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Enttäuschung [Gedanken]

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Becci
[als Reaktion auf Gwennys comment zu meinem gleichnamigen Gedicht... nein, keine Sorge ich bin ein friedliebender Mensch *gg* Sei ruhig weiterhin mutig, ich nehme dir das nicht übel. Es hilft auch, einem selbst klar zu werden, was das Gedicht ausdrückt und zeigt was andere Menschen dabei empfinden. danke.]


Enttäuschung, vertauschen, sich in einem Menschen täuschen.
Da kommt es ja schon: SICH täuschen.
Sich selbst ein Bild von einem Menschen malen, es im Laufe der Zeit vielleicht immer mal wieder korrigieren, um es am Ende am Boden liegend vorzufinden. Zerstört, zerfetzt, mit Eselsohren, die einem fast schadenfroh entgegen knicken. Vielleicht war es ein Phantasiebild, vielleicht Wunschbild und Schönmalerei?
Vielleicht hat dir aber dieser Mensch die Farben zu diesem Bild gegeben und du kannst nichts dafür, dass das Bild so war wie es war. Aber es war nun einmal so und jetzt - jetzt musst du feststellen, dass unter den Fetzen des Bildes ein anderes verborgen liegt, eines das du übermalt hast, nicht sehen wolltest? Oder welches der Mensch vor dir versteckt hat?
So oder so. Es ist nun jedenfalls auf einmal da. Oder vielleicht aber auch erst nach und nach. Und dieses Bild entspricht nicht deinen Erwartungen. Auch wenn der Portraitierte dir immer wieder gesagt hat, dass du keine Erwartungen an ihn stellen sollst. Es bleibt immer noch der Wunsch nach Freundschaft, Sicherheit und einem gewissen Gefühl, das sich Vertrauen nennt. Ich kann eben nicht sagen, dass ich nichts erwarte, man erwartet immer was.
Und dann steht man vor diesem Bild, das man nie wahrhaben wollte und das so gar nicht zu dem eigenen inneren Bild von diesem Menschen passt. Man ist enttäuscht.
Ent-täuscht.
Die Täuschung ist weg und deine Augen öffnen sich der Wahrheit und dem wirklichen Bild.
Wo ist die Freundschaft? Wo die Sicherheit, die du brauchst? Wo ist das Vertrauen, das du in dieses Bild gesetzt hast? Es ist mit dem Bild zerbrochen. Man sagt dann, man hätte sich in einem Menschen geirrt. Aber vielleicht hat man sich auch irren lassen?
Schuld, wer trägt die Schuld? Ich, weil ich mich habe blenden lassen oder weil ich die Wahrheit einfach nicht wahrhaben wollte? Weil ich Erwartungen stellte, obwohl dieser Mensch gesagt hat, ich solle nichts von ihm erwarten um nicht enttäuscht zu werden - doch ist dies ein Freischein? Gewarnt hat er vor sich, ich solle ihm nicht zu nahe kommen, denn er hätte Angst mir weh zu tun. Er wisse, er würde mir weh tun, irgendwann. Ist es also MEIN Fehler, dass ich ihm trotzdem vertraut habe, dass ich um und für ihn gekämpft habe, für seinen Lebensmut, dass ich an das Gute geglaubt habe, an unsere Freundschaft, an einen Sandkorn der Ewigkeit?
Da glitzert der Tropfen Wahrheit. Was fange ich damit an? Streiche ich ihn weg, wie die Tränen von meinem Gesicht? Oder ist er farbig und malt mir einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft? Perlt er langsam an der Fensterscheibe des Lebens herab, um letztendlich wieder vom Winde verweht zu werden?
Meine Augen sind wieder klar und sehen die Trümmer der Enttäuschung. Alles was war und was ist liegt nun wie befreit von einem Schleier vor mir. Kann ich damit leben? Mit dem neuen Bild, der Wahrheit und der Ernüchterung?

Ist nicht die Freundschaft mit dem alten Bild zerbrochen und mit ihm ein kleiner Teil meines Herzens? Enttäuschung. Zu groß, zu schwer, nicht zu tragen...



[Hinzufügung:
Die Frage nach der Schuld lässt sich nicht immer beantworten, denn jeder trägt einen Teil zur Gesamtheit bei. Wer hat die Schuld am Krieg in Afghanistan? Es gibt kein Gut und kein Böse. Vielleicht ein But und ein Göse, aber mehr nicht. Kannst du denn sagen, was von beiden du bist?]
 
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Kommentare  

Am Anfang eine etymologische Erklärung, gefolgt von Metaphorie, rhetorische Fragen (auch mit Methaphern versehen) und ein Schlussbild. Perfekt.
Zwar keine richtige 'Story' (auch kein Gedicht oder dergleichen), aber (wie man schon schrieb) etwas philosophisches, ein Gedanke eben. Dazu noch ein ausformulierter.

Sehr gut.


Redfrettchen (27.03.2004)

Vielleicht ist es ja auch andersherum.
Vielleicht ist es nicht so, daß man einen Menschen trifft, ihn kennenlernt & dann ein Bild entwickelt, daß dann irgendwann zerbricht.
Vielleicht ist es eher so, daß man das Bild von Jemandem in sich trägt, den man zur Zeit braucht, dann trifft man jemanden und legt dieses Bild, auf denjenigen, wer auch immer es sein mag.
Man legt sich mit der Zeit immer neue Ausreden & Erklärungen zurecht, warum das Bild nicht ganz mit dem übereinstimmt, daß man gerne hätte, verändert es immer mehr bis es gar nicht mehr mit dem eigenen Ursprungsbild zu tun hat.
Dann, ganz plötzlich erinnert man sich wieder an diesen Jemand, den man so dringend gebraucht hat und eigentlich immer noch braucht, aber der reale Mensch, den man da gefunden hat, ist wie man jetzt feststellt jemand völlig Anderes.
Eben genau das: Ein realer Mensch, mit Fehlern & Schwächen.
Nicht so wie das Bild von Dem, daß man in sich trägt.
Und dann steht man vor der Wahl, damit zufrieden zu sein, was man hat oder nach dem Bild, das man in sich trägt, in der Außenwelt zu suchen...


Marcel (04.04.2003)

Hi Becci

Da sagst Du im Forum, Du seist unsicher in Bezug auf Deine Texte.
Wegen diesem hier kannst Du alle Unsicherheit fahren lassen.
Er ist in sich schlüssig, reif und zeugt eher davon, dass jemand sich durchaus mit dem Leben auseinandersetzt, ohne dabei Enttäuschungen soviel Raum zu geben, dass sie das Lebensgefühl nachhaltig und sogar auf Dauer beeinflussen.
Also weiter so, das wird mit Sicherheit immer besser.
Man darf traurig sein, wenn etwas, das man auf Dauer anlegen wollte, auf der Strecke bleibt, aber auch Trauer hat ihre begrenzte Zeit.

Gruss Lies


Lies (16.03.2003)

So ersteinmal zu dem Text. Ich finde das du wirklich Talent zu schreiben hast. Du hast ihn sehr eindringlich geschriebn, ich habe ihn geregel recht verinnerlicht.
5 Punkte

So jetzt noch einmal zu Gwenhwyfar

Ich meine du hast zwar auf eine Seite recht, aber nicht jeder sucht sich die Opferrolle aus.
Wenn man auf der Strasse überfallen wird und körperlich nicht in der Lage ist sich zu wehren. Was ist denn dann?
Selbst wenn man Kampfsport macht, ist es noch lange Garantie dafür, das man sich wehren kann wenn es darauf ankommt.
Weißt was man für Änsgte durchsteht, wenn so etwas passiert und gegen diese muss man erst einmal ankommen.
Willst du dem Kind, die Mitschuld geben, wenn es von einem Elternteil vergewaltigt wird? Dieses Kind kann sich nicht wehren, weil es denkt oder auch eingetrichter bekommt, das es Liebe ist. Die Eltern sind nun einmal die wichtigsten Personen in der Erwicklung eines Kindes.
Du könntest einem Opfer auch die Schuld daran geben, das er den Täter nicht anzeigt, aber hast du schon einmal über eine Vergewaltigung geredet? Bei einer Anzeige muss die Geschichte ja nicht einmal erzählen sondern mehrmals.
Wie mein Vorgänger auch schon sagte, trifft man bei unsere Gesellschaft nicht gerade oft auf ein offenes Ohr. Dann wird man liebe als Lügnerin oder sogar als Hure (man hat es ja darauf angelegt) bezeichnet, als das jemand hilft. Solche Themen werden leider immer noch lieber totgeschwiegen.
Eins sage ich ganz offen, ich bin Mitschuld daran, das mir so etwas mehrfach angetan wurde, weil ich mir die Opferrolle ausgesucht habe. Ich habe nichts unternommen, das es aufhört.


Judy (08.03.2003)

oh ha, Gwenhwyfar
also ich muß sagen das sehe ich überhaupt nicht so. das was du da sagst so hart wie es auch klingen mag ist typisch Klischeehaft für die deutschen und das was die Gesellschaft sich wünscht oder besser gesagt wie sie es gerne hätten und es so haben wollen. Es ist nämlich nicht immer so das sich die Opfer wehren können, nicht jede Frau kann Kampfsport und auch nicht jeder Mann kann sich wehren wenn er vergewaltigt werden sollte, denn das gibt es auch.
Und nicht jede Vergewaltigung geschieht mehrfach oder dauern, es gibt auch vergwaltigungen die geschehen nur ein einziges mal. Oder wie sieht es aus mit der vergewaltigung Schutzbefohlener.Können die sich wehren, oder können die sich jemandem unbedingt anvertrauen? Meistens nicht, da es nicht in unsere Welt oder bnesser gesagt Gesellschaft passt. Meine Meinung zum Text ist der das er sehr gut ist und voll in ordnung so geht und ein Thema anpackt das sehr gerne von unserer Gesellschaft totgeschwiegen wird. Deshalb von mir 5 Punkte


Ingo (08.03.2003)

Solch eine Entäuschung habe ich selbst schon erleben müssen. Es tut immer weh, aber ich denke, es sind schmerzhafte Erfahrungen, die man im Leben immer wieder machen wird. Ich weiß, dass klingt wie die alltägliche Floskel, wie man sie immer zu solchen Themen hernimmt, aber es sind immer die Dinge, die weh tun, über die man sich Kopfzerbrechen macht. Leider!
Schöner Text!


Marco Frohberger (24.02.2003)

Besonders gut gefielen mir die Darstellungen von SICH täuschen und ENTtäuschen. Seltsam...da benutzt man diese Worte ein Leben lang und es muss erst ein siebzehnjähriges Schulmädchen daher kommen und einen über die wahre Bedeutung aufklären.
Eine ausgesprochen erwachsene Beurteilung, zwar mit Trauer versetzt aber ohne Bitterkeit.

Gwenny: PMS??


Stefan Steinmetz (19.02.2003)

Oh - ich als Inspirationsquelle für Geschichten? Das kommt davon, liebe Autorin, dass Du auch immer so verflixt schwierige Themen auswählst. Schade, dass es hier keinen Extra-Thread "Philosophisches" gibt - da würden Deine Werke gut hineinpassen...
"But" und "Göse" sind mir zwar nicht bekannt (*gg*), aber mit Gut und Böse habe ich's auch nicht so. "Gut" und "Gut gemeint, aber dumm gelaufen" trifft es schon eher. Ich glaube kaum, dass ein Mensch mit der Intention, Böses tun zu wollen, Bockmist baut..
Tja, Schuld oder Unschuld ist eigentich nicht die Frage. Tatsache ist: Es ist IMMER Schuld von beiden Seiten vorhanden (auch, wenn zumindest immer eine ihre Mitschuld weit von sich weist). Der Täter ist Schuld, das ist wohl klar. Aber das Opfer ist insofern mit Schuld, als es sich die Opferrolle ausgesucht und die Tat an sich zugelassen hat. Klingt hart? Ja. Zum konkreten Beispiel in Deiner Geschichte: Ein Mensch, auch ein Freund, dreht sich nicht von jetzt auf gleich um 180 Grad. Es müssen schon vorher Anzeichen dagewesen sein; Anzeichen, das nicht alles so ist, wie es scheint. Kleine, subtile, aber nichts desto trotz vorhandene Anzeichen. In diesem Fall liegt die Mitschuld darin, dass man sich um die Erkenntnis herumgedrückt hat, dass man Zweifel niedergeknüppelt und weggefegt hat, um weiterhin die rosarote Brille auf der Nase behalten zu können. Es gibt dazu ein Sprichwort: "Gott ist in seinem Himmel, und die Welt ist in Ordnung". - Friede, Freude, Eierkuchen. Es wird schon nix sein. Und wenn doch, ist immer noch Zeit genug, sich darum zu kümmern. Zumindest aber entrüstet von sich zu weisen, man habe das VIELLEICHT schon ahnen können...
5 Pte.


Gwenhwyfar (19.02.2003)

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