harsch.
„Was glaubst du wohl, Herbert?“
Der Graf sprang vom Ross und stieß die Tür zur Herberge auf.
„Und was genau hast du jetzt vor? Da hochstürmen und ihn von ihr herunterreißen? Das hab ich heute schon einmal gemacht. Siehst ja, wo wir trotzdem gelandet sind. Scheiß Kindsköpfe.“
„Wie bitte? Was meinst du?“
„Na, was wohl. Die beiden haben schon bei dir zu Hause die Finger nicht voneinander lassen können. Scheiße, da reißt man sich den Arsch für sie auf um ihnen ´ne schöne Zukunft zu bieten mit Ruhm und Ehre und ´nem Haufen Blutvergießen, aber die machen doch nur was sie wollen.“
Graf Herbert von Lichtenstein hielt inne und trat zurück zum Zwerg auf die Straße.
„Wo hast du das Bier her?“
Ragnar wies mit dem Krug auf die Taverne auf der anderen Straßenseite.
„Steinberger?“
Der Zwerg lachte kurz auf: „Frag lieber nicht.“
„Hast du noch etwas für mich da drin?“ Der Graf setzte sich zu ihm in die Gosse.
Missmutig reichte ihm der Valr den Krug.
Er trank einen Schluck und es erschütterte ihn bis ins Mark, das etwas so widerwärtiges soeben über seine Lippen gekommen war.
„Wie lang ist sie schon hier, Ragnar?“
Der Zwerg nahm den Krug wieder aus der Hand des Grafen.
„Eine Stunde… vielleicht zwei.“
„Dann ist wohl alle Hoffnung dahin und sie mittlerweile wohl schon eine Strohjungfer… ich glaub das nicht. Hast du eine Ahnung, wie das den Preis drückt…? Gib mir noch ´n Schluck.“
„Den Preis?“
„Ach, vergiss es.“ Herbert schüttelte sich erneut. „Alles umsonst. Den ganzen Tag bin ich wie ein glitschiger, schleimiger Wurm diesem Kerl durch die Kimme gekrochen – für nichts! Ich kann morgen gleich wieder sämtliche Adelshäuser besuchen und bei jedem auf Knien rutschend um Vergebung bitten, weil ich meine eigene Nichte nicht im Griff habe. Ich muss so viele Ärsche küssen…“ Er nahm noch einen tiefen Zug. „da gewöhn ich mich doch lieber gleich an den Geschmack.“
„Dieser Undank ist das Schlimmste…“
„Weißt du, Ragnar, wenn sie mich umbringen will, warum nimmt sie nicht lieber gleich ein Messer und stößt es mir ins Herz? Warum macht sie mir nicht einfach ein Ende, anstatt mich so zu quälen?“
„Ich weiß es nicht. Man kann auf sie einreden wie man will, aber diese Kinder denken immer nur an sich selbst.“
„Du sagst es, Ragnar! Man führt diese langen Gespräche und ist immer für sie da. Sie wachsen auf und werden größer und man hat immer mehr Probleme mit ihnen. Hast du schon einmal mit einer heranwachsenden Frau ein Gespräch über ihre Fraulichkeit geführt? Das wünsch ich keinem Mann, das sag ich dir. Und wenn es dann einmal, nur einmal in ihrem ganzen Leben darum geht, wichtige Entscheidungen zu fällen, dann tun sie so, als ob sie die einzigen Menschen auf der Welt sind!“
„…oder Zwerge“, sinnierte Ragnar leise.
„Diese Hochzeit hätte alles wieder ins Lot bringen können.“
„Welche Hochzeit?“
„Ach, nicht so wichtig.“
„Gib mir den Krug wieder.“
„Der ist leer… und was machen wir jetzt?“
Der Zwerg erhob sich schwerfällig: „Da drüben gibt’s noch mehr von der Pisse. Komm mit, ich lad dich ein.“

Hauptmann Bernhard Schreiber huschte in einen dunklen Mantel gehüllt durch die nächtlichen Gassen seiner Stadt. Natürlich hatte er dafür gesorgt, dass zu dieser Zeit hier keine Wachleute auf Streife waren, aber der Zufall war ein mieser Hundesohn. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Bei jedem verdächtigen Klang der nachtschlafenden Stadt, bei jeder Bewegung und war es auch nur eine vorbeihuschende Katze, schlug sein Herz schneller und Bernhard suchte sich rasch eine Nische oder einen Schatten, um darin zu verschwinden.
Vielleicht kam die Krankheit wieder, vielleicht machte ihn der Wurm verrückt oder aber er wurde einfach nur zu alt für solche Jagdspielchen. Es gab seit Wochen keinen ruhigen Moment mehr in seinem Leben, selbst die Arbeit machte ihm keinen Spaß mehr, nachdem er sich nun bei jeder Bewegung über die Schulter sehen musste.
Sein Leben, sein schöner Traum – alles war zu einem unscheinbaren Schatten verkommen, der es weder wert war, gelebt noch geträumt zu werden. Er hatte sich in den Abgrund gestürzt, mit Dämonen getanzt und seine Familie dem höheren Wohl geopfert, aber ein halbes Jahr später war immer noch alles beim Alten. Er hatte nichts erreicht in seinem feurigen Taumel. Dieselben korrupten und unfähigen Leute regierten die Stadt, welche noch immer von denselben unfertigen Menschen und Zwergen bewohnt wurde. Leute die den Besuch im Hurenhaus einem Besuch im Tempel vorzogen, Leute die ihre Kinder lieber auf Schulen schickten als in den Militärdienst, Leute die damit zufrieden waren von korrupten und unfähigen Machthabern regiert zu werden.
Was war nur los mit der Welt? Selbst dass er Tod und Verderben beschworen hatte, um über die Stadt zu kommen, war mittlerweile vergessen und kaum mehr als eine schaurige Geschichte, die man seiner Liebsten erzählte, um ihr einen wohligen Schrecken einzujagen.
Was hatte er falsch gemacht? Hatte er sich in seiner Not damals an den falschen Dämon gewandt?
Nun zumindest diesen Fehler konnte er beheben.
Bernhard klopfte an die unscheinbare Tür des unscheinbaren Hauses in dieser kleinen und unbedeutenden Nebengasse. Wäre dieser Ort noch unauffälliger, so hätte er hier eine Niederlassung königlicher Spione vermutet. Zumindest hatte sich der Kerl eine bessere Tarnung verpasst, als es die meisten auf dieser Seite des Gesetzes taten.
„Ja?“
Von hinter der Tür krächzte ihm eine rauchige Stimme entgegen, die dazu geeignet war Kinder und junge Frauen zu erschrecken.
„Ich möchte zu Herrn Berger.“
„Der wohnt hier nich.“
„Ich bin nicht hier, um eine Verhaftung vorzunehmen oder ihm sonst ein Ungemach zu bereiten. Ich komme hierher, weil Doktor Kruger mich geschickt hat.“
„Der wohnt hier aber nicht mehr. Ist letzten Sommer ausgezogen.“
„Na fein.“ Hauptmann Bernhard wandte sich in gespielter Enttäuschung ab, nur um gleich darauf herumzuschnellen und mit einem wilden Tritt die Tür aus den Angeln zu sprengen.
Eine runzlige, vom Alter gebeugte Frau, bei deren Anblick er am liebsten laut „Hexe! Hexe!“ geschrien hätte, war gerade dabei einen ungeheuer langen Gang hinabzugehen. Es war ein Glück für sie, dass sie nicht noch immer hinter der Tür gestanden hatte.
„Was tun sie da?“
„Hauptmann Bernhard Schreiber. Stadtwache. Ich muss dringend mit ihrem Sohn Schrägstrich Enkel reden.“
„Lauf, Heinrich, lauf. Die Wächter sind hier“, krächzte die Alte.
Ein junger Bursch lugte aus einer der Türen und als er Bernhard gewahr wurde, zog er sich augenblicklich zurück. Der Hauptmann stieß die Alte aus dem Weg und machte sich an die Verfolgung.
„Warten Sie doch. Ich will Ihnen nichts tun. Ich brauche Ihre Hilfe.“
Er riss die Tür auf und kam gerade recht, um zu sehen, wie der junge Kerl aus dem geöffnete Fenster kletterte. Mit einem für sein Alter noch immer hervorragendem Spurt durchquerte er in Windeseile den Raum und riss den jungen Mann mit sich durch das Fenster hinaus auf die Straße.
Der Bursche unter ihm war kaum ein Mann. Er war höchstens siebzehn Jahre alt und wehrte sich mit ungezielten, weibischen Schlägen gegen seinen Verfolger.
„Heinrich? Heinrich Berger?“
„Lass mich los. Ich war es nicht!“
„Es ist mir egal, was du nicht warst.“ Bernhard riss ihn auf die Füße und geleitete ihn in einem lange bewehrten Armhebel wieder nach drinnen. „Ich bin hier, weil ich deine diskreten und ruhigen Hände brauche.“
Er stieß den Jungen von sich und betrachtete unruhig wie dieser sein Handgelenk und die Schulter rieb.
„Ich bin auf der Suche nach einem fähigen Mann, der am offenen Schädel operieren kann.“
„Und warum sagen Sie das nicht gleich?“
„Man hat mir ja keine Gelegenheit gegeben!“
„Solche Operationen sind gefährlich und ziemlich häufig vom Exitus des Patienten begleitet.“
„Ich bin mir der Gefahr durchaus bewusst. Sie sollen einen Schädelparasiten entfernen. Halten Sie das für möglich?“
„Das kommt darauf an. Es gibt viele Parasiten. Spinnen die ihre Eier in der Ohrmuschel…“
„Ein Parasit dämonischer Natur.“
„Oh, sie reden von einem Hirnwurm? Das ist eine knifflige Sache.“
„Ja. Können wir das bitte irgendwo anders besprechen, als auf diesem zugigen Flur?“
„Oh, natürlich. Folgen Sie mir bitte.“
Der Bursche geleitete ihn in eines der vielen Zimmer, die von dem langen Flur abgingen.
„Also was ist? Haben Sie eine solche Operation schon einmal durchgeführt?“
„Ich persönlich? Nein. Männer meines Berufes erfahren erst sehr spät von der dämonischen Besessenheit anderer Bürger und zumeist erst lange nachdem die Inquisition schon davon weiß. Das heißt sie sind dann nur noch ein Häufchen Asche, wenn ich sie sezieren könnte.“
„Gibt es denn überhaupt jemanden, der eine solche Operation schon einmal erfolgreich durchgeführt hat?“, Bernhard nahm auf dem Stuhl Platz.
„Schon. Ich habe von einem gelesen.“
„Wer ist es? Wo finde ich den?“
„Finden? Das Einzige was sie von ihm finden können ist möglicherweise noch seine Grabstätte. Der Mann hat vor dem letzten Zeitalter der Bestrafung gelebt. Etwa um die Jahrtausendwende.“
„Bei den Göttern…“
„Ja. Ibrahim Ibn Nassr war Leibarzt des Sultans von Kaier und hat einem Besessenen die dämonische Verbindung vom Hirn geschält. Es gab früher hunderte Bücher, die diese Operation bis ins kleines Detail beschrieben habe, aber die wurden während des letzten Zeitalters alle als ´Verbotenes Wissen´ eingestuft und vernichtet.“
„Also ist es nicht mehr möglich…“
„Das habe ich nicht gesagt. Ich halte es schon für möglich Ibrahims Leistung ebenfalls zu erbringen, aber es ist ungeheuer schwierig. Man braucht einen gut ausgerüsteten Operationssaal, zwei, nein besser drei verschwiegene Helfer mit medizinischer Erfahrung und eine Portion gutes Glück.“
„Können Sie all das besorgen?“
„Nun das meiste schon. Beim Glück müssen uns aber die Götter etwas helfen.“
„Dann tun Sie es.“
„Ich habe wohl vergessen zu erwähnen, dass es sich hierbei um eine kostspielige Sache handelt.“
„Wie kostspielig genau?“
„Mit etwa siebzig Goldthalern müssen Sie schon rechnen.“
„Das ist kein Problem.“
Bernhard hatte erst diese Woche den Jahresetat für die Stadtwache erhalten. Wenn das Gold verschwand, dann müsste auch er verschwinden, aber es war der beste Weg, der ihm momentan einfiel.
„Ach? Hätten Sie etwa auch achtzig gezahlt? Oder hundert?“
„Werden Sie nicht gierig, junger Mann. Siebzig war ihr Preis. Siebzig werden gezahlt.“
„Na schön. Wen soll ich denn operieren?“
„Mich.“
„Sie? Einen Hauptmann der Wache?“
Der Junge konnte sich ein breites Grinsen kaum verkneifen.
„Wenn Sie aufgehört haben, zu feixen, dann können sie ja umgehend mit den Vorbereitungen beginnen.“
„Ja, schon, aber… da sie bald auf dem Tisch liegen werden, muss ich das Geld im Voraus verlangen.“
„Sie bekommen morgen zehn Goldstücke von mir für ihre Vorbereitungen. Den Rest nach erfolgreichem Abschluss. Sehen Sie es als Anreiz, mich nicht umzubringen.“

„Weißt du, Ragnar, ich hab dich völlig falsch eingeschätzt.“ Der Graf winkte den Wirt heran, um noch einmal zwei Humpen zu ordern. „Ich hab dich früher nur für einen kleinen, haarigen Wicht gehalten, der unvernünftig und stur ist.“
„Ich hoffe da kommt jetzt schnell ein ´Aber´, Herbert, sonst werd ich noch mächtig sauer.“
Herbert von Lichtenstein kicherte in sein Bier.
„Aber du bist ja doch ein Mann, mit dem man vernünftig reden kann. Du verstehst wirklich, wie schwer ich es mit diesem Gör habe.“
„Ich kann es dir zumindest nachfühlen.“
„Es ist nicht leicht, ein Graf zu sein, weißt du? Ich habe, als sie zehn wurde, alles männliche Personal entlassen, das jünger als fünfunddreißig war, um ihre Jungfräulichkeit ja keiner Gefahr auszusetzen, aber die verdammten Götter scheißen dann einen gigantischen Haufen auf meine ganze Arbeit und schicken mir diesen Ahrok auf den Hals. Du warst ja damals nicht dabei, als sie sich zum ersten Mal begegnet sind, aber man konnte nicht einmal ´Lass deine verdammten Griffel von meiner Nichte´ sagen und sie hing ihm schon im Arm.“
Die beiden Männer prosteten sich erneut zu.
„Ich war heidenfroh, als ihr dann endlich wieder verschwunden wart und dass Ariane es geschafft hat, ihre Knie in der Zeit zusammen zu behalten, aber dann das Schreiben. Ich geriet in Panik und hab einfach überreagiert. Ich habe es ja geradezu herausgefordert, dass er sie entweiht.“
„Du sagst es, Herbert. Das war ein dämlich beschissener Plan, den Jungen wieder in die Nähe des Mädchens zu bringen und dann verletzt der sich auch noch und sie darf wieder seine Amme spielen… Scheiße, Herbert, die Götter müssen dich echt hassen.“
„Ja…“ Er kippte den Rest des Biers hinunter und griff nach dem frischen Humpen. „Weißt du, Ragnar, gestern noch schien alles in Ordnung und alles was ich mir je erträumt hatte, war in Griffweite, aber dann…“
„Oh ja, die Götter lieben es, auf einen zu scheißen, wenn man kurz vorm Ziel ist.“
„Ja, das lieben sie. Mieses Dreckspack alle miteinander.“
„Jetzt, wo die zwei da oben herumtollen und er deiner Nichte die Morgengabe aus den Lenden stößt, kann ich unsere Pläne für die nächsten Wochen alle in den Wind schießen.“
„Was soll ich denn sagen? Alle Hochzeitspläne und ganze, schöne Expedition rinnen mir gerade durch die Finger.“
Ragnar senkte den erhobenen Krug: „Was denn für eine Expedition?“
„Ach, nicht so wichtig.“
„Ahhh, komm schon, Herbert. Erzähl´s dem Zwerg.“
„Von mir aus… Also da ist dieser alte Freund von mir. Der hat etwas Großes vor.“
„Ja? Und weiter?“
„Nichts weiter. Mehr weiß ich auch nicht. Viel Ruhm und viel Gold blablabla eigentlich hat er mir gar nichts erzählt, aber das muss eine wichtige Expedition sein. Da kannst du drauf wetten.“
„Und da kommst du nicht zuerst zu dem Zwerg, der dir deinen knöchrigen Arsch gerettet hat?Herbert. Ich bin ein scheiß Experte für Expeditionen.“
„Das hat nichts mit dir oder deiner Qualifikation zu tun, mein kleiner Freund. Diese Reise ist ausschließlich für Mitglieder adliger Häuser und deren Begleiter anberaumt. Deshalb auch die Hochzeit.“
„Die dir die beiden gerade voll verhagelt haben.“
„Du sagst es.“ Er stieß mit dem Zwerg an und leerte nun auch schon den vierten Krug. „Wirt! Noch eine Runde!“
Ragnar kratzte mit dem Fingernagel über das Holz des biergetränkten Tisches.
„Also… nur mal angenommen. Was wäre, wenn du Ariane mit Ahrok verheiratest?“
„Ja, rutsch mir die Kimme runter, hast du jetzt völlig den Verstand verloren?“
„Nur mal angenommen.“
„Was wäre wenn Ariane… pff… Sie würde in den Stand ihres Ehegatten aufsteigen oder in diesem Fall eben hinabsteigen. Das heißt, sie würde sämtliche Privilegien und Adelsrechte verlieren und in den Stand eines Bauern... ist er überhaupt ein Bauer? Na, jedenfalls wäre das eine dumme Idee.“
„Aber du könntest Ahrok auf diese Reise voller Gefahren, Gold und Ruhm schicken… zusammen mit mir dann.“
„Ja, schon… irgendwie.“
„Das klingt doch nach der Lösung für unsere Probleme und selbst die Kinder wären glücklich.“
„Ich werde unmöglich die Genehmigung für eine derartige Hochzeit bekommen. Der Schlächter von Märkteburg heiratet in den märkteburger Adel ein… weißt du, was das für Konsequenzen hätten. Man wird eine solche Verbindung nicht genehmigen.“
„Hm…“
„Das wird also ganz sicher ni…“
„Was ist mit einer Verlobung?“
„Eine Verlobung? Der beiden?“
„Ja. Löst das nicht deine Probleme mit der Obrigkeit?“
„Schon… aber eine Verlobung ist ein heiliges Versprechen, dass es zu einer Hochzeit kommt.“
„Ach, Versprechen am Arsch, Herbert.“
„Ich dachte, ihr Zwerge habt es so innig mit euren Eiden und Versprechen.“
„Ja, ja, wir versuchen die ganze Sache etwas ernster zu nehmen, aber wie du bereits sagtest, wird die Obrigkeit dieser Hochzeit nie zustimmen. Das Gesetz steht über einem lausigen Versprechen.“
Die Augen des Grafen weiteten sich.
„Ich hab dich wirklich unterschätzt, Ragnar.“
„Ich weiß, ich weiß. Das hör ich ständig.“
„Du hast Recht. Ich meine… du hast wirklich Recht! So kann ich die Klippen der Bürokratie umschiffen, bekommen was mir zusteht und trotzdem wird alles gut werden. Das ist ein genialer Plan, dem auch sofort alle zustimmen werden.“
„Tja… dann trinken wir doch noch ´ne Kleinigkeit auf meinen genialen Plan. Ab jetzt musst du aber zahlen. Ich bin blank.“
 
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Kommentare  

Wie ich sehe, habe ich ja eine Menge Kapitel nachzuholen. Aber jetzt habe ich etwas mehr Zeit und kann wieder schmökern. Traurig und süß ist der erste Teil dieses Kapitels, der zweite ist sehr spannend, weil es Hauptmann Berhard nun doch wagen will, sich operieren zu lassen, der dritte ist humorvoll mit dem grummeligen Ragnar und Herbert dem alten Grafen. Ein tolles total gemischtes Kapitel.

Petra (05.04.2012)

Auch mir gefällt dieses Kapitel sehr gut.
Insbesondere das Bild vom raubeinigen Zwerg und dem Grafen, die zusammen auf dem Bordstein sitzen und trinken, hats mir angetan.


Tis-Anariel (27.03.2012)

Ja auch ich bin diesem Kapitel sehr angetan, denn hier sind wir wieder sehr nah an jedem Charakter dran und können einen kleinen Blick hinter den Vorhang werfen. Ein jeder offenbart dabei ein paar kleine Details seiner Psyche, die vorher nicht so erkennbar waren.

Jingizu (26.03.2012)

Das ist ja wieder ein ganz besonders gutes Kapitel. Drei verschiedene Episoden, jede für sich brillant geschrieben. Man versteht jeden deiner Charaktere und es ist überaus spannend.

Jochen (26.03.2012)

aber der zufall war ein mieser hundesohn... schöner spruch, genauso isset! ;-)
ein gut gemischtes kapitel: die unterhaltung zwischen ahrok und ariane bittersüß und rührend, die zwischen herbert und ragnar, ein handfestes gemecker über die götter unter männern und die zwischen dem hauptmann und dem jungen arzt - na wenn das man gut geht...


Ingrid Alias I (26.03.2012)

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