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4 Seiten

Böses Bärchen VIII

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Böses Bärchen
Wo steckt die Liebe meines Lebens?





Zuerst hielt ich die Mails für Spam. Ärgerte mich, weil sie mein Postfach verstopften. Doch irgendwann heftete mein Blick sich doch an einer fest. „Hallo Chris“ konnte bei meiner Adresse ja keine automatisch generierte Betreffzeile sein, oder? Auch der Satz „ich höre übrigens auch gerne Musik von Flaming Row“ klang mir für eine Spam-Mail doch recht spezifisch.
Also las ich mir den Text genauer durch und wurde stutzig. Eine gewisse Vanessa behauptete, sie sei durch mein Profil auf einer Flirtseite neugierig geworden. Ich las noch eine andere Mail, auch sie bezog sich auf dieses angebliche Datingprofil. Nach einem Moment des Zögerns rief ich die Seite auf und schaute nach. Tatsächlich gab es dort einen Eintrag unter meinem Namen.
Jemand musste sich einen üblen Scherz erlaubt haben. Für einen Fremden waren die Angaben jedoch zu detailliert. Dort stand ebenso, dass ich als Journalist arbeitete wie persönliche Vorlieben von meiner Lieblingsmusik bis hin zu dem Buch, das ich gerade las. Aber meine Freunde, da war ich mir sicher, würden das nie tun. Also blieb nur eine Möglichkeit übrig.
„Ich? Warum sollte ich in deinem Namen ein Flirtprofil im Internet anlegen?“, versicherte er mit weit aufgerissenen Knopfaugen als ich ihn vor das Resultat meiner Ermittlungen stellte. „Sag du es mir. Ich selbst habe sowas nicht nötig, und auch sonst kommt niemand, den ich kenne, dafür infrage. Und schon Sherlock Holmes sagte, wenn man alle anderen Möglichkeiten ausschließen kann, dann ist diejenige, die übrig bleibt, die Wahrheit.“ „Stimmt, das steht in dem Buch, das du gerade liest“, kommentierte er besserwisserisch und merkte einen Augenblick zu spät, dass er mir damit in die Falle gegangen war.
Zumindest sah er ein, dass Leugnen keinen Zweck mehr hatte und beteuerte stattdessen: „Es war doch aber nur gut gemeint.“ Selbst wenn, konnte ich mir immer noch keinen Reim darauf machen, warum er mich unbedingt verkuppeln wollte. Eine Rosa, zarte 58 Jahre alt, hatte sich gemeldet, weil sie den Mann fürs Leben und für ihren großen Garten suchte und dabei, wie sie schrieb, keine zu hohen Ansprüche hatte. Und eine Jacqueline, immerhin schon 19, suchte jemanden, der ihr Sternchen in die unschuldigen, großen, blauen Augen zauberte, Charakter egal, Hauptsache das Bankkonto stimmte. „Warum?“, kommentierte er, „Die können doch ganz sympathisch sein.“
„Okay, zuerst sagst du mir jetzt, was du dir dabei gedacht hast, und dann löschst du das Profil. In dieser Reihenfolge und zwar sofort“, motzte ich ihn an. Während er sich einloggte und auf „löschen“ klickte, stammelte er: „Ich hab's echt nur gut gemeint...“ Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen, doch wenigstens war der Spuk jetzt vorbei. Dachte ich zumindest.
Drei Tage später klingelte das Telefon. Doris war dran, jene alte Freundin, die nach der Trennung von ihrem Mann jetzt in Südamerika lebte. Sie habe sich sehr über meine Mail gefreut, schließlich habe sie ja schon so lange nichts mehr von mir gehört. Welche Mail, wollte ich fragen, hielt mich aber noch einen Moment zurück. Vielleicht auch deshalb, weil sich bereits jetzt eine Ahnung wie ein Buschfeuer in meinem Kopf ausbreitete. Jedenfalls war Doris überglücklich über meine netten Worte, sie habe ja gar nicht gewusst, dass ich so für sie empfinde. Hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Sie überlege ernsthaft, ob sie nicht in den Harz zurückziehen solle, erklärte sie mir, wahrscheinlich müssten wir es einfach mal miteinander versuchen.
Nur mit größter Mühe und kreativsten Notlügen gelang es mir, sie davon abzuhalten und sie schließlich davon zu überzeugen, dass ich nur eine depressive Phase hatte und mir im Grunde aber klar war, ich dürfe eine so wertvolle Freundschaft wie unsere nicht durch Verzweiflungssex aufs Spiel setzen. Nachdem Doris endlich aufgelegt hatte, ging ich mit lodernder Wut im Bauch zu ihm und stellte ihn zur Rede.
Die Ausrede, er habe es nur gut gemeint, zog diesmal definitiv nicht. „Es muss ja nicht Doris sein“, räumte er schließlich ein, „aber du bist jetzt schon so lange Single. Du brauchst mal wieder eine Freundin. Sonst fängst du irgendwann noch an, mit Kuscheltieren zu reden.“ Wütend schüttelte ich den Kopf, obwohl ich viel lieber ihn durchgeschüttelt hätte. „Glaub mir, ich bin glücklich so. Und wenn ich eine Freundin suche, dann kannst du mir durchaus zutrauen, dass ich mich selbst auf die Suche machen kann. Lass deine pelzigen Tatzen aus meinem Privatleben raus!“
Damit herrschte erst einmal ein paar Tage Ruhe. Bis zu jenem Abend als ich mit Katharina, einer guten Bekannten, unterwegs war. Ich musste über ein Musical schreiben, hatte sie als Begleitung mitgenommen und da unsere kleinstädtische Kneipenszene am späten Abend nun einmal sehr übersichtlich ist, lud ich sie noch auf ein Glas ein zu mir ein.
Schon als ich die Tür öffnete, traf mich fast der Schlag. Überall in der Wohnung waren Kerzen aufgestellt, es mussten hunderte sein und aus der Stereoanlage kam doch tatsächlich „Je t'aime, moi non plus“ von Serge Gainsbourg und Jane Birkin. Auf dem Tisch standen zwei Gläser mit Rotwein, darum herum etliche Rosenblätter, auf dem Sofa lag eine Decke im Tigerstreifen-Print und davor mehrere Kondome. Ich starrte ebenso entsetzt auf das groteske Arrangement wie Katharina.
Allerdings hatte sie den Vorteil, dass sie sich umdrehen und einigermaßen würdevoll die Wohnung verlassen konnte, während ich immer noch wie versteinert dastand und um Fassung rang. „Was ist hier los?“, rief ich laut. Er tapste seelenruhig aus der Küche, sah sich um und fragte: „Wo ist sie denn hin?“ Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, schnappte ich ihn mir und hielt ihn vor mein wohl ziemlich deutlich wutverzerrtes Gesicht. „Entweder sagst du mir jetzt sofort, was der ganze Zirkus soll oder du wanderst umgehend in die Altkleidersammlung“, drohte ich.
Mein Unterton war unmissverständlich und er merkte wohl, dass ich es diesmal ernst meinte. „Okay, schon gut, ich geb's ja zu. Vielleicht ging es mir dabei nicht nur um dich“, rückte er endlich mit der Sprache heraus. „Ist ja mal ganz was Neues.“ Ich sah ihn immer noch mit festem, nichts Gutes verheißenden Blick an. „Aber du arbeitest so viel, bist so selten zuhause“, druckste er herum, „und hast du dir mal angesehen, wie es hier in der Wohnung aussieht? Ich dachte, wenn du wieder mal eine Freundin hast, dann ändert sich das vielleicht.“
Durch seine Erklärungen wurde meine Wut nicht weniger. Im Gegenteil. „Wenn ich so selten zuhause bin“, sagte ich betont ruhig, „und es hier ziemlich oft aussieht als habe eine Bombe eingeschlagen“, meine Stimme wurde langsam lauter, deutlich lauter, steigerte sich zum Brüllen, „dann solltest du dir vielleicht mal Gedanken machen, wer dafür verantwortlich ist!“ „Ich soll aufräumen? Ich bin doch nur...“ setzte er an, verstummte dann aber.
„Und außerdem“, ich hatte meine Stimme jetzt wieder unter Kontrolle, „sind Frauen nicht nur dafür da, die Bude aufzuräumen. Also halt dich gefälligst aus Dingen heraus, von denen du nichts verstehst, sonst ist das nächste Profil, das du anlegst, nämlich eins bei Ebay, mit dem du dir eine neue Bleibe suchen kannst.“ Mit gesenktem Kopf machte er sich ziemlich kleinlaut daran, die Blütenblätter und Kondome wegzuräumen. Diesmal hatte meine Standpauke offenbar gewirkt. „Na immerhin hat er die Altkleidersammlung wieder verworfen“, hörte ich ihn murmeln.
 
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