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9 Seiten

Ahrok 2.Band - 37. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Siebenunddreißigstes Kapitel: Wiedersehen

„Du hast also ´nen ganzen Beutel Gold von den Grafen geklaut?“
„Nein! Ich habe…“
„Das ist ja sowas von hammerhart! Wen von den Säcken hast du abgezogen?“
„Keinen.“
„Was?“
„Das ist Gold aus dem Caer. Es kann ja wohl niemand von mir erwarten, dass ich helfe einen riesigen Schatz zu bergen, ohne dass ich mich für meine Mühen entlohne.“
„Ja… wohl eher nicht. Gut gemacht.“
„Spüre ich da jetzt langsam so etwas wie ein ´Danke´?“
Ahrok rutschte ein Stück tiefer in das beheizte Wasserbecken, dass er zu dieser frühen Stunde noch ganz für sich allein hatte, und blickte breit grinsend zu Ragnar hinüber, der auf einer der Schwitzbänke saß und sich von einer ebenfalls unbekleideten Dame die verfilzten Haare neu flechten ließ.
Ihr Herbergszimmer hatten sie nur wenige Stunden lang genutzt, denn sie waren beide in der letzten Nacht kaum eingeschlafen, als ein frecher Hahn sie schon in aller Frühe mit seinem ungebremsten Krakeelen aus dem Schlaf gerissen hatte.
Müde, zerschunden und immer noch hungrig hatte er sich dennoch bereit erklärt Ragnars ausgeklügeltem Plan von gestern weiter zu folgen und so hatten sie mit den ersten Sonnenstrahlen eine Kutsche zu Märkteburgs angesehenstem Badehaus genommen. Den Lobpreisungen des Kutschers nach zu urteilen war es nicht nur die Referenz für Badestuben in Märkteburg, sondern der ganzen Swanmark, wenn nicht sogar noch darüber hinaus. Der ehrfurchtgebietende Baustil samt seinen aufwendigen Reliefs, welche das imposante Gebäude ringsherum zierten, ließ vermuten, dass ihr Fahrer hier nicht nur übertrieben hatte, um seinen Umweg durch die halbe Stadt zu rechtfertigen.
Das zahlreiche Personal am Eingang des Wohlfühltempels hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, ihnen in ihrem Erscheinungsbild Eintritt zu gewähren, aber als sich die besagten Hände über ein paar Goldmünzen geschlossen hatten, hatte eine kleine Eskorte von professionellen Rückenwäschern, Barbieren und Barden sie vom Eingang über die Umkleide bis hin zur beheizten Badestube begleitet, um den freigiebigen Herrschaften auf alle nur erdendlichen Arten zu Diensten zu sein.
Man hatte in Windeseile die Kessel angefeuert und das große Becken, das Platz für zwanzig Personen bot, mit angenehm warmem Wasser gefüllt. Junge Damen, die ebenso schweigsam wie geschickt mit den Händen waren, hatten sie derweil von Kopf bis Fuß eingeseift und wieder abgespült. Es war eine so befreiende und angenehme Prozedur, dass Ahrok fast neidisch auf den Zwerg war, der diese mehrmals über sich ergehen lassen musste, eh dieser vom ganzen Dreck der letzten Monate befreit war.
Scharfe, heiße Klingen waren über seine Haut geglitten und hatten dabei die langen Stoppeln aus seinem Gesicht geschnitten und jetzt massierten die Damen links und rechts von ihm seinen Nacken bis hinab zu den Fingerspitzen mit so weichen, aromatischen Ölen, dass Ahrok mit der Entscheidung haderte, hier nie wieder wegzugehen.
Dieses Bad war für ihn der Inbegriff der großen Stadt geworden. Dies hier war genau das, was Märkteburg vom Rest der Welt, die er kannte, unterschied. Hier herrschten allein Schönheit, Wohlbehagen, Sorglosigkeit, betörende Düfte und es gab nur sanfte Stimmen, die ihn wohlmeinend umgarnten. Es war das genaue Gegenteil zur schmutzigen Arbeit eines Bauern oder der fast ebenso schmutzigen Arbeit eines Schlägers, beziehungsweise Helden, wie sie in Balladen genannt wurden.
Wenn er nur erst einmal reich und berühmt war…
Dieses „wenn“ wog schwer am heutigen Tag, denn sein Treffen mit Ariane war nur noch Stunden entfernt. Trotz all der Annehmlichkeiten um ihn herum, verkrampfte sich sein Magen bei dem Gedanken und diese leichte Übelkeit, die er von den Augenblicken kurz vor einem entscheidenden Kampf her kannte, schlich sich in seine Gedärme ein.
Es war diese Mischung aus Vorfreude und Angst, die Gratwanderung bei der Entscheidung zwischen Flucht oder Kampf bei der am Ende nicht der Verstand das letzte Wort hat. Er hatte in den letzten Tagen dutzende verschiedener Szenarien durchgespielt, hatte Gespräche eingeübt, die er bei ihrem ersten Wiedersehen vielleicht mit ihr führen würde. Er hatte sogar, abhängig von ihrer Laune, entweder ein unschuldiges, fröhliches Lächeln, aber auch das reumütig traurige Aussehen eines geläuterten Büßers parat.
Es gab immerhin die Möglichkeit, dass sie ihm noch immer all die Ereignisse von vor seinem Aufbruch vorhielt. Weiterhin hatte die zwergische Schmonzette vielleicht völlig ihren Zweck verfehlt und ihr Onkel hatte sich bestimmt in all der Zeit bemüht, ihn in ein besonders schlechtes Licht zu rücken. Aber andererseits… vielleicht empfand sie ja doch so wie er. Das Band zwischen ihnen war schließlich etwas Besonderes. Vielleicht wartete sie also nur darauf, ihn endlich wieder in ihre Arme schließen zu können, um all die schrecklichen Missverständnisse hinter sich zu lassen.
Doch was wenn nicht? Sein Fluchtinstinkt nahm plötzlich so überragende Ausmaße an, dass er am liebsten ausgestanden und an den Damen vorbei aus dem Bad gestürmt wäre, nur um wieder frei Atmen zu können. Doch die feingliedrigen Finger an seinem Nacken drückten ihn behutsam zurück ins Wasser und massierten die bohrenden Zweifel mit ein paar wenigen Handgriffen einfach fort.
Ahrok schloss die Augen und sank so tief in das warme Wasser, dass es seine Unterlippe umspülte.
„Wir sollten langsam weiter.“, brummte es hinter ihm.
„Ahhhhh, fick dich, Ragnar…“, murmelte Ahrok restlos entspannt.
„Was?“
Die barsche Stimme des Zwerges durchschnitt plötzlich die ruhige Atmosphäre.
Ahrok riss die Augen auf, als er merkte, was er soeben gesagt hatte.
„Ich meinte… gib mir bitte noch ein paar Minuten.“
„Na fein, du hast so lange wie es dauert, mir den Rücken zu rasieren.“
„Du willst dir den…?“
„Das wird sicherlich eine Stunde in Anspruch nehmen.“, meldete sich eine dünne Frauenstimme.
„Du hast es gehört. Eine Stunde und arbeite an deinem Benehmen! Das hier soll schließlich dein großer Tag werden.“

„Lord Ragnar.“, Ahrok verbeugte sich in einer ausladenden Geste, die ihn fast aus dem Gleichgewicht brachte.
„Graf Ahrok.“, der Zwerg tat es ihm gleich.
„Lord Ragnar.“
„Graf Ahrok.“
Sie beide trieben dieses Spielchen schon eine geraume Weile. Genau genommen begrüßten sie sich jedes Mal derart überschwänglich, wenn er ein neues, aufwendiges Kleidungsstück aus dem hochherrschaftlichen Schneiderladen anprobiert hatte.
„Lord Ragnar.“
„Jetzt reicht´s langsam.“
„Ja gut, du hast Recht.“, murmelte Ahrok etwas enttäuscht. „Und was sagst du?“
Er präsentierte sich dem Zwerg von allen Seiten und wies dabei besonders auf die Rüschen am Hemd und die Spitzenverzierungen an dem weinroten Gehrock hin.
„Sieht gut aus.“
„Das sagst du jedes Mal.“, fuhr ihn Ahrok unzufrieden an.
Tatsächlich hatte sich der Rat des Zwerges bei jedem Kleidungsstück auf ein halbherziges „Sieht gut aus.“ beschränkt, dass Ahrok schon nicht mehr hören konnte. Natürlich hielt er es dem Valr zu Gute, dass dieser hier für alles bezahlte, aber das entschuldigte noch lange nicht sein Desinteresse. Von der edlen Tunika über die Paradeuniform bis hin zum legeren, doch vornehmen Gehrock hatte Ragnar alles immer nur abgenickt. Es schien fast so, als war es ihm mittlerweile egal, was Ahrok letztendlich anzog, nur damit er endlich diesen Laden wieder verlassen konnte.
„Zu diesem Rock empfehle ich diese Schnabel-Stulpenstiefel aus Wildleder.“, meldete sich der Schneidergeselle wieder einmal zu Wort. Ahrok hatte langsam den Eindruck gewonnen, dass dieser picklige Junge der Einzige war, dem etwas an seinem Erscheinungsbild lag. „Wir geben Ihnen auch einen Preisnachlass, da Sie ja nur einen benötigen.“
„Da hörst du es, Ragnar. So eine Beratung hätte ich mir von dir gewünscht.“
Der Zwerg hörte auf, so nervtötend herumzuwandern und lehnte sich stattdessen in seinem bestickten Ledermantel an den Schneidertisch und spielte mit den Fingern an den Zierknöpfen, die dort herumlagen.
„Ich sehe etwas und wenn es mir gefällt, dann kauf ich es und ich vertrödel nicht zwei Stunden damit, durch das ganze Lager zu krauchen, nur weil es ganz hinten vielleicht noch etwas Schöneres geben könnte. Wer hat dir nur solche Flausen in den Kopf gesetzt?“
„Es ist so, wie du gesagt hast. Das ist der entscheidende Moment. So wie ich hier herausgehe, wird mich Ariane nach Monaten zum ersten Mal wiedersehen.“
„Und du denkst ein paar Federn und Rüschen mehr oder weniger machen da den Unterschied?“
„Ja!“, antworteten er und der Schneiderjunge wie aus einem Mund.
„Fein!“, grollte Ragnar unnötig genervt und setzte sich wieder.
„Wenn ich Ihnen nun noch zu einer passenden Kopfbedeckung raten dürfte? Ich bin mir sicher, dass wenn sie diese samtene Baske mit eingearbeitetem Schal tragen, dann wird Ihnen die Dame Ihres Herzens sogleich zu Füßen liegen. Beachten Sie bitte die aufwendig gearbeitete Borte und die Perlen. Dieser Hut schreit geradezu nach Ihnen.“
„Oh ja, das stimmt. Den will ich.“
„Eine herausragende Wahl mein Herr. Nichts sagt so sehr ´Ich bin ein erfolgreicher Mann, der eine besonders gute Partie darstellt´, wie die Früchte der elfischen Akoya Perlmuschel. Eine Dame, die einen Mann abweist, der solch eine prachtvolle Gewandung wie die Ihre trägt, verdient es nicht, umgarnt zu werden.“
Ahrok nickte nur noch begeistert bei den Worten des Jungen.
„Tja“, meldete sich der Zwerg und erhob sich erneut, „das wär´s dann wohl. Zieh den Krempel an und los geht´s.“
„Wie es Ihnen beliebt, meine Herren.“, der Schneiderjunge sah Ragnar nicht einmal mehr an, sondern widmete sich ganz Ahrok. „Aber vielleicht kann ich Ihre Aufmerksamkeit noch auf diese Sammlung kunstvoller Gürtel lenken. Nur für den Fall, dass Sie diesen Laden auch mit all der Ihnen zustehenden Eleganz verlassen möchten.“

„Lord Ragnar.“, startete Ahrok vorsichtig lächelnd seinen ersten Versuch das eisige Schweigen zu durchbrechen, mit welchem ihm Ragnar die letzten zwei Stunden in der Schneiderei, sowie der darauffolgenden Kutschfahrt gestraft hatte.
„Es reicht!“, knirschte Ragnar nur. „Ich hab sowas von die Schnauze voll von dem Tag und dabei steht uns das Lichtenstein-Debakel noch bevor.“
Ahrok konnte den Zeitpunkt nicht mehr genau bestimmen, aber irgendwann zwischen dem Aussuchen neuer Handschuhe und der Präsentation auf Hochglanz polierter Gehstöcke war dem Zwerg wohl der Geduldsfaden gerissen. Er hatte dem Schneider einen Batzen Gold auf den Tresen geknallt und ihn so ruppig aus dem Laden gescheucht, dass die Nähte seines nagelneuen Gehrocks bis an ihre Leistungsgrenze strapaziert worden waren. Die darauffolgenden Minuten, in denen sie in brodelndem Schweigen vor der Schneiderei auf eine Kutsche gewartet hatten, waren die längsten seines Lebens gewesen und das schloss ebenfalls die Zeit mit ein, die er in Sigurds Schule auf brennenden Kohlen verbracht hatte.
„Weißt du, was mir gerade auffällt? Wo ist eigentlich dein Schwert?“, schnitt Ragnar ein Thema an, dass nur zu gut zu seinem momentanen Ärger passte.
„… keine Ahnung.“
„Du hast ihn verloren.“
„Nun…“
„Du hast den Abschlachter verloren?“, gerade als Ahrok zur Erwiderung den Mund öffnete, fuhr Ragnar schon mit seiner echauffierten Ansprache fort. „Den Abschlachter! So etwa deine Größe und so schwer wie ein kleines Kind.“
„Ich…“
„Ein dickes, kleines Kind!“
„Der liegt auf…“
„Wie verliert man so ein Riesenteil? Das ist jetzt das wievielte Schwert, das du verbummelst? Hast du vielleicht schon mal über eine Karriere als Boxer nachgedacht? Da hast du diese Probleme nämlich nicht.“
„Ich werde gar nicht mehr kämpfen. Ich häng das Schwert an den Nagel und…“
„Du meinst, wenn du es widerfindest!“, Ragnar drehte ihm provokant den Rücken zu und blickte stur aus dem Fenster hinaus auf die Mauer, an der sie gerade vorbeifuhren.
Ahrok wollte es ihm beleidigt gleichtun, als ihm aus heiterem Himmel ein Geistesblitz kam.
„Es geht hier gar nicht um das Schwert, oder?“
Ragnar antwortete nicht, sondern hielt seinen Blick immer noch starr auf die vorbeirasenden Steine gerichtet.
„Dir liegt doch etwas ganz anderes auf…“
„Das ist unser letzter Tag! Unser. letzter. Tag.“
„Wie meinst du das?“
„Und du verbringst Stunde um Stunde mit dieser kleinen Pickelfresse.“
„Das ist doch gar nicht wahr.“
„Ach ja?“, Ragnar drehte sich ihm zu und verschränkte die Arme so energisch, dass die Nähte an seinem Ledermantel zu reißen drohten. „Ich war ja wohl dabei.“
„Ja, schon, aber ich meine… wie kommst du auf die Idee mit dem letzten Tag?“
„Was? Hast du geglaubt, ich werde mein Lebtag damit zubringen, dir zuzusehen, wie du zufrieden und glücklich durch Herberts Anwesen hüpfst? Oder wolltest du mich mit deiner hübschen, neuen Krücke etwa wieder begleiten auf meiner Suche nach dem Tod?“
Ahroks Weltbild geriet mit einem Mal völlig aus den Fugen. Er hatte im Gewirr der letzten Monate komplett verdrängt, dass der Zwerg auch ein eigenes Leben hatte, eines dass er so grausam wie möglich beenden wollte. Über einen Monat hatte er jetzt damit zugebracht, diesem Moment der Wiedervereinigung entgegenzufiebern, ohne zu merken, dass dieser einen bedeutenden Wendepunkt in sein Leben bezeichnen würde.
Ragnar war nicht wie er.
Der Zwerg war kein Abenteurer oder Söldner. Er stürzte sich nicht in einem Kampf, um dafür materiell entlohnt zu werden und es gab auch kein friedliches Ende seiner Karriere. Kein Haus, keine Familie, kein sorgenfreies Leben, das er anstrebte. In diesem Moment verstand Ahrok zum ersten Mal, was es bedeutete, ein Todessucher zu sein – und er verstand es einfach nicht. Wie konnte jemand nur Tag für Tag vor sich hinleben, ohne einen Funken Hoffnung auf ein schönes Morgen in sich zu tragen.
„Wir können ja noch irgendwo anhalten und etwas trinken gehen.“
„Meh…“, brummte Ragnar abwertend.
„Doch wirklich. Ich hätte jetzt soooooo Lust auf ein kühles Steinberger, oder zwei.“
Als ob der Fahrer ihre Unterhaltung gehört hatte, verlangsamte sich ihr Wagen just in dem Moment.
„Das Anwesen derer von Lichtenstein.“, rief der Mann vom Kutschbock. „Wir sind da.“
Ragnar machte keine Anstalten den Türknauf zu betätigen und Ahrok starrte den Zwerg nur entgeistert an.
„Du kommst nicht mit? Herbert und Ariane warten sicher auch auf dich.“
„Nein. Ich komm nicht mit.“
Die Worte trafen Ahrok wie Faustschläge.
„Und was hast du jetzt vor?“
„Herrschaften?“, meldete sich der Kutscher erneut. „Wir sind am Ziel. Bitte steigen Sie aus.“
„Ich werd tun, was ich immer tue.“
Ahrok deutete ein leichtes Lächeln an, was Ragnar jedoch nicht sehen konnte, da sie beide starr in entgegengesetzte Ecken der Droschke blickten.
„Und… bleibst du in Märkteburg?“
„Herrschaften?“
Den Geräuschen nach zu urteilen kletterte ihr Fahrer nun vom Kutschbock. Kurz darauf wurde eine der Türen geöffnet.
„Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Wir sind am Ziel angelangt.“
„Du solltest dann jetzt aussteigen.“, meinte Ragnar, ohne seine Augen von der Polsterung zu wenden.
Ahrok schluckte schwer und nickte dann.
„Werte Herren?“
„Ja, ich komme!!!“, brüllte er ihren Fahrer so derb an, dass dieser gleich ein paar Schritte zurück taumelte. „Dann... mach´s gut, Ragnar.“
„Ja… du auch.“
Ahrok sprang aus der Kutsche und die ihm wohlbekannten, weißen Kiesel bremsten seine Landung weich ab. Das Anwesen der von Lichtensteins erstrahlte zu dieser Jahreszeit in ihm bis dato unbekannter Schönheit. Bäume, Blumen, Hecken und Herrenhaus bildeten eine so traumhaft schöne Einheit, dass Ahrok beinahe daran gezweifelt hatte, ob man sie zu der richtigen Adresse gebracht hatte.
Das Klappen der Droschkentür in seinem Rücken ihm holte ihn jedoch rasch wieder zurück in die Realität. Hinter dem schmalen Fenster konnte er noch die Reihen der ihm so vertrauten Zöpfe erkennen, doch ehe er noch ein paar Abschiedsworte rufen konnte, knallte die Peitsche erneut und die Kutsche beschrieb einen kleinen Bogen, der sie wieder hinaus auf die Straßen von Märkteburg führte. Es war so unwirklich, so seltsam, dass Ahrok noch nicht einmal ganz begriffen hatte, was hier gerade passiert war und nur Augenblicke später bog sie nach rechts ab und verschwand damit hinter der Mauer, die das Anwesen umgab.
„Ahrok. Wir haben euch bereits erwartet.“, erklang die Stimme des Grafen hinter ihm.
Er wischte sich mit dem Handschuh über das Gesicht und drehte sich seinem Gönner zu. Aufrecht und gerade stützte er sich auf den Gehstock aus Ebenholz und präsentierte sich dem alten Grafen in möglichst eleganter Pose.
„Es ist auch schön, wieder hier zu sein, Onkel.“
„Ja… was das betrifft… so haben wir einiges zu besprechen.“
„Besprechen?“, fragte er unschuldig, obwohl hinter seiner Stirn bereits die Gedanken durch die schlimmsten aller ausgemalten Szenarien hasteten.
Herbert von Lichtenstein taxierte ihn, so als ob er prüfte, ob Ahrok unter seiner neuen Kleidung eine Waffe trug.
„Gut siehst du aus. Dieser Schnitt… Silwermanns Schneiderei, wenn mich nicht alles irrt.“
„Ja... richtig.“, nickte Ahrok nur, während er vergeblich hinter dem Grafen nach einem Anzeichen von Ariane suchte. Statt der Komtess verließen jedoch nur ein paar muskulöse Gestalten das Herrenhaus. „Was gibt es zu ´besprechen´, Herbert?“
„Deine Verlobung mit meiner Nichte.“
„Was ist damit?“
„Sie wurde gestern offiziell aufgelöst.“
„Was?!“
„Nun mach hier keine Szene. Wir alle wussten doch, dass dies ein reines Zweckbündnis war, von dem du ja wohl am meisten profitiert hast.“
„Ich hab mein Bein für dich geopfert, während deiner bescheuerten Reise! Also erzähl mir hier nichts von Profiten!“
Die acht Männer, die nicht zur typischen Dienerschaft der Grafenfamilie gehörten, sondern eher wie angeheuerte Schläger aussahen, traten stumm neben den Grafen.
„Für dein großes Opfer danke ich dir aus tiefster Seele. Es ist natürlich bedauerlich, dass du verletzt wurdest und du hast in dieser Hinsicht mein vollstes Mitgefühl, aber es ist ja nicht so, als ob ich dich nicht entschädigen würde.“
Ahrok schlug das ihm daraufhin von einem der bedrohlich dreinblickenden Männer dargereichte Ledertäschchen fort und dutzende Goldthaler ergossen sich klimpernd über die weißen Steine.
„Ich will dein verdammtes Gold nicht. Wo ist Ariane? Ich will mit ihr reden!“
„Sie ist nicht hier.“
„Wo ist sie?!“
„Nicht hier.“
„Sag es mir Herbert! Ich verlange es zu wissen!“
„Wenn du es genau wissen willst. Sie ist bei dem Mann, mit dem sie seit ein paar Monaten liiert ist.“
„Seit ein paar… Du lügst. Wo ist…“
„Ahrok, bitte.“, der Graf wies einen der Männer an, das Gold aufzusammeln, während die anderen sich schützend zwischen ihn und den alten Grafen stellten. „Wieso sollte ich dich belügen? Du bist ein namenloser Niemand und selbst als sie dich damals unvernünftigerweise kurz in ihr Herz geschlossen hatte, hast du sie nur enttäuscht und gedemütigt. Hattest du wirklich gedacht, eine Komtess würde über so etwas hinwegsehen? Sie hat sich neu orientiert und es dieses Mal weit besser getroffen. Nimm also dein Gold und komm nie wieder. Denn hier gibt es nichts mehr für dich.“
Einer der Schläger drückte ihm betont kraftvoll die schwere Umhängetasche in die freie Hand. Ahrok stand sprachlos vor dem Grafen, dem offenbar die Geduld fehlte, noch weiter mit ihm zu reden.
„Ziehen wir das jetzt nicht unnötig in die Länge. Die Herren werden dich nun vor das Tor begleiten. Ach, und wenn du Ragnar siehst, dann sag ihm, dass dies die Belohnung für euer beider Teilnahme an der Abenteuerreise ist. Keiner von euch braucht sich also je wieder hier blicken lassen.“
 
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Kommentare  

Ah Petra, hast du etwa schon durchschaut wie die Geschichte weitergeht? :) Na mal sehen, ob du mit deinen Vermutungen richtig liegst, oder dich die Geschichte doch noch überrascht.

Jingizu (23.09.2012)

Na wenigstens haben sie jetzt ne ganze Menge Gold. Aber was nutzt das Ahrok wo sein Herz gebrochen ist. Na ich hoffe ja noch immer so ein bisschen, dass der Magier in Wahrheit kein guter ist, in den sich Ariane verknallt hat. Und zu wem Kara gehört ist wohl klar. Aber bis die beiden Dickköpfe das erkennen, wird es wohl noch eine Weile dauern :0)

Petra (22.09.2012)

So jetzt komm ich auch mal wieder zum lesen und komentieren.

Tja,ich sags ja, die blöde Gans bricht dem Jungen das Herz und nun tut sie es nicht mal selber. Traurig fand ich, das Ragnar so ohne echten Abschied weg ist. und nu mahc ich mir bisserl sorgen um Ahrok, der zwar jetzt genug Gold hat, aber mutterseelen allein da rumsteht und noch nichtmal weiß wo Ragnar hinwollte und das alles auch noch mit nur einem Bein.
Jetzt bin ich wirklich gespannt, wie das hier weitergeht.

Ich bin hier übrigens Jochens Meinung, ich versteh den Herrn Grafen auch nicht so wirklich, denn schließlich wäre doch Ahrok die bessere Wahl, als dieser Magier, der die ganze Famile in gar schreckliche Gefahr bringen könnte. Also mit der Inquistion is nun wirklich nicht zu spaßen!

Und was ist nun eigentlich in Weidenstolz vorgefallen?

Wie gesagt, ich bin gespannt...


Tis-Anariel (21.09.2012)

Danke für deinen Kommentar Jochen, denn wie schon so oft gewährt mir dieser Einblicke in die Geschichte aus einem Winkel, den ich nicht selbst in Betracht gezogen habe.

Jingizu (21.09.2012)

Ariane ist tatsächlich eine treulose Tomate und ihrem Onkel scheint das nur recht zu sein, obwohl ihm der magische Liehaber seiner Nichte eigentlich Kummer beschert. Darum verstehe ich sein Verhalten nicht so ganz. Mit Ahroks Erscheinen könnte er sich doch vielleicht den - nur Gefahr bringenden - Magier vom Halse schaffen. Vielleicht würde der Magier sich ja wegen des bloßen Anblicks von Ahrok grausen und verziehen, denn er selbst ist ja ein hochstudierter und gepflegter Mann. Ja, das sind nur so Gedanken, die mir beim Lesen deiner tollen Story gekommen sind. Gern lasse ich mich überraschen.

Jochen (21.09.2012)

Na hier tun sich ja Abgründe auf :)

Es gefällt mir immer noch, dass ihr euch bisher auf keinen genauen Ausgang der Geschichte um Ahrok und Ariane einigen konntet - und bei so manchem trotz der überwältigenden Anzeichen noch immer ein Funken Hoffnung glimmt.
Und natürlich hast du auch Recht, dass Kara noch irgendwie in das Bild hineinpassen muss. Seltsam finde ich allein, dass dieses Kapitel anscheinend etwas fröhlicher und sorgloser rüberkommt, als es mir beim Schreiben vorkam... Mal sehen ob ich am Wochenende wieder zum nächsten Kapitel komme, denn ich freu mich schon sehr auf die kommenden Entwicklungen.


Jingizu (20.09.2012)

Ich bin immer mehr der Meinung das Ahrok mit ihr langsam abschließen sollte. Gibt so viele Frauen auf der Welt. Naja, mit einem Bein ist es schwer ne Hüsche auf sich aufmerksam zu machen. Aber ne duchschnittsfrau ist dankbarer :D :D :D

Peter Kent (20.09.2012)

Ach der arme Ahrok. Nun wird er so einfach von Arianes Onkel abserviert. Da nutzt der Beutel Gold nichts für den Seelenschmerz, der ihm zugefügt wird. Schön ist es, dass Ragnar sich wenigstens etwas von dem Schatz des Caer nehmen konnte. Schlecht geht`s also den beiden nicht mehr. Das ist eine gute Überraschung. Hat sich wieder gut und flüssig gelesen. Spannend ist es immer noch. Denn irgendwie glaube ich nicht, dass Ahrok einbeinig bleiben wird und vielleicht, wenn Ariane Ahrok wiedersieht ändert sich womöglich doch noch etwas in ihrem Gefühlsleben. Außerdem muss ja auch noch Kara in Erscheinung treten.

doska (19.09.2012)

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