199


8 Seiten

Mortal Sin Winter 2003- Breaking The Ice

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Du kannst nicht Schlittschuhlaufen lernen, ohne dich lächerlich zu machen. Auch das Eis des Lebens ist glatt.
- George Bernard Shaw


Ihre Finger waren steif und fühlten sich taub an, daher zog sie sich eilig ihre beigefarbenen Handschuhe über. Der Winter hatte Saint Berkaine fest im Griff und die Großstadt die vergangenen Tage unter einer Schicht Schnee bedeckt. Die Luft war klirrend kalt, doch am klaren, wolkenlosen Himmel stand die Sonne, die ihre Haut wärmte.
Sie stand an der Bande der Schlittschuhbahn, die jedes Jahr im Stadtpark aufgebaut wurde und bei diesem Wetter besonders gut besucht war. Familien vergnügten sich gemeinsam auf der Eisfläche, verliebte Paare nutzten die romantische Atmosphäre für tiefe Blicke und zärtliche Küsse und pubertierende Jungs versuchten sich an waghalsigen Sprüngen.
Emilia Sophia McDermott beobachtete weiterhin ihre Mitmenschen, während sie auf Ophelia Monroe wartete. Diese war seit Kurzem ihre neue Kollegin und neben ihr die einzige Frau, die für William tätig war. Dass sie nun nicht mehr alleine unter Männern war, freute sie auf der einen Seite. Auf der anderen Seite bereitete es ihr jedoch Sorgen, dass Ophelia noch so verdammt jung war. Vor einem Monat hatte sie die Bekanntschaft der erst 16-Jährigen gemacht und nicht gewusst, was sie von ihr halten sollte. Ehrlich gesagt wusste sie es bis heute nicht. Aus diesem Grund hatte sie ihr vorgeschlagen gemeinsam etwas zu unternehmen. Emilia wollte Ophelia näher kennenlernen und etwas über ihr bisheriges Leben erfahren. Natürlich war ihr bewusst, dass es in ihrem Gewerbe nicht wirklich üblich war, privat etwas zu unternehmen und auch William war nicht gerade begeistert von ihrer Idee gewesen, aber Emilia hielt es für wichtig mehr über ihre junge Kollegin in Erfahrung zu bringen und sich vielleicht sogar mit ihr anzufreunden.
Die Blondine hatte sich bereits im Voraus ihre Gedanken über dieses Treffen gemacht, denn es gab viele Fragen, die ihr im Kopf herumschwirrten und auf die sie sich Antworten von der Brünetten erhoffte. Und dann, wie aus dem Nichts, tauchte plötzlich ihre Kollegin auf und erhob sich strahlend aus der Menge. Ihr Anblick machte sie fast sprachlos.
„Hallo, Emilia“, begrüßte Ophelia sie schon von Weitem mit einem atemberaubenden Lächeln. Über der linken Schulter trug sie ihre Schlittschuhe, die bei jedem Schritt leicht hin und her schwangen.
Ihr glänzendes, dunkles Haar, das sie offen trug und zu einem Pony geschnitten hatte, kam durch die weiße Fuchsfellmütze besonders gut zur Geltung. Ihr restliches Outfit bestand aus einem grau-rosa karierten Rock und einem passenden Poncho, unter dem ein fliederfarbener Rollkragenpullover zum Vorschein kam. Ihre endlos langen Beine bekleideten eine weiße, blickdichte Strumpfhose, die sie vor der Kälte schützte. Ihre Kollegin war eine bildschöne Frau, die sich für ihr heutiges Treffen schick gemacht hatte, so wie auch sie. Emilia selbst hatte ein hellblaues Kleid an, dessen Rock ausgestellt und der obere Teil aus Spitze war. Dazu trug sie eine Fellweste, wärmende Ohrenschützer und ebenfalls eine Strumpfhose.
„Hi“, sagte sie, als Ophelia mit zartrosanen Wangen bei ihr ankam. Diese schloss sie zu ihrer großen Überraschung sofort in die Arme und drückte sie fest an ihren schmalen Körper.
„Es freut mich, dass es so schnell mit einem Treffen geklappt hat“, flüsterte die Brünette ihr vergnügt zu, während Emilia mit einer gewissen Zurückhaltung die innige Umarmung erwiderte, denn für sie fühlte sich dieser enge Kontakt falsch an. Sie empfand es als eine unterschwellige Warnung, die ihr Unterbewusstsein ihr gab. Daher beschloss sie zunächst vorsichtig zu sein und sich langsam an Ophelia heranzutasten.
„Mich auch. Es ist eine schöne Abwechslung, dass jetzt noch eine Frau für William arbeitet.“ Wie viel Wahrheit steckt in deinen Worten, Emilia McDermott?, fragte sie ihre innere Stimme fast schon vorwurfsvoll. Glaubst du wirklich, dass es eine Entlastung für dich ist, wenn ihr zu zweit seid? Wird es etwa dein Gewissen erleichtern?...
„Sollen wir aufs Eis?“ Ihre Frage stoppte die Rede ihrer quälenden Stimme, sodass sie sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren konnte. Stumm nickte sie, darum bemüht, dass ihre Kollegin nichts von ihren Bedenken mitbekam.
„Na dann los.“ Fröhlich tänzelnd näherte sie sich dem Schalter, an dem sie jeweils fünf Dollar Eintritt zahlten. Daraufhin setzten sie sich auf die bereitgestellten Holzbänke und schlüpften in ihre Schlittschuhe.
„Ich bin lange nicht mehr Schlittschuhlaufen gewesen“, gab die Blondine zu und unterbrach damit die Stille zwischen ihnen. „Hoffentlich habe ich es nicht verlernt.“
„Das werden wir gleich sein.“ Ophelia zwinkerte ihr keck zu, bevor sie aufstand und selbstsicher das Eis betrat. Emilia schaute ihr zu, wie sie mit einer beneidenswerten Leichtigkeit und Grazie ihre erste Runde drehte. Ihre langen Haare flatterten im Fahrtwind und umspielten ihr blasses Gesicht, das pure Zufriedenheit ausstrahlte. Bei ihr wuchs die Sorge, dass sie sich gleich völlig blamierte.
„Wo bleibst du, Emilia?“ Die Brünette stand auf einmal an der Bande und schaute mit schräg gelegtem Kopf zu ihr herüber. „Traust du dich etwa nicht?“, scherzte sie und hatte keine Ahnung, dass sie damit genau ins Schwarze traf.
„Doch, doch, ich bin soweit“, erwiderte sie hastig und machte sich auf den Weg zu ihr. Ihre Kollegin schmunzelte, als sie mit leicht wackligen Knien auf die glatte Fläche stieg. Im letzten Moment konnte sie es noch verhindern, dass sie sich hilfesuchend an die Bande klammerte. Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe, während sie mit ihrem Gleichgewicht kämpfte.
„Moment.“ Ungefragt und wie selbstverständlich hackte sich die Brünette bei ihr ein. Emilia war zunächst perplex, aber dann empfand sie ehrliche Dankbarkeit. Vergessen war ihre Angst, sie könne sich vor ihr blamieren. Ophelia war eine offene und lebensfrohe junge Frau, die bei ihr immer mehr Pluspunkte sammelte. Sie fühlte sich wohl in ihrer Nähe und schämte sich für ihre anfängliche Skepsis und Vorsicht ihr gegenüber. Als Entschädigung schenkte sie ihrer Kollegin ein warmherziges Lächeln, das diese entgegnete.
Seite an Seite schlitterten sie über das Eis, das von den vielen Läufern schon einige Kratzer abbekommen hatte. Ophelia ähnelte einer Eiskunstläuferin, wohingegen sie aussah wie ein tollpatschiger Anfänger.
„Es klappt doch“, flötete sie auf einmal und schmunzelte.
„Ach was! Ich weiß, dass ich mich gerade absolut lächerlich mache.“
„Okay, vielleicht ein bisschen, aber zumindest siehst du zauberhaft dabei aus“, äußerte sie charmant. Ihr Kompliment und der Blick, den sie ihr zuwarf, machten die Blondine verlegen.
Sie entgegnete nichts darauf, stattdessen hing sie ihren Gedanken nach und studierte aus den Augenwinkeln aufmerksam und interessiert die Brünette, die eine innere Ruhe ausstrahlte. Sie machte einen sorglosen und heiteren Eindruck. Ihr Beruf schien sie nicht um den Schlaf zu bringen; sie nicht zu jeder Tageszeit zu quälen und ihr Privatleben zu beeinflussen. Ophelia Monroe wirkte rundum zufrieden. Dieser Umstand bewog sie dazu ihrer neuen Kollegin, wie geplant, Fragen zu stellen, um mehr über sie in Erfahrung zu bringen.
„Also, Ophelia, wie bist du eigentlich an diesen Job gekommen?“, wollte sie als erstes von ihr wissen. Ihr Gegenüber reagierte zunächst verdutzt, aber dann sprühten ihre blau-grünen Augen Funken.
„Du startest sofort mit den interessanten Fragen, was?“

„Nun ja, du bist gerade mal 16 Jahre alt, da frage ich mich schon, wie man da mit jemandem wie William zusammentrifft.“
Emilia wartete auf eine Antwort, die sie allerdings nicht erhielt. Die Brünette war nämlich damit beschäftigt die Bande der Eisbahn anzusteuern. Bestimmt zog sie sie einfach mit sich, bis sie Halt machte. Sie ließ ihren Arm los, wodurch die Blondine wortwörtlich wieder auf sich allein gestellt war.
„Ich denke unsere weitere Unterhaltung ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“, führte sie sachlich an, bevor sie zu ihrer vorangegangenen Frage zurückkehrte.
„Unser Treffen war kein Zufall. Ich war diejenige, die es erzwungen hat“, kicherte sie mädchenhaft, als sie sich diesen Moment in Erinnerung rief. Emilia schien die Verwirrung ins Gesicht geschrieben zu sein, denn sie setzte zu einer genaueren Erklärung an.
„In der Nacht, bevor wir uns begegneten, tötete ich meinen Vater.“ Diese schockierende Information knallte sie ihr unvorbereitet und emotionslos an den Kopf, als hätte sie ihr bloß erzählt, dass sie sich ein neues Kleid gekauft habe.
„In seinen Unterlagen fand ich die Adresse von William. Durch meinen Vater wusste ich, welche Art von Geschäften er betreibt und wollte unbedingt, dass er mich ausbildet“, sprach sie unberührt weiter und gab ihr gar nicht die Zeit das Erfahrene halbwegs zu verarbeiten.
„Und wie du siehst, konnte ich ihn von mir und meinen Talenten überzeugen.“ Vor Stolz schwellender Brust und einem irren Grinsen stand sie vor ihr. Die Blondine bekam eine Gänsehaut und kein einziges Wort über die Lippen, die wie zugenäht waren. Ihr Mund war dazu staubtrocken, als sei er voller Asche.
„William hat mich zu einer Killerin gemacht und mir den Weg gezeigt, der mir vorbestimmt ist.“ Jeder weitere Satz, den sie sagte, versetzte sie zunehmend in einen Schockzustand. Habe ich mich doch in Ophelia getäuscht? Habe ich zu verfrüht Sympathien für sie entwickelt, die mich blind für ihr wahres Ich gemacht haben? Emilia McDermotts Verwirrung stieg an und erreichte schnell einen Pegel, der sie an ihrem Verstand zweifeln ließ. Hat sie mich manipuliert; mich absichtlich getäuscht? Kann ich meiner Menschenkenntnis noch trauen?
„Stimmt etwas nicht?“ Der dumpfe Klang ihrer Stimme ging ihr durch Mark und Bein und riss sie aus ihren Gedanken. Sie brauchte einige Augenblicke, um wieder zum Gespräch mit ihr zurückzukehren.
„Nun, entschuldige die Frage, aber warum wolltest du eine Killerin werden?“ Sie konnte es nicht verhindern, dass sie sich hysterisch anhörte. Ophelia zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Ist es etwa so merkwürdig, dass ich ihn um einen Job gebeten habe?“
„Ja!“, platzte es lauter, als gewollt, aus ihr heraus. Die Nasenflügel ihrer Kollegin blähten sich.
„Was genau ist dein Problem?“, zischte sie und positionierte sich mit den Händen in den Hüften genau vor sie. Ein höllisches Feuer flammte in ihren blau-grünen Augen.
„Deine Einstellung ist nicht normal, verstehst du das nicht? Welcher Mensch begibt sich denn freiwillig unter Kriminelle und Mörder?“
„Ich sage dir, was für Menschen sich für solch einen Weg entscheiden: Es sind willensstarke Menschen, die Macht besitzen; die stolz sind und keine Schwächen haben. Sie zeigen der Welt, wer sie sind und lassen sich nicht in die Knie zwingen“, steigerte sich Ophelia enthusiastisch in ihre Rede hinein. „Ich gehöre zu dieser Sorte Menschen, Emilia. Ich gehöre in Williams Welt. Ich bin dazu geboren eine Killerin zu sein, wohingegen du dein Dasein hasst“, kombinierte sie mit einem bitterbösen Lächeln auf den vollen, durch Lipgloss, schimmernden Lippen. Die Gesichtszüge der Blondine entgleisten und wurden zu einer grotesken Maske. Ophelia hatte ihren wundesten Punkt getroffen; sie hatte ihn anvisiert und gnadenlos zugestoßen, um ihren Vorwürfen Einhalt zu gebieten und nun sie zum Schwerpunkt ihres Gesprächs zu machen. Kräftig biss sie sich auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte.
„Hat es dir etwa die Sprache verschlagen?“ Ihr bereitete es allem Anschein nach große Freude sie überfordert und panisch zu erleben. Dies veranlasste Emilia dazu, alles zu tun, um ihre Verunsicherung auf der Stelle abzustellen. Lange und kraftvoll räusperte sie sich, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.
„Ich gebe zu, dass mir die Leidenschaft fürs Töten fehlt“, versuchte sie es diplomatisch auszudrücken und ignorierte ihre vorangegangene Frage. Ihr Gegenüber gluckste amüsiert.
„Warum arbeitest du dann für William?“, war ihre logische Nachfrage, die sie dennoch im ersten Moment völlig aus dem Konzept brachte. Sie schaute sie an wie ein aufgescheuchtes Reh.
„Also?“, setzte die junge Frau sie unter Druck.
„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum ich für ihn arbeite. Früher dachte ich, dass diese Entscheidung richtig wäre…Nein, nicht richtig, sondern ich habe es als eine Abwechslung in meinem langweiligen Leben angesehen. Erst später wurde mir klar, dass ich alles viel zu locker genommen habe. Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutet diese Welt zu betreten.“
Emilia schluckte schwer und blinzelte die aufkommenden Tränen weg.
„Ich hatte absolut keine Ahnung“, schloss sie murmelnd an und wagte es nicht ihre Kollegin anzusehen. Vor ihr ihre Schwäche und Naivität zuzugeben, erfüllte sie mit Scham. Sie spürte, wie das Blut in ihre kalten Wangen schoss.
„Demnach würdest du alles tun, um die Zeit zurückzudrehen.“ Emilia McDermott nickte zustimmend, ehe ihre blaue Augen zurück zu der Brünetten schweiften, welche eine starre Miene aufgesetzt hatte.
„Wie lange bist du jetzt schon in unserem Metier?“
„Vor zwei Jahren hatte ich meinen ersten Auftrag. Da war ich gerade mal 20 und komplett überfordert“, erzählte sie mit zittriger Stimme. „Nachdem ich getan hatte, was ich tun musste, hatte ich unter der Dusche einen Nervenzusammenbruch, weil das Blut meines Opfers an mir klebte und ich es einfach nicht abbekam.“
„Du hast tatsächlich die Zeichen deines Erfolges abgewaschen?“, quietschte sie und riss fassungslos die Augen auf.
„Meines Erfolges?! Am Töten ist nichts ehrenhaftes, Ophelia. Wir sind Verbrecher! Wir tragen die Schuld am Tod anderer Menschen. Wir nehmen Familien ihre Angehörigen und…“
„Oh mein Gott, fahr mal runter!“, unterbrach sie die Brünette, die hell auflachte. „Wir führen nur Befehle aus, Emilia. Diejenigen, die uns beauftragen sind die Schuldigen. Wenn es keine egozentrischen und rachsüchtigen Menschen gäbe, dann würde unser Beruf gar nicht existieren, meinst du nicht?“ Ihre sonst klare, wohlige Stimme klang provokant, gepaart mit einer Prise Aggression.
„Sie haben uns Killer erst erschaffen“, setzte sie hitzig nach. „Das solltest du dir klarmachen, bevor du dich von Schuldgefühlen zerfressen lässt, Emilia.“ Ophelia durchbohrte sie mit einem tiefgründigen Blick, während sie keinen Ton herausbrachte. Schweigend forschte sie in ihrem wunderschönen Gesicht nach Spuren von Güte oder Mitleid für ihre Opfer, wurde aber nicht fündig. Ihre eigenwillige Art, wie sie über ihr Metier dachte, offenbarte, was William dazu bewogen hatte sie als eine geeignete Kandidatin für seine Truppe anzusehen und zu einer Killerin auszubilden. Sie beschlich immer mehr ein merkwürdiges Gefühl, was Ophelia Monroe betraf.
Aber war dieses Gefühl tatsächlich das Ergebnis ihres Entsetzens; ihres Unbehagens wegen ihrer Ansichten oder war ihr eigener Blickwinkel völlig falsch? Denn eigentlich war es nicht die Brünette, die in ihrer Welt die Unnormale; die Außenseiterin war, sondern sie war es. War sie also diejenige, die sich der Realität stellen und wachgerüttelt werden musste und nicht Ophelia? Wollte diese ihr bloß aufzeigen, was es bedeutete eine Killerin zu sein? Wollte sie ihr einfach die Augen öffnen und dazu bringen ihre damalige Entscheidung endlich zu akzeptieren?
„Du hast dich dazu entschlossen für William zu arbeiten. Leb damit, dass du nie wieder in dein vorheriges Leben zurückkehren wirst und wiedergutmachen kannst, was du deinen Zielpersonen angetan hast, egal wie sehr du es auch bereust“, sagte sie barsch und packte sie energisch bei den Schultern. „Seit zwei Jahren lässt du dich schon von deinem Gewissen plagen, wie lange willst du das noch zulassen? Warum zerstörst du dich selbst, statt aus dieser Sache als starke Persönlichkeit hervorzugehen?!“ Der Brustkorb ihrer Kollegin hob und senkte sich schwer und angestrengt. Ihr warmer Atem stieg in der kalten Luft zu Wölkchen auf, die in Sekundenschnelle vor ihr verpufften.
Ihre Impulsivität machte Emilia McDermott sprach- und bewegungslos. Ophelias Worte zogen sie in einen Strudel aus Unsicherheit und Selbstzweifeln, in dem sie sich verlor und keine Rettung fand. Sie war vollkommen hilflos.
„Du überlebst nur in dieser Welt, wenn du einen klaren Kopf bewahrst und nichts an dich heran lässt. Schalte deine Gefühle ab! Vergiss deine Moralvorstellungen und konzentrier dich auf deine Arbeit!“, appellierte sie mit Nachdruck.
„Ich…ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann“, entgegnete die Blondine, um eine feste Stimme bemüht. „Ich kann meine Gefühle nicht abstellen. Ich bin nicht dazu gemacht zu töten.“
„Hör auf dich selbst zu belügen, um dein Gewissen zu erleichtern, Süße. Wenn du nicht dazu gemacht wärst, dann hättest du dich niemals auf Williams Jobangebot eingelassen“, schlussfolgerte sie. „Du willst nicht wahrhaben, dass das Böse in dir schlummert. Das Böse, das dich dazu gebracht hat dein altes Leben zurückzulassen und etwas Neues zu beginnen. Du bist deiner Intuition; deinem Instinkt gefolgt und hast die Langeweile gegen etwas Aufregendes eingetauscht. Du hast die richtige Entscheidung gefällt und dich deinem Schicksal gefügt.“
Hat sie recht? Ist es mein Schicksal zu töten? Bin ich nur zu ängstlich, um mir das einzugestehen? Will ich das Böse in mir unterdrücken, obwohl es sich mit aller Macht versucht an die Oberfläche zu kämpfen?
„Denk mal darüber nach, Emilia“, flüsterte die Brünette, bevor sie sich schwungvoll von der Bande stieß und sich elegant mehrmals um die eigene Achse drehte. Für sie war das Gespräch ganz offensichtlich beendet.
„Was für ein herrlicher Tag“, frohlockte sie und strahlte dabei, wie zu Beginn ihres Treffens, über das ganze Gesicht, als habe es ihren kurzweiligen Disput und Diskussion überhaupt nicht gegeben. In diesem Moment präsentierte sie Emilia eindrucksvoll ihre Lebensphilosophie: Töte und verschwende keinen einzigen, wertlosen Gedanken an die Menschen, denen du das Leben nimmst.
Permanent und minutenlang hingen ihre blauen Augen an der fröhlichen jungen Frau, welche sie mit wenigen Sätzen dazu gebracht hatte sich selbst zu hinterfragen. Sie hatte sie in den Grundmauern ihres Seins erschüttert. Dadurch wurde ihr allmählich klar, dass es für ihre Beziehung zukünftig nur zwei Optionen gab: Entweder wurden sie gute Freunde oder erbitterte Feinde.
 
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