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10 Seiten

Mortal Sin 2006- Sneaky Intrigue

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Wer Verzückungen und Gesichter hat, wer Träume für Wirklichkeit nimmt und seine Einbildungen für Prophezeiungen, der ist Enthusiast. Wer aber seinen Wahn mit Mord verficht, der ist ein Fanatiker.

- Voltaire


Über ihm flackerte wiederholt das gleißende Licht einer Neonlampe, das ihm unangenehm in den Augen stach und langsam zu Kopfschmerzen führte.
Daniel „Danny“ Carmichael stand im Aufzug eines Bürogebäudes im Ostviertel Saint Berkaines und war auf den Weg in den 28. Stock. Hochgradig nervös biss er auf seiner Unterlippe herum, bis er Blut schmeckte. Seine Nerven lagen völlig blank, denn ein weiteres Mal musste er seinem Boss eine Botschaft überbringen, die gewaltigen Zorn in ihm auslösen würde. Ger-ne hätte er sich davor gedrückt und die Flucht ergriffen, aber er hatte keine andere Wahl. Nicht, nachdem Mr. McIntyre ihm nach seinem kläglichen Versagen beim letzten Mal seine neue Tätigkeit als Bote zugewiesen hatte.
In seinen Augen war er nämlich zu nichts anderem mehr zu gebrauchen, als Informationen zu sammeln und an ihn weiterzugeben. Obwohl er zähneknirschend und frustriert sein neues Da-sein ertrug, konnte Danny von Glück reden, dass sein Boss ihn nicht rausgeschmissen hatte. Denn dann hätte er nicht gewusst, wo er hin sollte. Schließlich war er sein gesamtes Leben in einem Waisenhaus aufgewachsen und hatte weder Familie noch enge Freunde, zu denen er hätte gehen können. Außerdem konnte er nicht auf die Bezahlung verzichten, die überdurchschnittlich war, besonders für einen jungen Mann ohne Schulabschluss, wie ihn.
Also biss Danny die Zähne zusammen und hielt sich plakativ die positiven Seiten seiner Tätigkeit vor Augen. Plötzlich ertönte ein lautes Pling über seinem Kopf, das ihn aus seinen Gedanken riss und ihm verriet, dass der Aufzug seine Zieletage erreicht hatte.
Die metallenen Türen glitten sanft auseinander und gaben den Blick frei auf einen meterlangen, in Royalblau gestrichenen, Korridor mit dunklem Parkett. Er atmete noch einmal tief durch, ehe er aus dem Aufzug stieg und sich zum Büro seines Bosses aufmachte. Er kam an mehreren Türen vorbei, hinter denen sich hart arbeitende Geschäftsmänner und- frauen verbargen, die sich hier Räumlichkeiten angemietet hatten.
Als er um die nächste Ecke bog, stand er im Vorzimmer zu Mr. McIntyres Büro, wo, wie üb-lich, seine Sekretärin Serena Marin saß. Sie war ein naives und dämliches junges Ding, das sein Boss offensichtlich eingestellt hatte, damit er sie vögeln und sie seinen Schwanz lutschen konnte. Denn sie hatte keinerlei Fähigkeiten einer guten und fleißigen Mitarbeiterin oder eines durchschnittlich begabten und intelligenten Menschens.
Sex war die einzige Erklärung, die er fand, warum sie es bis hierher geschafft hatte. Mit dem Kopf voller spöttischer Gedanken und einem bitterbösen Grinsen auf den Lippen näherte er sich ihrem schmalen, gläsernen Schreibtisch.
Heute hatte Serena ihre platinblonden Haare zu einem strengen Dutt zusammengebunden und trug eines ihrer nuttigen, schwarzen Kostümchen, in denen sie glaubte seriös und erfolgreich auszusehen. Du bist und bleibst eine billige Schlampe, Serena. Darüber kann nichts hinweg-täuschen.
„Hallo, Serena“, begrüßte er sie überfreundlich, wodurch er seine Verachtung gegen sie zum Ausdruck brachte.
„Was willst du Danny?“, schnarrte sie gelangweilt, als sie ihre Augen von ihrem PC-Bildschirm nahm und zu ihm heraufschaute. Ihre Miene war dabei geprägt von Arroganz und Hochnäsigkeit. Du hast keinen Grund dich für etwas Besseres zu halten, verfluchtes Mist-stück! Er schluckte seinen Ärger gegen sie allerdings herunter und konzentriere sich lieber auf seinen wichtigen Auftrag, den er auszuführen hatte.
„Ich habe eine dringende Nachricht für Mr. McIntyre“, überschlug sich seine Stimme vor Ungeduld.
„Tut mir Leid, aber er ist gerade sehr beschäftigt. Ich kann dich unmöglich…“
„Doch, du kannst und du wirst mich sofort zu ihm durchlassen, Serena.“
„Nein, ganz bestimmt nicht! Er hat ausdrücklich gesagt, dass er nicht gestört werden will.“
„Er hat mir aber gesagt, dass ich jederzeit zu ihm kommen kann, wenn ich Nachricht über…“
„Was ist hier draußen für ein Höllenlärm?!“ Wutschäumend kam sein Boss höchstpersönlich aus seinem Büro gestürmt und unterbrach das Streitgespräch zwischen ihnen.
Seine karamellbraunen Augen mit den auffälligen schwarzen Sprenkeln fokussierten zunächst die blonde Sekretärin, bevor er an der Reihe war.
„Warum stört ihr mich?“ Seine Frage ging an Danny, der darum bemüht war schnell zu antworten.
„Serena wollte mich nicht zu Ihnen durchlassen, dabei habe ich Informationen über Adrian Lockhart.“ Bei der Nennung dieses Namens wurde er hellhörig und beschloss den Streit zwi-schen seinen Mitarbeitern sofort zu beenden.
„Du kommst mit mir, Carmichael und du…“ Er wandte sich an die Blondine. „Machst dich wieder an die Arbeit“, blaffte er sie an, was sie kindisch schmollen ließ. Danny konnte nicht anders, als ein siegreiches und süffisantes Lächeln aufzusetzen, was ihm jedoch verging, als er daran dachte, was ihm in wenigen Augenblicken bevorstand. Mit steinerner Miene und rasendem Puls ging er hinter ihm her. Strammen Schrittes durchquerte sein Boss das luxuriöse und moderne Büro, das mit seinen wandhohen Fenstern einen einzigartigen Blick über die Stadt bot, und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
Walker Edward McIntyre strahlte in seinem Nadelstreifenanzug und den teuren italienischen Lederschuhen Autorität, Macht und Erfolg aus. Er war ein Mann mit Prinzipien und Regeln, die man am Besten nicht brach, wenn man keine Konsequenzen oder Bestrafungen seinerseits provozieren wollte.
Danny folgte ihm langsam und stark humpelnd. Die Trümmerfraktur seines linken Knies hatte ihn zu einem schwachen Krüppel gemacht; sie hatte ihn für immer gezeichnet. Er war erst 17 Jahre alt, doch er würde sein Leben lang auf Gehhilfen angewiesen sein, weil eine durchgeknallte Psychopathin ihn gequält hatte. Und das war bei Weitem noch nicht alles. Seit dem Blutbad in der Bar wurde er in der Nacht von Albträumen und am Tag von Gedanken über die Folgen des Angriffs auf ihn geplagt.
Er fragte sich des Öfteren, ob er es wirklich besser, als die anderen getroffen hatte, weil er aus ihren Reihen bisher der Einzige war, den diese blutrünstige Irre nicht abgemurkst hatte. Anfänglich hatte er dies als großes Glück empfunden, aber mittlerweile dachte er anders über diesen Umstand. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie ihm eine Kugel durch den Kopf, statt durch sein Knie gejagt hätte.
Hektisch atmend und mit seinen Gedanken in der Vergangenheit blieb er vor seinem Schreib-tisch stehen und spürte, wie Schweiß seinen Nacken hinab lief, welcher zum Glück vom Kragen seines dunkelroten T-Shirts gestoppt wurde. Trotz zweier Stühle, die vor dem Schreib-tisch platziert waren und eine Entlastung für sein kaputtes Knie gewesen wären, setzte er sich nicht. Nicht, weil er es nicht gewollt hätte, sondern weil sein Boss es ihm verboten hatte.
Diese und andere Maßnahmen dienten dazu ihn für sein Versagen in der Bar zu sanktionieren. Er sollte die Schmerzen, den quälenden Druck auf sein Gelenk und seine erbärmliche Schwäche spüren und daran zugrunde gehen. Sein Boss sah gerne mitleidslos dabei zu, wie sein Mitarbeiter vor ihm stand und mit aller Kraft gegen einen Zusammenbruch ankämpfte. Walker McIntyre war schon immer ein gnadenloser und sadistischer Mistkerl gewesen, was ihm allerdings erst bewusst war, seitdem er ihn zu seinem Opfer gemacht hatte.
„Du hast also Nachrichten für mich“, begann er das Gespräch mit einem drohenden Unterton, als wolle er ihn von vornherein davor warnen etwas Schlechtes vorzubringen. Danny schluck-te schwer und wünschte sich in diesem Moment ganz weit weg.
„Spuck´s schon aus, Carmichael. Du verschwendest meine kostbare Zeit!“
„Nun…ähm…ich habe Neuigkeiten über den Auftrag von Adrian Lockhart.“
„Das sagtest du bereits“, kam es von ihm erzürnt und gleichzeitig gelangweilt. „Willst du mich für dumm verkaufen?“
„Nein, natürlich nicht“, widersprach er vehement. „Ich weiß nur nicht, wie ich Ihnen sagen soll, dass…“ Sein Rumgedruckse stieß bei seinem Boss auf wenig Gegenliebe und schürte in ihm den ersten schlimmen Verdacht.
„Willst du mir etwa sagen, dass Lockhart gescheitert ist?!“ Aufbrausend sprang er vom Stuhl und stützte seine Arme auf den Tisch. Jetzt war der Moment der Wahrheit gekommen. Der Moment, in dem er wie eine Bombe hochgehen und alles um ihn herum zerstören würde.
„Lockhart ist tot. Er wurde während seines Auftrags getötet.“ Er hatte die Worte ausgesprochen, die er gefürchtet hatte. Und die heftige Reaktion von Mr. McIntyre ließ nicht lange auf sich warten. Mit hochrotem Gesicht und Speichel spuckend schob er mit einem Mal sämtliches Büromaterial vom Schreibtisch, was unter einem ohrenbetäubenden Krachen auf dem Boden landete. Danny zuckte zusammen und betete inständig, dass er seinen Zorn nicht auch an ihm auslassen würde.
„Scheiße, wie konnte das passieren?“, brüllte er ungehalten. „Ich verlange Informationen!“ Zur Unterstreichung seiner Wut haute er mit der rechten Faust auf die Tischplatte.
„Ich…ich habe von dem Barkeeper des Parasite erfahren, was passiert ist“, kam es stotternd über seine Lippen. Sein Gegenüber starrte ihn gestresst und ungeduldig an. Ihm ging das alles nicht schnell genug.
„Und was hatte dieser Kerl zu sagen?!“
„Er konnte sich, nach meiner Beschreibung, gut an Ophelia Monroe erinnern. Planmäßig hat sie sich mit Lockhart wegen eines Mordauftrags getroffen, der sich ihr unter einem anderen Namen vorgestellt hat. Es gab jedoch einen Faktor, an den keiner gedacht oder mit einberechnet hat.“ Danny machte eine kurze Pause, in der er ihn verunsichert und ängstlich ansah, als sei er persönlich dafür verantwortlich, was im Parasite geschehen war, und erwarte nun seine Strafe.
„Was für ein Faktor soll das gewesen sein?“, schnauzte sein Boss ihn launisch an. Er konnte sich nicht vorstellen, was seinen Plan durchkreuzt haben könnte.
„Sie ist mit einem Typen gekommen, vermutlich war er ein Kollege von ihr. Der Barkeeper hat erzählt, dass Ophelia Monroe zur Toilette gegangen ist und kurz darauf der Mann, mit dem sie an einem Tisch saß und sich unterhalten hat, ihr gefolgt ist. Das war Lockhart, der die Chance genutzt hat, um sie anzugreifen. Aber ab diesem Moment ging wohl alles schief. Der unbekannte Typ saß die ganze Zeit saufend an der Bar und hat dennoch schnell bemerkt, dass Ophelia nicht mehr wiederkam. Er ging ebenfalls zu den Toiletten und dann…“
„WAS?!
„Nach etwa zehn Minuten kam dieser Typ wieder und hat Ophelia Monroe aus der Bar geschleppt. Beide haben geblutet und waren verletzt. Lockhart hat er nicht herauskommen sehen, deshalb ging er zu den Toiletten, wo er ihn dann gefunden hat: Tot. Allem Anschein nach ertränkt in einer der…“
„SEI STILL!“, unterbrach er ihn in einem Anflug von unkontrollierbarer Weißglut. „Ich will nichts mehr davon hören.“ Der Körper von Walker McIntyre bebte heftig und stand unter Hochspannung. Danny war sofort, nach seinem Befehl, verstummt, um nicht noch mehr seines Ärgers auf sich zu ziehen. Daher herrschte in den nächsten Minuten eine unheimliche Ruhe, die erdrückend war und ihn kaum atmen ließ.
„Wer glaubt diese Frau eigentlich, wer sie ist?“, platzte es aus heiterem Himmel aus seinem Boss heraus. „Zuerst tötet sie drei meiner langjährigen und besten Mitarbeiter und jetzt muss-te auch noch Lockhart dran glauben.“
„Aber…“, kam es von Danny, ohne darüber nachzudenken.
„Aber was?“, raunte er gefährlich und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Was willst du mir sagen, Carmichael?“
„Lockhart hat Ophelia Monroe ja offensichtlich so schwer verletzt, dass ihr von dem fremden Kerl geholfen werden musste. Wahrscheinlich ist er der einzige Grund, warum sie überhaupt noch am leben ist. Diese Schlampe ist nicht unbesiegbar. Sie hatte bloß verdammtes Glück“, kehrte er seinen brennenden Hass heraus, den er gegen die attraktive Killerin hegte. Auf einen Schlag war die Furcht vor seinem Boss wie weggeblasen.
„Und es war auch nicht sie, die Lockhart gekillt hat.“ Dannys Worte gaben seinem Gegenüber zu denken, denn er war plötzlich ungewohnt schweigsam und betrachtete ihn mit einem Aus-druck von höchster Konzentration. Er schien intensiv die Gedanken zu wälzen, die sich bei ihm auftaten.
„Weißt du was, Carmichael?“, sagte er nach einiger Zeit. „Egal, wie lächerlich das jetzt auch klingt, aber du hast recht.“ Danny konnte es nicht verhindern, dass ihm vor Überraschung die Kinnlade herunterfiel. Er sollte tatsächlich recht haben? Er, der lausige Nichtskönner?
„Ich…ich fürchte ich verstehe nicht ganz.“ Warum er seine eigene Begriffsstutzigkeit deutlich vor ihm kundtat, wusste er selbst nicht. Walker McIntyre amüsierte es allerdings sichtlich, was sich in einem lauten und hämischen Gelächter äußerte, was sein Selbstvertrauen brutal niedertrampelte. Grausam fühlte er sich an den Abend in der Bar erinnert, an dem Ophelia Monroe ihm seines Egos und Selbstbewusstseins beraubt hatte. Scham- und gnadenlos hatte sie Danny erniedrigt und behandelt wie ein wertloses Stück Scheiße. Nachdem sich sein Boss wieder beruhigt hatte, ließ er sich in seinen gemütlichen Bürostuhl fallen und faltete die Hän-de.
„Keine Sorge, Carmichael, ich werde dich darüber unterrichten, was ich meine.“ Ein listiges Grinsen kroch dabei über seine Lippen, wie eine Schlange, die zum Beißen bereit war.
„Dieses Drecksstück ist genauso schwach, wie alle anderen Frauen. Gegen den richtigen Mann hat sie keine Chance, da bin ich mir sicher“, begann er seine Überlegungen. „Das be-deutet, dass ich diesen Mann finden muss, um sie zur Strecke zu bringen.“
Die Vorstellung, dass die Killerin, die ihm so viel angetan hatte, qualvoll starb, erfreute ihn wie ein kleines Kind. Er sah sie bereits vor sich: blutüberströmt, röchelnd und um ihr Leben bettelnd. Gerne wäre er derjenige, der sie so zurichtete, bis er sie tötete, doch die Realität war knallhart und gab ihm keinen Spielraum.
Seine Fantasie würde Fantasie bleiben, denn er war körperlich bei Weitem nicht mehr in der Lage ihr entgegenzutreten. Dass er vor seiner Verletzung schon keinerlei Chance gegen sie gehabt hatte, verdrängte er konsequent.
„Aber ich will nicht nur diese Schlampe tot sehen“, verhärtete sich seine Miene. „Ich will auch den Typen erwischen, der Lockhart getötet hat. Ich will sie alle, verstehst du?“ Durch-dringend und entschlossen starrte er Danny über den Schreibtisch hinweg an. Jener wusste nicht, ob er ihn wirklich richtig verstanden hatte, daher vermied er es ihm eine Antwort zu geben.
„Ich werde William Cunningham zu Fall bringen und zusehen, wie er untergeht. Ich werde jeden einzelnen seiner Truppe aus niederträchtigen und irren Killern vernichten“, führte er sein Vorhaben aus, was seiner Meinung nach überaus riskant und gefährlich war. Immerhin hatte Danny mit eigenen Augen gesehen und am eigenen Leib zu spüren bekommen, zu was diese Menschen im Stande waren. Er besaß jedoch nicht den Schneid ihm seine Bedenken mitzuteilen. Zum einen, weil er Angst davor hatte und zum anderen, weil er genau wusste, dass Walker McIntyre sich von seinen Plänen nicht abbringen lassen würde. Auch nicht, ob-wohl sein vergangener Schlag gegen William Cunningham kläglich gescheitert war und er durch seine Killer mehrere Männer verloren hatte.
„Wenn er Krieg will, dann soll er ihn auch haben!“, redete sich sein Boss weiter in Rage. Er war wie im Wahn, in dem bloß noch der Hass gegen seinen Gegner existent war.
„Ich werde ihn in den Boden stampfen! Ich werde ihn zerquetschen, Carmichael!“ Danny bemerkte, dass er wie ein Idiot ununterbrochen nickte, um ihm seine Zustimmung zu signalisieren; um ihm in seinem Denken zu bestärken, obwohl er ihn am liebsten so lange geschüttelt hätte, bis diese schwachsinnige Idee aus seinem Kopf verschwunden war. Und dann sagte er etwas, das ihn in einen Schockzustand versetzte.
„Dafür brauche ich natürlich deine Hilfe.“ Danny spürte, wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht wich und seine Beine weich wie Gummi wurden. Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Genau, das war nur ein Scherz. Sein Boss wollte ihn nur reinlegen. Er…
„Willst du nicht wissen, was du zu tun hast, Carmichael?“, fragte er ihn herausfordernd, da sein Mitarbeiter nicht so reagierte, wie erwartet. Walker McIntyre zog skeptisch eine Augen-braue in die Höhe und betrachtete ihn eingehend. Er fühlte sich verdammt unwohl in seiner Haut, denn sein Gegenüber sah in diesem Augenblick seine Unsicherheit und Furcht, die er offen vor ihm eher ungewollt preisgab. Für ihn bestätigte sich nur das, was sich schon längst in seinem Kopf manifestiert hatte: Dass Danny ein Schwächling war. Dementsprechend ge-hässig waren seine nachfolgenden Worte.
„Du hast wohl Angst, was?“, war es eine Feststellung und keine Frage. „Machst du dir etwa schon bei dem Gedanken an Ophelia Monroe in die Hose?“ Heiter gluckste er über Dannys Versagen und Chancenlosigkeit gegen die Killerin, die ihm mit einer beängstigenden Leichtigkeit seine Grenzen aufgezeigt hatte. Der Schwarzhaarige fühlte sich erniedrigt, verspottet und nutzlos. Es war offenkundig, das sein Boss nicht viel von ihm hielt. Weshalb wollte er dann seine Hilfe? War es vielleicht bloß ein Trick; eine Falle, um ihn hereinzulegen? Wollte er ihn ein weiteres Mal vorführen? Danny wurde unsicher, aber auch verdammt wütend. Er hatte nicht das Recht ihn so beschissen zu behandeln. Er hatte nicht das Recht sich über ihn lustig zu machen. Scheiße, er war überhaupt der Grund, warum die anderen in der Bar gestorben waren und sein Knie irreparabel verletzt wurde.
Weil Mr. McIntyre seine Schulden bei William Cunningham nicht bezahlt hatte, hatte dieser Ophelia Monroe geschickt, um zu zeigen, was passierte, wenn man ihren Boss nicht ernst nahm und versuchte zu verarschen.
Sein Gegenüber hatte genau gewusst, dass es Ärger geben; dass er Williams Zorn auf sich ziehen würde, dennoch hatte er die Zahlung an ihn monatelang mit Absicht und aus Prinzip ignoriert. Somit hatte er das tödliche Attentat auf seine Mitarbeiter provoziert und heraufbeschworen.
„Ich habe keine Angst!“, widersprach er ihm hitzig und hoffte, dass er nicht hinter seine Lüge kam. „Ich stelle mir bloß die Frage, wie ich Ihnen helfen soll. Immerhin bin ich ja zu nichts zu gebrauchen“, wiederholte er zynisch die Meinung seines Bosses, die er vor ihm nicht verheimlichte. In ihm brodelte Wut und Unversöhnlichkeit.
„Beruhige dich erstmal, Carmichael“, meinte er gelassen und interessierte sich nicht im Geringsten für seine Verärgerung.
„Du kannst mir immer noch durchaus nützlich sein. Zwar wirst du nie wieder einen Auftrag ausführen, der eine physische Komponente beinhaltet, doch du kannst weiterhin uneingeschränkt deinen Verstand benutzen.“ Er sprach mit ihm in einem aufmunternden Ton, als sei er unterbelichtet und versuche nun ihn zu motivieren, indem er ihm seine vorhandenen Fähigkeiten aufzeigte.
„Und wie genau stellen Sie sich vor, wie ich meinen Verstand bei Ihrem Vorhaben benutzen soll?“ Dannys Stimmung verdunkelte sich von Minute zu Minute, was ihm nicht verborgen blieb.
„Du scheinst wenig Lust auf deine neue Aufgabe zu haben, Carmichael. Ich kann mich auch nach jemand anderem umsehen, wenn dir das lieber ist.“ Sein Angebot war eine Falle, in die er nicht tappen würde. Er konnte nicht ablehnen, wenn er von ihm nicht bestraft oder heraus-geworfen werden wollte.
„Ich werde die Aufgabe erledigen, keine Sorge“, entgegnete Danny mürrisch.
„Das freut mich.“ Walker McIntyre lächelte begeistert, während seine Augen dabei hinterlistig funkelten. „Ich werde dich auch nicht weiter auf die Folter spannen und dir sagen, was du zu tun hast.“ Nun kam er zum Kern der Sache. Nun wurde es Ernst. Er konnte nur hoffen, dass sein Auftrag vorsah, dass er Williams Killern nicht allzu nahe kam.
„Du sollst in den nächsten drei Wochen so viele Informationen über Cunninghams Mitarbeiter herausfinden, wie nur möglich. Ich will, dass du ihnen folgst. Ich will, dass du sie beobachtest, klar? Ich will alles über sie wissen, damit ich sie zerstören kann! Und dann ist William selbst an der Reihe.“
„Ich soll das ganz alleine schaffen? In drei Wochen?“, erhöhte sich die Frequenz seiner Stimme, sodass sie schon schrillte. In seinen Augen hatte er den letzten Rest seines Verstandes verloren. Wie stellte er sich die ganze Sache überhaupt vor? Wo sollte er mit seiner Informationssuche anfangen? Was war, wenn er aufflog? Was war, wenn er seinen Boss mit den Ergebnissen nicht zufrieden stellen konnte? Die Gleichung hatte für ihn eindeutig zu viele Unbekannte, als das er sich eine Chance auf Erfolg ausrechnete.
„Verstehst du, was ich von dir verlange und erwarte?“ Für ihn gab es keine Unklarheiten. Er hatte Danny seinen Auftrag erteilt und nun war es an ihm diesen, seinen hohen Ansprüchen entsprechend, auszuführen.
„Technisch gesehen schon, aber ich habe keine Ahnung, wie ich an seine Killer herankommen soll.“ Seine Ehrlichkeit stieß bei ihm übel auf.
„Ich will keine miesen Ausreden hören, Carmichael!“, flammte der Zorn wieder in ihm auf. „Du wirst mir die Informationen beschaffen. Wie du das machst, ist mir scheißegal! Das ist mein letztes Wort.“ Wie eine undurchdringliche und unüberwindbare Mauer erhob sich vor ihm die Sturheit und Ignoranz von Walker McIntyre. Sein Boss akzeptierte keine Widerworte, Fragen oder Bedenken. Er sagte, was zu tun war und Danny hatte seinen Befehlen Folge zu leisten. Also würde er zusehen müssen, wie er an die gewollten Informationen kam und zwar schnell. Das hieß für ihn, sich in kürzester Zeit einen Plan zurechtlegen und mit der Recherchenarbeit zu beginnen. Dabei zweifelte er weiterhin daran, dass er die Aufgabe zur Zufriedenheit seines Bosses bewältigen würde.
„Du weißt, was du zu tun hast“, erinnerte jener Danny nachdrücklich und streng, was seinen Gedankengang unterbrach. „Ich sehe daher keinen Grund, warum du noch hier herumstehst.“ Sein Rausschmiss konnte kaum deutlicher und respektloser sein. Er verkniff sich jedoch einen bissigen Kommentar, weil er wusste, dass dies keinen Sinn hatte.
„Ich werde mich sofort auf den Weg machen“, presste er daher unwirsch hervor, ehe er ihm den Rücken zuwandte und sich unter heftigen und grausam peinigenden Knieschmerzen aus dem Büro schleppte. Beim Hinausgehen achtete er weder auf Serena Marin, die ihm irgend-etwas hinterher rief, noch auf die Frau der Reinigungsfirma, die gerade den Parkett des Korridors ordentlich wischte.
Daniel „Danny“ Carmichael war bloß auf das unerträgliche Pochen seines Knies und seinen bevorstehenden Auftrag fokussiert, der ihm einiges abverlangen würde. Und zwar nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Auf ihm lastete ein immenser Druck, dem er jetzt schon nicht gewachsen war und kaum standhalten konnte. Beim Gedanken an die kommenden Wochen bekam er höllische Panik, die ihm die Kehle zuschnürte. Er würde Williams Killern hinterher schnüffeln müssen, was hieß, dass er auch Ophelia Monroe wiedersehen würde. Sein Puls beschleunigte sich und ihm wurde speiübel. Er musste sich in größte Gefahr begeben, um einem Scheißkerl von Boss dienlich zu sein. Hatte er nicht schon genug in seinem jungen Leben gelitten?
 
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