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24 Seiten

Bat out of Hell

Romane/Serien · Schauriges
Obschon es bereits dämmerte, spielte der kleine Timmy noch mit seinem Hund Flakey vor der riesigen Scheune herum, hinter der die Sonne langsam versank und den Himmel in ein feuriges Rot tauchte. Der Sommer ging schon zuende, die Tage wurden kürzer, die ersten Blätter fielen von den Bäumen, und nachts wurde es so kalt, dass sich dadurch eine gespenstische Stille über die kleine Farm vor den Toren des Städtchens Pandora legte.
In diesem Moment nahm Flakey eine Witterung auf, löste sich aus Timmys Armen und rannte wild kläffend in den Stall. Timmy blickte ihm nach, und als das Bellen des Hundes verstummte, stand er auf und rannte ihm nach. Die Scheune warf bereits einen langen, düsteren Schatten auf den Hof, der Timmy jetzt vollständig verschluckte. Nur das Rufen nach seinem Hund war noch zu hören als der Junge sich der Scheune näherte. Da Flakey nicht reagierte, rannte Timmy in die Scheune, in der der Trecker und andere Gerätschaften seines Vaters standen, hinein, um den kleinen Schäferhundwelpen zu suchen. Noch immer erhielt er keine Antwort, und so dachte er sich, das Tier würde wohl Verstecken mit ihm spielen wollen. Ohne, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bahnte Timmy sich seinen Weg durch die landwirtschaftlichen Maschinen, wobei er immer wieder nach Flakey rief und trotzdem keine Antwort erhielt. Hier in der Scheune roch es nach Stroh und ein wenig moderig, Timmy wusste, dass es hier überall Spinnennetze gab, und normalerweise fürchtete er sich ein wenig vor dem alten, dunklen Gebäude, doch daran dachte er jetzt nicht. Er war ganz in sein Spiel versunken und dachte nur daran, seinen Hund zu finden, so dass er auch nicht auf die große Sense achtete, die dort an der Wand lehnte, stolperte und unsanft auf dem Boden landete. Er stieß einen erschrockenen Schrei aus, doch das war alles, was er hervorbringen konnte, denn in diesem Moment stürzte sich etwas kleines, pelziges auf ihn, was den Jungen erneut zusammenzucken ließ.
Draußen trat Timmys Mutter auf die Veranda, ließ suchend ihren Blick über den Hof schweifen und runzelte dann die Stirn. Etwas wie Furcht trat in ihre Augen, und so rief sie: ?Jim, das Essen ist fertig. Wo ist Timmy?? Ihr Gatte, der bis eben am Motor seines alten Chevy beschäftigt gewesen war, kam unter der Motorhaube hervor, sah sich ebenfalls um und versprach dann, den Jungen zu suchen und sofort hereinzukommen. Während seine Frau wieder im Haus verschwand, rief Jim Bowden nach seinem Sohn und dessen Hund, bekam aber keine Antwort. Es war keine zehn Minuten her, da hatte er die beiden noch hier herumtollen sehen, was bedeutete, dass sie nicht weit sein konnten. Timmy konnte eigentlich nur in der Scheune sein, wenn er nicht im Haus war, denn überall anders hätte Jim ihn hier bei der Weite des übersichtlichen Farmlandes sehen müssen. Also schnappte er sich seine Taschenlampe, die noch ölverschmiert war und trat in die Scheune. Er leuchtete um sich und rief Timmys Namen, erhielt aber, genau wie sein Sohn als der zuvor nach Flakey gerufen hatte, keine Antwort. Jim ging ein paar Schritte weiter, leuchtete im Kreis um sich herum, dann glaubte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung hinter dem großen Anhänger auszumachen. ?Timmy? Bist du hier??, rief er in die lautlose Dunkelheit hinein. Den Strahl seiner Taschenlampe wie eine Waffe vor sich hertragend, ging Jim langsamen Schrittes auf den großen Anhänger zu und umrundete ihn zögerlich, während eine eigenartige Beklemmung vom Magen her in ihm aufstieg und ihm das Atmen schwer machte. Schritt für Schritt kam er der Stelle näher, an der er die Bewegung wahrgenommen hatte, und mit jedem Schritt breitete sich die Angst, jene Angst, die ihm einredete, dass hier etwas nicht stimmte, mehr in seinem Kopf aus. Einen Augenblick lang dachte Jim sogar daran, umzukehren, dann kam ihm der Gedanke jedoch absurd und lächerlich vor und mit mühsam festen Schrittes umrundete er den Anhänger ganz und richtete den Strahl der Taschenlampe vor sich auf den Boden.
Das, was er erblickte, ließ ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen und das Blut in seinen Adern gefrieren. Jim war im Grunde ein Mann, denn nichts erschüttern konnte, der immer genau wusste, was er Tat und in jeder Situation Herr der Lage war. Jetzt jedoch brach all die Stärke und Unerschrockenheit, die er sonst nach außen trug wie ein Kartenhaus in sich zusammen, seine Knie wurden weich und sämtliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht. Dort vor ihm lag der Hund seines Sohnes mit weit aufgerissenen Augen in seltsam verkrümmter Haltung und mit überall blutbespritzten Fell, und direkt daneben Timmy in ähnlicher Haltung. Jim beugte sich über den leblosen Körper seines Sohnes, aber es war zwecklos. Der Junge war tot, grausam dahingemetzelt von etwas, das nicht menschlich sein konnte, denn kein Mensch konnte zu so etwas fähig sein. Tränen schossen Jim in die Augen und ein gequälter Schmerzenslaut entrang sich seiner Kehle. Seine Gedanke überschlugen sich, er fragte sich, wer fähig war, etwas derart Grausames zu tun, er fragte sich, ob er träume und er fragte sich, ob er dieses Bild des unschuldigen kleinen Jungen, der hier vor ihm so bestialisch zugerichtet wie wertlos auf der Erde lag, jemals wieder los werden würde. Und dann musste Jim erkennen, dass er jenes Bild nicht wieder los werden würde, weil es nämlich das letzte sein würde, dass er zu Gesicht bekam. Denn gerade als er sich wieder aufrichten wollte, schoss aus dem Schatten etwas auf ihn zu und packte ihn mit kräftigen Klauen, deren Krallen sich in seine Haut gruben. Jims Verstand lief mit einem Schlag wieder auf Hochtouren, ihm wurde bewusst, dass dies der Grund war, warum Timmy sein Leben lassen musste, und er versuchte sich mit Leibeskräften zu wehren. Aber es nützte nichts mehr, seine Gegenwehr kam zu spät, und schon bohrten sich scharfe Reißzähne in seinen Hals, trafen die Aorta und rissen dann auch schon seinen Kopf gänzlich vom Rumpf. Jims Körper sackte tot neben den seines Sohnes, und sein Blut tränkte die staubige Erde, und der Strahl der Taschenlampe flackerte kurz auf, bevor er schließlich auch erlosch.


*****


Das dumpfe Motorengeräusch weckte Janet, und sie stürzte ans Fenster. Gerade in diesem Augenblick parkte Billy Tyler seine Harley mitten vor der Garage von Janets Vater und stieg ab. Sie rannte die Treppe hinunter und ihm entgegen, um ihm die Tür zu öffnen. ?Komm schnell rein, bevor dich mein Vater noch sieht.?, rief sie, dann umarmte sie ihn leidenschaftlich und schloss hastig die Tür, damit nicht irgendein neugieriger Nachbar mehr sah als er sehen brauchte. ?Dein Vater ist aber nicht hier?, entgegnete Billy mit einem vielsagenden Lächeln als er sich aus ihrer Umarmung löste, ?er ist drüben im Denny?s, da hat es nämlich ein Feuer gegeben, das ihn noch die halbe Nacht beschäftigen wird.? Janet konnte nicht anders, sie musste sein Lächeln erwidern, auch wenn ihr bei dem Gedanken, ihn hier im Hause zu haben, nicht wohl war. Sie wusste genau, dass ihr Vater, der Polizeichef von Pandora, nicht gut auf Billy zu sprechen war. Billy war schon immer ein Unruhestifter gewesen, jemand, der sich von anderen nichts sagen ließ, und diese Angewohnheit hatte ihn immerhin sogar bis ins Gefängnis gebracht. Trotzdem wusste Janet genau, dass er unter seiner harten Schale kein übler Kerl war, sondern ein junger Mann, der sie aufrichtig liebte, und vor allem, den sie aufrichtig liebte. Sie wusste, dass er in seinem Herzen nichts Böses trug, höchstens Wut, Wut auf das Leben, das so ungerecht war. Er bemühte sich dennoch, alles richtig zu machen, nur war das für niemanden leicht, erst Recht nicht für einen Jungen, der ohne Eltern aufgewachsen war und sich Zeit seines Lebens alleine durchschlagen musste. Für Janet war Billy der wundervollste, zärtlichste und auch aufrichtigste Mensch, der ihr je begegnet war, denn sie kannte ihn besser als all die anderen, die schlecht über ihn redeten. Allerdings würde ihr Vater das nie verstehen, denn schließlich war Billy vor drei Jahren schon einmal mit ihrer Schwester zusammen gewesen, und deswegen in den Augen ihres Vaters ein Macho, ein Nichtsnutz und ein Verbrecher.
Billy küsste sie, bevor er vorschlug: ?Wir haben die ganze Nacht Zeit. Willst du dich nicht umziehen, und wir fahren irgendwo hin?? Zu gerne hätte Janet zugestimmt, am liebsten wollte sie bis zum Rest ihres Lebens mit ihm zusammen sein, sich hinter ihn aufs Motorrad setzen, losfahren und dann irgendwo ganz neu anfangen. Leider hatte sie hier aber Verpflichtungen, die sie nicht einfach hinter sich lassen konnte, und ihr Pflichtbewusstsein hinderte sie daran, ihren Träumen nachzugeben. ?Nein, Billy?, wehrte sie ihn ab, ?ich muss heute hier bleiben. Ich habe es meinem Daddy versprochen.? Billy verdrehte die Augen und schluckte eine Bemerkung hinunter. Dennoch hatte seine Stimme einen gereizten Unterton als er seinen zweiten Vorstoß wagte und fragte: ?Dann lass uns hier bleiben, und ich verspreche dir, noch bevor der erste Sonnenstrahl auf dieses Nest herunterscheint, bin ich wieder verschwunden.? Die Verlockung, ihm nachzugeben war groß, und wenn sie jetzt ablehnte, kannte sie die Diskussion, die dann folgen würde. Er würde ihr vorhalten, sie sei erwachsen, nicht für ihren Vater verantwortlich und müsse an sich selbst denken. Sie wusste genau, dass er damit Recht hatte, und doch konnte sie ihren Vater nicht alleine lassen und nicht aus ihrer Rolle herausschlüpfen, seitdem ihre Mutter sie vor Jahren verlassen hatte, und seitdem ihre Schwester nach New York gezogen war, war sie der einzige Lichtblick im Leben ihres Vaters, wie er immer sagte, die einzige, die ihn davon abhielt, mehr zu trinken als gut für ihn war, und der einzige Grund, weiterzuleben. Diese Verantwortung konnte Janet nicht einmal für Billy abwälzen, sie konnte lediglich hoffen, dass die beiden einander irgendwann akzeptieren würden.
Noch bevor sie Billy eine Antwort gab, wusste er, was sie sagen wollte und legte ihr den Finger auf den Mund. Er hatte verstanden, auch wenn er es nicht begreifen konnte, und er gab ihrem Willen nach, was Janet auch wiederum einen Stich versetzte. Sie wusste, wie weh sie ihm mit ihrer Zurückweisung tat, hatte Angst, dass sie ihn dadurch eines Tages verlieren würde, und doch konnte sie nicht aus ihrer Haut. Die Tränen schossen ihr in die Augen, und Billy nahm sie schweigend in seine starken Arme, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn als wäre sie ein kleines Mädchen und flüsterte ihr ins Ohr, dass er sie liebte.
In diesem Moment hörte man draußen einen Wagen in die Einfahrt biegen, den Wagen ihres Vaters. Dann das Zuknallen der Autotür, ein lautes Fluchen, schritte auf dem Gehweg und schließlich den Schlüssel in der Tür. ?Billy Tyler!?, schrie Janets Vater aufgebracht als er das Haus betrat, ?Wenn du nicht sofort dein Motorrad von meinem Grundstück fährst, fahre ich dieses Ding zu Schrott, das verspreche ich dir!? Janet wand sich aus Billys Armen und wollte ihren Daddy beschwichtigen, doch Billy hielt sie zurück und trat dem Scherriff selbst unter die Augen. ?Oh, Mr. Foley, haben sie den Brand im Denny?s etwa schon aufgeklärt? So schnell hatte ich sie nicht eingeschätzt.?, forderte Billy ihn heraus, wobei er ihn feindselig ansah. Man merkte dem Polizisten an, wie müde und abgespannt er war, und dass ihm jetzt auch noch Billy über den Weg lief, schien ihm keinesfalls zu passen. Daher öffnete er mit einem Ruck die Tür, bedeutete Billy, dass er schnellstmöglich sein Haus zu verlassen habe und brüllte: ?Wenn du nicht augenblicklich hier verschwindest, schwöre ich dir, dass ich einen Weg finde, dir die Brandstiftung anzuhängen.?
Billy musste einsehen, dass er am kürzeren Hebel saß, und so trat er den Rückzug an, allerdings nicht, ohne sich vorher noch mit einem langen Kuss von Janet zu verabschieden. ?Eines Tages?, zischte er beim Rausgehen zwischen den Zähnen hervor, ?werde ich ihnen alle Kreaturen der Hölle auf den Hals hetzen.?, aber da knallte Scherriff Foley auch schon die Tür hinter ihm zu.
Janet, die nichts tun konnte, um das Verhältnis zwischen den beiden zu verbessern, begrüßte ihren Vater nur knapp und verschwand dann auf ihr Zimmer. Vom Fenster aus konnte sie noch sehen, wie Billys Harley die Straße hinunter verschwand, und sie wünschte sich für einen Moment, sie wäre doch mit ihm gefahren.


*****


Die Sonne war längst untergegangen, und der Mond und einige Sterne erhellten die weite Ebene rund um Pandora. Die Stadt lag friedlich da, die Häuser wurden von warmem Licht erleuchtet, Stille hatte sich wie eine Decke über das Land gelegt, nur von Zeit zu Zeit hörte man den Schrei einer Eule oder das leise Brummen eines Trucks auf dem entfernten Highway. Todd hatte seinen Wagen zum Golden Rock gefahren, von wo aus man einen Überblick über das gesamte Tal hatte. Im Radio spielte leise Rock 'n' Roll Musik, und er hatte seinen Arm um Linda gelegt, die neben ihm auf dem Beifahrersitz saß. Erst vor einem Monat war er sechzehn geworden, aber schon lange hatte er auf diesen Wagen gespart, und jetzt endlich konnte er auch mit einem Mädchen zum Golden Rock fahren, wo der Legende nach schon jeder Einwohner der Stadt eine heiße Nacht verbracht hatte. Nicht, dass es das erste Mal gewesen wäre, dass er Linda verführt hätte, doch die Atmosphäre hier gab dem Ganzen etwas Besonderes.
Todd sah seiner Freundin tief in die Augen, dann zog er ihren Kopf näher zu sich heran und küsste sie wild und begierig. Am liebsten wäre er sofort über Linda hergefallen, denn er hatte schon den ganzen Tag lang an nichts anderes denken können. Er wusste aber, dass sie es nicht mochte, wenn er zu forsch war, und darum hielt er sich zurück. Dennoch tastete sich seine Hand langsam von ihrem Knie ihren Oberschenkel hinauf, während seine Zunge mit ihrer spielte, und er merkte, wie sich in seiner Hose etwas spannte. Als seine Hand ihren Hintern erreicht hatte, streichelte er sie zärtlich, was ihr ein unterdrücktes Glucksen entlockte, und das nahm er als Zeichen, um sich mit der anderen Hand einen Weg unter ihre Bluse zu bahnen. Dann erst spürte er, dass auch ihre Hand zwischen seine Beine gewandert war und sich dort mit vorsichtigen Bewegungen an seinem Hosenstall zu schaffen machte. Ihr Drängen ließ auch ihn forscher zu Werke gehen, und wenn er vor einer Minute noch darüber nachgedacht hatte, wie sie es sich in dem engen Wagen am besten bequem machen könnten, gab er sich jetzt ganz seinem Gefühl hin und ließ einfach passieren, was passierte. Vorsichtig berührte er ihre Brüste, strich sanft darüber und spürte, wie ihre Nippel hart wurden, was auch auf ihn nicht ohne Wirkung blieb. Sie zog ihn zu sich hinüber und fuhr gleichzeitig die Lehne ihres Sitzes nach hinten, so dass er auf ihr zum Liegen kam, ohne dass ihre Lippen sich auch nur eine Sekunde voneinander gelöst hätten. Todd lief ein angenehm kalter Schauer über den Rücken, während er ihr die Bluse über den Kopf streifte und sie langsam seinen Gürtel öffnete. Ihre prallen, runden Brüste sahen im Licht des Armaturenbretts geradezu paradiesisch aus, und ihr Lächeln ließ ihn alles um sich herum vergessen. Als er ihre Hose öffnete und mit der Hand in ihre Unterhose fuhr, tat sie das gleiche bei ihm, und er konnte sich ein leisen Aufstöhnen nicht verkneifen. Linda fühlte sich unter ihm wie flüssiges Wachs an, so weich und so warm, und auch er selbst hatte das Gefühl, sein Blut würde kochen. Jetzt gab es kein Halten mehr, er hatte kaum noch Kontrolle über sich, riss sich Hose und Unterhose mit einem Ruck herunter und schmiegte sich ganz nah an sie.
Doch in diesem Moment erstarrte sie unter ihm, drückte ihn an den Schultern von sich weg und fragte dann: ?Todd, da war doch was. Hast du das nicht auch gehört?? Das einzige, was Todd gehört hatte war sein vor Erregung pochendes Herz gewesen, sonst nichts. ?Ach, da war nichts?, versuchte er sie zu beruhigen, ?das war nur ein Pfeifen im Wind oder so.? Linda nahm ihm die Erklärung ab, gab ihren Widerstand auf, und küsste ihn wieder. Noch einmal drückte er seinen Körper an den ihren und drang dann vorsichtig in sie ein. Von nun an würde er keine Störung mehr zulassen, würde sich nur noch der Liebe zu Linda hingeben, am liebsten die ganze Nacht hindurch.
Und dann hörte Todd es plötzlich auch. Zuerst ein Rauschen über ihnen, dann ein schwerer Schlag und schließlich ein Scharren auf dem Dach des Wagens. Linda sah ihn ängstlich an und ergriff instinktiv seine Hand, danach fragte sie, was das sei, als ob er ihr einen Antwort darauf geben könnte. ?Sieh doch bitte mal nach?, bat sie mit zitternder Stimme, ?Das macht mir Angst.? Es blieb ihm wohl nichts anders übrig, und so zog er sich hektisch wieder an, kletterte auf die Fahrerseite und öffnete dann vorsichtig die Tür. Zu sehen war nichts, und selbst die Geräusche waren verstummt. Am liebsten hätte er die Tür sofort wieder zugemacht und dann verschlossen, doch auf Lindas Bitten hin stieg er aus und ließ seinen Blick zunächst über die Ebene schweifen. Hier war nichts zu sehen, der Hügel lag unverändert vor ihnen, und doch machte ihn etwas stutzig. Nicht der geringste Laut war zu hören. Kein Rauschen des Windes, kein Rascheln von Tieren im Gestrüpp, nicht einmal das Rufen einer Eule hörte er. Langsam, ganz langsam drehte er sich zum Wagen um, und das, was er auf dem Dach sah, ließ ihn einen Schrei ausstoßen und einige Schritte rückwärts stolpern.
Dort auf Todds Wagen saß eine riesige behaarte Fledermaus, bestimmt so groß wie ein ausgewachsener Schäferhund, mit furchteinflößenden Klauen an den Füßen und bräunlichen Flügeln mit enormer Spannweite, die den Jungen aus gelben Augen gierig anstarrte. Todd stockte der Atem, seine Gedanken überschlugen sich, er drehte sich um, wollte weglaufen, geriet dabei ins Stolpern und fiel der Länge nach hin. Dies nutzte die Kreatur, um sich auf ihn zu stürzen, ohne dass er etwas hätte tun können, saß das Tier über ihm, grub seine Krallen tief und schmerzhaft in Todds Brust und bleckte die messerscharfen langen Zähne in seinem Maul, aus dem Todd ein fauliger Gestank entgegenströmte. Jede Gegenwehr war zwecklos, die Fledermaus war zu stark für ihn, die kräftigen Füße krallten sich fest in seine Brust, so dass das Blut hervorspritzte, dann schnellte der Kopf der Bestie vor, und Todd hatte keine Chance als ihm die spitzen Fangzähne das Gesicht zerfetzten.
Aus dem Augenwinkel heraus erkannte er, dass Linda noch immer im Wagen saß und sich die Szene wie gelähmt vor Schreck mit ansah. ?Lauf weg!?, brüllte er ihr mit letzter Kraft zu, ?Hau ab und bring dich in Sicherheit!? Das lenkte die Fledermaus für den Bruchteil einer Sekunde ab, sie drehte ihren Kopf in Richtung des Autos, und diesen Moment nutzte Todd wie aus einem Reflex heraus, um sich zu befreien. Er sah, dass Linda die Straße entlang rannte, genau auf die Stadt zu, und darum rappelte er sich mit seinen allerletzten Kraftreserven auf und stolperte in die entgegengesetzte Richtung. Todd wusste, dass er keine Chance haben würde, wenn dieses Monster ihm folgen würde, aber je länger er sich noch wehren konnte, desto größer war Lindas Chance zu überleben.
In Todesangst stürzte er auf den Wald zu, doch hinter sich hörte er auch schon die Fledermaus, konnte ihren Atem geradezu in seinem Nacken spüren. Noch drei Schritte, dann hatte er das Unterholz erreicht, das ihm vielleicht Schutz bot. Noch zwei Schritte. Noch einen. In diesem Augenblick grub sich ein entsetzlicher Schmerz in seinen Unterschenkel, er wurde zu Boden gerissen, und die andere Kralle seines Verfolgers bohrte sich in seinen Rücken. Todd schrie auf, zappelte wie ein Schwein am Spieß, trat um sich und versuchte mit den Armen sein Gesicht zu schützen. Das alles war zwecklos. Die Fledermaus, als hätte sie übernatürliche Kräfte, packte ihn im Nacken und in der Hüfte, es knackte einmal laut, dann hatte das Tier Todds Körper in zwei Hälften gerissen.
Achtlos ließ es von seiner Beute ab, erhob sich mit seinen mächtigen Schwingen in die Luft und nahm die Verfolgung des Mädchens auf. Kaum hundert Meter weiter, rannte Linda in entfesselter Panik die Straße entlang, schrie, heulte, Tränen liefen ihr über das Gesicht, und sie war unfähig, auch nur einen Gedanken zu fassen. Sie lief um ihr Leben, verstand nicht, was passierte, und die Bestie war dicht hinter ihr.


*****


Nachdem er bei Janet aufgebrochen war, lenkte Billy seine Maschine zum Ravishing Inn, einer Bar, die so gar nicht zu ihrem Namen passen wollte, er war stocksauer auf Scherriff Foley und vor allem auf sich selbst und brauchte jetzt erst einmal ein Bier. Als er eintrat, ließ er sich auf einen Hocker an der Theke sinken, bestellte sich ein großes Budweiser und zündete sich eine Zigarette an. Hier war er wenigstens willkommen. Ellen bediente ihn wie immer mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen, da sie aber merkte, dass er keine Gesellschaft, sondern bloß Ablenkung suchte, ließ sie ihn in Ruhe, warf einen Dollar in die alte Jukebox und ging wieder ihrer Arbeit nach.
Billy starrte in sein Glas und dachte an Janet. Wie schön alles sein könnte, wenn sie von hier fortgingen, dachte er sich, nur glaubte er inzwischen nicht mehr daran, dass seine Träume jemals wahr werden würden. ?Hey, ich habe gefragt, ob du gegen uns spielen willst!?, brummte ein stämmiger Typ im Holzfällerhemd neben ihm, und Billy bemerkte erst jetzt, dass dieser Schrank mit ihm sprach. ?Nein danke, kein Interesse?, murmelte Billy, ohne ihn anzusehen und schob den Billardqueue von sich, den der andere ihm hinhielt. Leider schien er das Wort nein nicht zu kennen, denn jetzt standen plötzlich seine drei Kumpels um ihn herum und verschränkten allesamt die arme vor der Brust. ?Wir haben aber gehört, dass du der beste hier sein sollst?, forderten sie ihn heraus, ?und wir würden gerne testen, ob da was dran ist.? Billy erhob sich langsam und tief einatmend von seinem Hocker. Dann schaute er demjenigen, der ihn zuerst gefragt hatte ins Gesicht und wiederholte: ?Nein danke, ich habe kein Interesse, gegen euch Hinterwäldler zu spielen.? Er hatte den Satz kaum beendet, da holte der Angesprochene zum Schlag aus und ließ seine Faust nach vorne sausen. Billy wich ihm aus, da er mit dieser Reaktion gerechnet hatte und verpasste dem Schrank nun seinerseits einen gezielten Schlag in die Magengrube.
Danach ging alles sehr schnell, die sechs Typen stürzten sich auf Billy, der wehrte sich ohne Rücksicht auf Verluste, und es dauerte nicht lange, dann gingen die ersten Gläser zu Bruch, einer der Angreifer landete unsanft auf einem Tisch, und ein Stuhl zerbarst auf der Theke, der sicher ein anderes Ziel getroffen hätte, wenn Billy sich nicht in der letzten Sekunde geistesgegenwärtig geduckt hätte. In kürzester Zeit war die schönste Keilerei im Gange, ein paar Freunde kamen Billy zu Hilfe, bald schlug jeder auf jeden los, und für Billy war es die beste Möglichkeit, um seine angestauten Aggressionen los zu werden.
Ellen war es, die Angst um die Bar bekam und schließlich die Polizei rief. Alleine hätte sie niemals für Ruhe sorgen können, und da die Versicherung nicht für die Schäden aufkommen würde, fackelte sie nicht lange und wählte Scherriff Foleys Nummer. Nur wenige Minuten später traf er zusammen mit einem weiteren Streifenwagen ein, die Polizisten stürmten herein, brachten die sich prügelnden Männer auseinander und legten ihnen sicherheitshalber Handschellen an.
Billy zuckte zusammen als er das kalte Metall um seine Handgelenke spürte, denn es erinnerte ihn an vergangene Zeiten und daran, dass er niemals zurück ins Gefängnis wollte. ?Billy Tyler!?, dröhnte Foleys Stimme durch den Raum, ?Ich hätte es mir ja denken können, dass du früher oder später Ärger machst.? Ohne etwas zu erwidern hielt Billy seinem durchdringenden Blick stand und biss sich dabei auf die Unterlippe. ?Aber diesmal reicht es?, fauchte Foley weiter, und nicht ohne einen gewissen triumphalen Unterton, ?jetzt wanderst du zurück in den Knast, darauf kannst du Gift nehmen.? Mit einem Ruck riss Billy sich von Foley Kollegen los, der ihm die Handschellen angelegt hatte und wollte zur Tür hinaus, aber der Scherriff stellte sich ihm in den Weg, die Hand an seiner Dienstwaffe, damit es kein Entkommen gab. Billy hatte keine Ahnung, was Janets Vater ihm anhängen konnte und wollte, er wusste nur ganz sicher, dass er nicht zurück ins Gefängnis gehen würde, vorher würde er aus Pandora fliehen oder Amok laufen.
Jetzt aber wurde er von Foley zunächst einmal zu dessen Wagen bugsiert, auf den Rücksitz verfrachtet, um dann zur Wache gefahren zu werden. Es sah alles andere als gut aus, doch Billy wusste, dass er eine Möglichkeit finden würde, dem Knast zu entgehen. Er hatte sich doch nichts zu Schulden kommen lassen. Ellen würde bestätigen können, dass der andere die Schlägerei angefangen hatte, dafür würde Foley ihn niemals einbuchten können, auch wenn seine Liste von Vorstrafen noch so lang war.
Gerade in dem Moment als der Scherriff den Motor startete, erreichte ein weiterer Streifenwagen den Parkplatz des Ravishing Inn, der Polizist sprang hektisch heraus und rannte auf Foleys Wagen zu. ?Warten sie, Chief?, rief er aufgebracht, ?sie müssen sofort zum Golden Rock fahren, wir haben einen Notfall!? Knapp schilderte er, was passiert war, und zwar hatten Spaziergänger die blutüberströmte Leiche eines Mädchens gefunden und daraufhin die Polizei gerufen, die dann einen Wagen am Rock und die Teile eines weiteren Teenagers entdeckt hatten. Zudem war noch ein Funkspruch gekommen, dass es auch auf der Ranch von Jim Bowden ein Unglück gegeben haben soll. Wie vom Blitz getroffen, trat der Polizeichef das Gaspedal durch und raste die Straße zum Tatort hinauf. Billy hatte er offenbar völlig vergessen, oder die Angelegenheit war unwichtig, zumindest hatten die Leichen jetzt Vorrang, besonders weil Pandora in der Regel ein ruhiges Städtchen war.
Es hatte zu regnen begonnen und dichte Wolken bedeckten den Himmel und verdunkelten den Mond. Der gesamte Golden Rock war aber von den grellen Lichtern der Polizeiwagen und etlichen Scheinwerfern erhellt, neben dem herrenlosen Auto lagen zwei graue Plastiksäcke, und überall wimmelte es von Leuten. Während der Scherriff seiner Arbeit nachging und Ermittlungen anstellte, musste Billy notgedrungen im Wagen warten und konnte sich die ganze Szenerie nur durch die regennassen Scheiben ansehen. Er wusste, dass hier etwas schreckliches vorgefallen sein musste, vielleicht sogar schrecklich genug, um Foley vergessen zu lassen, dass er ihn hinter Gitter bringen wollte.
?Wer oder was um alles in der Welt kann das nur getan haben??, schnappte Billy das Gespräch zweier Polizisten auf, und nach und nach wurde ihm klar, dass hier vor wenigen Stunden die grausamsten Morde geschehen waren, die Pandora in seiner Geschichte erlebt hatte.


*****


Nachdem die Fledermaus das Mädchen gerissen und ihren Blutdurst gestillt hatte, erhob sie sich majestätisch in die Lüfte und flog auf die Stadt zu. Durch das neue Blut war sie noch gewachsen und stärker geworden, aber ihr Hunger war noch immer nicht gestillt. Aus einem Instinkt heraus, flog sie den Lichtern Pandoras entgegen, kreiste hoch über den Häusern und spähte nach neuer Nahrung. Gegen den Nachthimmel war ihre Gestalt kaum zu erkennen, und die Bewohner der Stadt ahnten nicht, welche Gefahr über ihnen schwebte. Sie gingen gedankenlos ihrer Wege, und nicht einmal, dass alle Geräusche der Natur erstarben, bemerkten sie nicht. Und doch war nicht der Gesang eines einzigen Nachtvogels zu hören, Katzen verkrochen sich auf Bäume oder unter eine Hecke, und in einigen Häusern fingen die Hunde an zu bellen oder ängstlich zu winseln. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen, aber immer noch verhüllten dicke Wolken den Mond und die Sterne.
Und dann griff die Fledermaus plötzlich an, stürzte mit einem Mal auf die Erde herunter, direkt über der großen Kreuzung vor dem belebten Einkaufszentrum inmitten der Stadt. Sie segelte wie ein schwarzer Schatten vom Himmel, stieß dabei einen furchterregenden Laut aus und schlug ihre Krallen in einen ahnungslosen Mann, der gerade die Straße überquerte. Mit einem Ruck brach sie ihm das Genick und verschlang dann hastig ihre Beute. Die Menschen, die mit angesehen hatten, was passierte, kreischten und liefen panisch durcheinander, vielen versagten die Beine und sie fielen in Ohnmacht, und sie alle starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die Bestie. Jemand musste die Polizei gerufen haben, denn es dauerte kaum zehn Minuten bis etliche Streifenwagen eintrafen. Allerdings waren die Polizisten genauso machtlos wie all die anderen und konnten nicht glauben, was sie da sahen. Die Fledermaus hatte inzwischen ihr nächstes Opfer gefunden, eine alte Frau, die nicht schnell genug fliehen konnte, und wieder besudelte frisches Blut den nassen, kalten Asphalt.
Jetzt traf auch der Scherriff ein. Er war gerade auf dem Weg raus, zur Bowden-Ranch gewesen als ihn der Funkspruch erreichte, und prompt hatte er gewendet und kam nun mit quietschenden Reifen mitten auf der Kreuzung zum Stehen. Mit einem Satz sprang der Mann aus dem Wagen, zückte seine Waffe und feuerte auf die Kreatur los. ?Was steht ihr so herum??, fuhr er seine Männer an, ?Wollt ihr etwa zusehen, wie dieses... dieses Ding noch mehr Unheil anrichtet?? Er und einige weitere Polizisten zielten auf den Körper der Fledermaus und schossen. Das Tier ließ von dem Körper der Frau ab, drehte sich herum und fauchte die Angreifer böse an. Dann breitete es seine Schwingen aus, setzte zum Sprung an und riss mit einem Satz mehrere Polizisten zu Boden. Tief grub es seine Klauen und seine Zähne in die Körper der Männer, während einige andere und auch Scherriff Foley weiterhin wie blind schossen. Die Fledermaus war jetzt etwa so groß wie ein Rind oder ein Pferd, und mit ausgebreiteten Flügeln reichte sie beinahe von einem Ende der Straße bis zum anderen. Den Polizisten war nicht mehr zu helfen. Ein Biss genügte, und schon hatte die Fledermaus wieder einen von ihnen tödlich verletzt. ?Wir brauchen Gewehre!?, schrie Foley gegen das Fauchen an, ?Und Flammenwerfer oder sonst etwas. Aber tut endlich etwas.? Sofort setzten seine Leute sich in Bewegung, mechanisch und ohne nachzudenken, denn keiner von ihnen konnte begreifen, was hier vor sich ging.
Und dann breitete die Fledermaus plötzlich ihre Flügel aus und erhob sich wieder in den Himmel. Bevor noch einer von ihnen reagieren konnte, war sie verschwunden, so schnell wie sie gekommen war und hatte ein blutiges Schlachtfeld hinterlassen.
Der Scherriff war der erste, der sich aus der ungläubigen Erstarrung lösen konnte. ?Los Leute, wir müssen dieses Biest jagen?, befahl er entschlossen, ?wir brauchen alles, was wir als Waffe einsetzen können. Wir müssen das Monstrum vernichten, bevor es uns vernichtet.? Jeder Mann, der eine Waffe hatte, sollte sich umgehend an der Polizeiwache einfinden, und alle anderen sollten in ihren Häusern bleiben, die Fenster und Türen verschließen und sich nicht rühren, bis die Gefahr vorüber war. Ohne lange zu überlegen, wurde der Notstand ausgerufen, die Polizei und die Feuerwehr fuhr die Straßen ab, um jeden Einwohner Pandoras dazu zu bewegen, in Sicherheit zu bleiben, und dann wollte man Suchtrupps losschicken, um die Fledermaus zur Strecke zu bringen, bevor sie noch mehr Unheil anrichten konnte.
Nachdem diese Maßnahmen angeordnet waren, stieg Scherriff Foley wieder in seinen Wagen und bat über Funk die Bundespolizei um Verstärkung. Er schilderte, was passiert war, forderte dringend Hilfe, doch am anderen Ende gab es nur Kopfschütteln und Gelächter. Niemand glaubte ihm, und er musste zugeben, dass er es auch nicht glauben würde, wenn er dieses Grauen nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Wütend knallte er das Funkgerät wieder in die Halterung und startete den Motor.
Billy hatte er offenbar total vergessen, und er erinnerte sich erst jetzt wieder an ihn, als dieser ihn ansprach. ?Foley, nehmen sie mir die Handschellen ab?, drängte er, ?ich kann helfen, und sie brauchen jeden Mann.? Der Scherriff stieß ein wütendes Schnauben hervor, dann antwortete er: ?Ja, Billy, jeden Mann, das ist richtig. Aber du bist nur ein Junge mit schlechten Manieren.? Wieder stieg Wut in Billy hoch, aber er wusste auch, dass sie ihm nichts nützen würde, und darum versuchte er, ruhig auf den Scherriff einzureden und ihn zu überzeugen, dass jeder große Held schließlich als Junge mit schlechtem Benehmen angefangen habe, und dass er tatsächlich helfen könne. Foley ließ sich nicht einmal anmerken, ob er ihm zugehört hatte, sondern lenkte seinen Wagen seelenruhig bis vor das Polizeihauptquartier. Er stellte den Motor aus und stieg aus, ohne Billy eines Blickes zu würdigen. Wären die Handschellen nicht gewesen, hätte Billy seine Fäuste nicht mehr unter Kontrolle halten können. Er fragte sich, wie man nur derart stur sein konnte, oder aber von unerklärlichem Hass und übersteigerter Besorgnis um seine Tochter zerfressen.
Foley öffnete die Hintertür des Wagens, deutete Billy an, er solle aussteigen, und Billy biss sich auf die Lippen, um nicht auszusprechen, was er dachte. ?Okay?, sagte Foley jetzt, ?und jetzt besorge dir eine Waffe und sieh zu, dass du diese Fledermaus erledigst.? Er befreite Billy von den Handschellen und drehte sich dann um, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.


*****


Janet hatte in ihrem Zimmer auf ihren Vater gewartet und dabei viel nachgedacht. Sie war zu dem Entschluss gekommen, dass es ein Fehler gewesen war, Billy ziehen zu lassen. Erstens liebte sie ihn über alles, und zweitens war sie eine erwachsene junge Frau, die ihr eigenes Leben zu führen hatte. Sie konnte nicht weiterhin aus Rücksicht auf ihren Vater all ihre Wünsche und Bedürfnisse verdrängen. Dazu kam, dass Billy das nicht ewig mitmachen würde und sich vielleicht eines Tages eine andere suchen würde. Ihr war bewusst geworden, dass sie Billy um keinen Preis der Welt verlieren durfte, sie liebte ihn vielleicht sogar mehr als ihren Vater.
Darum warf sie sich kurz darauf ihre Jacke über und machte sich auf den Weg, Billy zu suchen. Zum Glück wusste sie, dass er oft im Ravishing Inn war, und wenn sie ihn dort nicht fand, könnte sie ihn immer noch zuhause suchen. Gerade als Janet die Haustür hinter sich zuzog, klingelte das Telefon, aber sie hörte es schon nicht mehr. Sie ging zielstrebig durch die leeren Straßen, direkt auf die Bar zu, in der sie Billy zu finden hoffte. Wenn er immer noch mit ihr wegfahren und irgendwo neu anfangen wollte, würde sie diesmal ja sagen, das zumindest nahm sie sich fest vor. Es war ohnehin schon immer ihr Wunsch gewesen, aus Pandora wegzuziehen, vielleicht nach New York, um dort Musicalstar zu werden, und sie wusste, mit Billy konnte sie jeden Weg gehen. Bei ihm fühlte sie sich geborgen, mit ihm wollte sie den Rest ihres Lebens verbringen.
Als sie die Bar erreichte, fegte ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich kalter Wind durch die Straßen, und ein kalter Schauer kroch an Janet hoch. Schnell öffnete sie dir Tür des Ravishing Inn und sah sich um. Das Licht war wie immer schwach, einige Männer drängten sich um den Billardtisch, Ellen spülte hinter der Theke die Gläser und aus der Jukebox drangen leise die Sisters of Mercy mit More. Janet sah sich um, konnte aber Billy nirgendwo entdecken. Sie hatte vermutet, dass er hier seinen Kummer und Ärger herunterspülte, war nun aber froh, dass es nicht so war. Trotzdem ging sie zu Ellen und fragte sie, um sicher zu gehen, ob Billy nicht doch hier gewesen war. Was Ellen ihr daraufhin erzählte, verschlug Janet fast die Sprache. Es hatte eine Schlägerei gegeben, die Billy nicht einmal angefangen hatte, und dennoch hatte der Scherriff ihn in Handschellen gelegt und abgeführt. Ellen erzählte auch noch etwas von einer Ausgangssperre und dass Janet sofort wieder nach Hause gehen sollte, aber das hörte sie nicht mehr, denn sie war schon wieder auf dem Weg nach draußen.
Wie unter Strom stehend rannte sie durch die Straßen, direkt zum Polizeigebäude. Wenn ihr Vater die Schlägerei als Vorwand genutzt hatte, um Billy los zu werden, würde sie sich das nicht gefallen lassen. Zwar hatte sie keine Ahnung, was sie tun sollte, aber ihr würde schon etwas einfallen. Bisher war sie immer der Meinung gewesen, ihr Vater sei lediglich besorg um sie und wolle ihr bestes, doch nun ging es zu weit. Wenn er zu solchen Mitteln greifen musste, um seinen Willen durchzusetzen, würde sie dabei nicht tatenlos zusehen. Sie wusste inzwischen, dass Billy das beste für sie war, und wenn ihr Daddy das nicht akzeptieren konnte, dann musste er leider mit den Konsequenzen leben, denn unter diesen Umständen würde es Janet umso leichter fallen, Pandora zu verlassen.
Außer Atem und keuchend erreichte sie die Polizeistation, und sie wunderte sich, warum das gesamte Gebäude im Dunkeln lag. Nirgendwo brannte Licht, es schien als ob niemand hier sei. Zögerlich drückte Janet die Eingangstür auf, die sich mühelos öffnen ließ. Der Flur lag finster und verlassen vor ihr, kein Geräusch war zu hören. ?Hallo??, rief Janet vorsichtig ins Dunkel, ?Ist jemand hier?? Sie erhielt keine Antwort. Es musste eine Erklärung geben, warum niemand hier war, und Janet fürchtete, dass ihr diese Erklärung nicht gefallen würde. Bisher war es noch nie vorgekommen, dass die Dienststelle nicht besetzt war, und es konnte nur bedeuten, dass irgendwo eine Katastrophe passiert war. Wie ein Faustschlag fielen Janet Ellens Worte wieder ein, die von einer Ausgangssperre gesprochen hatte, und jetzt ärgerte sie sich, dass sie der Frau nicht mehr zugehört hatte. Irgendetwas schreckliches musste passiert sein, und instinktiv spürte Janet, dass Billy darin verwickelt war.
Sie rannte zurück auf die Straße, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, sagte sich nur immer wieder, dass sie Billy unbedingt finden musste. Zuerst rannte sie ziellos umher, bemerkte dabei, dass außer ihr niemand auf den Straßen zu sehen war und bekam allmählich Panik. Sie wollte wissen, was hier geschehen war, redete sich das schlimmste ein, und der Schauer, der ihr über den Rücken lief, rührte nicht allein vom kalten Wind her. Plötzlich schoss es ihr durch den Kopf, dass sie dringend ihren Vater anrufen musste, denn als Scherriff des Ortes würde er ja wohl wissen, was hier geschah. Sie hätte sich ohrfeigen können, dass sie nicht schon im Polizeigebäude daran gedacht hatte. Ihr fiel der kleine Vierundzwanzigstunden-Supermakt an der Hauptstraße ein. Dort gab es ein Telefon, und sie war kaum zwei Minuten von dort entfernt. Noch einmal rannte Janet wie von Sinnen los, ihr Herz pochte schneller, ihre Augen zuckten gehetzt hin und her, und ein dicker Kloß der Beklemmung machte sich in ihrem Hals breit. Sie lief um zwei, drei Straßenecken, bog auf die Hauptstraße ein. Als sie endlich die Leuchtreklame des Supermarktes vor sich sah, wurde sie etwas ruhiger, ihr Pulsschlag begann sich zu normalisieren und sie hatte wieder die Hoffnung, dass sich gleich alles zum Guten wenden würde und ihre Panik sich als unbegründet herausstellen würde.
Janet war keine hundert Meter mehr vom Supermarkt entfernt, da hörte sie plötzlich ein bedrohliches Rauschen in der Luft. Sie blieb stehen, sah zum Himmel herauf, von wo das Geräusch kam, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, und sie stieß einen markerschütternden Schrei aus.


*****


Sobald die Männer der Stadt sich mit allem versammelt hatten, was sie an Waffen auftreiben konnten, interessant dabei war, dass offenbar jeder Bürger Pandoras eine Schusswaffe unter seinem Kopfkissen versteckt hatte, teilte der Scherriff sie in Gruppen ein und schickte sie los, um durch die Straßen zu patrouillieren. Einerseits sollten sie selbstverständlich Ausschau nach der Fledermaus halten, dazu hatte er jeder Gruppe ein Funkgerät mitgegeben, mit dem notfalls Verstärkung zu rufen war, andererseits sollte sie alle anderen Bewohner, die sich noch draußen aufhielten auffordern, sich in ihren Häusern versteckt zu halten bis die Gefahr vorüber war. Der Scherriff selbst hatte zunächst zu einem Biologen Kontakt aufgenommen und Erkundigungen eingeholt, womit man Fledermäuse bekämpfen könne. Dieser hatte ihm etliche käuflich zu erwerbende Gifte empfohlen, besonders ein Produkt namens Stark Raving Poison sollte wahre Wunder vollbringen, aber Foley hatte abgewinkt und ihm erklärt, dass er nicht glaube, sein Problem ließe sich damit lösen. Als er seinem Gegenüber daraufhin seinen Fall schilderte, legte dieser wortlos auf und nahm auch beim zweiten Versuch nicht noch einmal den Hörer ab.
Inzwischen kreuzte der Scherriff in seinem Wagen durch die Stadt, er wollte dieses Untier erledigen und es dann all jenen, die ihn für verrückt hielten, vor die Füße werfen, aber bis jetzt hatte es seit dem Vorfall vorm Einkaufszentrum kein weiteres Lebenszeichen dieser Höllenkreatur gegeben. Und Foley musste zugeben, hätte er es nicht selbst mit angesehen, würde auch er alle, die von der Tragödie erzählten für verrückt oder für betrunken halten. Dennoch wusste er, was er mit eigenen Augen hatte mit ansehen müssen, und auch, wenn er keine logische Erklärung für das auftauchen der Fledermaus finden könnte, so musste er sie wenigstens vernichten, bevor ein noch größeres Blutbad angerichtet wurde.
Er lenkte seinen Wagen gerade auf die Hauptstraße als er vor sich eine Gestalt erblickte, die er nur zu gut kannte. Es war Janet. Und dann sah er plötzlich die Fledermaus aus der Luft auf seine geliebte Tochter, sein Ein und Alles, seinen größten Schatz zustürzen und war für einen Augenblick wie gelähmt. Er sah wie Janet sich im letzten Moment umdrehte, die Gefahr erkannte und geistesgegenwärtig in einen Hauseingang flüchtete. Die Fledermaus landete und Foley erkannte, dass sie inzwischen noch weiter gewachsen war, was bedeuten musste, dass sie inzwischen weitere Opfer gefunden hatte. Bevor die Bestie die Lage erkannte, trat der Scherriff das Gaspedal durch und raste genau auf das Tier zu. In seinen Gedanken gab es nur noch Janet, die Angst um sie und der Gedanke, dass er ihr Leben um jeden Preis retten musste. Sein Wagen rammte das Monster mit Vollgas, es gab einen heftigen Aufprall, der Körper des Tieres, das die Gefahr viel zu spät erkannt hatte, um noch zu reagieren, wurde einige Meter durch die Luft geschleudert, dann rammte Foley einen Laternenmast und kam so zum Stehen. Ohne lange zu überlegen, griff er nach seinem Funkgerät und wollte Verstärkung anfordern. Durch den Aufprall funktionierte es allerdings nicht, und deshalb griff er sich sein Gewehr und sprang kampfbereit aus dem Wagen. Janet drückte sich noch immer zitternd vor Angst in den Hauseingang, und die Fledermaus lag reglos in der Mitte der Straße. Foley trat einen Schritt auf sie zu, dann legte er an und feuerte. Das Tier gab einen gequälten Laut von sich, und sofort schoss Foley noch einmal. Immer wieder zielte er auf das grausame Wesen, doch seine Kugeln konnten die Bestie nicht töten.
Ganz langsam kam das Tier wieder zu sich, stieß einen grausamen Schrei aus, dann drehte es sich in die Richtung aus der die schmerzenden Kugeln es trafen und kam dann mit einer blitzartigen Bewegung wieder auf die Beine. Als es Foley aus seinen gelben Augen anstarrte, war ein wütendes Knurren aus seiner Kehle zu hören. Der Scherriff hielt dem Blick der Fledermaus stand, feuerte weiter und hoffte, dass seine Kugeln etwas ausrichten würden. Und tatsächlich, die Fledermaus breitete die Schwingen aus, erhob sich in die Luft und flog in die entgegengesetzte Richtung davon. Foley atmete erleichtert auf und drehte sich dann zu seiner Tochter um, die offenbar noch immer nicht glauben konnte, was sie gerade gesehen hatte. Janet starrte ihn immer noch mit vor Schreck geweiteten Augen an, und als er auf sie zuging, um sie zu beruhigen, stieß sie plötzlich einen panischen Schrei aus. Zu spät erkannte Foley, was sie ihm damit sagen wollte, denn in dem Moment hatte ihn die Fledermaus schon erreicht und schlug ihm die messerscharfen Krallen in den Rücken.
Geistesgegenwärtig wirbelte der Scherriff herum, entkam kurzzeitig den Fängen des Tieres, griff nach seinem Gewehr, lud durch und schoss. Wenn es ihm auch nicht gelang, es zu töten, dann wollte er doch wenigstens nicht kampflos aufgeben und Janet eine Chance zur Flucht ermöglichen. ?Janet?, rief er seiner Tochter zu, ?lauf weg, bring dich in Sicherheit.? Die Fledermaus griff abermals an und fügte ihm diesmal eine schwere Wunde unterhalb seiner rippen zu. Wieder feuerte Foley, und jetzt sah er aus dem Augenwinkel heraus auch einige Leute herbeieilen. Sie alle schlichen sich langsam und ängstlich an die ungleichen Gegner heran, doch niemand von ihnen traute sich zu schießen, aus Angst, den Polizeichef zu treffen. Und dann heulte plötzlich ein Motor auf, Billy Tyler durchbrach auf seiner Harley die Menge, in seiner Hand eine lange Eisenstange, die er wie eine Lanze auf die Fledermaus richtete. Wie ein Ritter raste er heran, wie schon vorher Foley selbst genau auf die Fledermaus zu, seine Hand krampfte sich um die Eisenstange, und er traf die Bestie mit voller Wucht in die Brust, so dass das Tier aufheulte und zurücktaumelte. Billy setzte ihr sofort nach, rammte seine Waffe nochmals in den massigen Körper. Mit einem Ruck schwang sich die Fledermaus in die Luft, wagte es offenbar nicht, Billy anzugreifen, der in entfesselter Wut seine Waffe nach ihr schleuderte, aber die Bestie dieses Mal verfehlte. Foley wollte sich aufrichten, um Billy zur Hilfe zu kommen, aber er war zu schwach und sackte kraftlos wieder auf den Asphalt. Zum Glück aber reagierten jetzt die Männer, die sich von allen Seiten näherten und warfen alles, was sie in den Händen hatten nach dem Monster, das daraufhin einen kreischenden Schmerzensschrei ausstieß.
Der Kopf des Tieres zuckte unruhig hin und her, als ob es sich nach einem Ausweg umsah, dann breitete es die Flügel aus, hob sich in die Luft, stürzte ein letztes Mal herab, ergriff Janet, die zu ihrem Vater gelaufen war mit den Krallen, trug sie hoch in die Luft und verschwand. Janets Schreie wurden leiser, die Leute starrten mit offenen Mündern hinter ihr her, und Scherriff Foley erhob sich ein letztes Mal und wandte sich an Billy. ?Tyler, hör mir zu?, forderte er entkräftet und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. ?Rette meine Tochter?, er presste eine Hand auf seine Wunde und man konnte merken wie schwer ihm das Sprechen fiel, ?rette sie und töte dieses Untier für mich. Bitte, Billy.? Es schien zuerst als höre Billy nicht auf seine Worte, denn er bemühte sich, die Blutung des Scherriffs zu stoppen und reif nach einem Arzt, doch dann sagte er: ?Ich liebe Janet. Ich verspreche ihnen, ich werde nicht zulassen, dass die Fledermaus sie tötet, und wenn es das letzte ist, was ich tue.?
Foley sah ihm nach, wie er sich das Gewehr schnappte, auf seine Maschine stieg und dann mit quietschenden Reifen die Hauptstraße entlang raste, der Fledermaus und Janet hinterher. Er schickte Billy noch einen hoffnungsvollen Blick hinterher, dann gab der Arm, auf den er sich gestützt hatte, nach, und sein Blick wurde trüb und leer.


*****


Schneller als die Geschwindigkeit der Nacht lenkte Billy sein Motorrad durch die Stadt und schob dabei alle quälenden Gedanken und bösen Vorahnungen weit von sich. Er lauschte in die Nacht hinein und hoffte darauf, die Fledermaus oder Janets Schreie zu hören, doch bis jetzt klang ihm nur der Wind in den Ohren. Er musste Janet unbedingt finden, bevor es zu spät war. Nicht nur, weil er es Foley versprochen hatte, sondern auch, weil er ohne sie nicht weiterleben wollte. Sie war der einzige Mensch, der ihm je etwas bedeutet hatte, und er würde nicht zulassen, dass sie ihm genommen wurde. Seine einzige Hoffnung war allerdings, dass die Fledermaus durch seinen Angriff, durch die Kugeln und die Waffen der anderen schwer verletzt worden war, und dass sie darum nicht sofort über ihre Beute herfallen würde. Er wusste, dass das Tier geblutet hatte, also würde es nicht sehr weit fliegen können, und vielleicht konnte Janet ihm ja sogar entkommen.
Der Wind schlug ihm hart ins Gesicht, aber er nahm es nicht einmal wahr, und auch die Menschen, die ihm ab und zu entgegen kamen, bewaffnet und dennoch voller Furcht in den Augen, registrierte er kaum. Sein einziger Gedanke galt Janet und der Bestie. Noch wusste er nicht, was er gegen die viel stärkere und ihm weit überlegene Fledermaus tun wollte, aber die Sorge um die Frau, die er liebte, gab ihm Kraft, und er war sicher, dass er alles tun würde, was in seiner Macht stand, um sie diesem Wesen zu entreißen.
Während er fuhr, lauschte er in den Nachthimmel hinein, achtete auf jedes Geräusch in der Luft, doch bis jetzt war lediglich das Rauschen des Windes zu hören. Dann aber glaubte er einen schwachen Schrei zu vernehmen, weit weg von ihm, und er wusste nicht, ob er sich vielleicht nur getäuscht hatte. Aber dieser Anhaltspunkt war seine einzige Hoffnung, und darum wendete er seine Maschine und lenkte sie in die Richtung aus der er das Geräusch vermutet hatte. Wenn er seinen Sinnen trauen konnte, dann war der Schrei vom Freeway her gekommen, und da dies seine einzige, seine letzte Chance war, gab er Gas und war wild entschlossen, zur Not sein Leben für Janet zu geben.
Als Billy die Auffahrt zum Freeway erreichte, blieb er jäh stehen, atmete tief durch und wusste, dass sich jetzt und hier alles entscheiden würde. Die Fledermaus, die inzwischen die Größe eines Autos erreicht hatte, hockte auf dem Dach der Tankstelle wie ein König auf seinem Thron, und Janet lag reglos neben ihr. Billy konnte nicht sofort erkennen, ob sie noch lebte, dafür aber reckte die Fledermaus den Kopf in seine Richtung und starrte ihn aus ihren bösartig funkelnden Augen an. Das Tier fauchte ihn an und wusste offenbar, dass es sich jetzt noch einem letzten Kampf zu stellen hatte. Wie um zu drohen breitete es die Flügel aus, seine Größe wirkte dadurch noch beeindruckender, aber Billy ließ sich nicht abschrecken, er war fest entschlossen, dieses Biest zu töten. Immerhin war es geschwächt, überall klebten Spuren von Blut in seinem struppigen Fell, und wenn Billy richtig sah, dann hatte es auch eine Verletzung am Flügel, die vermutlich der Grund war, warum es hier notgelandet war. Trotz allem aber war die Fledermaus noch um einiges größer und stärker als er selbst und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie es ihm nicht leicht machen würde. Wie zwei Todfeinde starrten sie sich an, ja, Billy hatte das Gefühl, das Monster würde ihm genau in die Augen sehen.
In diesem Moment hob Janet den Kopf, sah sich zitternd um und entdeckte Billy. Er ließ sich nicht anmerken, dass er sie gesehen hatte, um die Fledermaus nicht auf sie aufmerksam zu machen und hoffte nur, sie würde wissen, was zu tun war. In einer blitzschnellen Bewegung riss Billy jetzt das Gewehr hoch, zielte genau auf den Kopf der Fledermaus und drückte ab. Ein erschrockenes und wütendes Jaulen sagte ihm, dass er getroffen hatte, und er feuerte die Waffe noch einmal ab. Immer wieder lud er nach und schoss, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit der Kreatur ganz auf sich zu lenken. Und richtig, die Fledermaus fauchte, brüllte und machte etliche Drohgebärden, je näher Billy auf die Tankstelle zukam. Er umrundete das Dach in einem Halbkreis, ließ seinen Gegner dabei nicht aus den Augen und war jeden Moment auf einen Angriff gefasst.
Zum Glück ahnte Janet, was er vorhatte, rappelte sich langsam auf und kroch zum Rand des Tankstellendaches. Sie wusste, wenn die Fledermaus sie jetzt hören würde, wäre es aus, aber bisher war sie ganz auf ihren Angreifer konzentriert. Janet ließ das Tier, das ihr jetzt den Rücken zugewandt hatte, nicht aus den Augen. Darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, schob sie sich Zentimeter für Zentimeter an den Rand des Daches. Als sie ihn erreichte, ließ sie ihre Füße darüber in die Tiefe gleiten und wollte sich langsam herunterlassen. Plötzlich löste sich aber ihr Schuh von ihrem Fuß und landete mit einem Platschen auf der erde unter ihr. Vor Schreck kniff sie die Augen zusammen und ihr Herz setzte für einen Schlag aus, denn sie erwartete, dass das jetzt ihr Ende war. Die Fledermaus würde sich zu ihr umdrehen, sie packen und töten und sich dann über Billy hermachen. Doch nichts dergleichen passierte. Das Tier fauchte weiterhin Billy an, machte ihm gegenüber Drohgebärden, und er lenkte es mit den Kugeln so weit ab, dass es nicht mehr auf Janet achtete. Sie atmete auf, dann ließ sie sich über den Rand gleiten, sprang hinunter und atmete auf.
?Lauf, Janet!?, hörte sie Billys Stimme, ?Lauf weg so schnell du kannst!? Sie gehorchte ihm blind und rannte um ihr Leben. Aber auch die Fledermaus hatte ihr Verschwinden jetzt bemerkt, sie stieß ein kräftiges Brüllen aus, setzte dann zum Sprung an und stürzte sich auf Billy nieder. Der jedoch hatte genau damit gerechnet und war im letzten Augenblick ausgewichen. Jetzt stand er unter dem Dach zwischen den Zapfsäulen, hinter sich das Kassiererhäuschen der Tankstelle und vor sich die Bestie. Selbst die Fledermaus erkannte, dass seine Situation aussichtslos war und baute sich wieder drohend vor ihm auf.
Doch genau das war es, was Billy bezweckt hatte, er feuerte wieder drauf los, doch diesmal nicht auf die Fledermaus, sondern auf den Tanklastwagen, der hinter ihr stand, und von dem aus das Tier keine Gefahr erwartete. Billys dritte Kugel endlich zerschlug die Außenhülle des Tanks, und im Bruchteil einer Sekunde verwandelte sich das ganze Szenario in ein flammendes Inferno. Billy rollte sich nach hinten, während der Wagen explodierte, eine riesige Flammenwand schoss in den Himmel empor, erwischte auch die Fledermaus, die sofort Feuer fing, und dann stürzte das Dach der Tankstelle ein und begrub alles unter einem Berg aus Trümmern und Flammen. Billy rollte sich im letzten Moment ins Freie, kam sofort wieder auf die Beine und rief Janet zu: ?Lauf, verdammt, lauf, es wird sich hier gleich die Hölle auftun!?
Janet wartete, bis er auf ihrer Höhe war, dann ergriff sie seine Hand und zog ihn mit sich fort. Genau in diesem Augenblick gab es einen alles übertönenden Knall, und eine riesige Feuersäule schoss in den Himmel. Es war als ob die Erde erbebte, die Tankstelle explodierte und alles wurde wie Spielzeug durch die Luft gewirbelt. Billy und Janet hatten hinter einer Mauer Schutz gefunden, die der Explosion zum Glück stand hielt, sie drückten sich eng aneinander und hofften, dass die Trümmer sie nicht treffen würden. Durch das Grollen der Flammen hörten sie noch einmal den schmerzlichen Aufschrei der Fledermaus, dann wussten sie, dass der Alptraum überstanden war.
Nur wenige Minuten später traf die Feuerwehr ein und begann mit den Löscharbeiten, die Polizisten vergewisserten sich, dass die Kreatur auch tatsächlich tot war, und ein Arzt kümmerte sich um die Wunden, die Billy davongetragen hatte. Es dämmerte bereits als Billy auf einer Bahre in den Krankenwagen geschoben wurde, und Janet saß bei ihm und hielt seine Hand. ?Billy?, flüsterte sie, ?wenn du immer noch willst, gehe ich mit dir aus Pandora weg und fange ein neues Leben mit dir an.? Billy setzte trotz seiner Schmerzen ein Lächeln auf und antwortete: ?Nur leider können wir nicht mehr mit der Harley in die Zukunft fahren, denn die liegt ort irgendwo unter den Trümmern.? Janet standen immer noch Tränen in den Augen, und sie hatte Angst um Billy, aber sie ließ sich nichts anmerken und sagte nur: ?Und selbst, wenn du mich tragen müsstest, ich würde dir überall hin folgen.? Sie beugte sich zu ihm herunter, schlang ihre Arme um ihn, presste ihre Lippen auf seine und gab ihm einen langen, leidenschaftlichen Kuss, während Tränen der Erleichterung über ihre Wangen kullerten. Billy löste sich aus ihrer Umarmung, blickte ihr tief in die Augen und sagte leise: ?Und ich würde alles für die Liebe tun.?

Christian Dolle
 
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Kommentare  

Erster Gedanke: gut geschrieben, aber der Inhalt...
Zweiter Gedanke: ah so! Geil!

Ich habe einen Moment gebraucht, bis mir klar wurde warum diese Story auch unter amüsantes steht, aber als der Groschen dann endlich gefallen war fand ich?s herrlich.

Der beliebte Einstieg mit dem kleinen Jungen (mit Namen Timmy natürlich) und seinem Hund, die zuerst dran glauben müssen, der Rebell auf der Harley der die Tochter des Ordnungshüters liebt, die Sterbeszene des Vaters, der dem verhassten Verehrer seiner Tochter kurz vor seinem Ende den Auftrag gibt das Töchterlein zu retten.

Also, ich hatte das Gefühl einen dieser alten ?Horror? Filme aus den späten vierziger/ frühen fünfziger Jahren zu sehen.

In sofern also gelungene Persiflage und locker fünf Punkte wert.

Hätte mir aber noch eine Erklärung zur Fledermaus gewünscht, sowas wie militärisches Experiment oder Besucher aus dem All.
Das hätte der Sache noch den letzten Kick gegeben, also sollte ich dir einen Punkt wieder abziehen.

Oder?
Ach, was soll?s!
Du hast mich zuerst sauber gefoppt und ich habe mich beim lesen, nachdem ich endlich kapiert hatte was das ist, königlich amüsiert.
Also hast du dir deine 5 Vollen verdient. *g*


Drachenlord (19.03.2003)

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