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Brot und Spiele

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
Die Realität ist nie so schön gewesen, daß es nicht immer Unzufriedene gegeben hätte, die versucht hätten, ihr zu entfliehen. An besagten eskapistischen Anstrengungen gemessen, scheint die Wirklichkeit in unserem Goldenen Zeitalter grausamer denn je. Alles nahm seinen Anfang, als ein Teil der Affen vom Baum kam und ein anderer nach Bayern ging. Der ehemalige Affe, mittlerweile zum Urmenschen geworden, ließ sich als erstes Wesen in der Geschichte des Planeten Erde nicht ausschließlich von Instinkten lenken, sondern entwickelte eine biologische Kuriosität, die er Verstand zu nennen pflegte. Solch ein Verstand brachte einige Vorteile mit sich - er ermöglichte es dem Urmenschen, abstrakte Überlegungen anzustellen und so Lösungen für Probleme zu finden. Einer seiner entschiedenen Nachteile bestand jedoch in einem Phänomen, das der noch in den Kinderschuhen steckenden Menschheit´bislang völlig unbekannt gewesen war : Langeweile. Um sie zu bekämpfen, haben wir schon einiges ins Feld geführt - Krieg, Karaoke, Arztromane und ähnliche aus den niederen Regionen der Seele emporsteigende Scheußlichkeiten.
Schon die alten Römer hatten es auf diesem Gebiet zur Meisterschaft gebracht. Im Namen des Vergnügens wurden Bären und Löwen aufeinandergehetzt, Amphitheater mit Wasser gefüllt und blutige Seeschlachten veranstaltet oder zwei Menschen, die sich noch nie zuvor begegnet waren, mit Waffen ausgerüstet und gezwungen, entweder zu töten oder zu sterben, all das unter dem Motto "Brot und Spiele".
Der moderne Durchschnittsmensch braucht sich nicht einmal mehr aus dem Haus zu begeben, um seine Gehirnfunktionen nach einem uninspirierten Arbeitstag auf ein Mindestmaß zu reduzieren - er läßt sich, ausgerüstet mit Bier, Kartoffelchips, aus genetisch verändertem Mais hergestellten importierten Schokoriegeln und in Styropor verpackten, fettigen, mit Borstentierschamhaaren und Schweinenachgeburten versetzten Fleischnebenprodukten in seine durchgesessene Sofakuhle fallen und widmet sich hingebungsvoll der Berieselung. Wie soll man sonst noch wirklich zur Ruhe kommen - völlig abschalten und das Stammhirn die Kontrolle übernehmen lassen, makellos schönen Menschen beim Stottern leicht verdaulicher Dialoge zusehen und täglich den Helden beim Retten der Welt anfeuern? Wo sonst wird heute noch garantiert, daß das Gute über das Böse siegt? Die Behauptung, das Fernsehen sei für die zunehmende Rückverdummung der Bevölkerung verantwortlich, erweist sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar - wo sonst erfährt das wissbegierige Kind, daß ein Kaugummi, über die brennende Lunte geklebt, die Bombe vom Explodieren abhält? Wie sonst könnten sich Zwölfjährige ein wahrheitsgetreues Bild vom Ablauf eines Schäferstündchens zwischen älteren Artgenossen machen, gäbe es nicht die sagenhaft authentischen SAT1-Filme? Auch das Argument, das Fernsehen entfremde und lasse uns alle vereinsamen, ist eindeutig zu widerlegen. Wo erfährt man mehr über seine Mitmenschen als in den allnachmittäglichen Talkshows? Wo sonst kann man sich heute, im Post-Sex-Zeitalter, noch die totale Befriedigung holen, wenn nicht im Fernsehen? Der Voyeur vor der Mattscheibe kommt hier ebenso auf seine Kosten wie der Exhibitionist, der endlich Gelegenheit findet, der gesamten Menschheit seine Besuche im Pärchenclub ebenso zu beichten wie seinen Ödipuskomplex und seine Folterkammer inklusive Domina im Keller, zu deren Salonfähigkeit das Fernsehen ebenfalls enorm beigetragen hat.
Da wundert es wenig, daß viele Kinder ihren Fernseher als drittes und liebstes Elternteil bezeichnen, was nicht einer gewissen Logik entbehrt - der Fernseher hat immer Zeit für das Kind, er schimpft nie, weil es den kleinen Bruder gehauen hat; er erzählt die besten Gutenachtgeschichten und belästigt das Kind nie mit seinen eigenen Problemen. Er funktioniert einfach, und solange er funktioniert, bleibt unsere Welt heil.
 
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Kommentare  

Bis auf den Schluss, welcher in -gut nachvollziehbarem- Verdruss gegen das Fernshen endet, fand ich das sehr erfrischend. Und so wirklich schlecht ist der Schluss auch nicht...der "Schulaufsatz" war gut zu lesen!

Dr. Ell (23.09.2009)

war langeweilig

anonym (24.07.2008)

gefällt mir ganz gut! aber irgendwie dachte ich auch das gleiche wie sven... zitiere: -*War das ein Schulaufsatz?*-
naja es wird ein "gut";)
lg darkangel


darkangel (18.06.2007)

Hallo, gefällt mir auch sehr gut, schön wahr! lg Sabine

Sabine Müller (02.04.2006)

............"Da wundert es wenig, daß viele Kinder ihren Fernseher als drittes und liebstes Elternteil bezeichnen, was nicht einer gewissen Logik entbehrt - der Fernseher hat immer Zeit für das Kind, er schimpft nie, weil es den kleinen Bruder gehauen hat; er erzählt die besten Gutenachtgeschichten und belästigt das Kind nie mit seinen eigenen Problemen................."

Vor allem darf man eins nicht vergessen, das TV ist der billigste Babysitter !!!!!!!!!!!!!!!!


P.Urzel (06.07.2005)

Sehr makaber und sehr war.
4points

gruss pascal


Pacal Gut (23.05.2004)

Eine wirkliche Satire, so ist sie mir doch etwas zu kurz geraten.
Aber gute Einfälle um das Thema umzusetzen, dass muss ich dir lassen. Pro-Argumente, die volle Kanne zurückgefeuert werden, gut gewählte Beispiele und ein spöttischer Schlusssatz.
Doch verstehe ich den Anfangssatz nicht, selbst wenn man ihn negativiert (also das 'nie' und das 'nicht immer' in immer umsetzt), was den Sinn eigentlich wiedergeben sollte, ist irgendetwas nicht rein. Es liegt wahrscheinlich am Konjunktiv, der passt da nicht rein.
Und: Was ist mit 'in Styropor verpackten ... Fleischnebenprodukten' gemeint?

Alles in allem ein Gut!


Redfrettchen (02.11.2003)

Ein von uns selbst geschaffenes und bezahltes Instrument der Berieselung... fein und gut temperiert bestäubt, ja benetzt es unsere Sinne, wie die Wassermoleküle im sterilen Gewächshaus dieser Tage, und wird baldigst die Manipulation auch die Gene treffen, die den Geist erzeugen... wird es erst richtig spannend, welche Auswüchse wir imstande sein werden... über die Mattscheibe flimmern zu lassen... Die Frage der Fragen... wann kommt die erste Reality-Menschenjagd??? und wer jagd dann wen???

Teleny (04.03.2003)

Gar köstlich! Mir gefällt sowohl der Stil als auch die ausgezeichnete Wortwahl und die gute Beobachtungsgabe deinerseits sehr! Mich interessiert allerdings auch, warum hier ganz offensichtlich keinerlei Kommentare aus Bayern abgegeben wurden.. *grins* Volle Punktzahl erreicht.

Trainspotterin (11.12.2002)

Bravo, super! Ich habe beim Durchlesen Tränen gelacht. Brot und Spiele? Die ollen Römer mussten wenigstens irgendwann das Kolosseum wieder verlassen und sich anderen Dingen zuwenden. Heute ist die Dauerberieserlung und -beschallung wenn schon nicht durchs Fernsehen, dann doch wenigstens durchs Radio überall gewährleistet. Plus der Nachrichten, die man gar nicht hören will. Man bekommt sie in Großraumbüros ebenso serviert wie in Wartehallen, öffentlichen Gebäuden, Kaufhäusern, Supermärkten - und teilweise sogar schon in den Wartezimmern der Arztpraxen. Ein Hoch dem Informationszeitalter - Nero & Co würden ausflippen!
Was Herrn Benson betrifft: Entweder hast Du hier einen SAT-!-Schmuddelfilm-Konsumenten oder einen Mitarbeiter des Öffentlich-Rechtlichen auf dem falschen Fuß erwischt.
5 Punkte


Gwenhwyfar (09.07.2002)

hallo Sven Benson, wer bist du? habe mich krank gelacht über dein kommentar

spaß beiseite,
mir gefällt die geschichte, ist ja auch die wahrheit, was du schreibst.


Alice (06.09.2001)

*War das ein Schulaufsatz?*
Auch du bist augenscheinlich dieser Faulheit verfallen, von der du dich abzugrenzen suchst.
Kuriositäten - wie die Vernunft eine biologische Kuriosität zu nennen - überdecken nicht deine unkonzentrierte Ausarbeitung des Themas, und deine mehr als fragwürdigen und einseitigen Schlussfolgerungen.
Du wählst die Form des Essay, diese aber setzt nicht nur Objektivität - zu der ich dir dringend raten würde - sondern auch differenzierte Auseinandersetzung voraus.


Sven Benson (22.05.2001)

Gut dargestellt und gut geschrieben! Kompliment!

SabineB (09.05.2001)

Klasse. Schreibst du zufällig Kolumnen für irgend eine Zeitung? Wenn nicht, solltest du das vielleicht mal tun!
Gruß, Georg


Georg Blischke (01.03.2001)

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