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Gestaltung

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Schicksal ist immer noch eine interessante Idee. Es ist der Glaube daran, dass man für das, was einem zustößt, nichts kann; dass man im Grunde nichts daran ändern kann; dass man nur die Möglichkeit hat, es anzunehmen.
Schicksal bedeutet, dass es eine höhere Macht so gewollt hat. Ereignisse haben es begründet, die das davon betroffene Individuum gar nicht im Stande gewesen war, zu beeinflussen. Die Auswirkungen dessen sind für es dafür aber um so mehr zu spüren.
Die Idee des Schicksals ist auch etwas fatal. Es bringt nichts zu glauben, dass man an den eigenen Umständen nichts ändern kann. Und es ist sehr wahrscheinlich auch nur zum Teil richtig. Es gibt Dinge und Ereignisse, die nicht änderbar sind, wie etwa das Wetter. Möchte ich einen Ausflug an einen See machen, und ausgerechnet an diesem Tag regnet es in strömen, wird dieses Vorhaben dadurch sehr wahrscheinlich vereitelt, und zwar ohne dass ich etwas dafür kann; ohne dass ich es hätte ändern können. Allerdings, wie ich mit dieser Situation umgehe, dies liegt auch dann noch vollständig in meinen Händen.
Ich kann nun verzweifelt werden und aus Trotz nie wieder einen Ausflug an einen See planen. Ich kann die nicht änderbare Situation aber auch annehmen, und statt eines Ausfluges an den See es mir zu Hause gemütlich machen; mir eine warme Tasse Tee zubereiten und mir ein Buch schnappen, das ich lange schon einmal lesen wollte.
Die Umstände sind manchmal nicht beeinflussbar, sehr wohl aber, wie ich mit diesen Umständen umgehe. Das vergessen die Leute manchmal. Oder zumindest sieht es manchmal so aus.
Das Gestaltbare der Umstände, das ist es, was zählt. Die Umstände zu verändern ist eine ganz andere Baustelle. Habe ich die Umstände verändert, muss es dennoch auch dann noch gestaltet werden. Aber erst mit der Gestaltung der Umstände definiere ich, ob es zum besseren oder zum schlechteren geschehen ist. Demnach haben es letztendlich die Gestalter in ihren Händen, in welche Richtung die Reise wirklich geht. Und hierbei kommt immer auch das Konzept ins Spiel.
Plane ich ein Haus, habe ich es ebenso mit Umständen zu tun. Wie ist das Klima beschaffen, in dem das Haus geplant ist? Regnet es dort sehr viel, oder ist es eher trocken über das Jahr? Gibt es dort kalte Winter und heiße Sommer, oder ist das Klima eher milde? All dies fließt in die Gestaltung des Hauses mit ein. Ist der Rohbau fertig, wird noch die Elektrizität verlegt; die Heizung eingebaut (gibt es zum Beispiel eine Bodenheizung?); die Wände mit Gips oder mit Tapeten ausgestaltet. Ist dies alles fertig, wird alles eingerichtet; kommen Möbel rein; wird die Küche eingerichtet etc. Und ganz zum Schluss wird das Haus mit Leben gefüllt und es wird noch einmal ganz individuell ausgestaltet und mit den zuvor eingerichteten Umständen umgegangen. Aber erst durch die Leute, die es bewohnen, wird letztendlich auch das Konzept vollendet. Entweder passt nun alles zusammen, oder es passt an irgendeiner Stelle nicht. Entweder ist das, was nicht passt, etwas, das man abändern kann, oder nicht. Im Extremfall hat man nun immer noch die Möglichkeit, einfach umzuziehen und es woanders noch einmal zu versuchen.
Das Gestalten der Umgebung ist keine explizit menschliche Eigenschaft. Man denke dabei nur einmal an den Nestbau der Vögel oder an den der Biber, wie ausgefeilt dessen Behausung am Ende der Gestaltung der Umgebung doch sind. Es handelt sich dabei um einen Instinkt und das Gefühl, dass es passt, beruht demnach mehr auf Intuition als auf Verstand.
Ein Vogel kann keinen Baum fällen, er kann also die Umstände seiner Behausung zumindest in dieser Weise nicht verändern. Der Mensch kann den Baum hingegen schon fällen. Aber auch der Biber. So ist auch dies anscheinend zumindest grundsätzlich keine explizit menschliche Fähigkeit.
Die Grenzen des Gestaltbaren sind beim Menschen potentiell größer, als bei den Tieren. Die Tiere sind in dieser Hinsicht viel spezialisierter. Ein Biber wird kein Vogelnest bauen können und umgekehrt. Der Mensch könnte sich beides sicherlich aneignen.
Dennoch hat auch unsere Möglichkeit der Gestaltung Grenzen. Bezüglich des Individuums sowieso. Da haben auch wir uns für die Spezialisierung entschieden, man denke nur einmal an den Hausbau und wie viele Facharbeiter nötig sind, um eins zu bauen. Auf sich alleine gestellt wäre jeder einzelne dieser Facharbeiter sicherlich nicht dazu fähig. Ein Elektriker könnte keine Mauer hochziehen, und ein Maurer keine Elektrizität in einem Haus verlegen. Ein Architekt könnte beides nicht, dafür kann er aber die Statik des Hauses ausrechnen, was die anderen beiden nicht können. Sie sind alle für das Gelingen des Projektes aufeinander angewiesen. Doch auch dies könnte keine explizit menschliche Fähigkeit sein.
Eine Biene ist darauf angewiesen, dass jedes Jahr tausende von Blumen Blüten tragen. Die Blumen sind darauf angewiesen, dass jedes Jahr die Bienen zu ihnen kommen, um sie zu bestäuben. Nur dadurch gelingt es, dass jedes Jahr Blumen entstehen und wieder vergehen, und Mutterboden entsteht, mit dessen Nähstoffe erneut Blumen wachsen können. Alles hängt sehr komplex miteinander zusammen; ist miteinander verzahnt und funktioniert nur, wenn alles ineinander greift und reibungslos zusammenarbeitet.
Schicksal wäre hierbei vielleicht der Klimawandel mit einer Änderung, mit der eine dieser Bestandteile nicht mehr zurecht kommt und verendet oder dazu gezwungen wird, umzuziehen. An deren Stelle wird dann aber mit Sicherheit neues Leben entstehen, oder dort hinziehen, das mit den veränderten Umständen besser zurecht kommt, als das vorherige.
In der Natur ist alles funktional auf die Organismen ausgelegt. Die Umstände können auch von den Tieren gestaltet werden, siehe Biber oder in noch extremerem Maße die Termiten, aber letztendlich bleibt die Möglichkeit der Gestaltung immer in einem bestimmten Maße oder in einem bestimmten Bereich verhaftet, auch beim Menschen und noch viel mehr bei einem Individuum.
Vielleicht erscheinen dem Individuum die Gestaltungsmöglichkeiten nur deshalb oftmals als größer zu sein, als sie es in Wirklichkeit sind, weil es sich der Fantasie bedienen kann. Es kann sich Dinge in seinem Geist vorstellen, die es nicht gibt oder die es noch nicht gibt. Es kann mit Hilfe seiner Sprache andere für seine Ideen begeistern; sie inspirieren, sodass letztendlich im Zusammenspiel, also durch die Kooperation von vielen verschiedenen Menschen miteinander, vielleicht doch Dinge möglich werden, die zuvor für unmöglich gehalten wurden. Pyramiden, Flugzeuge, die ganze Raumfahrt, um nur einige zu nennen.
Ein Individuum auf sich alleine gestellt ist sehr begrenzt. In Kooperation mit anderen sind aber durchaus auch erstaunliche Dinge möglich. Wozu allerdings die Natur in seinem Zusammenspiel alles fähig ist, dies lässt sich letztendlich nur erahnen.
Gaia lässt grüßen.
 
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Kommentare  

Und du hast so recht. Kluge Gedanken hervorragend veranschaulicht.

Gerald W. (02.02.2022)

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