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3 Seiten

Alles wie immer

Trauriges · Kurzgeschichten
Warum war Jack in das Lokal gegangen? Er wusste doch, dass sie da sein würde. Es war schließlich Freitag. Sie war freitags immer da. Alles war doch wie immer.


Jack hatte nicht vorgehabt ins 'Tommys' zu gehen, obwohl es sein Stammlokal war. Trotzdem fand er sich plötzlich vor dem Eingang wieder. Die Tür war, wie immer, ein Spalt weit offen. Jack hatte sich oft gefragt, weshalb bis er herausfand, dass die Tür kaputt war und man sie nur schließen wenn man sie zuschloss. Es fiel ihm aber noch etwas auf; das 'Tommys' Schild war bunt. Rot, grün und blau, das war ihm vorher nie aufgefallen. Schließlich betrat Jack das Lokal. Wie immer hatte es eine familiäre Atmosphäre. Es roch nach Vanille und sanfte Musik spielte im Hintergrund. Jack schloss seine Augen und atmete tief ein. Er war früher oft hier gewesen. Die meisten Leute kannte er. Auch er und Tommy, der Besitzer, waren gute Freunde. Jacks Gedanken wurden von einem ihm bekannten Lachen unterbrochen. Seine Augen öffneten sich und da war sie; Grace. Sie saß an ihrem Stammtisch und lachte. Sie war glücklich, das konnte er sehen. Es war die Art wie ihre blauen Augen aufblitzten und die Art wie sie sich mit ihrer Hand durch die langen, weichen dunkelblonden Haare strich. Das tat sie immer, wenn sie glücklich war. Jack riss sich von ihrem Anblick los und setzte sich in die gegenüberliegende Ecke von Graces Tisch. Er hatte diesen Tisch nie gemocht, obwohl man von dort alle Tische sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Nur war sein Stammplatz, direkt neben Grace, besetzt. Von Paul. Paul, dem Anwalt. Er war größer als Jack und auch sehr gut gebaut. Seine Augen waren genauso stahlblau wie die von Grace. Seine Haare hatten schon einen leichten grauen Ansatz aber waren noch dunkelbraun. Jack hatte noch nicht einmal was gegen Paul, nein, vielleicht hätten sie sogar Freunde werden können. Aber soweit war es nie gekommen. Denn Paul war jetzt mit Jacks Grace zusammen. Die beiden waren schon so gut wie verlobt gewesen als Paul aufgetaucht war und es zwischen den beiden irgendwie gefunkt hatte. Jack war allein. Er vermisste Grace unwahrscheinlich. Die beiden kannten sich schon viele, viele Jahre und hatten viel zusammen durchgemacht. Obwohl es schon fast drei Monate mit Grace vorbei war, konnte er sich kaum damit abfinden. Es schien ihm noch immer so unwirklich sonntags nicht mehr mit ihr joggen zu gehen oder dienstags nicht mehr ihre kleine Schwester besuchen zu gehen. Mittwochs holten sie sich immer einen Film aus der Videothek, weil sowieso nicht im Fernsehen kam. Aber am meisten vermisste er den Freitag. Denn dann kamen sie immer hierher, ins `Tommys`. Sie würden ihr Bier trinken, lachen und sich über die Woche unterhalten, bis sie dann zu ihrem Lied tanzen würden…

Grace hatte Jack nicht gesehen. Jedoch hatte sie sich nach ihm umgesehen, wie sie es in letzter Zeit immer getan hatte. Sie tat es jedes Mal, wenn sie da war. Denn obwohl sie Paul liebte konnte sie Jack nicht vergessen. Zu lange hatte sie ihn gekannt und geliebt. Nie würde sie seine haselnussbraunen Augen vergessen mit den goldenen Flecken wenn er ihr sagte wie sehr er sie liebte. Oder wie sie ihr so schwarz vorkamen als sie im sagte, dass sie Paul liebte. Das waren Bilder, die tief in ihrem Herzen verankert waren. Aber sie wollte ein neues Leben mit Paul beginnen. Deswegen war sie auch jeden Freitag mit ihm ins 'Tommys' gekommen, wie es nur mit Jack getan hatte. Jedes Mal wollte sie mit Paul zu dem Lied tanzen, das eigentlich zu ihr und Jack gehörte. Sie hatte es nie geschafft. Diesen Abend jedoch wollte sie es wagen.

Jack, der Paul und Grace keine Sekunde aus den Augen ließ bemerkte, wie etwas in seiner Ex-Freundin arbeitete. Jedes Mal wenn sie das tat, an ihrem Glass nibbeln, dann war sie tief in Gedanken, kurz vor einer Entscheidung. Und Jack hatte eine Vorahnung über was sie nachdachte. In wenigen Minuten würde die Band mitteilen, dass sie Musikwünsche annahmen. Es war schon ihr letztes Lied. Und Grace wollte, Jack konnte es spüren, ihr gemeinsames Lied mit Paul tanzen. Als die Band schließlich fertig war, stand Grace auf. Jack spürte einen Knoten in seinem Hals aber er wollte keine Träne vergießen, keine einzige. Leise sagte er zu sich selbst 'tanz nicht, Grace, bitte tanz nicht'. Doch er wurde nicht erhört. Sie ging zu dem Sänger und flüsterte ihm ihren Musikwunsch zu. Der Sänger lächelte, er hatte das Lied schon lange nicht mehr gespielt. Grace ging, mit ihrem bezaubernden Lächeln, auf Paul zu. Er lächelte zurück und nahm sie in seine Arme, als die Musiker anfingen, den Raum mit der sanften Melodie zu füllen. Wie immer, bei diesem Lied, war nur ein Pärchen auf der Tanzfläche. Diesmal waren es Grace und Paul. Sie bewegten sich im totalen Einklang miteinander. Ihr kopf war an seine Brust gelehnt und ihre Augen waren geschlossen. Jack fühlte, wie es immer schwerer wurde, die Tränen zu unterdrücken. Schließlich stand es auf um nach hause zu gehen. Er drehte sich noch einmal um und war sich nicht sicher aber glaubte, eine Träne aus Graces Auge fallen zu sehen. Er war bereits draußen, als das Lied zu Ende war, doch er hörte noch den Applaus der Gäste für das Tanzpaar. Wahrscheinlich dachten, sie es wäre das gleiche Paar wie immer. Für sie war alles wie immer

END

AUTHOR: Anika (sleeplessdreamer42)
CONTACT: sleeplessdreamer42@hotmail.com
 
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Kommentare  

Was für eine rührende Geschichte.
Gut gemacht!


 (04.05.2004)

kann mich meinen vorgängern nich anschließen sorry.

IchBinSowasVonAGGRO (02.05.2004)

Endlich konnte ich auch mal in den Genuss einer deiner Geschichten kommen Anika! Wirklich nette Geschichte... und so traurig. Du solltest aber unbedingt weiterschreiben!

Julia...weißt ja wer! (31.05.2002)

Bittertraurig ist deine Geschichte. Gerade deswegen weckt sie Gefühle. Es ist uns allen wohl schon mal ähnlich ergangen...

Stefan Steinmetz (23.05.2002)

Hübsche Geschichte, getragen durch die Gefühle eines Menschen, die die meisten Menschen nachempfinden können. Diese Story hätte trotzdem ruhig noch etwas weitererzählt werden können.

b.heinrichs (19.05.2002)

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