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Kreischende Kaskaden

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der Himmel ist wie mit Blut getränkt. In kreischenden Kaskaden steigt das rote Licht vom Horizont auf, aus der gleißenden Sonnenscheibe, die jetzt wieder für ein dutzend Stunden auf einen anderen Teil der Welt scheinen wird. Auf diesen aber wird nun vorerst das blasse Licht des Mondes einen zarten Hauch legen, wie der Atem eines Kindes an einer überfrierenden Scheibe, wie fahle Träume, die sich vom warmen Abendwind durch stille Nächte treiben lassen, sich wie Tau auf Felder, Wiesen und Auen legen, sich wie ein Leichentuch über einen geliebten Freund breiten,
kalten Tränen gleich, die an seinen Wangen herunter rinnen, vom Himmel fallen,
sich wie kaltes Wasser über einem Ertrinkenden schließen, wie Nebelschwaden, die ein Tal herabfließen, wie die Nacht selbst behäbig vom Himmel drücken.
Die Nacht gehört dem Tod. Und wer dort draußen seiner Wege geht, wer dabei die Sinne schweifen, die Phantasie streifen lässt, wer also fähig ist, zu sehen, der spürt es. Es ist diese ureigene Angst vor dem Dunkel, die uns in kaltes Grauen treibt, wenn wir uns dennoch zwingen, es zu durchleben. -- Doch ich betrachte das anders:
Es ist nicht das Dunkel an sich, dass uns ängstigt, denn es ist nur ungewiss, es bedroht uns nicht wirklich. Was wir am Dunkel tatsächlich fürchten, ist nicht, was es ist, sondern, was es uns sehen lässt. Unsere eigenen Phantasien, die im Dunkel der Nacht ungehemmt uns vor Augen geführt werden.
Doch alles, was uns ängstigt, kommt von innen. Wir ängstigen uns vor uns selbst, jetzt, da wir uns erkennen müssen.
Die Nacht macht uns klein und endlich vor uns selbst, sie lässt uns selbst erkennen. Und das ertragen wir nicht.

"Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist. Wir sehen sie, wie wir sind. Wenn da nun aber keine Welt mehr da ist, dann sehen wir nur noch uns selbst - und doch fürchten wir uns. Warum hast du vor dir selbst Angst?
Ich will es dir verraten: du weißt, dass du nicht genug bist, aber du fürchtest dieses Wissen. Und du weißt, dass dieses Leben nicht genug ist, also fürchtest du den Tod
 
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