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3 Seiten

Musik

Kurzgeschichten · Für Kinder
Dienstag war der Tag, den John am wenigsten mochte. Nicht nur, dass er sein gefürchtestes Fach Musik hatte, dieser Musiklehrer verdonnerte ihn meist auch noch zum Nachsitzen, weil John sich im Unterricht mit, wie er es ausdrückte, "Musikunterricht fremden Angelegenheiten" beschäftigte. So kam es, dass John am Dienstag meist bis ungefähr vier Uhr in der Schule war. Seine Mutter unternahm nicht einmal etwas dagegen, sie fand es eine hilfreiche, erzieherische Maßnahme.
Der Musikraum, in dem John nachsitzen musste, war grundsätzlich kalt. Die in einem hässlichen grün-gelbton gestrichenen, kahlen Wände und die Stille im Raum trugen nicht gerade zu seinem Wohlbefinden bei. Er saß eigentlich immer nur vor dem leeren Blatt, dass mit dem Thema der Musikstunde zu tun hatte nur leider konnte er es weder im Unterricht noch in der Nachsitzzeit ausfüllen. So war dies verschwendete Zeit. Während John dies bewusst war, schien sein Lehrer, Dr. Mabel, es nicht weiter zu interessieren. Zum Glück war er selten im Raum und John konnte sich Tagträumen zuwenden. Eines schönen Dienstags wurden seine Gedanken von der wohl schönsten Musik unterbrochen. John wäre schon fast eingeschlafen als er die sanften, harmonischen Töne eines Pianos vernahm. Sie kamen aus dem Raum, der neben seinem lag. Er hatte diesen Raum noch nie von innen gesehen aber er schien zumindest ein Piano zu besitzen. John stand auf um hinüber zu gehen, um zu sehen wer so schöne Musik machte. Natürlich stieß er mit Dr.Mabel zusammen, der in diesem Moment den Raum wieder betrat.
"Wo willst du denn hin?" fragte er.
"Auf die Toilette." Antwortete John sofort. Im Lügen war er ziemlich gut. Dr.Mabel nickte und John lief an ihm vorbei. Um zu den Toiletten zu gelangen hätte John nach links laufen müssen aber er ging nach rechts, der Musik folgend. Die Musik bezauberte ihn. Er hatte natürlich schon öfters Pianomusik gehört aber nie war er so nah gewesen und nie hatte es derartige Gefühle in ihm ausgelöst. Er war regelrecht gefangen, sein Herz schlug schneller und die Kälte, die ihn noch vor wenigen Minuten umgeben hatte, schien verschwunden zu sein. Vor der Tür hielt er jedoch an. Für einen kurzen Moment wurde ihm bewusst, wie blöd es war. Er wollte eigentlich nur sehen, wer da spielte. Warum, das wusste er selbst nicht ganz. Die Musik nahm ihn wieder vollkommen ein und er öffnete leise die Tür. Der Raum war kleiner als der in dem John gesessen hatte aber er war in dem gleichen hässlichen Farbton gestrichen. Allerdings war dieser Raum, abgesehen von dem Piano vor dem Fenster, leer. John starrte das Musikinstrument, und das davor sitzende Mädchen, an. Ihr Gesicht war zum Fenster, so dass sie ihn nicht bemerkte. John konnte nur ihre langen braunen Haare, die durch das Sonnenlicht leicht rot schimmerten, und ihre regelrecht über die Tasten tanzenden Finger sehen. Seine Augen waren darauf fixiert, wie ihre Finger mal hier und mal dort waren und dabei diese wundervollen Klänge erzeugten. Trotzdem musste er sich irgendwie bemerkbar gemacht haben, denn plötzlich hörte das Mädchen auf zu spielen. John's Herz begann noch schneller zu schlagen. Sie drehte sich um. Ihre Wangen waren gerötet und einige Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht. Das Sonnenlicht ließ sie wie einen Engel erscheinen. Ihre großen blauen Augen strahlten ihn an.
"Kennst du das Lied?" fragte sie ihn. John nickte. Wer kannte diese Lied nicht?
"Dann sing." Sie drehte sich wieder um und find von neuem an zu spielen. John war sich nicht sicher warum, aber er tat, was sie gesagt hatte; er sang. Er hatte schon immer eine ziemlich schöne Stimme gehabt aber als mit der Pianobegleitung sang, fühlte er sich wie ein Star. Die beiden waren vollkommen in ihr Lied vertieft. Sie erzeugten Klänge, die sie beide nicht für möglich gehalten hatten. Das Mädchen sah hinüber zu John und lächelte ihn an, er lächelte zurück und sang aus vollem Halse weiter. Sie mussten sehr laut gewesen sein, den Dr.Mabel stürmte rein. Er hatte vorgehabt zu schreien und zu bestrafen, aber als er die beiden sah und hörte konnte er nicht einmal mehr sprechen. Seine kleine Nichte am Klavier und sein schlechtester Schüler musizierten auf eine Weise, die einfach magisch war. Er störte die beiden nicht, er hätte es auch nicht geschafft, denn die beiden waren selbst wie verzaubert. Als das Lied zu Ende war, sahen sich die beiden Kinder an. Beide hatten ganz rote Wangen und ihre Augen strahlten. Sie bemerkten den Lehrer nicht und er entschied sich, die beiden auch nicht auf ihn aufmerksam zu machen. Er verschwand ohne gesehen zu werden. Im Flur musste er lächeln. John würde eine weitere Chance bekommen. Wenn er ihn auch im Unterricht zum Singen bekommen könnte, würde er eine 4 erreichen. Obwohl er selbst nichts zu John's scheinbar neuem Musikverständis beigetragen hatte, war er stolz. Er würde John keine 5 geben müssen. Gerade bei diesem Gedanken hörte er wieder das schöne Spielen seiner Nichte und John's fantastische Stimme. Nein, John würde keinen Grund mehr haben, um Nachzusitzen.


ENDE
 
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Kommentare  

Süüüüüß!
5 Punkte


Norma Banzi (07.03.2003)

Ein schönes Bild, die zwei Kinder im Musikkammerl; ich hätte nur zu gern auch den Ton bei der Geschichte gehört. :) Ich finde, du hast die Musikstunden & die Umgebung echt gut beschrieben - vor allem frage ich mich jetzt, ob der Musiksaal, das Kammerl daneben und selbst die Toiletten in jeder Schule gleich angeordnet sind. Bei uns wars nämlich genauso...
Allerdings haben sich unsere Störefriede in Musik nie irgendwie musikalisch hervorgetan, wir haben deshalb auch in 8 Jahren genau 1x gesungen. Umso besser finde ich die Story!


FrozenYak (06.03.2003)

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