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9 Seiten

Ahrok 2.Band - 40. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Vierzigstes Kapitel: In der Zwickmühle

Ragnar war weder betrunken genug noch hatte er jetzt die Geduld, sich Ahroks Launen auszusetzen, also stapfte er wütend die Treppe hinunter in den Schankraum. Aber er kam nicht einmal bis zum Tresen, da hatte er schon sämtliche Blicke aller Anwesenden auf sich gezogen.
„Bring mir ein… was?!“, fuhr Ragnar den ausgemergelten Schankwirt an, der anstatt freudestrahlend seine Bestellung aufzunehmen, nur verschämt seinem Blick auswich. „Hat hier noch nie einer einen Zwerg gesehen?!“
„Werter Herr“, der Wirt rang verzweifelt nach den rechten Worten und war vergeblich bemüht seine Augen oberhalb Ragnars Taille zu halten, „die Geschäftspolitik unseres Hauses sieht vor, dass wir unsere Gäste nur bedienen, wenn sie Schuhe tragen… oder doch wenigstens Hosen.“
Ragnar stemmte sich herausfordernd die Fäuste in die Hüften.
„Ach, darum geht´s jetz hier?! Ein durstiger Mann bekommt bei dir nichts zu trinken, nur weil er gerade kleidungsmäßig etwas unpässlich ist?!“
„Sie sehen das…“
„Und was heißt hier überhaupt ´bedienen´?! Du sollst mir nur ein paar Bier in Reichweite hinstellen und mir nicht die Sackhaare flechten!“
„Ich…“, weiter kam der Wirt nicht, bevor sich das Bild in seinem Gedächtnis festsetzte und es ihm die Sprache verschlug.
„Hat es dich jemals in eine Taverne unter den Bergen verschlagen, Menschling?“
„Ähm… nein. Wieso?“, kaum waren die Worte heraus, da bereute er die Frage bereits auch schon.
„In einer echten Zwergenschenke gehört es zum guten Ton, sich so zu präsentieren, wie der Stein einen schuf. Wie sollte man sonst ´Wer den Haarigsten hat, gewinnt´ spielen?“
Obwohl der arme Mann keinesfalls davon überzeugt war, dass Ragnar die Wahrheit sprach, konnte er sich doch nicht der gewaltigen Bilderflut aus nackten Zwergen erwehren, die sich gegenseitig… plötzlich wurde ihm so schlecht.
Mit „Bring mir sechs… nein sieben Krüge Steinberger zu meinem Tisch und damit sei dir deine Unverfrorenheit verziehen.“ riss ihn Ragnars aus seinen unschönen Tagträumen. Der Wirt verfolgte daraufhin halb verwundert, halb angewidert wie der Valr instinktiv nach seinem Brustbeutel griff und nur ein Büschel Haare zu fassen bekam.
„Schreib´s auf meine Rechnung.“, fügte Ragnar nach der kurzen, erfolglosen Suche nun noch hinzu und wandte ihm in der Allerweltsgeste des „Die Diskussion ist hiermit beendet“ den Rücken zu.
Viele Gäste beobachteten irritiert oder doch auch heimlich schmunzelnd wie der triefnasse und unbekleidete Zwerg über die Sägespäne dackelte, die großzügig nach den gestrigen Feierlichkeiten über Urin und Erbrochenes der Hochzeitsgäste ausgestreut worden waren.
Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch die frechen Gaffer anzubrüllen oder doch nur etwas umzuwerfen, verging ihm die Lust auf beides. Selbst das Bier bekam schon einen schalen Geschmack, noch bevor der Wirt es ihm auf den Tisch stellen konnte.
An Tagen wie diesen hing ihm die Oberwelt mit ihren langbeinigen Bewohnern besonders weit zum Hals heraus, aber auch wenn Gewalt gegen Menschen, die ihm allein schon mit ihrer Anwesenheit auf den Sack gingen, gut für den Seelenfrieden war, so fürchtete er, dass nicht einmal ein paar ausgeschlagene Zähne ihm heute ein Lächeln in den Bart zaubern würden.
Die Welt wuchs ihm mit jedem Tag immer weiter über den Kopf, auch ohne dass ihn erzkonservative Zwerge ständig mit herablassendem Kopfschütteln daran erinnerten, dass er als Lebender längst ausgedient hatte und er dank seines fehlenden Eifers auch des Titels „Valr“ längst nicht mehr würdig war. Den Eid der Todessucher konnte ein jeder leisten, doch nur wenige drückten sich so erfolgreich wie er um dessen Erfüllung.
Menschen, Elfen und Trolle nahmen es mit zwergischen Traditionen zwar nicht so genau wie das steinerne Volk, aber dafür brachten sie ihre eigenen Probleme mit in die Welt und diese Probleme schienen Tag für Tag immer mehr zu den seinen zu werden. Und als ob er nicht schon genug um den Bart hatte, standen diese auch noch im direkten Widerspruch zu seinem Eid, einen besonders schnellen und grausamen Tod in der Schlacht zu finden.
Ahrok dieser junge Aspirant auf einen Titel als wirklich großer Krieger hatte sich zu einem jämmerlichen Pantoffelhelden gewandelt, der ihm nun dank seiner schweren Verletzung wie ein Klotz am Bein hing und tagein tagaus nur von seiner Verflossenen palaverte.
Und dann war da noch dieser Alfr.
Tod und Verderben über die Götter, die diese Hexe in sein Leben geworfen hatten.
Vom ersten Augenblick an hatte sie ihm nur Ärger bereitet und selbst jetzt, da sie endlich verschwunden sein sollte, war sie es doch nicht. Unter all dem gerechtfertigten Groll, den er ihr und ihrem Volk entgegenbrachte, gab es da diese unleugbare Verbundenheit, die ihm beinahe den Verstand raubte. Dieses seltsame Gefühl hatte sich in einer dunklen Ecke seines Herzens eingenistet und war trotz intensivster Bemühung von Alkohol nicht mehr von dort fortzuschwemmen. Seit Jahrzehnten hatte er niemanden mehr getroffen, der sein Innerstes so gut verstand wie dieser verabscheuungswürdige Alfr. Er fühlte sich hilflos zu ihr hingezogen und doch blieb da die Spur eines Zweifels bestehen, ob sie ihn nicht einfach nur verhext hatte. Mit einem schwarzen Spruch belegt, wie es bei den Dökkalfr Gang und Gebe war. Nur um ihn zu verwirren. Nur um… ihm fiel kein passender Grund ein, warum sie es getan haben könnte, und so war es gut, dass der Wirt die Krüge vor ihm abstellte.
Selbst Zwergen fiel es schwer, gleichzeitig zu trinken und zu denken und daher waren Unmengen von Bier die beste Möglichkeit seinem gemarterten Schädel etwas Ruhe zu gönnen.
Beschissene Alfr.

„Herr van Hauten?“
Nikolas stöhnte entnervt auf, als die Stimme des Novizen ihn bis in die Gewölbe des Ordenshauses verfolgte. Er schob die Blende vor sein Leselicht, um es in der leisen Hoffnung zu dimmen, seinem übereifrigen Verfolger dadurch zu entkommen.
„Herr van Hauten?“, erklang es erneut. Diesmal näher und er konnte das Knistern der Fackel hören sowie die schlurfenden Schritte und der Schein der flackernden Flammen warf lange Schatten in die Gänge zwischen den verstaubten Regalen und Nischen.
Seit Wochen und Monaten kannte er nichts anderes mehr als tanzende Schatten und leicht getrübte Finsternis. Es ging mittlerweile sogar soweit, dass ihm Kopf und Augen schmerzten, wenn er doch zufällig einmal in das Sonnenlicht geriet. Seine Tage verbrachte er nur noch zwischen Kerker und Bibliothek des Ordens, meist nur mit einer kleinen Öllampe als einzigem Begleiter. Abgesehen von Bernhard Schreiber, der natürlich bei den Befragungen ebenfalls immer dabei war… wenn man das nach all der Zeit noch so nennen konnte.
Der ehemalige Hauptmann war so nahe an den Irrsinn herangerückt, dass jede Antwort des brabbelnden, zitternden Wracks ebenso gut Wahrheit wie auch Wahnsinn sein konnte, aber das hinderte Nikolas nicht daran, seine Befragungen weiter durchzuführen.
Der Schlüssel zum Erfolg steckte im Hirn des Hauptmanns. Er musste ihn nur behutsam ausgraben.
Der Geruch brennenden Pechs stieg ihm in die Nase, als sich sein Verfolger seiner Position weiter näherte. Eine Fackel an diesen Ort voller niedergeschriebenem Wissen zu bringen war verantwortungslos und wie so oft ging auch Dummheit auf religiösen Übereifer zurück.
Aufgrund der altehrwürdigen Anti-Magie-Bestimmungen des Ordens gab es in keinem der Ordenshäuser die sonst in Märkteburg überall vertretenen Lichtquarze. Auch wenn vor etwa eintausend Jahren wissenschaftlich belegt wurde, dass das Leuchten der Steine nicht magischen Ursprungs war, so tat sich die heilige Inquisition doch schwer mit Veränderungen. Die Engstirnigkeit des Ordens, Anbetracht neuer Erfahrungen neue Wege zu beschreiten, war ein weiterer Grund, warum er seine neuesten Untersuchungen abseits der formellen Wege und ohne Zustimmung des Lordinquisitors von Braun durchführte.
Dämonische Besessenheit als Waffe zu verwenden, um der Bedrohung durch diese Wesen Herr zu werden, galt unter den Puristen des Ordens, und das waren so ziemlich alle, als nicht minder verdammenswert, als die Dämonen an sich.
Die Inquisition verweigerte sich selbst Wissen und Macht, aus der irrationalen und doch so allgegenwärtigen Angst vor der Verderbtheit. Es war eine Schande, mehr noch – es war ein Verbrechen an der Menschheit. Der Kampf gegen die Wesen aus Magie und Boshaftigkeit dauerte nun schon viele tausend Jahre an und keine Seite konnte den Konflikt für sich entscheiden. Wie Fluten in einem Meer schwappte der Vorteil mal zu der einen Seite hinüber, mal zu der anderen. Einige hundert Jahre so, einige hundert Jahre so und während die Dämonen die Schwäche der Menschen ausnutzten, um sie zu korrumpieren, versagten sie sich aus dummem Stolz diese Taktik ebenso anzuwenden. Aber im Kampf um das Überleben konnte man sich keinen Stolz leisten.
Es war nicht so, dass Nikolas an den Lehren des Namenlosen zweifelte, aber er hatte in den letzten Jahren zu viel gesehen, um noch zu wissen, was diese Lehre eigentlich beinhaltete. Der Inquisition war es ohne große Anstrengung gelungen die heiligen Worte von Liebe und Vergebung in eine Litanei aus Hass und Vergeltung zu pervertieren und dennoch schienen die Inquisitoren weiterhin mit dem Segen des Namenlosen zu handeln. Nie schien die Sonne heller, nie war die Welt ein fröhlicherer Ort, als zu dem Zeitpunkt, wenn der süßliche Duft brennenden Fleisches begleitet von erstickten Schreien gen Himmel aufstieg.
Wenn jede Handlung, egal wie abscheulich, durch eine Textstelle im Buch des Namenlosen gerechtfertigt werden konnte, dann ganz sicher auch sein Vorhaben.
Exitus acta probat.
Kein Leitspruch des Ordens war ihm so lieb geworden wie dieser und dennoch blieb Geheimhaltung momentan die oberste Devise, denn die Inquisition schwang besonders gern das Schwert gegen Häretiker in den eigenen Reihen.
Die Informationen, welche er aus den intensiven Verhören mit dem Hauptmann gewonnen hatte, mussten zwar dokumentiert und danach mit vorherigen Erkenntnissen verglichen werden, jedoch ohne die Aufmerksamkeit des Ordens auf sein Tun zu lenken. Auch wenn diese mühsame Arbeit nun schon Monate beanspruchte, war dies für gewöhnlich kein Problem für ihn, da es ein jeder, ob nun Mensch oder Zwerg oder Großinquisitor, es vorzog, seine Gegenwart zu meiden. Aber dieser neue Novize, den ihn der Lordinquisitor auf den Hals gehetzt hatte, schien die natürliche Abneigung gegen Paria wie ihn nicht zu teilen.
Der bucklige Elf schlich Tag für Tag um ihn herum, dokumentierte heimlich seinen Tagesablauf und besonders dann, wenn Nikolas ihn nicht zu beachten schien, blitzten hinter der dümmlich naiven Visage ein paar stechende Augen auf, wie sie nur erfahrene Interrogatoren besaßen.
Im besten Fall war dies nur eine der üblichen, internen Loyalitätsüberprüfungen, die er hier über sich ergehen lassen musste, aber möglicherweise ermittelte jemand bereits wegen Ketzerei gegen ihn. Die Grenzen waren da sehr fließend. Egal welchen Grund es auch hatte, dass dieser Novize ihm am Hacken klebte, von nun an musste Nikolas viel vorsichtiger bei seinen Nachforschungen und Verhören sein.
Die nervtötenden Schritte entfernten sich wieder, als sein Jäger eine Abzweigung verpasste und dem Gang weiter ins Gewölbe hinein folgte.
Nikolas atmete auf und schlug das Buch zu, in welchem er die letzten zwei Stunden vergeblich nach Antworten gesucht hatte. Sein Kopf schmerzte von den vielen halbverblichenen Buchstaben, die unnötig verschnörkelt auf das Pergament gebracht, unnötig verkomplizierte Sätze gebildet hatten. Oftmals versteckte sich in einem ganzen Stapel heiliger Texte von Verdammnis und Erlösung nur eine winzige Information und wenn man Pech hatte, dann fand man sie nicht einmal unter dem ganzen Wust von Metaphern, Gleichnissen und Hyperbeln. Seit Wochen trat er nun auf der Stelle. Etwas Abstand von der Materie tat ihm womöglich sogar ganz gut.
„Herr van Hauten“, erklang es so dicht neben ihm, dass selbst ein abgebrühter Inquisitor wie er selber zusammenzuckte, „da sind sie ja. Ich hab sie gefunden!“
Nikolas erhob sich sogleich.
Es war keine Geste der Höflichkeit, sondern der instinktiven Vorsicht. Sitzend bot man seinem Gegenüber ein leichtes Ziel. Stehend konnte man sich weit besser verteidigen. Und ein Mann, der gesehen hatte, was er gesehen hatte, der war auch in den scheinbar sichersten Augenblicken darauf bedacht, sich den Rücken frei zu halten.
„Novize“, nickte er dem Elfen in gespielter Überraschung zu. „Was suchen Sie denn hier?“
„Frau von Braun sucht nach Ihnen, aber jetzt habe ich Sie ja gefunden.“, setzte sein Verfolger das Versteckspiel fort.
Dieser missgestaltete Elf war ein Geist, ein ewiger Novize, der aufgrund seiner offenkundigen Unfähigkeit, auch nur die kleinsten Aufgaben zu erfüllen, von niemandem für voll genommen wurde. Es konnte kaum einen besseren Spion geben als jemanden, der sich so frei von jeglichem Verdacht überall bewegen konnte.
„Ah, wie erfreulich“, lächelte Nikolas und der Elf, dessen Namen er nicht einmal kannte, erwiderte diese versöhnliche Geste. Doch hinter ihrer beider Augen loderten Vorsicht und Verdacht und diese versuchten die Maske des jeweils anderen zu durchbrechen, um das innerste der Gedanken und heimlichen Wünsche freizulegen.
Nach diesem kleinen, mentalen Duell wies Nikolas ihn an, vorauszugehen. Der Elf verbeugte sich ruckartig und lächelte so dümmlich, dass der Inquisitor beinahe an der Gerissenheit seines Gegenübers zweifelte.
Der Bucklige schlurfte frohgelaunt durch das Labyrinth der Bibliothek und schien nicht einmal darauf zu achten, ob Nikolas ihm tatsächlich folgte.
„Der Hauptmann ist fort.“, ließ sein Begleiter auf dem Weg nach oben beiläufig fallen.
„Der Hauptmann ist…?“
„Fort. Weg. Wusch. Nicht mehr da.“, frohlockte der Elf in kindlichem Singsang.
Dieser neckische Hinweis kam unerwartet und traf ihn dort, wo er es am wenigsten erwartet hatte. Sein Herz schlug schneller und er war sich sicher, dass der Bucklige den Wechsel in seiner Atemfrequenz ebenso bemerkt hatte. Was war jetzt die beste Antwort auf diese versteckte Stichelei?
„Nun, es wurde auch Zeit, dass man ihn endlich verbrennt.“
Es war ein plumper Versuch, nach weiteren Informationen über den Verbleib des irren Hauptmanns zu fischen, aber der Elf ging darauf ein.
„Oh nein, nein, nein. Kein Feuer, kein Rauch, kein Zisch und kein Schrei. Fort ist er, fort.“
„Mhm“, kommentierte er den ausgelegten Köder scheinbar desinteressiert.
Jetzt war er sich sicher, dass er unter Beobachtung stand und jede Unvorsichtigkeit seinerseits schreckliche Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Nun mussten erst einmal wieder ein paar Monate des offen gezeigten Demuts und der Dienstbarkeit vergehen, bevor er sich nach dem Verbleib seiner einzigen Informationsquelle erkundigen konnte.

Ahrok hatte erwartet, dass der Zwerg seinen Irrtum rasch erkennen und ebenso schnell wieder in das Zimmer zurückkehren würde, aber da war er es wohl, der hier irrte. Wo, beim Namenlosen, konnte sich ein nackter Zwerg nur so lange herumtreiben? Er wollte Ragnar doch noch so viele Fragen stellen, die ihm auf der Seele brannten.
Der Zwerg wusste, wo sich Ariane aufhielt und wollte es nicht sagen! Wahrscheinlich wartete er nur direkt hinter der Tür darauf, dass Ahrok sich für seine Worte entschuldigen würde, aber soweit kam es ja wohl noch. Nein, dieses Spiel konnten auch zwei spielen!
„Du kannst wieder reinkommen!“, rief er zum fünften Mal, jedoch immer noch ohne eine Antwort zu erhalten.
Der Zwerg war gut. Obwohl Ahrok seine Posse längst durchschaut hatte, gab er sich nicht zu erkennen. Aber was sollte man bei einem sturen Volk wie diesem auch anderes erwarten.
„Ich weiß, dass du da draußen stehst!“
Wieder nichts als Stille.
„Na gut! Bleib du nur da draußen! Ich warte hier in meinem warmen, gemütlichen Bett, bis du dich wieder einkriegst. Ich hab Zeit.“
Langsam trieb es der Zwerg mit seiner kindischen Borniertheit wirklich zu weit. Dieses kleine Versteckspiel war schon nach der ersten halben Stunde nicht mehr witzig gewesen.
„Ragnaaaar…“, maulte er genervt, aber der Zwerg vor der Tür blieb stumm.
„Fein! Du hast es geschafft! Ich stehe auf!“
Tatsächlich folgte er seinen Worten und rollte sich aus dem Bett. Da er seinen Krückstock auf die Schnelle nicht fand, hüpfte er zur Tür und riss sie auf. Doch entgegen aller Erwartungen, stand niemand dahinter. Der Zwerg musste sich heimlich aus dem Staub gemacht haben, als dieser gehört hatte, wie er aus dem Bett gekrochen war.
Das Verhalten des Valr war so kindisch, dass Ahrok nicht wusste, ob er lachen oder noch wütender werden sollte. Nach kurzem Ringen gewann die Belustigung die Oberhand und sie zauberte ihm ein schiefes Grinsen auf die bereits wochenlang heruntergezogenen Mundwinkel.
„Ragnar?“, er hüpfte die Treppe hinunter und hoffte schon nach den ersten paar Sprüngen inständig, den Zwerg noch innerhalb des Gebäudes zu finden.
Glücklicherweise war das kleine, splitternackte Häufchen haariges Elend nicht zu übersehen, auch wenn es sich im Schankraum hinter einem ganzen Stapel leerer Bierkrüge versteckte.
„Was machst du hier unten?“
„Meh…“, war die träge gegrunzte Antwort. „Wonach sieht´s denn aus?“
„Es sieht so aus, als ob du dich vor mir versteckst.“
„Ja… weil sich ja alles, was ich tue, nur um dich dreht.“
„Du willst mir nicht sagen, wo Ariane steckt.“
„Ja, weil du nur Blödsinn mit diesem Wissen anstellen würdest.“
Ahrok fegte die leeren Bierkrüge vom Tisch.
„Und selbst wenn, was geht dich das an?“
Als Antwort schnalzte Ragnar nur mit der Zunge und kratzte sich hinterm Ohr.
„Aber deswegen bin ich ja gar nicht hier.“
„Nicht?“
„Nein. Ich mache mir viel größere Sorgen um jemand anderen.“
„Du solltest dir lieber Sorgen um dich machen“, grunzte Ragnar abwertend. „Also gut: Um wen machst du dir solche Gedanken?“
„Um Kara…“
„Ach, jetzt hör auf mit dem Scheiß!“, fiel ihm der Zwerg ins Wort.
„Nein, wirklich. Ich meine, sie ist da diesem widerlichen Drecksack ausgeliefert. Diesem Salinis, dem du mal die Zähne ausgeschlagen hast.“
„Na und wenn schon.“
„Ich weiß ja nicht, wie du das siehst… aber sie hat uns ja mal das Leben gerettet und jetzt… arme Kara. So ganz allein und traurig und… allein eben. Ich würd ja selber gehen, aber…“, Ahrok ließ den Satz unvollendet und klopfte stattdessen nur auf seinen Stumpf.
„Fein!“
„Fein was?“
„Fein, du hast gewonnen! Ich rede mal mit dem Arsch von Herzog.“
„Hm…“, Ahrok stemmte das Kinn grüblerisch in seine Handflächen.
„Was ist denn nun noch?!“
„Na ja, versteh mich nicht falsch aber… Du als Zwerg und dann diese Schwarzelfe… Das ist doch eine sehr ungewöhnliche Beziehung. Da reden die Leute doch sicherlich, wenn sie davon erfahren.“
„Was?! Sag mal, was willst du eigentlich von mir?!“
„Also… es ist ja nicht so, dass ich so etwas herumerzählen würde. Ganz bestimmt nicht! Aber wenn ich den ganzen Tag nur hier herumliege, dann kann schon mal das ein oder andere Wort unbeabsichtigt ausgesprochen werden.“
„Du…!“
„Aber wenn ich unterwegs bin, sagen wir… um Ariane zu suchen, dann würde dies ganz sicher nicht passieren.“
„Du bist so ein riesen Arsch, ey.“
„Ich weiß.“
„Ich werd dir das nie verzeihen.“
„Ah pff, nach dreiundzwanzig Humpen Steinberger verzeihst du mir alles.“
Ragnar schon sein Kinn vor, wie er es immer tat, wenn er kurz vor dem Explodieren war, doch dann lehnte er sich wieder zurück und rieb sich so kräftig das Gesicht, als könnte er damit seinen Zorn fortwischen.
„Versuch dein Glück in der Rolandstraße. Da hat dieser Magier seinen Turm stehen, oder was auch immer der sein Zuhause nennt.“
„Danke, Rangar.“
„Hmpf, bestell mit beim Rausgehen lieber noch ´ne Fuhre Bier, wenn du weißt, was gut für dich ist.“
 
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Kommentare  

Hallo ihr fleißigen Kommentatoren. Vielen Dank für eure lieben Anmerkungen und vor allem auch an dieser Stelle mal an die, die mir per PN ihre Eindrücke zukommen lassen!

@Petra:
Danke für die mittlerweile über 200 Kommentare von dir! Die beiden und ihre Freundschaft zueinander liegen mir sehr am Herzen - vielleicht zu sehr und ich schweife von der eigentlichen Geschichte zu ihren Gunsten hier und da immer wieder etwas weit ab... aber da werd ich wohl nichts dran ändern können (wollen :)

@Jochen
Auch dir als einem der ausdauerndsten Kommentatoren gilt hier mein besonderer Dank! Wo wär ich nur ohne dein Feedback. Ich hoffe, dass ich die Beziehungen tatsächlich auch so interessant zu Papier bringen kann, wie ich sie mir vorgestellt habe... da seh ich momentan noch ein Problem.

@ Anariel:
Das nächste Kapitel wird hier endlich Aufschluss bringen, wie es zwischen Ahrok und Ariane tatsächlich weitergeht.

@doska:
Ja seltsam, dass in diesem Teil die sonst obligatorischen Schankmädchen fehlen... das war keine bewusste Entscheidung meinerseits ^^ Und auch dir sei gesagt, dass das nächste, etwas längere Kapitel Aufschluss über die Beziehung zwischen Rangar und Kara bringen wird.

Danke euch allen
und
Gute Nacht


Jingizu (10.11.2012)

Ein nackerter Mann in der Kneipe? Oh, da würde ich aber gucken. Wo bleiben denn die Schankmädchen in deiner Geschichte? Die versäumen ja richtig etwas. Ragnar macht aber Sachen in seiner Verwzeiflung. Wenn das Kara wüsste. Doch die denkt bestimmt, dass der Zerg kein Interesse an ihr hat und sie muss immer noch ihrem schrecklichen Herrn gehorchen. Da ist Ahrok aber ganz anders. Hat sich die Adresse seiner Ariane erschlichen. Der Magier und Onkelchen werden nicht gerade begeistert sein, wenn er dort auftaucht. Kopfzerbrechen bereitet mir die Flucht des Hauptmanns oder was ist mit ihm passiert? Spannend das.

doska (09.11.2012)

Hier kann ich mich nur den anderen anschließen. Wieder recht schön geworden. Der arme Zwerg! Das is doch kühl so. Aber zu stur und stolz um daran was zu ändern.
So und nu weiß also Ahrok wo der Magier, der ihm sein Mädchen ausgespannt hat, wohnt. Da bin ich ja mal gespannt, was das wird.


Tis-Anariel (08.11.2012)

Wieder ein schönes Kapitel. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen über die Reaktionen des Schankwirts wegen des nackten Ragnars.
Der Arme Zwerg ist völlig mir den Nerven herunter und Ahrok gehts nicht anders. Tja, Frauen können einen aber auch fertig machen.


Jochen (08.11.2012)

Herrlich, das hat mir wieder Spaß gemacht mit den Beiden. Diese zwei Raufbolde sind ganz besonders süß, wenn sie verliebt sind. Alles ist wieder so lebensecht und plastisch beschrieben, dass ich es wie einen Film vor Augen hatte. Nun bin ich gespannt, weshalb Bernhard Schreiber nicht mehr da ist und wohin er gekommen ist. Und natürlich bin ich auch neugierig wie Ariane und auch der Magier reagieren werden wenn Ahrok aufkreuzt. Was wohl der Onkel dazu sagen wird?

Petra (07.11.2012)

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