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5 Seiten

Ahrok - Ausblick auf den dritten Band (ehemals 39. Kapitel Band 2)

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Neununddreißigstes Kapitel: Der Anschlag

Fünfzig Meilen südwestlich der Grenzgrafschaft Lothringen.

Es war ein heißer Sommertag für das Dörfchen Whispershire und das es umgebende Farmland. Heiß wie auch schon die letzten vier und noch dazu trocken und staubig und die Sonne brannte mit solch unbarmherziger Grausamkeit, dass sie beinahe das Getreide auf den Feldern in nutzlose Asche verwandelte.
Genau das fehlte noch.
Die Abgaben für das Reich waren erst vor einigen Wochen erneut erhöht worden und nun war auch noch die Ernte aufgrund des viel zu trockenen Wetters in Gefahr.
Pflanzen, Bewässern, Jäten, Pflegen, Ernten, Dreschen. Das Leben eines Bauern war selbst in seinen Glanzstunden öde und nutzlos und undankbar. Zumindest nach Auffassung von Vanarian.
Der sechzehn Jahre alte Junge hatte die letzten zehn Stunden damit zugebracht Felder und Feldarbeiter mit Wasser aus dem eine halbe Meile entfernt liegendem Weiher zu versorgen, da die Bewässerungsanlage gestern einem spielwütigen Bären zum Opfer gefallen war. Zehn Stunden, in denen nicht das leiseste Lüftchen geweht hatte. Zum Glück hatte Vanarian es heute mit der Arbeit nicht so genau genommen, sonst wäre er schon vor dem Mittag am Ende seiner Kräfte angelangt. Er hatte sich hier und da für eine halbe Stunde in den kühlen Schatten der Trauerweide, die direkt am Wasser stand, zurückgezogen und ein kleines Schläfchen gehalten. Nicht lange. Nur so kurz, dass es niemandem auffiel. Die Felder waren groß und er konnte schließlich nicht überall gleichzeitig sein.
Seine gebräunte Haut schmerzte dennoch von der vielen Sonne und seine Hände, die einiges an Arbeit gewohnt waren, zeigten frische Blasen, aber der Kampf gegen die sengende Hitze schien auch heute wieder zugunsten der Getreidebauern auszugehen.
Blasen, Schwielen und verbrannte Haut waren die einzigen Ehrenabzeichen ihres erbitterten Kampfes um das Korn. Wie erbärmlich war das denn bitte?
Kein Wunder, dass die Bauern ganz weit unten in der langen Liste angesehener Leute standen. Davor kamen zuerst Schmiede, Fleischer, Gerber, Lehrer, Doktoren, Kaufleute, jegliche Städter, Soldaten, Senatoren und… eben noch viele, viele andere.
Wenn man in Terra in den Stand eines Farmers hineingeboren wurde, so wie Vanarian, dann war man schon von Geburt an ganz unten angekommen, nur ein Stückweit über den Sklaven auf deren Arbeitskraft sich das terranische Reich stützte, aber die hatten ohnehin nichts zu melden.
Sein Vater und all die anderen fleißigen Bienchen von Whispershire sahen das natürlich anders. Sie waren sogar noch stolz auf ihr bedeutungsloses Dasein und brüsteten sich damit, dass Terra ohne ihre harte Arbeit vom Sklaven bis hinauf zum Senator verhungern würde.
Doch für Vanarian war solch Gedankengut nur Augenwischerei. Eingestreut von Großgrundbesitzern und dem Senat, um die dummen Bauersleute zufrieden in ihrem eigenen Dreck hocken zu lassen.
Vielleicht war es für ihn noch nicht zu spät, bei Doktor Robins aus Wingham in die Lehre zu gehen. Das bot ihm dann wenigstens die Gelegenheit, die grausam langweilige Normalität von Whispershire zu verlassen, um den Menschen in Nah und Fern zu helfen. Wenn er doch nur Lesen und Schreiben könnte…
Den ganzen Rückmarsch von den Feldern tagträumte er von einer schöneren, besseren Zukunft, als der, die ihm der Herr in die Wiege gelegt hatte, während er, als Letzter in der Schlange, sich demonstrativ von den Gesprächen der Feldarbeiter ausgrenzte, um sich von ihnen zu unterscheiden.
Die anderen Farmer waren an seine Träumereien und sein absonderliches Verhalten seit Jahren gewöhnt und machten deshalb auch keine Anstalten mehr, ihn in ihr fröhliches Miteinander hineinziehen zu wollen. Sie rissen zotige Witze, schimpften über Murmeltiere und das Wetter, stellten Spekulationen über die kommende Ernte an und luden sich wie üblich gegenseitig auf einen Humpen Ale nach diesem harten Arbeitstag ein.
Vanarian war mit seinen Gedanken hingegen schon wieder ganz woanders.
Unter den schattigen Ästen einer Linde buhlte eine Singzikade mit aufreizendem Zirpen um die Gunst der Weibchen und zog damit auch gleichzeitig den jungen Bauernsohn in ihren Bann. Wäre nicht ein großes „Hallo“ durch die heimkehrenden Farmer gegangen, so hätte er sicher noch Minuten oder Stunden in der Nähe des geflügelten Geigenspielers verbracht.
Als Vanarian ihren Blicken folgte, bemerkte er, dass das ganze Dorf, vom jungen Calvin bis hin zum alten Jonathan, eine kleine, dafür umso prächtiger herausgeputzte Schar umringte.
Einen davon erkannte Vanarian als Mr. Huntington, den Fronboten, der für Whispershire und die sieben umliegenden Dörfer zuständig war. Die anderen vier kannte er nicht, doch ihre Kleidung und ihr Gehaben ließen den sonst so ehrfurchtgebietenden Büttel klein und bedeutungslos erscheinen.
Sogleich war die Zikade vergessen.
Blinkende Knöpfe, strenge Uniformen mit majestätischem Schnitt und militärisch korrekt geschnittene Haare zogen Vanarian wie eine Motte zum Licht. Sofort nahm er seine Schritte wieder auf und überholte in seinem Lauf sogar noch die anderen Farmer.
Das da in der Dorfmitte waren echte Männer!
Keine schmutzigen Arbeiter, die ihr Leben auf den Feldern verschwendeten, sondern Helden, die ihr Blut und ihre Kraft auf den Schlachtfeldern Terras gelassen hatten. Die lange Narbe, die der Kleinste von ihnen regelrecht zur Schau trug, zeugte genau von solchen heroischen Dingen, die nur wahren Kriegshelden passierten.
Vanarian verschlug es fast den Atem. Er wagte in Gegenwart dieser Männer kaum zu atmen, obwohl das halbe Dorf zwischen ihm und den vier Generälen, ganz sicher waren es Generäle, stand. Die vier Kriegshelden schienen nur noch auf die Anwesenheit der Farmer gewartet zu haben, denn kaum hatten die anderen Feldarbeiter die Versammlung erreicht, trat einer von ihnen einen Schritt nach vorn.
Er war noch jung, das Gesicht glatt rasiert. Seine Haare klebten unter einer dicken Schicht Pomade an der Kopfhaut und sein steifer, aufrechter Körper steckte in einer prachtvollen Uniform, deren Brustbereich mit zahllosen Orden gespickt war.
Schon als er nur mit der Zunge über die Lippen strich, um sie anzufeuchten, hatte er Vanarian völlig für sich eingenommen.
„Werte Bürger von Whispershire, Landsleute, Terraner.“
Die Stimme des Mannes war fest und laut und transportierte seine Erhabenheit bis hin in die letzten Reihen, von denen sich Vanarian aus bis ganz nach vorn durchkämpfte, um dem Sprecher ganz nah sein zu können. Dieser machte nach dieser kurzen Einleitung eine kleine, dramatische Pause in welcher er offensichtlich mit der Fassung kämpfte.
„Gestern Nacht ist das Unaussprechliche passiert. Terra - wir alle - wurden angegriffen.“
Die Leute um Vanarian herum schnappten überrascht nach Luft und ihm selber fiel die Kinnlade hinunter.
„Seit vielen Jahren leben die Zwerge unter der Swanmark und knechten unsere Brüder und Schwestern in diesem Land. Seit ebenso vielen Jahren bemühen wir uns um Frieden und Freiheit für die Menschen dort, doch nun haben uns unsere Bemühungen selbst zur Zielscheibe der Bartlinge gemacht. Gestern Nacht ist ein Angriffstrupp der Zwerge unerwartet und mit bestialischer Grausamkeit über das Grenzdorf Williamsburgh hergefallen. Mit großem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass es keine Überlebenden dieses feigen und verachtenswerten Anschlags gab.“
Zwischen seinen Worten herrschte nur noch betroffene Stille in den sonst so geschäftigen Straßen.
„Zu lange haben wir tatenlos zugesehen, wie kleinwüchsige Monarchen ihre Diktaturen vor unserer Haustür ausleben. Zu lange haben wir die andere Wange hingehalten, doch damit ist jetzt Schluss! Wir sind Terraner! Wenn uns der Krieg aufgezwungen wird, dann werden wir kämpfen und zwar mit aller Macht! Wir weichen vor einem Angriff nicht zurück, oh nein, wir stürmen vor! Williamsburgh war das letzte Mal, dass zwergische Despoten sich an wehrlosen Menschen vergangen haben. Wir schlagen zurück! Und das mit aller uns zur Verfügung stehender Härte. Auf das sich nie wieder ein Bartling über einen Menschen erhebe.“
Mit vor Erregung geweiteten Augen hing Vanarian an den Lippen, des Sprechers, der in seiner feurigen Rede noch weiter über sich hinauszuwachsen schien.
„Nehmt euren Schmerz und eure Trauer und verwandelt sie in gerechten Zorn und dann lasst uns diesen Zorn zu unseren Feinden tragen! Wer von Euch braven Terraner ist mit dabei, wenn wir der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen?! Wer von Euch will seine patriotische Bürgerpflicht tun, das vergossene, terranische Blut rächen und unsere Brüder und Schwestern im Osten von der Tyrannei der Bartlinge befreien?! Tretet vor Ihr braven Männer, tretet vor und schreibt Euch hier auf der Stelle ein. Die terranische Armee nimmt unter diesen besonderen Umständen jeden willigen Mann und Burschen, der den Kinderschuhen entwachsen ist.“
Vanarian blickte sich freudestrahlend um, doch in den Gesichtern der ihn umgebenden Bauern konnte er nicht den gleichen euphorischen Eifer entdecken, den dieser Mann in ihm geweckt hatte. Nur Angst, Verunsicherung und Skepsis.
Sofort trat er vor, um sich als Erster in diesem Dorf voller feiger, unpatriotischer Drückeberger zum Dienst am Vaterland zu melden, doch eine kräftige, schwielige Hand erwischte ihn an der Schulter und hielt ihn zurück.
„Vanarian, wo läufst du schon wieder hin?“, erklang die stets gelassene Stimme seines Vaters von hinter ihm.
„Hast du gerade nicht zugehört? Unser Land braucht noch Freiwillige für die Befreiung der Swanmark.“
„Sie suchen nur wieder Soldaten, Vanarian. Wie schon so oft. Ich kenne die Gegend an der Grenze zur Swanmark von den Getreidemärkten und weil die da die besten Rüben anbauen, aber von einem Ort namens Williamsburgh habe ich noch nie gehört.“
„Das wirst du jetzt auch nicht mehr, denn die Zwerge haben ihn ja vernichtete!“, brüllte Vanarian seinen Vater an, der wie immer kategorisch gegen alles war, woran sein Herz hing. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich selbst Craig Smith, ein nutzloser Bursche der zwei Jahre jünger war als er selber, in die Liste der Freiwilligen eintrug. Hinter dem standen noch drei weitere junge Kerle, die es nicht erwarten konnten, ihren Namen auf das Schreiben zu setzen.
„Junge, was ich sagen will ist…“
Vanarian stieß die Hand von seiner Schulter.
„Was verstehst du schon davon? Du bist nur ein Farmer! Immer willst du mir alles schlecht machen, was dir nicht in deinen Kram passt, aber ich will endlich einmal etwas Gutes in der Welt tun. Etwas Wichtiges! Ich will nicht den ganzen Tag nur herumsitzen und dem Getreide beim Wachsen zusehen, während andere Menschen irgendwo auf der Welt leiden müssen. Ich will helfen. Und das ist meine Chance.“
„Nein.“, war die schlichte Antwort seines Vaters.
Hilflos musste Vanarian mit ansehen, wie sich die Ansammlung wieder zerstreute und nur einige wenige, mutige Männer sich zum Dienst am terranischen Volk meldeten. Ihm fehlte die Geduld und die Eloquenz, um etwas gegen diese geballte, stoische Sturheit seines Vaters entgegenzusetzen, also blieb nur noch eines – sich umdrehen, zum Tisch mit der Liste laufen und den Namen eintragen, bevor sein Vater ihn erreichte.
Doch seine Augen transportierten seine Absicht viel schneller, als sein Körper sie umsetzen konnte. Noch bevor er den Teil mit dem Umdrehen in die Tat umsetzen konnte, lag er bereits wie ein Kartoffelsack über der Schulter seines Vaters und gemächliche Schritte trugen ihn von seiner glorreichen Zukunft fort.
 
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Kommentare  

Allein wie du dich am Schluss ausdrückst, das ist köstlich. Dieses Kapitel hat auch mir vom Anfang bis zum Ende außerodentlich gut gefallen, auch wenn es (jetzt noch) nicht passt.

Petra (14.10.2012)

Ah so, na dann ist ja gut.
Nun ich war ja auch schon bisserle müde, als ich hier gelesen hab.


Tis-Anariel (14.10.2012)

Danke für deine Anmerkungen Anariel, aber hier ist tatsächlich mal alles beabsichtigt, was du bemängelst.
"wie auch schon die letzten vier" bezieht sich auf "Sommertage" im Satz davor und die vielen "und"s sollen diese Aufzählung zähflüssig und genervt werken lassen wie man sich nach einem viel zu langen Arbeitstag in der heißen Sonne eben fühlt.


Jingizu (14.10.2012)

also da kann ich mich nur den anderen anschließen, wirklich ein gelungener Text für den du sicher ein Pätzchen finden wirst.

Im zweiten Satz fehlt glaub ich ein Wort nach "vier" und außerdem hat er mindestens ein "und" zuviel für meinen Geschmack.


Tis-Anariel (14.10.2012)

Hallo Jochen,

ich hab mich mittlerweile dafür entschieden die terranische Vorkriegsgeschichte komlett in den dritten Band zu verlegen. Ich lass das Kapitel nur eine Weile hier stehen, um vielleicht noch 1-2 Anmerkungen zu bekommen.


Jingizu (13.10.2012)

Da bin ich mit von der Patie, ein wirklich schönes Stück Text. Wäre schade, wenn du das nicht irgenwo unterbringen könntest. Vielleicht kann es ja bleiben, wenn du nun zu Ahrok und Ragnar umschwenkst - keine Ahnung. Na du wirst das schon machen.

Jochen (12.10.2012)

Oh, danke für das herausragende Lob, doska. Ich hab dieses Kapitel immer entweder am Anfang zum Band 3 oder eben als vorbereitendes Kapitel noch in Band 2 gesehen... leider scheint es hier wirklich niedgens zu passen. Und Vanarian wird vor dem dritten Band auch keine große Rolle spielen.
In dem Fall muss ich an der terranischen Vorkriegsgeschichte etwas drehen... na mal sehen. Zumindest bin ich glücklich, dass ich nicht nur die naive Kriegsbegeisterung des Jungen einfangen, sondern trotz allem noch ein, zumindest für dieses Kapitel, versöhnliches Ende basteln konnte.


Jingizu (11.10.2012)

Ist ja ganz bezaubernd geschrieben - besonders der unerwartete Schluss. Passt zwar jetzt nicht in die Story aber ich bin ganz begeistert. Da hast du recht, das Teil ist dir voll gelungen und ich glaube du wirst dafür schon noch ein gutes Plätzchen in diesem Roman finden.

doska (11.10.2012)

Dieses Kapitel liegt mir etwas quer, da es von der Handlung her mehr zum dritten Band passt und sich hier nicht wirklich einreihen will, doch gehört es zeitlich gesehen an genau diese Stelle. Vielleicht kann sich ja einer meiner fleißigen Leser mal dazu äußern, denn das würde mir sehr helfen.

Jingizu (10.10.2012)

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