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3 Seiten

Bo, der Maulwurf oder "Schuster, bleib bei deinen Leisten ..."

Kurzgeschichten · Für Kinder
Bo, der Maulwurf

Bo, der Maulwurf wohnte in einer kleinen Höhle unter einer großen Wiese. Dort betrachtete er sich den lieben, langen Tag im Spiegel und jammerte, schimpfte und heulte. Die spitze Nase war zu spitz, die Knopfaugen zu klein und die kräftigen Schaufelhände nur schmutzig und hässlich. Das schlimmste aber war das Fell. Was hatte der Schöpfer sich da bloß gedacht? Mit diesem hässlichen, grauen Anzug konnte er sich nirgends auf der Welt blicken lassen, schon gar nicht vor anderen Maulwürfen. Er war der einzige Bewohner auf und unter seiner Wiese.. Fuchs, Hase, Igel, Maus und sogar die eigenen Artgenossen zogen irgendwann einmal freiwillig weg weil ihnen das ewige Geheule aus Bodenloch Nr. 7 nicht geheuer war.
Eines Tages machte ein Adler Rast auf einem Baum, der in der Nähe zu Bo´s Wohnung stand. Er putze sich gerade die Federn, als ein Heulen und Wimmern an seine Ohren drang. Verwundert flog er vom Baum herab und rief: „Hallo, braucht jemand Hilfe?“ „Bäääh“, plärrte es aus dem Erdloch. Vor ihm kam ein spitzes Näschen und zwei Knopfaugen zum Vorschein. „Nett, dass sie fragen“, schniefte Bo. Er äugte den Adler bewundernd an, der eine Feder zurecht zupfte: Sie haben aber einen schicken Mantel.“ Oh, danke“, erwiderte er, „macht aber auch viel Arbeit das Zeug in Ordnung zu halten.“
Sie können sich wenigstens in der Welt sehen lassen“, seufzte Bo,“ich muss mich verstecken.“ „Ja wieso denn?“, fragte der Adler. „Ach, ich hab bloß diesen hässlichen, grauschwarzen Mantel und mit dem kann ich mich nirgendwo blicken lassen.“ „Aber sie sind doch ein Maulwurf“, entgegnete der Adler, „und Maulwürfe sehen nun mal so aus.“Also das können sie gar nicht beurteilen,“ grunzte Bo beleidigt. Dort oben wo sie rumfliegen, gibt´s ja keine Maulwürfe. „Pah, machte der Adler amüsiert, „ich sehe ihre Verwandten jeden Tag und vertrauen sie mir, sie gleichen einander bis auf die Nasenspitze.“ „Nein, das glaub ich ihnen nicht. Ich bin schließlich schon mein ganzes Leben Maulwurf und weiß es wohl besser.“
„Sie glauben mir nicht?, dann kommen sie doch mit", forderte ihn der Adler auf, „ich lade sie ein zu einem Rundflug und zeige ihnen die anderen Maulwürfe“.
Was für ein Angebot! Bo kämpfte mit sich. Der Adler zwinkerte mit den Augen:
„Eine einmalige Gelegenheit“, rief er und spreizte seine gewaltigen Flügel, „als erster fliegender Maulwurf werden sie auf jeden Fall in die Maulwurfgeschichte eingehen.“
Kein Maulwurf könnte einer solchen Einladung widerstehen und so krabbelte Bo aus seinem Erdloch und auf den breiten Adlerrücken. Dort klammerte er sich fest an den Federn des mächtigen Vogels. Los ging´s. Mit einem kraftvollen Stoß hob der Adler vom Boden ab und stieg rasch in den blauen Himmel hoch. Nach einer Weile öffnete Bo zögernd seine Äuglein und schaute vorsichtig um sich. Wie anders sah alles von hier oben aus. Die Wiese unter der er lebte, sah nicht grösser aus als ein Ahornblatt. Kleine Punkte und Striche bewegten sich auf schmalen Wegen. Das waren die Menschen. Kleinste Farbtupfer auf grünen Flächen waren Blumen, die auf den Wiesen mindestens doppelt so groß waren wie Bo.
„Achtung!“, rief der Adler und gleich darauf wurde alles weiß und feucht wie in einer riesigen Waschküche. „War nur eine Wolke“, beruhigte er den Fluggast.
„Sie können da einfach hindurch fliegen?“, wunderte der sich. Bo war immer überzeugt, dass diese weißen Gebilde am Himmel so schwer und hart wären wie der Erdboden in dem er lebte.
„Da vorne ist übrigens schon ihre Verwandtschaft“, rief der Adler.
„Wo denn?“, fragte Bo und hielt sich die Hände über die Augen. „Sehen sie es nicht. Da vorn ... .“ Er spürte plötzlich einen Ruck im Rücken „Hilfääääähhhh“, schrie es unter ihm. Eine Windböe hatte Bo mit sich gerissen und jetzt stürzte der kleine Maulwurf wie ein kleiner Meteroit vom Himmel hinab zur Erde.
Mit einem dumpfen Aufschlag landete er zwischen zwei Erdhügeln eines Maulwurfdorfes. Eine riesige Staubwolke und Gras wirbelte auf. Die Dorfbewohner indess reckten geschockt ihre Nasen aus ihren Erdhügeln. Ein Erdbeben musste es gewesen sein! Das merkwürdige war nur, die Erschütterungen kamen von oben. Als sich der Staub langsam legte, erkannten sie ihren Artgenossen am Boden liegen und umringten ihn. Der Älteste im Dorf, der außerdem Arzt war, untersuchte den Verunglückten und stellte zur allgemeinen Erleichterung fest, dass dieser nur ohnmächtig war. Er ließ drei Eimer kaltes Wasser holen, die man dem Daliegenden ins Gesicht schüttete.
Verwirrt kam Bo zu sich und hielt sich stöhnend den Kopf. Inzwischen war auch der Adler gelandet und hielt sich respektvoll im Hintergrund. Bo rieb sich die Augen und schaute verdutzt in mindestens fünfzig Maulwurfgesichter die genauso verdutzt zurückstarrten. „Wie komme ich denn hierher“, fragte er unsicher und blinzelte ungäubig. Der Adler räusperte sich und trat hervor: „Wir machten einen kleinen Rundflug. Sie wollten ihre Verwandten sehen.“ Die Maulwurfsgemeinde schüttelte verständnislos den Kopf. Wieso flog ein Verwandter durch die Luft anstatt, wie es jeder normale Maulwurf tat, sich durch die Erde zu wühlen um die Verwandtschaft zu treffen. Einer schlug sich die Schaufelhände vor´s Gesicht und rief: „ Da können sie ihrem Schöpfer von Herzen danken, dass wir alle ein so dickes Fell besitzen. Alle Knochen hätten sie sich brechen und jetzt tot sein können! Wie leichtsinnig, wie dumm von ihnen!“

Es ist nicht überliefert, was Bo der Dorfgemeinschaft erwiderte, aber man hat seitdem nie wieder einen nörgelnden, jammernden und auch bis heute keinen fliegenden Maulwurf mehr gehört und gesehen und wenn doch, so bitten wir um Benachrichtigung!

ENDE
 
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Kommentare  

Ein ganz bezauberndes Märchen. Da wird man wieder jung und fühlt sich wie ein Kind. Ich habe alles bildhaft vor mir gesehen.

Evi Apfel (11.10.2016)

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