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2 Seiten

Das Hospital

Schauriges · Kurzgeschichten
© Bignose
Sarah stand vor dem leeren Bett. Fassungslosigkeit verzerrte ihre sonst so hübschen Gesichtszüge. Eine Träne bahnte sich ihren Weg über ihre Wange und sie stammelte flüsternd: "Das kann einfach nicht sein. Das ist nicht wahr."
Die Schwester griff sanft den Arm der jungen Frau und sprach mit einer gefassten, leisen Stimme: "Es gab Komplikationen. Es tut mir Leid. So etwas kommt vor."
Sarah dachte an den Vortag. Sie hatte Michael in der Klinik besucht. Man hatte ihm den Blinddarm entfernt und in fünf Tagen wollte er bereits wieder seine Arbeit aufnehmen. Als freier Schriftsteller benötigte er jede Minute, um sein neues Manuskript vollenden zu können. Er war noch voller Ideen gewesen und heute... heute war sein Bett leer und man hatte ihr gesagt, ihr Verlobter sei nachts gestorben. Komplikationen.

Michaels Erwachen war ein Prozess, der sich über viele Stunden hinzog. Die starke Narkose hatte ihn in eine andere Welt befördert. Ganz vage erinnerte er sich nur, wieso er in einem Hospital lag, das er momentan nicht sehen konnte, obwohl er seine Augen weit öffnete. Vielleicht eine Nebenwirkung, dachte er.
Als sein Geist sich klärte, spürte er zuerst die Trockenheit in seiner Kehle. Seine Zunge schien so dick wie eine Mettwurst zu sein.
Langsam tastete sich Michael zu seinem Gesicht vor. Es war geschwollen und tat höllisch weh. Wieso konnte er bloß nichts sehen? Als seine Finger die Augen erreichten und zart über die Lider strichen, wurde ihm schlagartig der Grund seiner Blindheit bewußt: Seine Augäpfel fehlten! Dort, wo die Wölbung unter den Augenlidern hätte spürbar sein müssen, fiel die Haut tief in die Höhlen.
Michael versuchte panisch, sich aufzurichten und wollte schreien, doch nur ein heiseres Krächzen ertönte und etwas hinderte ihn, seinen Rücken von der Matratze zu erheben.
Er fühlte seine Brust, die er angeschnallt vermutete, doch kein Gurt war vorhanden. Auch die Hüfte war nicht ans Bett geschnallt. Was er dann ertastete, als er seine Schenkel fühlte, ließ sein Herz für einen Moment lang aussetzen.
Seine Beine waren unmittelbar über den Kniescheiben abgetrennt worden. Man hatte amputiert.
Langsam, wie in Zeitlupe, kamen die Erinnerungen an die Blinddarmentzündung zurück. Was war passiert?
Völlig verwirrt fing Michael an, mit den Armen zu rudern und stieß schmerzhaft an die Eisengitter, die sein Bett umzäunten. Er griff die kalten Stangen und zog seinen Körper daran hoch, doch dort, wo das Gitter endete, fühlte er nur Verstrebungen, die sein Gefängnis auch nach oben hin sicherten.
Er saß in einem Käfig!
Die Welt schien sich im Kreis zu drehen. Tausende Gedanken schossen in der selben Millisekunde durch das Hirn des Mannes und er fühlte sich dem Wahnsinn so furchtbar nahe. Schreien konnte er nicht und niemand war da, der ihm diese Situation hätte erklären können.

Dann klackerte die Türklinke. Jemand betrat den Raum...
bignose am 13.07.2001: Michael hörte ein Schnaufen und schwere Schritte. Die Person näherte sich seinem Gefängnis. Ein verzweifeltes Krächzen ersetzte die Frage, wo er sich befand und was man ihm angetan hatte.
Dann fiel etwas neben Michael auf die Matratze. Er ertastete etwas Brot, ein Stück Wurst und einen Behälter mit einer Flüssigkeit - ähnlich der Flaschen, die Rennradfahrer mitführen, um unterwegs trinken zu können.
Hunger hatte Michael beim besten Willen nicht. Zu groß war die Verzweiflung über seine Situation. Das Leben hatte ihm alles geschenkt, wovon ein Mann träumen konnte. Er besaß viel Geld, sah gut aus und hatte eine wunderbare Verlobte, die von ihm ein Kind erwartete. Doch jetzt hatte irgendwer ihm alles genommen. Nie wieder würde er seinen Lieblingssportarten nachgehen können. Ohne Beine - ohne Augen. Warum diese Grausamkeit? Warum nur?
Wut stieg in Michael auf, doch die Verzweiflung war stärker und so kauerte er einfach nur regungslos mit dem Rücken an das Eisengitter seines Bettes gelehnt.
 
bignose am 14.09.2001: "Es ist so furchtbar, Steve. Ich weiß nicht, was ich machen soll..." schluchzte Sarah in den Telefonhörer hinein.
Steve, der junge Rechtsanwalt und ein Freund von Michael und Sarah, versuchte, sie zu beruhigen, was ihm nicht gelingen wollte.
Diese Geschichte war wirklich unglaublich. Michael war einfach verschwunden. Angeblich war er tot, doch wo war seine Leiche? Wieso durfte Sarah sie nicht sehen? Wieso erlaubte niemand, dass die junge Frau sich von ihm verabschiedete? Die Sache stank, das war Steve sofort klar, auch wenn er sich jegliche Äußerung verkniff, die Sarah noch stärker hätte beunruhigen können. Was war das für eine dubiose Klinik, und was waren das für dubiose Machenschaften, die sich hinter den schweren Mauern des Hospitals abspielten?
 
Gwenhwyfar am 04.06.2002: "Schwester Eilinn!" donnerte die befehlsgewohnte Stimme. Die junge, rothaarige Schwester fuhr erschreckt zusammen und ließ den winzigen Datenträger in ihrer Kitteltasche verschwinden. Keine Sekunde zu früh. Schon erschien die hohe, weißhaarige Gestalt im Türrahmen und ließ misstrauische Blicke durch den Raum schweifen.
"Können Sie mir vielleicht verraten, was Sie hier zu suchen haben?"
"Es tut mir leid, Professor", erwiderte die Frau mit gespielter Ruhe. "Es gab Unstimmigkeiten wegen der Medikation von R-7043. Dr. Shinner ist nirgendwo zu erreichen. Ich wollte soeben in der Datei...."
"Sie wissen, dass der Computer absolut tabu für das Pflegepersonal ist. Erinnern Sie sich? Haben Sie eine solche Anordnung schon mal irgendwo gehört, Schwester?"
"Es tut mir leid, Sir." Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie lächelte den hochgewachsenen Mann so unbefangen wie möglich an und hoffte, er werde ihre Unsicherheit übersehen. "Ich wusste nur nicht, was ich tun sollte. Der PH-Wert lässt befürchten, dass..."
Der hochgewachsene Mann in der auffällig mit Orden dekorierten Militäruniform unter dem makellos weißen Kittel machte eine wegwerfende Handbewegung und ließ seinen Blick noch einmal sichernd durch den Raum schweifen, ehe er sich ihr endgültig zuwandte.
"Ich werde Ihr Verhalten noch einmal übersehen, da Sie noch nicht so lange in unser Projekt involviert sind, Schwester", meinte er gönnerhaft. "Wenn ich Sie allerdings noch einmal im Kontrollraum erwische, wird das Folgen für Sie haben. Üble Folgen, das kann ich Ihnen versichern." Er warf ihr einen Blick zu der besagte: Und ich würde mich darüber freuen, Kleine. Verlaß' dich drauf!
"Kommt nicht wieder vor, Sir", beeilte sich Eilinn zu versichern. "Sie haben mich gesucht, Professor?" Je eher sie die Gedanken des Mannes in eine andere Richtung lenkte, desto besser, deshalb versuchte sie, ihrer Stimme einen beflissenen Eifer und ihrem Blick schmelzende Bewunderung zu unterlegen, obwohl ihr in Begleitung dieses Größenwahnsinnigen schier der Magen umdrehte. Schon lange hatte der Secret Service den Verdacht, dass es in dieser Station nicht mit rechten Dingen zuging, dass Gelder des Pentagon für Experimente gebraucht wurden, die in dieser Form nicht angeordnet gewesen waren. Und so hatte man beschlossen, Special Agent Eilinn O'Conners undercover in die Station einzuschleusen. Sie war ausgebildete Ärztin und bewältigte die Rolle der Krankenschwester mühelos.
Was sie mittlerweile erfahren konnte, ließ ihr allerdings das Blut in den Adern gefrieren. Scheinbar verschwanden von Fall zu Fall Menschen - meisten Zivilisten - nach Unfällen oder Operationen aus Krankenhäusern oder Sanatorien. Den Angehörigen wurde weisgemacht, sie seien verstorben. In Wahrheit aber landeten die unglücklichen Opfer hier unten, in dieser Station. Man verstümmelte sie künstlich - und versuchte dann, die entfernten Körperteile genetisch wieder nachwachsen zu lassen. Hier sollte der unverwundbare Soldat der Zukunft gezüchtet werden, ausgestattet mit den Fähigkeiten einer Eidechse, der der Schwanz nachwuchs, sobald man ihn abschnitt. Sie hatte Patienten in allen möglichen Stadien der Ausweidung erlebt; da gab es Opfer ohne Nieren, die Tag und Nacht an der Dialyse hingen und vor Schmerzen nur noch schrieen, Menschen mit nur noch rudimentär vorhandenen Lungen, deren Augen vor Erstickungsangst permanent aus dem Schädel hervortraten... Einmal hatte sie sogar eine Frau gesehen, der man systematisch sämtliche Knochen in den Extremitäten entfernt hatte. Vier untaugliche, geschwollene Würste von geleeartiger Konsistenz befanden sich dort, wo ein normaler Mensch seine Arme und Beine wusste.
Und dann war da der Neuzugang, R-7043. Er mußte einst ein sehr attraktives Exemplar Mann gewesen sein, wie der durchtrainierte, muskulöse Brustkorb, der flache Waschbrettbauch und das markante Kinngrübchen noch erahnen ließen. Das man ihm Arme und Beine amputiert und die Augäpfel aus den Höhlen entfernt hatte, störte das Gesamtbild jedoch empfindlich. Die Schreie des Mannes verfolgten Eilinn im Schlaf, er schrie ununterbrochen nach einer bestimmten Frau.... Eilinn schüttelte sich bei der Erinnerung.

Sie machte ein dienstbeflissenes Gesicht und eilte hinter dem Professor her, der geschäftig und ernst und mit wehendem Kittel den endlosen, kahlen, von indirektem Licht erleuchteten Gang entlang eilte. Das Gefühl, dass die Disk ihr jeden Moment ein Loch in den Kittel brennen würde, ließ sie keinen Augenblick los. Heute abend würde sie, wenn alles gut ging, ihre Beweismittel an einen Gewährsmann weitergeben können, der sie den richtigen Stellen weiterleiten würde. Und dann brauchte sie nur noch zuzusehen, dass sie so schnell sie konnte aus diesem Gruselkabinett verschwand.

Ein langgezogenes Heulen riss Eilinn aus ihren Gedanken. Sofort wechselte die Beleuchtung im Gang von Normal- auf Rotlicht: Alarm-Beleuchtung. Aus den Augenwinkeln nahm sie die metallenen Pfosten wahr, sie soeben passiert hatte. Die Abtaster hatten auf die Disk in ihrem Kittel reagiert. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Der Professor war so abrupt stehengeblieben, dass sie fast in seinen breiten Rücken hineingerannt wäre, und als er sich jetzt zu ihr umdrehte, verhießen seine zuckenden Kinnmuskeln und seine wütend gerunzelte Stirn nichts besonders Gutes.
 
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Kommentare  

Da geht das Gruslige schon ins Eklige über, aber es ist noch keinen Kritikpunkt wert.
Schöner, wenn auch etwas zu kurzer Anfang, exzellentes WriteOn von Gwenhwyfar, muss ich schreiben. War das so gedacht? Auf jeden Fall interessant.

Sehr gut.


Redfrettchen (13.06.2004)

Erinnert mich an "Fleisch" mit Jutta Speidel.
Gräulich! Wahrhaftig gräulichst!


fsdg (23.01.2004)

Hi Esmias. Joh, bis jetzt isses gut. Könnte aber noch besser werden, also schwing die Feder. Hau in die Tasten und bring ein paar Ideen rein. Ich hab nämlich momentan hierzu keine. Sonnige Grüße (31 Grad), bignose

bignose (24.08.2001)

Einfach nur gruselig!Einfach nur gut...bis jetzt!

esmias (24.08.2001)

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