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5 Seiten

Ein Stift redet

Kurzgeschichten · Für Kinder
Ich habe eine Geschichte zu erzählen… wer ich bin? Ich habe keinen Namen. Wir alle haben keinen Namen. Ich bin ganz gewöhnlich, an mir ist nichts besonders tolles, ich bin nicht bunt oder habe irgendwelchen Schnickschnack an mir. Nein, ich bin schlicht weinrot, etwa 15cm groß, na ja, mit dem Radiergummi am Ende sogar noch einige Zentimeter größer und ich gehöre zu Sara. Wir beide sind unzertrennlich. Seit sie mich bekommen hat, trägt sie mich immer mit sich. Mein Platz ist hinter ihrem Ohr. Ich fühle mich dort pudelwohl denn im Gegensatz zu meinen Artgenossen kann ich auf diese Weise etwas von der Welt sehen.
Sara ist ein tolles Mädchen. Ständig schreibt sie etwas auf so dass ich den ganzen Tage beschäftigt bin. Ich habe keine Angst eines Tages nicht mehr da zu sein, ich weiß, dass ich eines schönen Tages verbraucht sein werde und Sara einen Neuen zu sich holt. Bis dahin ist aber noch Zeit. Sie spitzt mich nur sehr selten an als ob auch sie Angst hätte, mich zu verlieren. Nur manchmal wenn sie in ihr Tagebuch schreibt und mir diese Dinge so peinlich sind, bricht meine Spitze einfach ab und ich muss gespitzt werden. Das ist etwas vollkommen Normales.
Meine Sara tut viel für mich. Nicht nur, dass ich immer dabei bin, egal wo sie hingeht, nein, ich muss nicht mal wie all die anderen in der stickigen, engen und nicht besonders angenehmen riechenden Federtasche bleiben sondern kann über Nacht neben dem Notizblock bleiben. Ich bin richtig stolz. So, aber ich wollte eine Geschichte erzählen. Das ist immer das Problem von uns Schreibgeräten, wir reden zuviel. Jedenfalls dachte ich mir eines Abends als Sara mal wieder über ihren Schwarm Jeff schrieb, dass ihr helfen müsste. Sie tat so viel für mich also wollte ich mich revangieren. Ich kannte Jeff. Er war bei Sara in Biologie. Als Bleistift hatte ich natürlich nicht viele Möglichkeiten aber ich wusste, dass es möglich war Jeff auf Sara aufmerksam zu machen und das würde ja erstmal ausreichen. Natürlich war es für ein Schreibgerät wie mich ein Risiko, ich würde auf mich allein gestellt sein aber Sara war es mir wert. So hatte ich einen Plan und das ist nun die Geschichte dazu:
An diesem Tag hätte mich Sara beinahe vergessen. Sie hatte verschlafen und war sogar schon aus dem Haus gewesen als sie bemerkt haben muss, dass ich nicht bei ihr war. Sie kam zurück und holte mich ab. Sie musste rennen weshalb sie mich wieder fast verlor. Es war wirklich aufregend. Ihre brauen Haare wehten durch das Rennen ständig an mir vorbei und ich hatte sogar ein wenig Angst zu fallen. Im Bus schließlich angekommen, steckte sie ihr Haar hinters Ohr und ich konnte wieder etwas sehen. Sara sah sich wie immer kurz im Bus um. Ich wusste dass sie das tat, um sicher zu gehen, dass sie keinen kannte. Im Gegensatz zu anderen wollte Sara lieber allein sein, besonders während der Fahrt zur Schule. An diesem Tag allerdings, als sie sich so umsah sah ich jemanden, den wir kannte; Jeff. Sie musste ihn auch gesehen haben, denn sie wurde nervös. Wenn Sara nervös ist nimmt sie mich meistens vor und kritzelt ein wenig auf ihrem Rucksack oder auf einem ihrer Bücher. Ich überlegte mir vielleicht schon im Bus verloren zu gehen allerdings würde das Risiko umso größer sein. Ich kam sowieso nicht dazu denn Sara hielt mich so fest, als wir ausstiegen, dass ich schon dachte, sie zerdrückt mich. Dadurch, dass ich in ihrer Hand war, hat ich eine fantastische sicht und konnte sehen, dass Jeff Sara irgendwie besonders anlächelte. Es schien gut zu laufen.
Nach der ersten stunde Mathe kam Biologie. Ich merkte Saras Nervosität. Ich wusste, dass in Biologie mein großer Auftritt kam. Irgendwie musste ich mich runterrollen lassen. Außerdem musste ich es schaffen and Jeff ranzurollen. Die Biologie Stunde kam mir wahrscheinlich länger als Sara vor. Als es schließlich soweit war bekam ich unerwartet Hilfe.

"Hi, Sara, kannst du mir vielleicht bei Chemie helfen. Ich habe gehört du bist ziemlich gut."
Das war Danielle. Sara hatte mal was über sie geschrieben. Sie war nicht unbedingt besonders nett. Aber trotz allem half mir diese Person Sara von mir abzulenken und mit all meiner Kraft rollte ich den Tisch runter und landete im Dreck. Ich konnte von unten nicht weiter als diverse Schuhe sehen und natürlich Dreck. Am anderen ende des Raumes sah ich sogar ein kleines Ungeziefer. Ich fühlte mich sehr unwohl. Ich wartete, dass irgendjemand mich aufheben würde aber es dauerte und dauerte. Ich hörte Jeff mit der Lehrerin reden. Wenigstens war er noch da. Ich konnte Sara nicht hören. Es war seltsam sie nicht um mich zu haben. Ich war plötzlich unsicher. Es hätte mein Tod sein können. Doch das Glück schien auf meiner Seite zu sein:

"Ist das nicht Saras Stift?" Ich wurde von Mrs.Zirkowski aufgehoben und konnte endlich Jeff sehen. Heute denke ich, ich sah ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht als er mich sah.

"Ja, ist es. Ich werde ihn ihr geben." Sagte Jeff und nahm mich in die Hand. Er verabschiedete sich und wir verließen den Raum. Ich hatte es geschafft. Er würde mich zurückgeben und Sara und er würden endlich reden.

"Sara, warte!" hörte ich Jeff. Er wurde etwas schneller. Ich konnte Sara sehen. Sie war sowohl nervös wie auch überrascht.

"Dein Stift." Sagte Jeff und gab mich zurück. Erst als wieder in Saras Hand war bemerkte ich, wie schweißig Jeffs Hand gewesen war.

"Danke." Murmelte sie. Es schien mir nicht, als ob die beiden sich weiter unterhalten wollten. Ich wünschte, ich hätte etwas sagen können aber so ewtas können wir Bleistifte nun mal nicht. Einen Moment starrten sie sich noch an aber dann lief Jeff weiter. Ich konnte die Enttäuschung spüren sowohl auf Seiten Saras als auch Jeffs. Meine war aber wahrscheinlich die größte. Natürlich entschloss ich mich, nicht aufzugeben. Gleich am nächsten Tag bot sich eine Gelegenheit.

Am Abend hatte Sara unglaublich viel geschrieben. Ungefähr drei Mal war ich abgebrochen und hatte somit wieder einmal an Größe verloren. Mir wurde bewusst, wie begrenzt meine Zeit eigentlich war. Ich konnte mir es kaum vorstellen. Natürlich hatte ich vorher noch etwas Wichtiges zu erledigen.
Diesmal bot sich die beste Gelegenheit auf dem Weg nach hause. Jeff war wieder mit uns im Bus aber Sara schien nicht einmal nervös zu sein. Auf jeden Fall ließ sie mich an meinem Platz. Beim Aussteigen schließlich, ließ ich mich fallen. Ich war so ängstlich, dass vielleicht jemand auf mich treten würde aber ich hatte Glück. Meine einzige Hoffnung war, dass Jeff überhaupt noch da war. Im Bus auf der Erde zu liegen ist kein Zuckerschlecken. Ständig rollte ich hin und zurück, nach links und rechts, stieß irgendwo gegen und mir war schon fast übel als der Bus wieder anhielt.

"Schon wieder?" hörte ich und fühlte, wie ich aufgehoben wurde. Es war tatsächlich Jeff. Es starrte mich an. Wenn ich nicht von Natur aus rot gewesen wäre, hätte sein Blick mich sicherlich rot werden lassen.

"Dann nehm ich dich wohl mit." Er steckte mich in seine Jackentasche. Es war unglaublich dunkel und kleine Geldmünzen stießen gegen mich. Ich hoffte, er würde mich bald wieder herausnehmen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis wir bei Jeff waren. Zu meinem Pech ließ er mich wirklich in der Jacke. Die Münzen und ich waren als sozusagen Zimmer- oder Taschengenossen. Es war ungemütlich. Der Tag kam mir deswegen länger als normalerweise vor. Es gab kein licht, keine Uhr, nichts. Nur mich und die Münzen. Ich hoffte, dass es schnell vorübergehen würde.

Am nächsten morgen musste Jeff verschlafen haben. E rannte wie ein Verrückter zum Bus. Ich freute mich schon, denn bald würde ich aus der Tasche rauskommen und wieder zu Sara können. Ich vermisste sie und fragte mich, ob sie mich auch vermisste.

"Uh, Sara, ich habe schon wieder deinen Stift gefunden." Sagte Jeff und zog mich aus der Tasche. Endlich sah ich wieder das Tageslicht.

"Danke. Ich hatte ihn noch verloren gehabt und jetzt schon zweimal hintereinander." Ich ging wieder in Saras Besitz über. Sie steckte mich an meinen gewohnten Platz hinter dem Ohr. Ich war glücklich. Als Jeff noch etwas sagte, dachte ich schon, ich würde vor Glück vergehen:

"Darf ich dich mal fragen warum du den Stift immer mit dir rumträgst?"

"Manchmal habe ich ganz spontane Einfälle, die ich sofort notieren muss weil ich sie sonst vergesse."

"Ach so."

"Was hattest du denn erwartet?"

"Keine Ahnung." Obwohl es nicht das beste Gespräch war, das die beiden führten, redeten sie immerhin. Es schien diesmal wirklich zu klappen.

"Es ist fast als ob dein Stift das mit Absicht gemacht hätte", sagte Jeff etwas verlegen.

"Ich wollte dich schon öfter mal ansprechen und dann finde ich deinen Stift – zweimal."

"Oh." War alles was Sara sagte. Ich merkte wie sie rot wurde denn ihr Ohr wurde ganz warm.

"Also wenn du willst… wir könnten ja mal was zusammen machen."

"Gern." Sagte Sara!

"Dann werde ich dich später mal anrufen." Sagte Jeff. Er versuchte seine Begeisterung zu vertuschen aber ich merkte es trotzdem.

"Meine Nummer…"

"Hab ich. Bis später, Sara!

"Bis später." Verwundert starrte Sara ihm hinterher. Als er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, nahm sie mich runter und betrachtete mich gründlich. Es war mir regelrecht peinlich.

"Du scheinst mir Glück zu bringen." Noch einen weiteren Moment sah sie mich an, dann steckte sie mich an meinen gewohnten Platz zurück und alles nahm seinen Lauf.

Das war meine kleine Geschichte. Es war das größte Abendteuer, das ich in meinem Leben erlebt habe. Außerdem brachte es mir einen wirklich besonderen Platz ein. Denn noch heute obwohl ich nur noch ziemlich klein bin, hat Sara mich dabei. Sie schreibt nur noch selten mit mir. Ein neuer Stift hat diesen Platz übernommen aber ich bin immer dabei. Sie denkt, ich bringe ihr Glück. Sie und Jeff sind jetzt schon zwei Monate zusammen und das ist mir zu verdanken. Es macht mich stolz so eine Leistung als Bleistift vollbracht zu haben. Ich denke, einige meiner Artgenossen aus Saras Federtasche beneiden mich. Aber keiner von ihnen wird jemals meinen Platz einnehmen. Ich bezweifle, dass es jemals ein Bleistift, so einfach wie ich es bin, es schaffen wird, einen Platz in dem Herzen seines Besitzers zu erlangen. Ich habe es trotzdem geschafft.


ENDE
 
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Kommentare  

Nenn' mir etwas, daß in der Literatur nicht schon dagewesen wäre. Gegenstände, Tiere, Pflanzen,... Alles war schon einmal da und wird auch immer wieder kommen. Im übrigen finde ich die Geschichte auch ganz gut.

Sonnleitner-Seegmüller (10.05.2004)

Es ist okay, aber meinem Empfinden nach fehlt zum Ende hin immer mehr "Pepp".
3 punkte ist`s mir trotzdem noch wert.


Smith (13.04.2003)

zuerst finde ich sie sehr witzig und originell. Zum schluss finde ich, verliert es etwas an originalität.
Trotzdem 4 Punkte.


mork (09.02.2003)

Das nenne ich mal eine knuffige Idee.
Wirklich eine interessante Perspektive, allein diese ist mir schon 5 Punkte wert.


Drachenlord (06.02.2003)

Süß!
5 Punkte


Norma Banzi (30.01.2003)

Also neu ist die Idee, einen Gegenstand zum Protagonisten einer Geschichte zu machen, ja nun wirklich nicht. Aber der Stift in der Geschichte ist so rührend treuherzig-menschlich, dass man ihn einfach gerne haben MUSS.
"...und mir diese Dinge so peinlich sind, bricht meine Spitze einfach ab..." - So, jetzt weiß ich wenigstens, wieso ich als Teenager so viele Bleistifte verbraten habe. Die Dinger sind mir ANDAUERND abgebrochen *gg*. Woher sollte ich auch ahnen, dass die sich schämen...
Früher schoss Amor mit Pfeilen. Heute darf's auch schon mal ein Bleistift d'Amour sein.
Wie gesagt: Thema nicht neu - aber die Umsetzung, die Umsetzung...
Mit Vergnügen 5 Punkte


Gwenhwyfar (20.01.2003)

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