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2 Seiten

Nachtexpress

Erotisches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
© Nadja S.
Mein Zug kommt spät.
Die Lichter sind kaum mehr zu sehen, in dieser fadenscheinigen Dunkelheit, die sich hier liebhabergleich um alles schlingt, was ihr gefällt. Mir gegenüber, in einem leeren Abteil, sitzt ein Nachtkind – schwarz verschmierte Augen; ein hungriges Gesicht mit fahl glänzenden Lippen. Die Sachen sind dunkel, weich zerlumpt, so, dass sie nicht in dieses blasse zarte Fleisch schneiden...Ich sehe rasch aus dem Fenster,als mich ein Blick trifft,unbeabsichtigt. Fang mich nicht ein, Du. Ein spöttisch verzogenes Lächeln ist Deine Antwort auf mein Zurückziehen. Tut mir leid, wollte Dich nicht kränken – nur nicht länger ansehen müssen. Dein Anblick sticht und brennt sonderbar unter meiner Handfläche.... Als ich mir eine Zigarette anzünden will, muss ich mich zusammen nehmen, um Deinem Blick begegnen zu können. Lass` mich nicht fragen, bitte, nicht sprechen – nicht jetzt, nicht hier. Ein Nicken, eine kurze Handbewegung, als Du zugreifst. Genug Dank für mich, Nachtkind. Kein Feuerzeug – ich lasse meines fallen, als mich Deine Finger berühren. Es verschwindet irgendwo zwischen den Sitzen, auf dem Boden. Als Du Dich bückst, kniest Du so nahe vor mir, dass ich Deinen bloßen Nacken sehe. Gefärbte Haare. Nicht, ich sollte nicht hinsehen. Spüre Deinen Kopf auf meinem Knie liegen; als ich nach unten blicke, sind Deine Augen so müde, dass ich mich meiner Gedanken um Dich schäme. Als ich Dich zu mir ziehe, halte ich ein Federgewicht in Händen – Vogelknochen, leicht wie Glas. Die Fahrt ist noch lang, ich bin geduldig. Langsam scheint der Morgen angekrochen zu kommen, denn kurz vor der Dämmerung ist es immer am dunkelsten. Du liegst mit dem Kopf in meinem Schoß, seit ein paar Stunden schon. Es scheinen Jahre an Schlaf zu sein, die Du nachholen musst. In meinem Mund treibt mich der Geschmack ungestillter Wünsche zum Wahnsinn. Süß-klebrig, hätte Dein Mund wirklich so geschmeckt? Eine Hand auf meinem Bein schreckt mich aus der Agonie – Du lächelst nicht. Ich sehe Deinen Mund vor mir, eine rosige Zungenspitze zwischen glänzenden Zähnen. Näher, komm` etwas näher zu mir, ein wenig noch. Doch dann schüttle ich den Kopf – ich bin nicht der, den Du suchst. Lass` mich Dich nicht verderben, nicht mit meiner Nähe,meinem Speichel vergiften. Zu spät. Deine Lippen pressen sich auf meine, fest, so fest, als wolltest Du mich ersticken. Du bist zu jung, zu schmerzlich jung hierfür – die Erfahrung in Deinen Augen ist nicht gespielt, aber... Ich bin so unsicher, meinen Hunger jetzt endlich an Dir zu stillen. Bist Du bereit für mich? Willst Du mich ertragen, mein Wissen um Macht, meinen Willen nach mehr und immer mehr von Dir? Bist Du reif genug? Der Zug hält, ich müsste aussteigen – mein Mund ist an Deinem festgekettet. Kann das funktionieren – zwischen uns liegt ein Leben, aber das stört Dich wenig. Du beisst Dich an der Maske des alten Biestes fest und willst nicht loslassen, nicht für einen Augenblick. „Bleib. Bleib. Hast Du Angst vor meiner Jugend – dann hast Du Angst vor mir. Hast Du Angst vor mir?“ Nein, nein – jetzt bricht sich mein aufgestautes Verlangen Bahn. Jetzt bin ich es, der den Kopf in Deinen Schoß legt, Jahre durch Deine Hand wegstreicheln lässt. Wir haben das Recht dazu, was auch immer passiert ist – es gehört nur uns. Doch – Du bist so unerfahren im Leben, hinter mir liegt viel zu viel. Dürfen wir zulassen,dass wir trotz Verbot und Gesetzen ineinander fallen, uns verlieren wollen? Bin ich schlecht – bist Du es? Ich spüre Deine Hand in meinem Haar. Der Morgen hat sich noch nicht an uns herangewagt – die Fahrt ist noch lange nicht zu Ende. Weck` mich, wenn wir angekommen sind, wenn der Zug uns freigibt. Wenn ich soviel von Dir geträumt habe, dass ich den Morgen nicht mehr brauche.
 
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Kommentare  

@Schwarze:
Schön, wenn Du es so empfindest und sie Dir gefällt...dann hat sich die Mühe um dieses kleine Traum-Realitätgeblide mehr als gelohnt...N.


Nadja S. (11.07.2002)

Dies ist die einzigste deiner Geschichten die mich persönlich sehr berührt...
Man sollte sich seiner Liebe hingeben, aber mit Bedacht sein Verlangen stillen...


Schwarze (11.07.2002)

4 Punkte von mir. Eine ungewöhnliche Situation einfühlsam und eindringlich erzählt. Gefühle pur.

Gudrun (14.04.2002)

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