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3 Seiten

Ein Nächstenliebe-Western

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
[Obacht: mitunter recht diffiziler Satzbau.]

Es war einer dieser drückend heißen Western-Sommertage, an denen die Mittagssonne gnadenlos auf die coolen Cowboys nieder scheint und bei den meisten von ihnen ein Ankleben ihrer Shorts an Oberschenkel und Genitalbereich verursacht. Nichtsdestotrotz gingen ebendiese unbeirrt ihren täglichen Geschäften nach: Tabakkauen, anschließend ausspucken, anmutig durch die Stadt reiten und – wie könnte es anders sein – in den Saloon gehen. Letztere Tätigkeit vollzog an diesem Tag auch der tollkühne und weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannte und gefürchtete Jefferson-Joe.
Die Luft im Saloon „Colt“ war stickig und schwül. Jefferson-Joe schritt geradewegs auf den Tisch in der hintersten Ecke des Raumes zu. Es war kein Zufall, dass er gerade diesen Tisch auserwählte, saß doch sein Rivale G.I. James an eben diesem. Doch anstatt dessen Gegenwart geschickt zu meiden setzte sich der gerissene Jefferson-Joe forsch gegenüber von G.I. James an den Tisch und warf ihm sogleich einen Blick der Verachtung entgegen, auf den jeder andere Revolver Held im Westen mit einem raschen aber exakt platzierten Schuss in die linke Schläfe seines Konkurrenten geantwortet hätte. Doch G.I. James war nicht wie die anderen. In Sachen Coolness und Gewitztheit glich er seinem Widersacher Jefferson-Joe wie ein von der sengenden Sonne des Westens zum verfaulen gebrachtes Ei dem anderen. Die beiden Ganoven schimpften sich zurecht „Se Kings of se Westen“.
Da saßen sie nun gemeinsam an einem Tisch und die Blicke jeder einzelnen sich im Saloon befindlichen Person ruhten auf ihnen, gleichsam dem Geparden, der, bevor er sein Opfer durch einen tödlichen Biss in den Nacken zur Strecke bringt, dieses stundenlang beobachten, unbeirrt von den Geschehnissen rund um ihn, sei es dass ein kleiner Pygmäe heiteren Schrittes an ihm vorbeiwandert oder sich ein Ameisenbär in der nächstgelegenen Baumkrone mit einer Giraffe paart.
Die Blicke der Gringos ruhten also auf den beiden und jeder wusste was in der nächsten Minute geschehen würde. Da tat Jefferson-Joe auch schon den ersten Schritt. „Unabsichtlich“ schüttete er sein Whiskyglas, das ihm der Bar-Tender zuvor mit zitternder Hand und um sein Leben besorgt serviert hatte, um und der dünnflüssige Inhalt ergoss sich in der Folge über G.I. James’ vom Staub der Prärie bräunlich verfärbten Hose, was sogleich wie ein Unfall, der ansonsten nur kleinen Kindern und Personen über 80 passiert, aussah. Eine Peinlichkeit die der von der Härte des Westens geprägte G.I. James unter keinen Umständen auf sich ruhen lassen konnte. Ebenfalls „unabsichtlich“ vollzog er einen auf Jefferson-Joe gerichteten Kinnharken; doch dieser konnte von seinen ihn nie im Stich lassenden Reflexen Gebrauch machend dieser Attacke von Seiten seines Gegners mit einer gekonnten und in seiner Jugend oft geübten und durch jahrelanges Training zur Perfektion gebrachten Seitwärtsrolle noch im letzten Moment ausweichen. Ein Kampf der beiden Streithähne um Leben und Tod schien nicht mehr abwendbar. Doch da passierte es: Ein nicht allzu großer und in weiße Leinentücher gehüllter Mann mittleren Alters passierte auf einer Wolke ungefähr 30 Zentimeter über dem von ausgeschütteten Spirituosen durchtränkten Holzboden schwebend die Türschwelle des Saloons. Die bis dato auf den beiden sich rivalisierenden Männern ruhenden Blicke schweiften unverzüglich zum mysteriösen Unbekannten, der nun beide Hände zum Himmel erhoben hatte und mit erhabener Stimme zu sprechen begann: „Liebe Brüder. Lasset uns diesen Konflikt mit diplomatischen Mitteln lösen und uns auf den Gebrauch von Gewalt verzichten. Denn als Mose vom Berg Sinai herabstieg, uns die Kunst der Nächstenliebe zu lehren, da sprach er: Siehe da, du sollst nicht töten!“ Die Worte des in den Augen der beiden Revolver-Helden verrückt zu sein scheinenden Mannes vernehmend, zückten Jefferson-Joe und G.I. James praktisch synchron ihre polierten Revolver, als hätten sie diesen Bewegungsablauf jahrelang gemeinsam geübt, und zielten das erste Mal in ihrem Leben auf ein und das selbe Ziel: den auf der Wolke schwebenden Mann. Doch der Reverent der Stadt, der zufällig auch zugegen war und den beide Cowboys, sowohl Jefferson-Joe, als auch G.I. James, ob seiner Souveränität zu gleichen Teilen schätzten, verhinderte mit seiner ruhigen und die beiden zum Schuss bereit stehenden Männer besänftigenden Art noch in letzter Sekunde ein Massaker. „So haltet inne, Gesellen. Der Fremde hat recht!“ die Blicke der das Spektakel beobachtenden Masse wanderten abermals: vom Fremden auf den Reverent. „Lasst uns diesen Konflikt, der sich auf das Image unserer Stadt negativ auswirken und somit auch den Tourismus hemmen könnte, wodurch der Stadt im nächsten Jahr wichtige Einnahmequellen fehlen und das Bruttoinlandsprodukt der gesamten Region auf ein Rekord-Tief schrumpfen würde, durch ein simples Spiel, das ich bei einer Missionarsreise durch den Dschungel Papa-neuguineas von einheimischen Buschmännern erlernt habe, auf friedvolle Art beenden. Jefferson-Joe und G.I. James blickten einander an und waren sich sofort einig den Zwist gewaltlos zu beenden. Der Reverent, der sich in der Zwischenzeit splitternackt ausgezogen hatte läutete einen Gong und die anwesenden Gentlemen zogen einen kleinen Polster, den jeder in dieser Stadt seit 1724 stets frisch gebügelt bei sich trug, aus ihrer Gesäßtasche und legten sich nebeneinander auf den von Nächstenliebe erwärmten Saloonboden. Bei gregorianischen Chorälen und alten Beatles-Hits, gesungen vom noch immer auf der Wolke schwebenden Fremden, schliefen die Gringos friedlich ein und erwachten erst wieder am nächsten Morgen – der unbekannte Fremde ward jedoch verschwunden und wurde in dieser Stadt auch nie wieder gesehen.
 
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Kommentare  

Auch für mich völlig unverständlich, Wolzenburg, wieso die Geschichte dann so ausgeht. Lob aber an Mathilda. Five Points! Weiter so

Schmelzi (05.02.2003)

die geschichte ist wahrlich gut aber zu sehr in die Länge gezogen.HIMMELARSCHUNDBOCKWURST ist viel besser.schreibt mehr davon.

mathilde (28.12.2002)

mit sehr guten neo-naturalistischen grundzügen durchworben .ausserdem gab es an überdruss spriessenden anmerkliche konstruktionen

siebensasser (05.12.2002)

passt vui,super gschicht-do gibts nix!

slam (13.11.2002)

Klasse Story mit einer wahrhaft überraschenden Wendung. Five points!

Maestro (26.04.2002)

ein wahrlich wort, robotnik

stevo (26.04.2002)

paul, ein meister der diffizilen wie auch komplexen satzbaukunst, macht mich mit diesem ganztext glücklich, ob der Anwendung von unzähligen stilmitteln und der darstellung der brüchigkeit des lebens, und sich lustig über engstirnige, begrengzte und uneinsichtige möchte-gern intellektuelle, die spießige namen tragen, wie wolzenburg. danke

robotnik (26.04.2002)

Bis zu dem Zeitpunkt wo der Reverent sich auszieht empfinde ich die Story als sehr lustige Persiflage auf die typischen 08/15 Western.Was danach kommt ist für mich unverständlich

Wolzenburg (25.04.2002)

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