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F***: Die Vorjury

Romane/Serien · Nachdenkliches
„Eintausendneunhundertachtundneunzig… Eintausendneunhundertneunundneunzig … Zweitausend… Wahnsinn, sind das wieder viele. Viel zu viele. Ehrlich gesagt waren es letztes Jahr schon genug. Wir müssen mal ein ernstes Wörtchen mit unserem Marketing reden. Das sind solche Streber. Wäh. Zum Kotzen ist das. Und wir haben die ganze Arbeit am Hals. Also bitte Marketing-Streber: nehmt Euch ein Beispiel an mir“, kommentierte Michael die diesjährige Flut an eingegangenen Texten.

Monika schüttelte den Kopf und versuchte, Michael den Sinn seiner Arbeit zu erläutern: „Du bist ein alter Jammerlappen. Freu dich doch, dass es so gut läuft. Und außerdem, was würdest du denn sonst den ganzen Tag machen? Du kannst mit deiner Arbeit junge Talente fördern.“

Michael trotzte: „Du glaubst auch noch an warme Eislutscher, oder?… Talente? Also hör dir das mal an:

Sie flitzte nach dem Spiel in die Dusche und griff nach der Seife. Sie ließ das Stück Ihren Körper entlang gleiten und es FLUTschte ihr aus der Hand…

Haha, also ganz ehrlich, das kann doch nicht ernst gemeint sein, oder? Das ist doch lächerlich. Oder das hier. Das ist überhaupt der Hammer:

Alle Tiere rannten weck,
Fant, Katze, Hund samt Zeck.

Rannten auf die Arche zuh,
auf das sie hatten ihre Ruh.

Vor der Fluht die zu kommen drohte,
jeder wollte entfliehen dem Tohde.

Die Flut kahm, riss alles nieder,
Gott baute alles auf wiehder.

Kaum neu geschaffen,
kam der Mensch, um die Welt zu strafen.

Machten fleißig Müll, verdreckten Luft und Wasser,
waren egoistisch wie der Grasser.

Bis endlich kam die neue Fluht,
alle Menschen fortgespühlt.


Disqualifiziert sag ich! Abgepfiffen! Wir sollten ein Mindestalter der Teilnehmer festlegen. Und eine Mindestanzahl an Wörtern. Wir brauchen Regeln. Ohne Regeln wird das nix. Nur Chaos…. Da kommen dann so Zeitdiebe daher! Verdammt noch mal.
Seht Euch doch den Text an. So viele h’s, dass es in den Augen weh tut… Man stiehlt mir kostbare Stunden. Ich könnte meine Zeit wirklich sinnvoller nutzen. Ich könnte im Fußballstadium mit der Menge grölen. Ich könnte Bier trinken und mitfiebern, wie der göttliche Fußball durch das Spielfeld flitzt. Oder ich könnte zu Hause stundenlang auswendig lernen, welcher Song von welcher Band wann geschrieben wurde. Damit kann man super angeben. Besonders in meinem Beruf. Das macht schon Eindruck.
Aber nein! Ich sitze hier. Und schlage mich mit Texten herum, die sogar für die billigsten Blätter zu schlecht wären.
Abgesehen davon hatten wir doch klar definiert: keine Gedichte“, schnauzte Michael frustriert – den Blicken und Gesten der anderen zufolge auch f-r-u-s-t-r-i-e-r-e-n-d – in die Runde.

Paul versuchte Michael zu bremsen: „Musst Du immer alles so schlecht machen? Bist du perfekt?“

„Bist du perfekt… Wähwähwäh“, äffte Michael mit spöttisch klingender, verzerrter Stimme Paul nach. Das tat Michael immer, wenn er merkte, dass er im Unrecht war. Nur keine Schwäche zeigen.

„Na hör mal, das war jetzt grad mal ein einziger von Hunderten, e-i-n---e-i-n-z-i-g-e-r. Du bist ein echter Pessimist“, setzte Theresa eines drauf.
Michael konterte: „So ein Blödsinn! Ich bin doch kein Pessimist, wie kommst Du darauf? Ich bin ein Optimist. Daran gibt es gar keinen Zweifel.“
Theresa ließ sich nicht beirren: „Aja. Und deshalb hältst du alle für Idioten, weil e-i-n Beitrag nicht nach deinem Geschmack ist. Also da fällt es mir wirklich schwer, dich als Optimisten zu bezeichnen.“
„Ja, schon. Ein Optimist mit Lebenserfahrung halt“, versuchte Michael zu scherzen.

Die stille Frieda flüsterte Marina zu: „So unausstehlich Michael die meiste Zeit… was sag ich… so gut wie i-m-m-e-r … ist, bringt er uns doch hin und wieder zum Schmunzeln. Aber trotzdem. Michael ist nicht bewusst, dass er durch seine Lebens-Frustration, die er leider lautstark zur Schau stellt, seinem Umfeld schadet. Er bringt so eine Unruhe rein und zieht irgendwie alle runter“. „Also ehrlich Frieda, Du glaubst auch immer an das Gute im Menschen, oder? Ich glaube, es macht ihm Spaß, die Welt zu piesacken. Als Strafe für alles, was man ihm antut. Jede Minute. Am liebsten würde er das gesamte Sonnensystem in die Luft sprengen. Um die Terminierung nicht allzu gemütlich zu gestalten, würde er vorher alle mit Fußbällen, seinen Lieblingssongs und seiner bloßen Anwesenheit foltern…stundenlang, tagelang“, analysierte Marina. „Hass erzeugt Hass. Man kann Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen. Er ist doch eigentlich ein gescheiter Bub, aber das geht irgendwie nicht in sein Köpfchen hinein…“, führte sie weiter aus.

„Apropos Fußball. Ich hab hier einen passenden Text, ich lese mal vor.
Die Damen liefen ein. Die Menge tobte, stimmte mit den Spielerinnen die Nationalhymne an so gut sie eben konnte. Plötzlich war es aus. Das FLUTlicht. Erst Stille. Dunkelheit. Dann lautes Kreischen. Panik. Endlich flackerte das Licht wieder an. Erleichterung im Publikum. Das Spiel ging weiter.
Kurz. Gell?“, kommentierte Marina knapp.

„Flut! Flut! Flut! Aus jetzt! Ich kann das nicht mehr hören, das Wort mit F***! Müssen wir immer ein Thema vorgeben?“, schrie Michael unbeherrscht und lauthals durch den Raum. Die neueren Kollegen, die ihn noch nicht so gut kannten, erschraken. Sein Ausbruch brachte ihre Knie zum Zittern. Manchen dienstälteren Kollegen stieg einfach nur die Galle hoch, andere ignorierten ihn. „Langweilig, langweilig, langweilig. Flut dort, Flut da, überall Flut. L-a-n-g-w-e-i-l-i-g !-!-!. L-a-n-g-w-e-i-l-i-g !-!-!. L-a-n-g-w-e-i-l-i-g !-!-!. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Dieser einfallslose Pöbel. Womit habe ich das verdient?!“, tobte Michael weiter und wollte gar nicht mehr aufhören.
Peng. Silvia gab ihm eine Ohrfeige. Sie kannte ihn schon eine Weile. Um auf Nummer sicher zu gehen, formte sie dabei Ihre Hand zu einer Faust. Das tat sie immer, wenn er diese Ausbrüche hatte. Und immer hatte es den gewünschten Effekt. Zumindest mittelfristig. Nach der dritten Ohrfeige und einem kleinen Magenschubser beruhigte sich Michael. Er hörte auf. Zwar war es nicht schön anzusehen, wenn sich ein erwachsener Mann auf dem Boden schneckenförmig zusammenrollte, an seinem Daumen lutschte, vor sich hin sabberte und dabei Kinderlaute von sich gab. Seinen Harndrang nur mäßig unter Kontrolle. Aber die Ohren aller im Raum anwesenden konnten sich erholen und die Nerven auch. Er war ruhig.

„Naja. Ausnahmen bestätigen die Regel. In manchen Fällen ist es vielleicht doch am Besten, Gewalt mit noch mehr Gewalt zu bekämpfen“, sagte Marina zu Frieda. Dabei funkelte eine ordentliche Portion Schadenfreude aus Ihren Augen.

Theresa, eine der neueren Kollegen, war schockiert. Die Gelassenheit der älteren Mitarbeiter beunruhigte sie noch mehr. „Das ist doch nicht normal! Bin ich hier in einem Irrenhaus?“, dachte Theresa leise. Silvia bemerkte Theresas Angst und Unbehagen. Sie redete ihr gut zu und versuchte, sie zu beruhigen: „Im Kern ist er ein ganz netter, er ist halt ein bisserl eigen. Blöd ist nur, wenn es wieder einmal während einer Sendung passiert. Aber na ja. Dann müssen wir schnell eine Platte auflegen. Mittlerweile haben wir eine gewisse Routine entwickelt.“ Theresa konnte das Szenario kaum aushalten, ihr kam das alles sehr sehr sehr seltsam vor. Sie versuchte sich abzulenken und vertiefte sich in einen Stapel Texte, den sie vorsondieren sollte.

Monika kümmerte sich wenig um das Geschehen im Raum. Sie kannte Michael schon einige Jahre… Sie hatte gelernt, seine Ausbrüche zu ignorieren. Ein Text hatte ihre Aufmerksamkeit erlangt. Die Geschichte war sehr kurz und von Hand geschrieben - obwohl das laut den äußerst strengen Wettbewerbsrichtlinien nicht erlaubt war. Und das Papier war aufgequollen. So als wäre es nass geworden. Die Tinte war zum Teil verwischt. Sie begann, leise zu lesen.

„Wie jedes Jahr verbrachte Martin den Frühling in Taormina, einem kleinen, beschaulichen Städtchen auf Sizilien. Natur pur, Blick auf den schönsten Vulkan Europas, ein bisschen antike Baukultur und … Stille – genau nach seinem Geschmack. Das erste Mal kam er im Juni auf die Insel. Nach einem Tag reiste er wieder ab, weil er die Menschenmassen nicht aushielt. Seit diesem unverhofft kurzen Aufenthalt besuchte er das Küstenstädtchen immer in den ersten Monaten eines Jahres. Die für Martin so reizvolle Stille dieser Gegend im Februar kannten und schätzten nur wenige. Man könnte meinen, man sei in Alaska oder Sibirien. Tote Hose. Außer ein paar Wildschweinen treiben sich nur sehr wenige seiner vermeintlich zivilisierteren Artgenossen, den Menschen, herum. Im Jänner, Februar oder März fühlte er sich wohl in Taormina.

Am letzten Tag seines diesjährigen Aufenthaltes wollte Martin etwas Besonders erleben. Er wollte auf Wiedersehen sagen. ‚Bis zum nächsten Mal’. Auf dem Rücken liegend, starrte er verträumt nach oben. Er schärfte seinen Blick und bewunderte den kleinen gelben Kreis am Himmelszelt. Er konnte sich kaum vorstellen, wie es möglich war, dass so ein unscheinbares Element so viel Macht hatte. Noch dazu, wo es sich so selten blicken lässt und die meiste Zeit den Großteil seines Körpers verhüllt: Dieser kleine gelbe Punkt. Steht da oben. So wahnsinnig weit weg und hat so viel Macht. Er raubt Mensch und Tier den Schlaf, lässt Bäume schneller wachsen, Finger- und Fußnägel, lässt die Wölfe heulen und die Hunde, bringt Menschen zum Lächeln und zum Weinen. Gibt den Bäumen Kraft und Langlebigkeit. Bringt tagein, tagaus die Erde in Bewegung. Mit einer unglaublichen Anziehungskraft wühlt er die Meere auf, um sie daraufhin wieder zu besänftigen und sie wieder aufzuwühlen und zu besänftigen. Immer und immer wieder.
‚Ich hätte auch gerne so viel Macht. Wie lange träume ich schon davon, etwas bewegen zu können. Und ich kann es nicht. Ich möchte Menschen und Tiere zum Heulen bringen und zum Lächeln. Aber ich bringe sie zu nichts. Ich bringe sie zu rein gar nichts. Keine Regung. Sie verstehen mich nicht. Sie lassen sich nicht berühren. Wie gerne möchte ich ihnen den Schlaf rauben, sie aufwühlen, um sie wieder zu besänftigen, fallen zu lassen. Wie gerne hätte ich Macht über sie und ihr Leben. Wie gerne hätte ich Macht über mich und über mein Leben’,

philosophierte Martin vor sich hin. Stundenlang träumte er so dahin. Ewig. Und konnte nicht mehr aufhören, sich in Selbstmitleid zu baden. Er tobte, weinte und resignierte vor lauter Machtlosigkeit. Unscheinbar. Unbedeutend. Unfähig. Unfähig, sich selbst und andere zu bewegen.“

Monika war den Tränen nahe, bemühte sich aber, sich nichts anmerken zu lassen. Der folgende Absatz unterstützte sie bei Ihrem Bestreben.

„Auf einmal erschrak er fürchterlich. Es blitzte und regnete. Es hagelte und stürmte. Martin schoss hoch, die Augen weit aufgerissen und zitterte. Völlig orientierungslos stammelte er: ‚Wo bin ich?’“

Monika bekam eine Gänsehaut. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken.

„Im Mondeslicht erkannte er langsam seine Situation. ‚Nein, bitte nicht. Nicht jetzt.’ Es hatte keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Martin versuchte, sich zu erinnern, was passiert war. Und es fiel ihm ein: Er wollte sich doch nur bis zum nächsten Jahr verabschieden. Er legte sich hin. Dann begann er zu sinnieren, über sein Leben, bis er schließlich in einen unruhigen und gleichzeitig tiefen, tranceartigen Schlaf gefallen sein musste. Noch viel unruhiger als der Schlaf war das Erwachen. Und erst recht beunruhigend das Erkennen seiner Lage.

Die Luftmatratze, auf die er sich gelegt hatte, um weich zu liegen und nicht in direktem Kontakt mit dem im März noch kalten Sand zu sein, wurde ihm zum Verhängnis. Nachdem er eingeschlafen war, stieg der Meeresspiegel beständig. Der Mond hatte dem Wasser befohlen, Martin zu holen. Das Meer gehorchte und fischte ihn mit seiner Luftmatratze zu sich, spülte die beiden weit fort. So lag Martin nun da. Auf seiner Luftmatratze, die ihn vor dem im März noch kalten Sand beschützen sollte. Mitten auf dem Meer. Ohne in irgendeiner Richtung auch nur die kleinste Silhouette einer Küste sehen zu können. ‚Genauso mächtig wie sonst in meinem Leben’, schluchzte er. Die Flut hatte ihn überwältigt…

‚Die Flut hat mich Mitten aufs Meer entführt. Jetzt bin ich hier, hilflos. Wer immer diese Nachricht findet und liest, möge sie bitte an effemvier in Wien senden. Ich möchte einmal im Leben etwas bewegen, jemanden bewegen. Und sei es mit dieser Nachricht. Meiner letzten Nachricht. Martin.’“

Eine Träne tropfte auf das ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogene Papier. Monika begann zu weinen und flüsterte: „Jetzt hast du es wohl geschafft, mein Lieber. Deine Geschichte hat mich berührt. Sehr sogar.“

„Oh wie dramatisch… Du Heulsuse… Zeig mal her, das gibt’s doch nicht.“ Theresa begann zu lesen. Sie überflog den Text, las vereinzelt Passagen daraus und meinte dann trotzig: „Da vertreib ich mir lieber die Zeit mit Rosamund Pilcher. Das ist zwar genauso kitschig, aber wenigstens nicht gar so dramatisch“. Monika schluchzte und riss Theresa den Brief aus der Hand.

Theresa merkte, dass Monika wirklich betroffen und gerührt war. Sie bemühte sich, ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen an den Tag zu legen und Theresa behutsam aufzuheitern. „Tut mir sehr leid Monika, war nicht böse gemeint… Die Geschichte ist ja wirklich sehr rührend. Und wenn man gerade in der rechten Stimmung ist, dann kann einem das schon Nahe gehen. Ich versteh dich. Aber schau, es ist doch nur eine Geschichte.“

Plötzlich riss jemand die Tür auf. „H-A-L-L-O!“ kreischte der Eindringling. Er war groß gewachsen. Die Zugluft brachte seine Haare zum Wehen. Das helle Licht, das seine Silhouette beleuchtete, gab ihm eine überirdische Anmutung. In der linken Hand hielt er etwas Großes. War es eine Luftmatratze? Niemand ihm Raum konnte es erkennen – zu hell war das Licht, das ihn umgab. Monika hielt sich die Hände vor’s Gesicht und glaubte zu träumen… War es Martin? D-e-r Martin aus dem Text, den sie gerade gelesen hatte? Das gab es doch nicht. Ist er ein Engel? Ein Geist? Monika sagte gar nichts mehr. Sie saß da und zitterte.

Er trat ein. Schloss die Tür. „Guten Morgen! Ich bin’s, der Rudi. So sonnig heute, unglaublich“, meinte eine freundlich klingende Stimme. Es war Rudi. Er hatte wieder einmal verschlafen. „Tschuldigung für die Verspätung. Ich hab wieder mal verschlafen“, meinte er noch halb verschlafen. Monika musste laut lachen. Sie musste über sich selbst lachen. Jetzt merkte sie, wie sehr sie sich hineingesteigert hatte. „So was blödes“, schmunzelte sie erleichtert.

„Bin ich froh, dass Du nur einen Polster und keine Luftmatratze unter den Arm geklemmt hast. Dreh dich mal um… keine Flügerl?! Okay. Puh! Alles klar“, beruhigte sich Monika langsam. „Also ehrlich gesagt, bin ich mir da nicht mehr ganz sicher, ob alles klar ist… Und Engerl bin ich bestimmt keins, da könnt ihr meine Mutter fragen…“, kicherte Rudi. „Was habt ihr denn während meiner Abwesenheit gemacht… Ich möchte’s lieber nicht wissen. Zieht mich da bloß nicht mit rein“, spaßte er und warf Monika dabei schelmische Blicke zu.

„Was kann ich tun?“ zeigte sich Rudi bereitwillig zu arbeiten. „Also. Wir haben hier ein paar Stapel: ‚Ja’ die kommen mal in die engere Auswahl ‚Nein’ ist der Stapel ohne Chance auf ein Weiterkommen. ‚Weiß nicht’ ist diskussionswürdig. ‚Hab Angst’ sind dann die wirklich schlechten… Ach ja, das Wichtigste: Die noch ungelesenen Texte sind da in diesen … na ja…Mülltonnen halt… Ja ich weiß, ist nur zum Teil passend, aber es waren so viele… und wir hatten kein anderes Gefäß in dieser Größe“, erklärte Paul hilfsbereit wie immer.

„Alles klar, dann start ich mal. Blablabla, blablabla. Next! Blablabla. Next!... Blabla na ja. Ha! Das ist mal was Originelles“, verleihte Rudi seiner Freude über die Entdeckung Ausdruck.

Hört mal. Alle die Ohren gespitzt! Ich hab hier was Nettes. Der Text beschäftigt sich auf unkonventionelle - um nicht zu sagen äußerst unkonventionelle - Art und Weise mit der Thematik.

„Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + Reiz + …

Das geht dann natürlich noch 9 ½ Seiten so weiter, was sonst. Ich hoff, ihr seid’s mir nicht gar zu böse, wenn ich euch nicht alle 9 Seiten vorlese.
Ja Wahnsinn. Könnt Ihr euch das vorstellen? Und ratet mal, wie die „Geschichte“ ausgeht? Hm? Ideen? Nein? Ich verrat’s euch:

‚=’ das war ja klar. Reiz plus Reiz?! Eine Formel! Und was steht hinter dem ‚=’? Genau das Ergebnis: ‚R-e-i-z-ü-b-e-r-f-l-u-t-u-n-g’.

Na? Hab ich Euch zu viel versprochen? Also das hat schon was, find ich. Das war die Zeit wert.“

„Das ist doch kein Mathe-Wettbewerb“, motzte Michael, dessen Zustand sich wieder ‚normalisiert’ hatte. „Ich finde die Idee gut, aber die Fähigkeiten des Autors kann man anhand eines solchen Textes kaum bewerten. Als nächstes druckt der ein Buch nach demselben Motto… Bin nicht sicher, ob mir das recht viel Freude machen würde, das Buch. 10, 20, 30 Euro für 2 Wörter?“, pflichtete ihm Theresa bei.

„Na gut. Wenn Ihr solche Spießer seid…“ sagte Rudi seufzend aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht „… dann lege ich ihn auf den Stapel ‚hab Angst’. Wollt ihr das?
Aber lasst euch sagen: I-c-h wasche meine Hände in Unschuld.“ Um seine Aussage zu untermauern tauchte er seine Finger in das Wasserglas. Er spritzte mit den nassen Fingern durch den Raum und brachte seine Kollegen damit zum Schreien, zum Lachen, zum Ignorieren, zum Davonrennen und natürlich zum Spinnen. „Das liebe ich so an euch. So ein bunter Haufen! Alle anders.“ schwärmte Rudi und widmete sich nun mit der gleichen Ernsthaftigkeit aber etwas mehr Ruhe weiteren ungelesenen Einreichungen.

Diese Szenen und noch viele mehr spielten sich beim ersten Treffen der Vorjury am 15. Mai 2007 in den Räumen des Radiosenders effemvier ab. Gnadenlos wurden die Texte wahllos quergelesen, um einen ersten Eindruck von den Einsendungen zu erhalten und sich auf die Auswahl einzustimmen. Sämtliche Stücke wurden von den Vorjuroren studiert, analysiert und bewertet. Besonders auffallende Texte wurden laut vorgelesen. Zumindest von den extrovertierteren der Runde. Es gab Diskussionen über diese und jene Einreichungen. Einvernehmen, Diskussionen, Streit. Wie jedes Jahr war es ein knappes Rennen.

Wie es in der Endauswahl durch die Hauptjury zuging, davon wollen wir lieber nicht berichten.

Na endlich. Die Pressekonferenz. Weißer Rauch stieg aus dem Pfeifchen des effemvier Rauchmännchens. Endlich war also die Entscheidung getroffen. „Meine Damen und Herren. Es waren auch heuer wieder zahlreiche miserable Einsendungen dabei, viele mittelmäßige, einige passable und vereinzelt außerordentlich gute. Ich darf nun mit Freude jenen Text vorlesen, den wir aufgrund seiner Originalität und Ideenvielfalt – trotz seiner teils wundersamen Anmutung und seiner selbstverherrlichenden Tendenzen – zum Siegerbeitrag erkoren haben:

Ladies und Gentlemen. Hören Sie. Genießen Sie. Fühlen Sie: Eintausendneunhundertachtundneunzig… Eintausendneunhundertneunundneunzig …“, begann der Vorsitzende der Hauptjury, den Text laut vorzulesen…
 
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Kommentare  

Oh, Mann, was für eine Selbstbeweihräucherung.
Glückwunsch zum Nicht-Gewinn.


 (16.12.2007)

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