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Die Belfast Mission - Kapitel 06

Romane/Serien · Fantastisches
Kapitel 06 – Ernüchterung


United Europe Jahr 2473, City Centrum

Der Einsatz am Hafen von Southampton war geglückt. Allen Agenten war es gelungen, unbemerkt aus dem zwanzigsten in das fünfundzwanzigste Jahrhundert, samt dem verhafteten Saboteur, zurückzukehren. Henry war zuversichtlich, dass die Mission erfolgreich abgeschlossen wurde. Nachdem er auf der Titanic den Toilettenbereich gefunden hatte, installierte er hinter verschlossener Tür ein Zeitfenster und verschwand ebenfalls, genauso wie sein Agententeam, spurlos in seine Gegenwart.
Direkt von der Zeitreise bekamen Personen gewöhnlich nicht viel mit. Einen Schritt durch das aktivierte Zeitfenster und es erfolgte ein gewaltiger Sog, welcher den Zeitreisenden durch einen pechschwarzen Raum mit rasender Geschwindigkeit führte. Einige berichteten, es würde einer rasanten Achterbahnfahrt gleichen, die nur einen Augenblick andauern würde. Trotzdem würde man hinterher das Gefühl verspüren, während des Transfers sich wesentlich länger in diesem fantastischen dunklen Raum aufgehalten zu haben. Niemand konnte bisher mit Gewissheit bestätigen, wie lange man sich in dem sogenannten Dark Room aufhält, denn der Dark Room war zeitlos. Fakt jedoch ist, dass ein Zeitsprung exakt nur eine einzige Minute andauert.
Der Checkpoint befand sich direkt im Gebäude des Zeitreiseunternehmens Time Travel Agentur in der 21. Etage der City Centrum. Dieser einzigartige Grenzübergang zwischen Gegenwart und der vergangenen Welt war von einem runden, weißen Saal umgeben und mit Panzertüren hermetisch abgeriegelt. Mittig der Räumlichkeit strahlte ein röhrenförmiger Türrahmen, dessen Glorie grün schimmerte und permanent summte.
Dies war das einzige Zeitfenster in United Europe, welches für Zivilisten Reisen durch Raum und Zeit ermöglichte. Um das aktive Zeitfenster herum deutete eine gelbschwarze Markierung am Boden auf den Sicherheitsradius hin, der unbedingt eingehalten werden musste. Ansonsten bestünde die Gefahr, falls man unglücklich in das Zeitfenster stolpern oder es zu nahe kommen würde, unbeabsichtigt an dem Ort zu gelangen, mit dessen Koordinaten der Hauptcomputer zuletzt programmiert wurde. Zudem wollte man Unfälle mit Wiederkehrern vermeiden, die meist aus dem Zeitfenster regelrecht heraus gestoßen wurden. Das Schaltpult des Computers, womit die Module des Archives gesteuert werden und den Transfer aktivierte, befand sich ebenfalls in diesem Saal.

Plötzlich dröhnte eine Sirene im Checkpoint, während zeitgleich die schimmernde grüne Glorie des Zeitfensters hell aufleuchtete. Die gelben Rundumlichter an den gerundeten Wänden rotierten, was ein unmittelbarer Wiedereintritt in die Gegenwart bedeutete. Sogleich schnellten weitere Panzertüren herunter und riegelten diesen Bereich zusätzlich ab. Wie von Geisterhänden gestoßen, schlidderte die als Schiffsoffizier verkleidete Leiche aus dem Zeitfenster heraus, rutschte wenige Meter über die Markierung hinweg, wobei der Tote eine unansehnliche Blutspur hinterließ, und blieb schließlich mit verschränkten Gliedern liegen. Dann verstummte das Alarmsignal und die grüne Glorie des Zeitfensters schmälerte sich sogleich in seine ursprüngliche Position zurück.
Eine unheimliche Stille herrschte, nur das dezente Summen war zu hören, während die Rundumleuchten weiterhin rotierten. Sekundengenau eine Minute später, stolperte Ike aus dem Zeitfenster heraus. Er zögerte nicht lange, ging auf eine der Überwachungskameras zu, winkte mit beiden Armen hektisch hinein und pfiff, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Leiche musste sofort verschwinden, bevor der lebende Saboteur auftauchen würde. Die Dienstvorschrift besagte, dass Gefangene keinesfalls aufeinander treffen durften, egal ob tot oder lebendig. Selbst wenn die Verbrecher zwangsläufig eliminiert werden mussten, wurden deren Leichen generell aufgrund der Sicherheitsvorschrift in gesonderten Operationssälen obduziert.
Hinter den Panzertüren stand längst eine SEK-Einheit mit entsicherten vollautomatischen Maschinenpistolen bereit. Ihre schwarzen Uniformen bestanden aus einem elastischen Material, das gegen Hitze sowie Kälte, sogar gegen radioaktive Strahlungen resistent war. Über ihren Köpfen waren kugelsichere Sturmhauben gestülpt, die mit großen ovalen verdunkelten Panzergläsern versehen waren, die ihre Augen schützten. Die SEK-Sturmhauben erinnerten an Köpfen von Insekten und sahen furchteinflößend aus. Was beabsichtigt war.
An ihren Schultern hafteten gelb leuchtende Dienstgradabzeichen sowie auf ihren Rücken die gelben Buchstaben: UE-SEK.
Nachdem die Panzertüren hochschnellten, stürmte das Sondereinsatzkommando in den Checkpoint hinein. Eine Einheit kniete und zielte mit vorgehaltener Waffe direkt auf das leuchtende Zeitfenster, während zwei Soldaten die Leiche hektisch in den Sicherheitsbereich zogen und ein weiterer hinter ihnen mit einem Beamer die Blutlache auflöste. Ike stand mittendrin, verfolgte verdutzt die rasche Vorgehensweise der SEK-Soldaten und noch bevor er stolz Bericht über seinen geglückten Einsatz erstatten konnte, war der Spuk wieder vorbei und die gepanzerten Tore erneut verriegelt.
Die gelben Rundumleuchten rotierten weiterhin. In minütlichen Abständen erschienen durch das Zeitfenster zuerst der Häftling in Begleitung eines der Agenten, dann Agent Thomas mit dem Agentenanwärter, schließlich Agent Dave, der vom Bugdeck aus die Kommandobrücke beobachtet hatte und zuletzt Agent Henry. Ike war sichtlich erstaunt als er den verhafteten TT erblickte, wie er ruppig abgeführt wurde.

Henry nahm seinen Bowler ab und ging rasch auf das große Schaltpult zu, um den Zeitcountdown zu überprüfen. Wenn sie zehn Stunden auf Zeitreise unterwegs gewesen waren, dann war die Mission erfolgreich. Nun erloschen auch die Rundumleuchten. Henry strich sich besorgt durch sein ergrautes Haar.
„Sag schon, haben wir die Mission erfolgreich beendet?“, fragte Ike neugierig doch Henry schüttelte nur enttäuscht mit dem Kopf.
„Negativ … Nein“, antwortete er zerknirscht.
„Wieso nicht? Der TT ist doch verhaftet worden“, antwortete Ike.
„Putain de merde!“, fauchte Henry mit zornverzerrtem Gesicht und stockte, als er bedrohlich seine Arme in die Höhe hielt und dabei den Anschein machte, dass er sogleich wütend auf das Schaltpult einschlagen würde. Aber er beherrschte sich, öffnete wieder seine Fäuste und tätschelte behutsam auf die kostspielige Computersteuerung. Das saftige Bußgeld, dass er sich wegen seines letzten Wutausbruchs eingehandelt hatte, weil ihm ein 2,5 Milliarden Euro teurer Roboter ständig hinterher gelaufen und nervig gefachsimpelt hatte, Henry die sprechende Maschine daraufhin kurzerhand in einen der Müllschächte des Centrums 600 Meter in die Tiefe entsorgt hatte, hatte bitter an seinen Kontostand gezerrt und erinnerte ihn nun täglich daran, zukünftig etwas behutsamer mit dem Staatseigentum von United Europe umzugehen.
„Der Timer zeigt an, dass wir grad mal lächerliche sechs Minute und fünfundzwanzig Sekunden unterwegs waren. Das bedeutet, wir haben rein gar nichts erreicht. Zehn Stunden hätten wir unterwegs sein müssen, um die Mission zu erfüllen. Zehn Stunden! Den TT aufzuhalten, war also nicht die Lösung. Außerdem ist es jetzt für uns unmöglich, zurück zum Hafen zu kehren und von dort aus an unseren Einsatz erneut anzuknüpfen, weil wir uns sonst selbst begegnen würden. Jetzt müssen andere Geheimagenten beordert werden, die uns dort mit einem Passwort ablösen und anderweitig agieren. Wir stehen also wieder am Anfang von Mission Titanic“, gab Henry zerknirscht kund.
Alle Anwesenden schwiegen. Nach Henrys Gefühlsausbruch wurde ihnen bewusst, dass der Schwierigkeitsgrad dieser Mission um einiges gestiegen war. Ein Funkspruch aus der Sicherheitszentrale bestätigte, dass momentan zwar keine neue Meldungen über eine Ankunft der Titanic am Dienstag den 17. April 1912 in New York bekannt wurden, dafür aber, dass das Archiv diese Zeitspanne weiterhin blockieren würde. Dies bedeutete, dass die Zukunft der Titanic ungewiss war.
„Jetzt muss ich erstmal nachdenken“, sagte Henry und strich sich mit beiden Händen langsam übers Gesicht, wobei er schwermütig aufatmete. Auf Ikes vorsichtig in die Runde geworfene Frage, was dies nun letztlich zu bedeuten hat, sah sich Agent Dave gezwungen, diesen Grünschnabel flüsternd aufzuklären, damit er endlich schweigt. Henry war zwar ein sehr umgänglicher Chef, mit dem eigentlich jeder gut auskam, aber sobald er verärgert war, war er nicht mehr zu spaßen bereit.
„Mit der Ergreifung des TT hatten wir es zwar unterbinden können, dass dieser die Titanic Katastrophe verhindert, aber nur für einen Moment. Wenn wir also untätig bleiben, wird sich die Zeitmanipulation irgendwann wieder durchsetzen, weil in unserem Fall vermutlich weitere Personen involviert sind, von denen wir noch gar nichts ahnen. Deshalb blockiert das Archiv vorerst Informationen, genau zwischen dem Zeitraum vom Ablegen des Schiffes bis hin zum Untergang, weil eine neue Vergangenheit, beziehungsweise eine neue Zukunft, sich zu bilden droht. Das Archiv formatiert sich nämlich grad, und das kann dauern“, erklärte Agent Dave.
Ike trat dem gesprächigen Agenten einen Schritt näher und hakte flüsternd nach.
„Sag mal, dieses Archiv … Ich dachte immer es sei nur eine elektronische Bibliothek. Steuert es etwa auch die Zeitreisen?“
„Steuern nur bedingt“, antwortete er ihm leise ins Ohr, um den bereits aufgebrachten Chef nicht weiter in Raserei zu versetzen. „Vielmehr kontrolliert es die gesamte Vergangenheit und die Zeitreisen obendrein. Das Archiv ist mit dem Satellit verbunden und sozusagen das Herzstück. Ohne das Archiv wäre die restliche Technologie nutzlos. Aber das Archiv als eine elektronische Bibliothek zu betrachten, ist grundgenommen nicht falsch. Das Archiv ist mit unseren Computern verbunden und kann dir sofort die Auskunft geben, wer im Jahre 1129 nach Christi an einem Sonntag im April als Messdiener des damaligen Papstes gedient hatte, und wo er sich um genau 9:30 Uhr aufhielt. Im Archiv ist die Geschichte der gesamten Menschheit gespeichert.“
Ike runzelte die Stirn.
„Verzeih mir, aber das verstehe ich jetzt nicht ganz. Auf der Uni wurde leider nur ansatzweise etwas über das Archiv unterrichtet, aber niemals wurde erwähnt, dass es obendrein die Zeitepochen kontrolliert.“
„Das glaub ich dir gerne, denn Informationen über das Archiv sind streng geheim. Schließlich gehört es der UE-Regierung. Ich weiß auch nur so viel, dass im Archiv dieses außerirdische Gestein verbaut ist. Es erzeugt die nötige Energie, um die vierte Dimension zu eröffnen. Somit können wir mit unseren Beamer Zeitfenster installieren und in die Vergangenheit reisen. Aber diesen wissenschaftlichen Wirrwarr musst du dir von einem Professor erklären lassen, wie das alles genau funktioniert.“
Ike stimmte mit einem nachdenklichen Nicken zu.

Die beiden Agenten waren tief in ihre Tuschelei vertieft und bemerkten daher nicht, dass ihr Chef sie bereits eine Weile wortlos anstarrte. Erst als jemand sich auffällig räusperte, nahm Dave Henrys scharfe Blicke endlich wahr und wandte sich sogleich von dem Neuen diskret ab.
„Habt ihr zwei Klugscheißer etwa einen Lösungsvorschlag? Dann raus damit, ich bin ganz Ohr. Ansonsten haltet einfach die Klappe, euer Gemurmel stört mich nämlich beim Nachdenken.“
Nachdem Henry seine unveränderte Laune zur Geltung gebracht hatte, befahl er Agent Dave sich augenblicklich hinunter zu Agent Maikel in die Inhaftierungsebene zu begeben, und derweil mit dem Verhör des Saboteurs zu beginnen.
Die Zellenblöcke lagen weit unten in der tiefsten Etage des Centrums und als Henry sich grad zu einem Lift begab, eilte Ike ihm hinterher.
„Darf ich beim Verhör dabei sein?“, fragte er keuchend.
„Nein, mein Junge. Du bist zwar ein UE-Geheimagent, genauso wie wir alle, aber du bist ein Schleuser. Das ist nicht dein Aufgabenbereich und der Zutritt unter der Nulletage ist dir untersagt, insofern ich dich nicht dazu befuge.“
„Na schön, Henry. Dann befuge mich doch einfach dazu und ich begleite dich“, lächelte er.
Ike erntete daraufhin lediglich ein verschmitztes Grinsen, bevor Henry sich von ihm abwandte.
„Ich muss dir aber noch unbedingt etwas sagen“, drängte Ike nach dieser eindeutigen Abweisung, während er im hinterherlief. „Dieser Typ, den ich liquidiert habe … Er ist gleichzeitig unser verhafteter TT und lebt offenbar. Was sagst du dazu?“
Henry zog die Augenbraue hoch.
„Wie bitte? Du behauptest, unser Mann, der sich zurzeit im Inhaftierungsblock befindet, ist der gleiche Kerl, den du ausgeschaltet hast und liegt grad tot auf dem Operationstisch und wird von den Medizinern obduziert?“
Ike zuckte mit seinen Schultern.
„Klingt absurd, aber so ist es. Wenn du mir nicht glaubst, dann schau dir die Leiche doch selbst an. Eine wirklich verblüffende Ähnlichkeit. Er ist es ganz bestimmt … Na ja … wahrscheinlich ist er es.“
„Was denn nun? Ist die Leiche und der lebende TT ein und dieselbe Person oder nicht?“, fragte Henry gelangweilt und lugte dabei verstohlen auf die altertümliche, runde Bahnhofsuhr an der betonierten Wand. Sie zeigte exakt 1:35 Uhr MEZ nachts an. Genau daneben schaute er kurz auf den übergroßen Monitor, der den Nachthimmel über United Europe wiedergab.
Dieses Panorama wurde von einer der beweglichen Außenkameras auf dem Kuppeldach des Centrums aufgezeichnet. Seitdem der Mars kollabiert war, hatte sich das Verhältnis der Gravitationen hauptsächlich zwischen Sonne, Erde und Jupiter drastisch verändert. Sogar die elliptische Umlaufbahn des Mondes verlief nun beinahe 55 Prozent näher um die Erde, als es der Trabant noch 300 Jahren zuvor tat. Zudem war der Mond bereits zur Hälfte zerstört.
Henry hielt einen Moment inne, als er auf den riesigen Monitor schaute. Der Anblick des übergroßen Mondes, der jeden Moment auf die Erde zu stürzen schien, war immer wieder atemberaubend und es wirkte bedrohlich zugleich. Der Himmel war sternenklar. Es waren nun lange nicht mehr ein und dieselben Sterne, die am Himmelzelt funkelten, wie noch vor ein paar Jahrhunderte zuvor. Im Mondlicht schwebte sichtbar ein Asteroidengürtel um den Trabant, das waren einige Überbleibsel des Mars, was seelenruhig zwischen Erde und Mond im Orbit seine Schneisen zogen. Und hoch oben, wo einst der Vollmond schien, strahlte nun der orangefarbene Jupiter in seiner Pracht.

„Na ja, die Leiche sieht dem lebendigen TT jedenfalls verblüffend ähnlich, aber der Tote ist im Gegensatz zum TT unrasiert. Außerdem ist seine linke Gesichtshälfte leicht geschwollen und weist grünlich-blaue Flecken auf und über seinem Auge befindet sich eine erst kürzlich genähte Narbe. Mir scheint, der Typ den ich eliminiert habe, ist kürzlich mächtig verprügelt worden. Das ist der einzige Unterschied zwischen Beiden.“
„Ein lebendiger und ein toter Mann sollen also ein und dieselbe Person sein, tot im Obduktionssaal liegen und sich zugleich quicklebendig im Verhörraum befinden? Auf dieses wundersame medizinische Gutachten bin ich aber sehr gespannt“, witzelte Henry.
„Ich weiß das klingt total verrückt, aber schau ihn dir doch selbst an, wenn du mir nicht glaubst. Ich will doch nur darauf hinweisen, dass die Mediziner die DNS der Leiche mit dem von unserem TT vergleicht. Vielleicht handelt es sich lediglich um einen Zwillingsbruder, einen Klon oder vielleicht sogar um einen Nachbau, um einen Androide. Oder vielleicht ist er gar ein Cyborg. Wenn es dir also nichts ausmacht, dann lasse mich diesen Kerl verhören und ich garantiere dir, der wird reden!“
Ike ballte seine Faust und hielt sie Henry demonstrativ entgegen. Henry blickte ihn wortlos an, während einige Personen im betonierten Korridor sich an ihnen vorbei schlängelten.
„Du wärst also bereit zu foltern? Du spinnst wohl! Wir sind keine Barbaren sondern wenden effektivere Methoden an, um die Wahrheit zu erfahren. Merk dir das!“
Ike blickte beschämt zu Boden.
„Entschuldige Henry. Ich bin nur etwas …“
„Zu ehrgeizig“, fiel er ihm ins Wort. „Aber ich mag das sehr gerne, wenn meine Leute mit Herz und Seele bei der Sache sind. Hör zu, für heute ist Schluss. Du hast hervorragende Arbeit geleistet, trotz dass die Mission gescheitert ist. Gönne dir etwas Schlaf und am Nachmittag treffen wir uns. Ich kann mir genau vorstellen, in welchen Etagen du dich herumtreibst. Wir beide haben noch etwas zu besprechen. Es handelt sich um eine ganz neue Mission.“

In Ikes Ohren klangen seine Worte verheißungsvoll. Gedachte der oberste Chef des UE-Geheimdienstes ihm etwa eine eigene Mission anzuvertrauen? Möglicherweise ein Auftrag im Deutschen Reich, wovon er bereits seit seiner Jugend geträumt hatte?
„Soll das etwa heißen, dass du mich in deinem Team dabei haben willst?“, fragte Ike überrascht.
„Aber sicher doch, dich kann man gebrauchen. Zwar kann ich arrogante Maulhelden wie dich nicht besonders ausstehen, aber ich habe da eine ganz nette Mission für dich, wofür eine große Klappe sogar vorteilhaft ist, um sich durchzusetzen. Aber noch ist alles Top Secret. Ein Staatsgeheimnis sozusagen.“
Henry war ein Mann, der sehr gut mit Menschen umgehen und sie führen konnte. Er bemühte sich stets mit seinen Agenten und Schleusern ein aufrichtiges Verhältnis aufzubauen. Denn ein gegenseitiges Vertrauen war in diesem Job unabdinglich, weil oftmals Leben oder Tod davon abhing. Nur ein motivierter Geheimagent, der vertraut, wird auch bereitwillig sein, auf seinem Geheiß kompromisslos zu handeln.
„Der Befehl kommt von ganz oben, von Monsieur Staatspräsident Hendrik Klaasen persönlich. Diese Mission ist äußerst wichtig und anspruchsvoll“, versicherte Henry, betrat den geöffneten Röhrenlift und noch bevor sich die Luke schloss, zwinkerte er ihm freundschaftlich zu. Dann rauschte der Lift hinab in die Tiefe, hinab zur Inhaftierungsebene.
Henrys fröhlicher Gesichtsausdruck entschwand, als er die Sprechanlage betätigte.
„Sicherheitszentrale, ich benötige sofort eine tomografische Analyse von der Leiche und dem inhaftierten TT. Stellt augenblicklich fest, inwiefern beide miteinander verknüpft sind. Ferner benötige ich die Angaben über diverse Bauteile, die eventuell in dem Körper des TT integriert sind. Ich habe nämlich keine Lust, mich beim Verhör überraschend von einem verfluchten Cyborg lynchen zu lassen!“

Davon hatte Ike seit seiner Jugend geträumt, mit dem berühmten Agent Henry, von denen sogar die Professoren in der Universität ehrfürchtig redeten, gemeinsam in einem Team zu arbeiten. Wem Henry einmal die Hand reichte, der hatte es so gut wie geschafft. Ike war euphorisch und freute sich, dass Henry ihm eine eigene Mission anvertraute. Vielleicht würde man ihn in die 1930er Jahre beordern, wo er dann irgendwo in Leipzig oder gar direkt in Berlin observieren müsste?
Das damalige Nazi-Deutschland war zurzeit das populärste Urlaubsziel, weil es einem Professor in der Universität des Centrums als erster gelungen war, eine perfekte Promotion für diese Zeitepoche in seinem Unterricht zu präsentieren, worauf das Interesse der Bevölkerung für das Naziregime in ganz United Europe erheblich angestiegen war. Zurzeit berichteten die Medien nichts anderes als über Hitlers Zeiten, und natürlich auch über die Titanic. Die Dreißiger sowie das frühe Zwanzigste Jahrhundert galten demnach als modern, man liebte das Flair des Deutschen Reiches und die Menschen in United Europe sehnten sich danach, diese Zeitepoche zu erleben.
„Vielleicht wird sich mein Wunschtraum jetzt endlich verwirklichen“, spekulierte Ike.
Henrys Andeutung, er erteile ihm eine sehr wichtige, anspruchsvolle Mission, ließ ihn jedenfalls dazu hoffen, an der Seite seines Freundes François im Deutschen Reich zu observieren. Denn in der Vorkriegszeit wurden mittlerweile die meisten Anschläge auf die geschichtlichen Ereignisse verübt. Ständig versuchten Zeitreisende irgendein KZ zu stürmen, um so viele Juden wie möglich zu befreien, Anne Frank zu retten oder einige mutige Touristen wagten sogar den Klassiker: Adolf Hitler zu eliminieren.
Für den normalen Menschenverstand mögen dies noble Taten sein, die Hochachtung und Auszeichnungen verdienen, doch die Regierung von United Europe ahndete nach solchen Motiven genauso, als wenn man sich in einem Jahrzehnt unerlaubt einnisten und sich bereichern würde. Denn die Weltgeschichte darf auf gar keinen Fall verändert werden.
„Wahnsinn, jetzt komme ich endlich in das Deutsche Reich!“, rief Ike euphorisch heraus und machte sich sogleich auf dem Weg in die 82. Etage, auf dem Weg in sein Apartment. Und sobald pünktlich um 8:00 Uhr MEZ der Hauptcomputer seines Apartments einen strahlenden Sonnenaufgang auf all seinen vorhandenen Fensterläden projizieren würde, würde er frohlockend erwachen und sich sofort zu seinem Kampfsporttrainer Jimmy begeben. Für seine Mission im ehemaligen Deutschen Reich musste er schließlich absolut fit sein, meinte Ike.
 
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Kommentare  

Danke Evi, freut mich das zu hören.

LGF


Francis Dille (14.04.2024)

Wunderbarer Schreibstil und immer wieder spannend. Es lohnt sich das zu lesen.

Evi Apfel (12.04.2024)

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